Verwaltungsgerichtshof
18.06.2024
Ra 2023/13/0187
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma, den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer und den Hofrat Dr. Bodis als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schultheis, über die Revision des Finanzamtes Österreich, Dienststelle Wien 2/20/21/22 in 1220 Wien, Dr. Adolf Schärf-Platz 2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 12. September 2023, Zl. RV/7102148/2023, betreffend Einkommensteuer 2021 (mitbeteiligte Partei: M in W, vertreten durch die Consultatio Steuerberatung GmbH & Co KG in 1210 Wien, Karl-Waldbrunner-Platz 1), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Das Finanzamt setzte mit Bescheid vom 20. Februar 2023 die Einkommensteuer der Revisionswerberin für das Jahr 2021 mit 4.859 € fest. Der Einkommensteuerbescheid erfasste auch Einkünfte aus Gewerbebetrieb aus einer Beteiligung als Gesellschafterin bei der H KG in Höhe von 18.741,77 €. In der dagegen erhobenen Beschwerde brachte die Revisionswerberin vor, dass die H KG negative Einkünfte erzielt habe und überdies wegen Vermögenslosigkeit amtswegig aus dem Firmenbuch gelöscht worden sei. Eine wirksame Zustellung bzw. eine wirksame Erlassung des Bescheides betreffend die Mitunternehmereinkünfte und eine Ergebniszuteilung an die Revisionswerberin gemäß § 188 BAO sei aufgrund der amtswegigen Löschung wegen Vermögenslosigkeit damit ebenfalls nicht erfolgt.
2 Das Finanzamt wies die Beschwerde mit Beschwerdevorentscheidung ab, die Revisionswerberin stellte einen Vorlageantrag.
3 Das Bundesfinanzgericht gab der Beschwerde Folge und änderte den Bescheid ab. Es stellte fest, dass über die H KG am Handelsgericht Wien im Jänner 2023 ein Konkurseröffnungsverfahren eingeleitet worden sei. Mit 17. Jänner 2023 sei betreffend das Vermögen der Kommanditgesellschaft beschlossen worden, das „Insolvenzverfahren über das Vermögen der aufgelösten juristischen Person wegen Vermögenslosigkeit“ nicht zu eröffnen. Der Feststellungsbescheid, gerichtet an die H KG, somit der Grundlagenbescheid, sei am 10. Februar 2023 ergangen. Rechtlich führte das Bundesfinanzgericht aus, die Voraussetzung der Erlassung eines abgeleiteten Bescheides gemäß § 252 BAO setze uneingeschränkt voraus, dass der Grundlagenbescheid, somit im konkreten Fall der Feststellungsbescheid vom 10. Februar 2023 wirksam ergangen sei. Dies setze allerdings voraus, dass der Grundlagenbescheid dem Bescheidadressaten des abgeleiteten Bescheides gegenüber wirksam geworden sei. Es sei unzulässig, einen Feststellungsbescheid an eine Gemeinschaft zu richten, die nicht mehr bestehe. Abgabenrechtliche Feststellungsbescheide, die nach Beendigung einer Personengesellschaft an diese ergingen, könnten keine Rechtswirkungen entfalten. Die Löschung einer eingetragenen Gesellschaft im Firmenbuch habe zwar nur deklarative Wirkung, da noch Abwicklungsbedarf gegeben sein könne. Der Verlust der Rechtspersönlichkeit trete dann ein, wenn neben der Löschung im Firmenbuch auch die materielle Voraussetzung der Vermögenslosigkeit gegeben sei. Gegen eine nicht mehr existente und vermögenslose Gesellschaft gerichtete Rechtshandlungen seien unwirksam. Eine Kommanditgesellschaft werde durch die Verwertung und Verteilung des Massevermögens und die Aufhebung des Konkurses vollbeendet. Ebenso sei in der Nichteröffnung des Konkurses wegen Vermögenslosigkeit eine Vollbeendigung zu sehen. Aus diesem Grund sei der angefochtene Bescheid in der Höhe der sich auf den Feststellungsbescheid vom 10. Februar 2023 gründenden unwirksamen Feststellungen aufgrund Nichtigkeit rechtswidrig ergangen, weshalb die Einkommensteuer für das Jahr 2021 ohne Berücksichtigung dieser Einkünfte festzusetzen sei.
4 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, der Verwaltungsgerichtshof habe in ständiger Rechtsprechung zur BAO ausgesprochen, dass die Auflösung einer KG oder OG und ihre Löschung im Firmenbuch jedenfalls so lange ihre Parteifähigkeit nicht beeinträchtige, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zähle auch der Bund als Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt seien. Wenn es sich um Sachverhalte handle, aufgrund derer eine KG oder OG Steuerschuldnerin oder Gewinnermittlungssubjekt bzw. Steuersubjekt sein könne, sei ein „Abwicklungsbedarf“ im Sinne dieser Rechtsprechung gegeben. Zu diesen Rechtsverhältnissen zum Bund, die abgewickelt sein müssten, zähle auch ein Feststellungsverfahren nach § 188 BAO. Im Widerspruch dazu habe das Bundesfinanzgericht im vorliegenden Erkenntnis die Feststellungen des rechtswirksam erlassenen Bescheides über die Feststellung von Einkünften gemäß § 188 BAO der H KG nicht im Einkommensteuerverfahren der mitbeteiligten Partei berücksichtigt. Es sei zu Unrecht davon ausgegangen, dass die H KG ihre Parteifähigkeit aufgrund ihrer Löschung in Folge Vermögenslosigkeit verloren habe.
5 Der Verwaltungsgerichtshof hat nach Einleitung des Vorverfahrens, in dem eine Revisionsbeantwortung erstattet wurde, erwogen:
6 Die Revision ist zulässig und berechtigt.
7 Gemäß § 191 Abs. 1 lit. c BAO ergeht der Feststellungsbescheid in den Fällen des § 188 BAO an die Personenvereinigung (Personengemeinschaft) ohne eigene Rechtspersönlichkeit, deren Gesellschaftern (Mitgliedern) gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind.
8 Gemäß § 252 Abs. 1 BAO kann ein Bescheid nicht mit der Begründung angefochten werden, dass die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind, wenn dem Bescheid Entscheidungen zugrundeliegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind.
9 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs verliert eine Personengesellschaft des Unternehmensrechtes ihre Parteifähigkeit erst mit ihrer Beendigung. Ihre Auflösung und die Löschung ihrer Firma im Firmenbuch beeinträchtigt ihre Parteifähigkeit solange nicht, als ihre Rechtsverhältnisse zu Dritten - dazu zählen auch die Abgabengläubiger - noch nicht abgewickelt sind (vgl. für viele VwGH 25.4.2013, 2012/15/0161, mwN).
10 Ein solcher Abwicklungsbedarf liegt insbesondere auch dann vor, wenn ein Feststellungsverfahren noch nicht beendet ist und die Personengesellschaft Gewinnermittlungssubjekt ist (vgl. VwGH 25.4.2019, Ro 2019/13/0014; 25.4.2014, 2010/15/0131, mit zahlreichen Nachweisen).
11 Im Revisionsfall bestand somit noch Abwicklungsbedarf, weil ein Feststellungsverfahren gemäß § 188 BAO noch nicht beendet war. Die Zustellung des Bescheides an die H KG kann somit nicht wegen mangelnder Parteifähigkeit als unwirksam und der Feststellungsbescheid somit auch nicht als Nichtbescheid angesehen werden.
12 Wenn das Bundesfinanzgericht auf das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Dezember 2014, Ro 2014/13/0035, verweist, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Entscheidung keine Personengesellschaft, sondern eine GmbH betraf.
13 Wenn das Bundesfinanzgericht wie auch die Revisionsbeantwortung das Judikat des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Februar 1996, 94/14/0160, ins Treffen führen, genügt der Hinweis darauf, dass es dabei nicht um die Parteifähigkeit einer wegen Vermögenslosigkeit gelöschten Personengesellschaft ging, sondern ausschließlich darum, ob § 24 Abs. 2 letzter Satz EStG 1988 in einem Konkurs anwendbar ist.
14 Wenn das Bundesfinanzgericht in seinem Vorlagebericht auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. September 2007, 2004/13/0097, verweist und vermeint, schon aus diesem Grund liege keine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor, übersieht es, dass es dort um eine Anwachsung gemäß § 142 HGB (nunmehr: UGB) und damit um eine Gesamtrechtsnachfolge ging. Der Verwaltungsgerichtshof hat in diesem Erkenntnis auf seine ständige Rechtsprechung zur Partei- und Rechtsfähigkeit von aufgelösten Personengesellschaften hingewiesen und deren Anwendung für den Ausnahmefall einer Gesamtrechtsnachfolge verneint. Im Revisionsfall liege keine Gesamtrechtsnachfolge vor.
15 Das Bundesfinanzgericht hat somit die Rechtslage verkannt und deshalb sein Erkenntnis mit einer inhaltlichen Rechtswidrigkeit belastet. Es war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Wien, am 18. Juni 2024
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130187.L00