Entscheidungstext 10ObS37/05x

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

infas 2005,151/S44 - infas 2005 S44= RdW 2005,710 = SSV-NF 19/29

Geschäftszahl

10ObS37/05x

Entscheidungsdatum

26.04.2005

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Dr. Reinhard Drössler (aus dem Kreis der Arbeitgeber) Eva Maria Florianschütz (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Hannes K*****, vertreten durch Dr. Erwin Fidler, Rechtsanwalt in Hartberg, gegen die beklagte Partei Allgemeine Unfallversicherungsanstalt, 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, wegen Versehrtenrente, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 16. Februar 2005, GZ 7 Rs 8/05h-14, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Rechtliche Beurteilung

Nach § 502 Abs 1 ZPO ist die Revision gegen das Urteil des Berufungsgerichts nur zulässig, wenn die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Prozessrechts abhängt, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt, etwa weil das Berufungsgericht von der Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes abweicht oder eine solche Rechtsprechung fehlt oder uneinheitlich ist.

Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt.

Im Revisionsverfahren ist allein strittig, ob der Verkehrsunfall des Klägers vom 28. 10. 2003 - wie dieser meint - als Arbeitsunfall iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG (Wegunfall) zu beurteilen ist. Fest steht, dass der in Graz beschäftigte Kläger mit seinem PKW zu einem Fortbildungsseminar in die Zentrale seines Dienstgebers unterwegs war. Dabei benützte er nicht den direkten Weg von Graz nach Wels (durch den Bosrucktunnel), sondern befuhr - im Rahmen eines 165 km langen Umweges (bzw: Abweges [vgl Tomandl, SV-System 13. Erg-Lfg, Kap 2.3.2.4.1.6.G.c, Seite 316 f mwN]) - ua auch die A 10 Richtungsfahrbahn Salzburg im Gemeindegebiet von Golling, wo sich der Verkehrsunfall ereignete. Der Umweg kam dadurch zustande, dass sich der Kläger nicht um die Fahrtroute kümmerte und ungeprüft den - unrichtigen - Anweisungen einer bei ihm mitfahrenden Arbeitskollegin folgte, ohne selbst einen Blick auf die im PKW mitgeführte Straßenkarte zu werfen.

Nach § 175 Abs 2 Z 1 erster Halbsatz ASVG sind Arbeitsunfälle auch Unfälle, die sich auf einem mit der Beschäftigung zusammenhängenden Weg zur oder von der Arbeits- oder Ausbildungsstätte ereignen. Grund des Schutzes ist der Umstand, dass es der Versicherte nicht vermeiden kann, sich den Weggefahren auszusetzen, will er seiner Erwerbstätigkeit nachgehen. Er darf allerdings das der Unfallversicherung durch den Gesetzgeber auferlegte Wegrisiko nicht ohne besonderen Grund verändern (Tomandl, Grundriß5 Rz 204 Abs 4, Seite 135).

Unter Unfallversicherungsschutz steht daher nach stRsp und Lehre grundsätzlich nur der (streckenmäßig oder zeitlich) kürzeste Weg zwischen Arbeitsstätte und Wohnung (SSV-NF 13/137; RIS-Justiz RS0084380; RS0084838; zuletzt: 10 ObS 5/05s). Diesem Gedanken liegen Gesichtspunkte der Gefahrtragung für die örtlich verschobene Risikosphäre insofern zu Grunde, als durch einen Um- oder Abweg im Allgemeinen und durch eine erhebliche Verlängerung der Wegstrecke im Besonderen in den meisten Fällen eine vermeidbare Gefahrenerhöhung eintritt (SSV-NF 13/137; Tomandl, Grundriß5 aaO; Tomandl, SV-System aaO).

Nur ausnahmsweise hat die Unfallversicherung für Unfälle während örtlicher oder zeitlicher Abweichungen einzustehen; nämlich dann, wenn der an sich kürzeste Weg zur oder von der Arbeitsstätte (Ausbildungsstätte) unter Bedachtnahme auf das benützte private oder öffentliche Verkehrsmittel entweder überhaupt nicht (zB wegen einer Verkehrssperre) oder nur unter vor allem für die Verkehrssicherheit wesentlich ungünstigeren Bedingungen (zB Witterungs-, Straßen- und Verkehrsverhältnisse) benützt werden oder der Versicherte solche für die tatsächlich gewählte Strecke sprechende Bedingungen wenigstens annehmen konnte (10 ObS 282/98p = SSV-NF 12/149; RIS-Justiz RS0084927; Tomandl, Grundriss5 aaO; und Tomandl, SV-System aaO, insb FN 64a mit Hinweis auf „SSV-NF 12/49" [richtig: 12/149], wonach etwa „bei einem Umweg auf einer nicht vignettenpflichtigen Straße, die für Motorradfahrer besonders reizvoll ist, kein Unfallversicherungsschutz" besteht).

Ob diese Voraussetzungen für einen Versicherungsschutz auf Umwegen vorliegen, hängt von den jeweiligen Umständen des Einzelfalles ab (10 ObS 46/01i = SSV-NF 15/34 = RIS-Justiz RS0084380 [T6] = RS0084838 [T4]; Teschner/Widlar 87. Erg-Lfg § 175 ASVG, Seite 932/8). Wenn die Vorinstanzen angesichts der eingangs dargestellten Sachlage den Unfallversicherungsschutz iSd § 175 Abs 2 Z 1 ASVG verneint haben vergleiche insb den bereits zitierten, zu 10 Ob 282/98p mit ausführlicher Begründung entschiedenen Fall [Kein Unfallversicherungsschutz für einen 40 km langen Umweg auf der etwa gleich langen Strecke Bruck - Graz, weil auf das „individuelle Vergnügen" des Versicherten beim Befahren einer besonders für Motorradfahrer reizvollen Strecke auf Kosten der Versichertengemeinschaft nicht Rücksicht genommen werden kann]), haben sie den ihnen bei dieser Entscheidung eingeräumten Ermessensspielraum jedenfalls nicht überschritten. Das Berufungsgericht hat daher zu Recht ausgesprochen, dass die Revision nach § 502 Abs 1 ZPO nicht zulässig ist.

Demgemäß gesteht der Revisionswerber auch ausdrücklich zu, dass das Berufungsgericht die von der Judikatur des Obersten Gerichtshofes herausgearbeiteten Grundsätze „auch rechtsrichtig dargestellt hat" und beruft sich zur Zulässigkeit des vorliegenden außerordentlichen Rechtsmittels lediglich darauf, dass „mit Tomandl, Sozialrecht, 2. Auflage" darauf hingewiesen werde, es müsste auch der mittelbare Bereich (von Tätigkeiten, die nicht unmittelbare Berufsausübung seien, aber dennoch nur wegen der Erwerbstätigkeit des Versicherten gesetzt würden) zur Risikosphäre der Unfallversicherung zählen, und dass einer Lockerung der insoweit zurückhaltenden Rsp, wonach nur der kürzeste Weg dem Versicherungsschutz „anheim fällt" für eine Vielzahl von Versicherten rechtserhebliche Bedeutung iSd § 502 Abs 1 ZPO zukäme.

Wenngleich letzteres zweifellos zutrifft, werden die eingangs dargestellten, in der zitierten Bestimmung normierten Voraussetzungen der Revisionszulässigkeit im vorliegenden Rechtsmittel nicht einmal ausreichend behauptet: Auch Tomandl, auf dessen Ausführungen (in Sozialrecht, 2. Auflage [!], Seite 95) sich der Kläger stützt, vertritt in den aktuellen Auflagen seiner bereits wiederholt zitierten Werke nämlich den dargestellten, mit der stRsp des erkennenden Senates in Einklang stehenden Standpunkt.

Einer weiteren Begründung bedarf dieser Beschluss nicht.

Textnummer

E77176

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2005:010OBS00037.05X.0426.000

Im RIS seit

26.05.2005

Zuletzt aktualisiert am

11.02.2011

Dokumentnummer

JJT_20050426_OGH0002_010OBS00037_05X0000_000

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