Entscheidungstext 10ObS110/14w

Gericht

OGH

Dokumenttyp

Entscheidungstext

Rechtsgebiet

Zivilrecht

Fundstelle

ARD 6423/15/2014 = Jus-Extra OGH-Z 5696 = ZAS‑Judikatur 2015/14 = RdW 2015/177 S 182 - RdW 2015,182 = DRdA‑infas 2015/50 S 38 - DRdA‑infas 2015,38 = SSV-NF 28/55

Geschäftszahl

10ObS110/14w

Entscheidungsdatum

30.09.2014

Kopf

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten Dr.

 Hradil als Vorsitzenden, die Hofräte Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter Mag. Dr. Wolfgang Höfle (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und Ing. Thomas Bauer (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei R*****, vertreten durch MMag. Eva Kathrein, Rechtsanwältin in Innsbruck, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, wegen Pensionserhöhung, über die außerordentliche Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 23. Juli 2014, GZ 23 Rs 21/14f-23, den

Beschluss

gefasst:

Spruch

Die außerordentliche Revision wird gemäß Paragraph 508 a, Absatz 2, ZPO mangels der Voraussetzungen des Paragraph 502, Absatz eins, ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung:

Der Kläger, ein deutscher Staatsangehöriger mit Wohnsitz in Deutschland, bezieht von der beklagten Pensionsversicherungsanstalt eine Invaliditätspension samt Kinderzuschuss.

Mit Bescheid vom 5. 11. 2013 sprach die beklagte Partei aus, dass die Pension des Klägers ab 1. 1. 2013 mit dem Faktor 1,018 vervielfacht werde, sodass diese ab 1. 1. 2013 70,86 EUR monatlich zuzüglich eines Kinderzuschusses für drei Kinder von 87,21 EUR, insgesamt daher 158,07 EUR monatlich, betrage.

Das Erstgericht wies die vom Kläger dagegen rechtzeitig erhobene und auf eine Vervielfachung der Pension ab 1. 1. 2013 mit dem Faktor 1,028 anstelle des Faktors 1,018 gerichtete Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der von der beklagten Partei angewendete Vervielfachungsfaktor von 1,018 ab 1. 1. 2013 entspreche den gesetzlichen Vorgaben von Paragraph 108 h, Absatz eins, erster Satz und Absatz 5, ASVG in Verbindung mit Paragraph 666, Absatz 3, ASVG in der Fassung des Stabilitätsgesetzes 2012. Der Umstand, dass Ausgleichszulagen mit einem höheren Faktor als die Pensionsleistungen vervielfacht werden, stelle keine Diskriminierung des Klägers dar, da es sich bei Pensionsleistungen und Ausgleichszulage um unterschiedliche Leistungen mit unterschiedlichem Rechtscharakter und unterschiedlichen Anspruchsvoraussetzungen handle.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung. Es führte im Wesentlichen aus, dass die Pensionen aus der Pensionsversicherung gemäß Paragraph 108 h, Absatz eins, ASVG mit Wirksamkeit ab 1. Jänner eines jeden Jahres nach dem vom Bundesminister für Soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz für jedes Kalenderjahr mit Verordnung festzusetzenden Anpassungsfaktor (Paragraph 108 f, ASVG) zu vervielfachen seien. Durch Paragraph 666, Absatz 3, ASVG in der Fassung des 2. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl römisch eins 2012/35, sei jedoch festgelegt worden, dass abweichend von Paragraph 108 h, Absatz eins, erster Satz ASVG die Pensionen unter anderem im Kalenderjahr 2013 so zu erhöhen seien, dass der Anpassungsfaktor iSd Paragraph 108 f, ASVG im Kalenderjahr 2013 um einen Prozentpunkt (0,01) reduziert werde. Da der Anpassungsfaktor für 2013 1,028 betragen habe vergleiche BGBl römisch II 2012/387), bedeute dies für die Pension des Klägers einen Vervielfachungsfaktor von 1,018, wie er von der beklagten Partei zutreffend - und vom Kläger in seiner Berufung inhaltlich auch nicht mehr bekämpft - ermittelt worden sei.

Soweit der Kläger eine - nach seiner Auffassung unionsrechtlich unzulässige - Diskriminierung gegenüber Ausgleichszulagenbeziehern behaupte, weil die Ausgleichszulagenrichtsatzbeträge gemäß Paragraph 293, Absatz 2, in Verbindung mit Paragraph 108 f, ASVG mit dem durch das 2. Stabilitätsgesetz 2012 ungekürzten Anpassungsfaktor von 1,028 für 2013 erhöht worden seien, sei ihm Folgendes entgegenzuhalten:

Die Ausgleichszulage stelle eine Zusatzleistung zur Pension dar, die unabhängig von Beitragshöhe oder Versicherungsdauer ausbezahlt werde und ein vom Gesetzgeber garantiertes Mindesteinkommen im Pensionsalter darstelle, also wohl funktionell eine Art Mindestpension, rechtlich jedoch eindeutig als Leistung mit Fürsorgecharakter konzipiert sei. Aus unionsrechtlicher Sicht handle es sich nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs vergleiche EuGH 19. 9. 2013, Rs C-140/12, Brey, Rn 33 ff; 29. 4. 2004, Rs C-160/02, Skalka, Rn 22 ff) bei der Ausgleichszulage - anders als bei der Invaliditätspension, die der Kläger beziehe - um keine Leistung bei Invalidität iSd Artikel 3, Absatz eins, Litera c, VO (EG) Nr 883/2004, sondern um eine beitragsunabhängige Geldleistung iSd Artikel 3, Absatz 3, VO (EG) Nr 883/2004 in Verbindung mit Anh römisch zehn (früher: beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Artikel 4, Absatz 2 a, VO [EWG] Nr 1408/71). Die Ausgleichszulage sei danach als eine Sonderleistung einzustufen, weil sie die Alters- oder Invaliditätsrente ergänze und Sozialhilfecharakter habe, soweit sie dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleisten solle sowie nach objektiven, gesetzlich festgelegten Kriterien gewährt werde. Die Ausgleichszulage sei weiters beitragsunabhängig, weil die Ausgaben einerseits zunächst von einem Sozialhilfeträger übernommen und diesem dann in voller Höhe vom betreffenden Bundesland erstattet werden, das die zur Finanzierung der Leistung erforderlichen Beträge aus dem Bundeshaushalt erhalte und andererseits die Beträge der Versicherten zu keiner Zeit in diese Finanzierung einbezogen werden. Die Ausgleichszulage, die also dem Empfänger im Falle einer unzureichenden Rente ein Existenzminimum gewährleiste, werde ohne jeden Beitrag des Versicherten vollständig durch die öffentliche Hand finanziert (EuGH Rs C-140/12, Brey, Rn 62; Rs C-160/02, Skalka, Rn 79).

Auch der Oberste Gerichtshof gehe in seiner ständigen Rechtsprechung davon aus, dass es sich bei der Ausgleichszulage um eine beitragsunabhängige Geldleistung iSd Artikel 3, Absatz 3, VO (EG) Nr 883/2004 bzw (früher) um eine beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Artikel 4, Absatz 2 a, VO (EWG) Nr 1408/71 handle, auf die ausschließlich die durch Artikel 70, VO (EG) Nr 883/2004 (früher: Artikel 10 a, VO [EWG] Nr 1408/71) geschaffene Koordinierungsregelung anzuwenden sei. Nach dieser Koordinierungsregelung seien die beitragsunabhängigen Geldleistungen bzw Sonderleistungen nur vom jeweiligen Wohnsitzmitgliedstaat zu gewähren. Dies bedeute, dass auch aufgrund unionsrechtlicher Bestimmungen keine Verpflichtung zum Export der Ausgleichszulage in einem anderen EU-Mitgliedstaat bestehe. Artikel 70, Absatz 4, VO (EG) Nr 883/2004 schließe den Leistungsexport vielmehr insoweit aus (10 ObS 139/06y; 10 ObS 83/04k; RIS-Justiz RS0116260 [T1]; Fuchs, Europäisches Sozialrecht6 Artikel 70, Rz 19 ua).

Da somit die Ausgleichszulage als beitragsunabhängige Geldleistung iSd Artikel 3, Absatz 3, VO (EG) Nr 883/2004 - anders als die Invalidenrente des Klägers - eine nicht exportierbare Leistung im Anwendungsbereich der VO (EG) Nr 883/2004 darstelle, könnten die Leistungen auch nach unionsrechtlichen Grundlagen nicht miteinander verglichen werden. Es sei daher einerseits möglich, dass die österreichische Rechtslage für den Bezug der Ausgleichszulage einen inländischen Aufenthalt (Wohnsitz) voraussetze, ohne gegen das allgemeine Diskriminierungsverbot des Artikel 18, AEUV zu verstoßen. Andererseits könne die österreichische Rechtslage andere Voraussetzungen zB für eine Anpassung zum Ausgleich des allgemeinen Geldwertverfalls vorsehen, ohne durch diese unterschiedliche Ausgestaltung in Konflikt mit Artikel 18, AEUV zu geraten.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision im Hinblick auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig sei.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinn einer Stattgebung des Klagebegehrens abzuändern. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist im Hinblick auf die bereits vom Berufungsgericht zitierte und bei seiner Entscheidung berücksichtigte höchstgerichtliche Rechtsprechung nicht zulässig.

Den Revisionsausführungen ist ergänzend noch Folgendes entgegenzuhalten:

1. Mit dem 2. Stabilitätsgesetz 2012, BGBl römisch eins 2012/35, war als Beitrag der Pensionisten und Pensionistinnen zum sogenannten „Stabilitätspaket“ beschlossen worden, dass die Pensionserhöhung für 2013 um einen Prozentpunkt unter dem Anpassungsfaktor erfolgt (Paragraph 663, Absatz 3, ASVG). Da der Anpassungsfaktor 2,8 % betrug, wurden alle Pensionen einheitlich um 1,8 % erhöht.

2. Paragraph 293, Absatz 2, ASVG regelt die regelmäßige (automatische) Anpassung der Ausgleichszulagenrichtsätze. Diese hat zu Beginn eines jeden Kalenderjahres mit dem Anpassungsfaktor nach Paragraph 108 f, ASVG zu erfolgen. Die Ausgleichszulagenrichtsätze wurden für das Jahr 2013 mit dem Anpassungsfaktor um 2,8 % erhöht.

2.1 In der Vergangenheit wurden die Richtsätze aber häufig (ad-hoc) mit einem höheren Faktor angepasst. Dies hat im Verein mit anderen Maßnahmen bewirkt, dass in den letzten 20 Jahren die Ausgleichszulagenrichtsätze etwa doppelt so stark gestiegen sind wie die Pensionsanpassung im gleichen Zeitraum. Derartige soziale Staffelungen begegnen grundsätzlich keinen verfassungsrechtlichen Bedenken (Pfeil in SV-Komm Paragraph 293, ASVG Rz 4 mwN).

3. Bei der Ausgleichszulage handelt es sich nach der bereits vom Berufungsgericht zitierten einheitlichen Rechtsprechung des EuGH und des Obersten Gerichtshofs um eine beitragsunabhängige Sonderleistung iSd Artikel 4, Absatz 2 a, VO (EWG) Nr 1408/71 in Verbindung mit Anh römisch II a dieser Verordnung bzw um eine beitragsunabhängige Geldleistung iSd Artikel 3, Absatz 3, VO (EG) Nr 883/2004 in Verbindung mit Anh römisch zehn dieser Verordnung, welche nach Artikel 10 a, VO (EWG) Nr 1408/71 bzw Artikel 70, VO (EG) Nr 883/2004 nicht in einen anderen EU-Mitgliedstaat zu exportieren ist vergleiche auch 10 ObS 181/10f, ZAS 2013/7, 39 [Kohlbacher] mwN ua). Der Kläger hat daher unbestritten keinen Anspruch auf Gewährung der Ausgleichszulage.

4. Soweit der Kläger eine - nach seiner Auffassung unionsrechtlich unzulässige - Diskriminierung gegenüber Ausgleichszulagenbeziehern darin erblickt, dass die Ausgleichszulagenrichtsatzbeträge gemäß Paragraph 293, Absatz 2, ASVG in Verbindung mit Paragraph 108 f, ASVG für 2013 mit dem ungekürzten Anpassungsfaktor von 1,028 erhöht wurden, haben bereits die Vorinstanzen unter Hinweis auf die zitierte höchstgerichtliche Rechtsprechung dargelegt, dass es sich bei der Invaliditätspension des Klägers um eine (auch) beitragsabhängige Leistung der sozialen Sicherheit bei Invalidität iSd Artikel 3, Absatz eins, Litera c, VO (EG) Nr 883/2004 handelt, während die Ausgleichszulage eine beitragsunabhängige Geldleistung gemäß Artikel 3, Absatz 3, in Verbindung mit Artikel 70, VO (EG) Nr 883/2004 darstellt. Es handelt sich somit bei der Invaliditätspension des Klägers und bei der Ausgleichszulage auch unionsrechtlich um unterschiedliche Leistungen, die nicht von vornherein notwendigerweise eine Gleichbehandlung erfordern.

4.1 Bei der Ausgleichszulage handelt es sich, wie der EuGH bereits festgestellt hat, um eine Leistung, die dem Empfänger im Fall einer unzureichenden Pension ein Existenzminimum gewährleisten soll (EuGH 29. 4. 2004, Rs C-160/02, Skalka, Rn 26). Mit dieser Leistung wird daher ein legitimes Ziel der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten verfolgt, das nichts mit einer Diskriminierung aufgrund des Geschlechts gemäß Artikel 4, Absatz eins, RL 79/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit zu tun hat. Die Gewährung eines Einkommens in Höhe des sozialen Minimums bildet vielmehr einen integrierenden Bestandteil der Sozialpolitik der Mitgliedstaaten vergleiche EuGH 11. 6. 1987, Rs C-30/85, Teuling, Rn 15 ff).

5. Es liegt daher entgegen der Rechtsansicht des Klägers keine unzulässige Diskriminierung aufgrund des Geschlechts iSd Artikel 4, Absatz eins, RL 97/7/EWG des Rates vom 19. 12. 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit vor, weil alle Pensionen für 2013 einheitlich um 1,8 % erhöht wurden. Es liegt aber auch keine unzulässige Diskriminierung aufgrund der Staatsangehörigkeit iSd Artikel 18, AEUV vor, weil auch ein österreichischer Pensionsbezieher, der beispielsweise wegen Bezugs einer zwischenstaatlichen Teilleistung, einer weiteren Pensionsleistung, wegen der Pension oder des Einkommens seines Ehepartners udgl keinen Anspruch auf Ausgleichszulage hat, für das Jahr 2013 - so wie der Kläger - nur Anspruch auf Pensionserhöhung um 1,8 % hat. Soweit der Kläger im Zusammenhang mit der Pensionserhöhung für 2013 schließlich auch einen Verstoß gegen das Recht auf Freizügigkeit iSd Artikel 21, Absatz eins, AEUV und der „Freizügigkeitsrichtlinie“ RL 2004/38/EG geltend macht, sind seine Ausführungen für den erkennenden Senat nicht nachvollziehbar.

6. Da sich das Berufungsgericht bei seiner Entscheidung somit auf bereits vorliegende, einheitliche höchstgerichtliche Rechtsprechung stützen konnte und vom Kläger in seinen Revisionsausführungen keine erhebliche Rechtsfrage iSd Paragraph 502, Absatz eins, ZPO aufgezeigt wird, war die außerordentliche Revision zurückzuweisen.

Schlagworte

Sozialrecht

Textnummer

E108840

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:OGH0002:2014:010OBS00110.14W.0930.000

Im RIS seit

31.10.2014

Zuletzt aktualisiert am

12.10.2016

Dokumentnummer

JJT_20140930_OGH0002_010OBS00110_14W0000_000

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