Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

04.03.2024

Geschäftszahl

Ra 2024/08/0022

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Dipl.-Ing. R B in W, vertreten durch die Dax Wutzlhofer und Partner Rechtsanwälte GmbH in 1030 Wien, Zaunergasse 4-6, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 2. Jänner 2024, W238 2278372-1/7E, betreffend Zeiten der knappschaftlichen Pensionsversicherung gemäß Paragraph 15, ASVG (mitbeteiligte Partei: H GmbH in W; belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau; weitere Partei: Bundesminister für Soziales; Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz), den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1             Der Revisionswerber stellte am 18. Juli 2022 bei der Versicherungsanstalt öffentlich Bediensteter, Eisenbahnen und Bergbau (im Folgenden: BVAEB) einen Antrag auf bescheidmäßige Feststellung von Zeiten der Verrichtung wesentlich bergmännischer oder ihnen gleichgestellter Arbeiten im Sinn des § 15 Abs. 1 iVm Anlage 9 ASVG im Zeitraum von 1. April 1999 bis 30. April 2017, im Zuge des Verfahrens eingeschränkt auf den Zeitraum 1. April 1999 bis 31. August 2013.

2             Die BVAEB wies den Antrag mit Bescheid vom 14. Juni 2023 ab, weil die in der Anlage 9 zum ASVG genannten Voraussetzungen nicht erfüllt seien.

3             Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde als unbegründet ab.

4             Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, dass der Revisionswerber, der über ein abgeschlossenes Bergbaustudium verfüge, von 1. April 1999 bis 31. März 2011 bei der L. GmbH und von 1. April 2011 bis 30. April 2017 bei der mitbeteiligten Partei, der Rechtsnachfolgerin der L. GmbH, beschäftigt gewesen sei. Die mitbeteiligte Partei betreibe Zementwerke in M. am Leithagebirge und in R. (Südsteiermark). An beiden Standorten bestünden Steinbrüche (Kalkstein) und ein jeweils angeschlossenes Werk zur Herstellung des aus dem Rohstoff gewonnenen Zements. Es handle sich um knappschaftliche Betriebe im Sinn des § 15 Abs. 2 ASVG, die der Montanbehörde unterstünden. Seitens der mitbeteiligten Partei seien beim Dachverband der Sozialversicherungsträger keine Arbeitnehmer zur knappschaftlichen Pensionsversicherung im Sinn des § 15 Abs. 1 ASVG und Anlage 9 ASVG angemeldet worden. Der Revisionswerber sei von 1. April 1999 bis 30. September 1999 Quarry Manager (Steinbruchleiter) in M., von 1. Oktober 1999 bis 31. August 2013 Leiter der Rohstoffgewinnungsstätten M., von 1. Oktober 2003 bis 31. August 2013 Rohstoffmanager der L. GmbH (für ganz Österreich) und von 1. September 2013 bis 30. April 2017 „Health & Safety Manager“ in M. gewesen. In den letzten ca. sechs Monaten seiner Beschäftigung sei er freigestellt gewesen.

5             Der Revisionswerber habe selbst keine körperliche Arbeit verrichtet. Sein Büro sei im Verwaltungsgebäude des Steinbruchs M. gewesen. Er sei vor allem mit Leitungs- und Planungsaufgaben betraut gewesen. Dabei sei er von einem Vorarbeiter unterstützt worden, der in der Hierarchie zwischen dem Revisionswerber und den (sonstigen) Arbeitern gestanden sei. Bei den Steinbrüchen in M. und R. handle es sich um Tagbaubetriebe. Diese befänden sich nicht in Gebirgslagen. M. am Leithagebirge liege auf 212 Meter Höhe; der dortige Steinbruch liege auf etwa 300 bis 350 Meter. R. liege auf 361 Meter Höhe. Das Klima in M. und R. entspreche nicht den klimatischen Bedingungen, wie sie in Gebirgen vorherrschten.

6             Der Revisionswerber habe als technischer Angestellter (Bergbaubetriebsleiter) die Arbeitsbereiche der mit dem Aufschluss, der Gewinnung von Bergbauprodukten und mit deren Förderung bis zu den Verlade-Verarbeitungspunkten befassten Arbeiter zwecks Leitung, Planung und Vermessung regelmäßig befahren müssen. Er habe durchschnittlich pro Woche zwei - in manchen Wochen bis zu drei - Befahrungen der Arbeitsbereiche seiner Mitarbeiter durchgeführt. Diese Befahrungen hätten maximal die Hälfte seiner Arbeitszeit ausgemacht. Der Revisionswerber habe zehn Arbeitstage innerhalb eines Monats genannt, an denen er Befahrungen der Arbeitsbereiche seiner Mitarbeiter durchgeführt habe. Es werde nicht festgestellt, dass der Revisionswerber im verfahrensgegenständlichen Zeitraum die überwiegende Zahl der Arbeitstage innerhalb eines Kalendermonats mit Befahrungen der Arbeitsbereiche seiner Mitarbeiter befasst gewesen sei.

7             In der Beweiswürdigung stützte sich das Bundesverwaltungsgericht hinsichtlich der strittigen Frage des Ausmaßes der Befahrungen durch den Revisionswerber auf Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung. Der als Zeuge befragte Abteilungsleiter des Bundesministeriums für Finanzen (Montanbehörde Ost) habe zwar angegeben, dass ein Betriebsleiter, der vor Ort sei, einmal am Tag bei den Arbeitsbereichen vorbeifahre; damit habe er sich aber offenkundig nicht auf eigene Wahrnehmungen betreffend den Revisionswerber bezogen, sondern auf sein Verständnis der Aufgaben eines Betriebsleiters. Die Vertreterin der mitbeteiligten Partei und vier als Zeugen einvernommene (teils ehemalige) Mitarbeiter hätten in ihren (vom Bundesverwaltungsgericht zusammengefasst wiedergegebenen) Zeugenaussagen keine so häufigen Befahrungen genannt. Eine in der Personalabteilung tätige Zeugin habe erklärt, dass der Revisionswerber insbesondere die strategische Arbeit gemacht habe und für die Berichtstätigkeit zuständig gewesen sei, während die praktische Führung des Steinbruchs und die operativen Tätigkeiten dem Vorarbeiter überlassen gewesen seien. Auch der Revisionswerber selbst habe in seiner Stellungnahme vom 5. Jänner 2023 angeführt, dass er die Arbeitsbereiche seiner Mitarbeiter (nur) zwei bis drei Mal in der Woche befahren habe. In der Beschwerde habe er sein Vorbringen dahingehend gesteigert, dass er die Arbeitsbereiche mindestens drei Mal wöchentlich besucht habe. In der mündlichen Verhandlung habe er das nicht aufrecht erhalten, sondern ausgeführt, dass er je nach Gegebenheiten und Problemlagen mindestens zwei bis drei Mal pro Woche die entsprechenden Betriebspunkte befahren habe und diese Befahrungen etwa die Hälfte seiner Arbeitszeit ausgemacht sowie an zehn Arbeitstagen innerhalb eines Monats stattgefunden hätten. Das Bundesverwaltungsgericht erachte es in Zusammenschau und Würdigung sämtlicher Aussagen, die hinsichtlich des Ausmaßes der vom Revisionswerber durchgeführten Befahrungen der Arbeitsbereiche im Wesentlichen ein annähernd ähnliches Bild ergäben, für glaubhaft, dass der Revisionswerber durchschnittlich pro Woche zwei - in manchen Wochen bis zu drei - Befahrungen der Arbeitsbereiche seiner Mitarbeiter durchgeführt habe. Diese Befahrungen hätten - wie vom Revisionswerber angeführt - maximal die Hälfte seiner Arbeitszeit ausgemacht. Befahrungen an der überwiegenden Zahl der Arbeitstage innerhalb eines Kalendermonats könnten daher nicht festgestellt werden.

8             In rechtlicher Hinsicht kam das Bundesverwaltungsgericht zum Ergebnis, dass die vom Revisionswerber behaupteten Voraussetzungen der Anlage 9 Z 5 ASVG nicht erfüllt seien. Diese Ziffer erfasse die Tätigkeit von technischen Angestellten, „die zwecks Leitung, Planung und Vermessung regelmäßig Befahrungen im Arbeitsbereiche der in den Z 1 bis 4 genannten Personen durchzuführen haben, wenn sie damit die überwiegende Zahl der Arbeitstage innerhalb eines Kalendermonates befasst sind.“ Der Revisionswerber habe selbst angegeben, dass in den Steinbrüchen M. und R. keine Tätigkeiten im Sinn der Anlage 9 Z 1 und Z 2 ASVG verrichtet worden seien. Soweit er sich darauf stütze, dass in den Betrieben der mitbeteiligten Partei Tätigkeiten im Sinn der Anlage 9 Z 3 ASVG verrichtet worden seien, sei festzuhalten, dass sich diese Bestimmung ausdrücklich nur auf (näher beschriebene) Tätigkeiten von „in Tagbaubetrieben in Gebirgslagen“ befassten Arbeitern beziehe. Anders als Z 2 und Z 7 der Anlage 9 stelle Z 3 sohin nicht bloß auf Tagbaubetriebe, sondern auf solche in Gebirgslagen ab. Da sich die Steinbrüche in M. und R. auf dem Boden der Feststellungen nicht in Gebirgslagen (im Sinne des vom Bundesverwaltungsgericht näher erläuterten Verständnisses des Gesetzgebers) befänden, sei der Tatbestand der Anlage 9 Z 5 iVm Z 3 ASVG ungeachtet der dort verrichteten Tätigkeiten schon deshalb nicht erfüllt. Da Anlage 9 Z 4 ASVG, auf den Z 5 ebenfalls verweise, auf die Beaufsichtigung der in den Ziffern 1 bis 3, 7 (Tätigkeit der Hauer im engeren Sinn) und 8 (Erdöl- und Gasgewinnung) genannten Personen abstelle, bezüglich derer entsprechende Arbeitsbereiche in den Betrieben der mitbeteiligten Partei nicht bestünden, sei auch der Tatbestand nach Anlage 9 Z 5 iVm Z 4 ASVG fallgegenständlich nicht erfüllt. Hinzu komme, dass im Beweisverfahren nicht festgestellt worden sei, dass der Revisionswerber die überwiegende Zahl der Arbeitstage innerhalb eines Kalendermonats mit Befahrungen in den Arbeitsbereichen seiner Mitarbeiter befasst gewesen sei, weshalb die Anwendung der Anlage 9 Z 5 ASVG auch aus diesem Grund ausscheide.

9             Gemäß § 25a Abs. 1 VwGG sprach das Bundesverwaltungsgericht aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei. Zwar liege bislang - soweit ersichtlich - keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der in Anlage 9 ASVG enthaltenen Rechtsbegriffe, insbesondere zur Bedeutung der Wendung „Tagbaubetriebe in Gebirgslagen“ im Sinn der Z 3, vor. Es sei nicht auszuschließen, dass der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen einer Sachentscheidung eine weitere Auslegung des in Rede stehenden Gesetzesbegriffs für geboten erachten könnte. Auch stelle sich die Rechtslage nicht so eindeutig dar, dass es einer höchstgerichtlichen Klarstellung nicht bedürfte. Die Entscheidung hänge aber letztlich nicht von der Lösung dieser Rechtsfrage ab, da sie hinsichtlich des festgestellten Ausmaßes von Befahrungen in den Arbeitsbereichen der Arbeiter (im Sinn der Anlage 9 Z 5 ASVG) auf einer Alternativbegründung beruhe, zu der sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nach Art. 133 Abs. 4 B-VG stelle.

10           Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

11           Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

12           Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.

13           Unter diesem Gesichtspunkt bringt der Revisionswerber vor, dass Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Auslegung der in Anlage 9 zum ASVG enthaltenen Rechtsbegriffe, insbesondere zur Bedeutung der Wendung „Tagbaubetriebe in Gebirgslagen“ sowie zur „überwiegenden Zahl der Arbeitstage“, fehle. Insbesondere das vom Bundesverwaltungsgericht vertretene Verständnis des Begriffs „Gebirgslage“ sei derart unschlüssig, dass eine Entscheidung des Höchstgerichts geboten sei.

14           Auf dieses Verständnis kommt es aber nicht entscheidend an, weil das angefochtene Erkenntnis - wie das Bundesverwaltungsgericht in der Begründung der Nichtzulassung der Revision dargelegt hat - auf einer tragfähigen Alternativbegründung beruht. In Zusammenhang mit dieser Alternativbegründung stellt sich keine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung. Dass „überwiegende Zahl der Arbeitstage“ nichts Anderes bedeuten kann als mehr als die Hälfte der Arbeitstage, ist nicht zweifelhaft; ein anderes mögliches Begriffsverständnis wird in der Zulässigkeitsbegründung der Revision auch nicht dargelegt. In Bezug auf die Feststellung, dass es im Revisionsfall an dieser Voraussetzung fehlte, wird keine Unschlüssigkeit der - insbesondere auf mehreren Zeugenaussagen in der mündlichen Verhandlung beruhenden - Beweiswürdigung aufgezeigt. In den Revisionsgründen gesteht der Revisionswerber dann sogar ausdrücklich zu, dass die Befahrungen (nur) „durchschnittlich die Hälfte seiner Gesamtarbeitszeit“ ausmachten. Die in den Revisionsgründen vertretene „weitere Auslegung“ des Begriffs der „überwiegenden Zahl der Arbeitstage“ scheitert am eindeutigen Wortlaut der Anlage 9 Z 5 ASVG und erscheint auch aus teleologischen Gründen nicht geboten, da es offenkundig um das tatsächliche Ausmaß von potentiell belastenden Tätigkeiten und nicht um die Gründe für ihr allfälliges Unterbleiben geht (der Revisionswerber nennt als einen solchen Grund seine effektive Arbeitsweise, die weniger Befahrungen notwendig mache).

15           In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 4. März 2024

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2024:RA2024080022.L00