Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

20.06.2024

Geschäftszahl

Ra 2023/13/0167

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schultheis, über die Revision des T in P (Schweiz), vertreten durch die Ernst & Young Steuerberatungsgesellschaft m.b.H. in 1220 Wien, Wagramer Straße 19, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 7. November 2022, Zl. RV/7100371/2017, betreffend Einkommensteuer 2013 und 2014, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Revisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1             Der Revisionswerber führte in Beilagen zur Arbeitnehmerveranlagung für die Jahre 2013 und 2014 jeweils aus, er sei von seinem Schweizer Arbeitgeber von April 2008 bis August 2011 nach Österreich zur A GmbH entsandt worden. Nach Beendigung seiner Entsendung habe er Österreich wieder verlassen und habe in den Streitjahren keinen Wohnsitz mehr in Österreich gehabt. Er habe in den Veranlagungsjahren Bonuszahlungen erhalten, welche sich teilweise auf seine Tätigkeit in Österreich bezögen und daher in Österreich zu besteuern seien.

2             Mit Bescheiden vom 20. Mai 2016 (für das Jahr 2013) und 29. März 2016 (für das Jahr 2014) setzte das Finanzamt die Einkommensteuer - abweichend von den Abgabenerklärungen - fest.

3             Der Revisionswerber erhob gegen diese Bescheide Beschwerden. Er machte (mit näherer Begründung) geltend, die Einkünfte seien betreffend Sonderzahlungen und Jahressechstel unrichtig ermittelt worden. Der Revisionswerber habe in den Streitjahren laufende Bezüge und sonstige Bezüge (Bonuszahlungen) von seinem Arbeitgeber in der Schweiz erhalten.

4             Mit Beschwerdevorentscheidungen wies das Finanzamt die Beschwerden als unbegründet ab. In der Begründung wurde jeweils ausgeführt, Bonuszahlungen gälten als sonstiger Bezug. Die begünstigte Besteuerung als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 setze das Vorhandensein eines Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 voraus. Das Jahressechstel sei an Hand der im laufenden Jahr bereits zugeflossenen laufenden Bezüge zu berechnen. Dem Revisionswerber seien in den Streitjahren keine im Inland steuerbaren laufenden Bezüge zugeflossen. Die Sechstelberechnung ergebe daher Null. Die Bonuszahlungen seien sohin nach dem laufenden Steuertarif zu versteuern.

5             Der Revisionswerber beantragte die Entscheidung über die Beschwerden durch das Verwaltungsgericht.

6             Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerden als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

7             Nach Schilderung des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber habe in den Streitjahren Bonuszahlungen erhalten, welche sich teilweise auf seine Tätigkeit in Österreich in den Jahren 2009 bis 2011 bezögen. Im Zeitpunkt der Bonuszahlungen seien dem Revisionswerber keine im Inland steuerbaren laufenden Bezüge zugeflossen. Mangels derartiger laufender Bezüge ergebe die Sechstelberechnung Null. Laufende Auslandsbezüge, für die nach § 98 Abs. 1 Z 4 EStG 1988 kein Besteuerungsrecht bestehe, seien nicht in die Sechstelberechnung einzubeziehen. Die begünstigte Besteuerung als sonstiger Bezug gemäß § 67 Abs. 1 EStG 1988 setze das Vorhandensein eines Jahressechstels gemäß § 67 Abs. 2 EStG 1988 voraus.

8             Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die vorliegende Revision. Zur Zulässigkeit wird geltend gemacht, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ab (Hinweis auf VwGH Ra 2016/13/0010).

9             Nach Einleitung des Vorverfahrens hat sich das Finanzamt nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beteiligt.

10           Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

11           Die Revision ist zulässig und begründet.

12           § 67 Abs. 1 und 2 EStG 1988 in der hier anwendbaren (vgl. § 124b Z 219 EStG 1988) Fassung des 1. Stabilitätsgesetzes 2012, BGBl. I Nr. 22, lautete:

„(1) Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber sonstige, insbesondere einmalige Bezüge (zum Beispiel 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen), beträgt die Lohnsteuer für sonstige Bezüge innerhalb des Jahressechstels gemäß Absatz 2, nach Abzug der in Absatz 12, genannten Beträge

1. für die ersten 620 Euro........................................................................... 0%,

2. für die nächsten 24 380 Euro ................................................................. 6%,

3. für die nächsten 25 000 Euro ............................................................... 27%,

4. für die nächsten 33 333 Euro .......................................................... 35,75%.

Die Besteuerung der sonstigen Bezüge mit diesen festen Steuersätzen unterbleibt, wenn das Jahressechstel gemäß Absatz 2, höchstens 2 100 Euro beträgt. Der Freibetrag von 620 Euro und die Freigrenze von 2 100 Euro sind bei Bezügen gemäß Absatz 3,, Absatz 4,, Absatz 5, erster Teilstrich, Absatz 6, bis 8 und Absatz 10, nicht zu berücksichtigen.

(2) Das Jahressechstel beträgt ein Sechstel der bereits zugeflossenen, auf das Kalenderjahr umgerechneten laufenden Bezüge. Soweit die sonstigen Bezüge gemäß Absatz eins, mehr als das Jahressechstel oder nach Abzug der in Absatz 12, genannten Beträge mehr als 83 333 Euro betragen, sind diese übersteigenden Bezüge im Auszahlungsmonat nach Absatz 10, zu besteuern. Bei der Berechnung des Jahressechstels ist jener laufende Bezug, der zusammen mit dem sonstigen Bezug ausgezahlt wird, bereits zu berücksichtigen. Wird ein sonstiger Bezug in einem Kalenderjahr vor Fälligkeit des ersten laufenden Bezuges ausgezahlt, ist dieser erste laufende Bezug in seiner voraussichtlichen Höhe auf das Kalenderjahr umzurechnen. Steuerfreie laufende Bezüge gemäß Paragraph 3,, ausgenommen laufende Einkünfte gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 10,, 11 und 15 Litera a,, erhöhen nicht das Jahressechstel, steuerfreie sonstige Bezüge gemäß Paragraph 3,, ausgenommen sonstige Einkünfte gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 10, und 11, werden auf das Jahressechstel nicht angerechnet.“

13           Es ist nicht strittig, dass es sich bei den in den Streitjahren zugeflossenen Einnahmen um Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit handelt. Ebenso ist unbestritten, dass der Revisionswerber in den Streitjahren neben den in Österreich zu besteuernden Vorteilen laufende Bezüge von demselben Arbeitgeber erhielt, die allerdings nicht in Österreich zu besteuern waren. Weiters ist unbestritten, dass es sich bei den in Österreich (anteilig) zu besteuernden Einnahmen („Bonuszahlungen“; vgl. hingegen den Sachverhalt zu VwGH 30.10.2014, 2011/15/0140) um sonstige Bezüge iSd § 67 Abs. 1 EStG 1988 handelt.

14           § 67 EStG 1988 unterscheidet nicht zwischen inländischen und ausländischen Einkünften (vgl. VwGH 23.2.2010, 2008/15/0243). § 67 EStG 1988 sieht auch keine Einschränkung dahin vor, dass laufende Bezüge nur dann für die Ermittlung des Jahressechstels zu berücksichtigen wären, wenn diese in Österreich der Besteuerung unterliegen. Es entspricht dem Wortlaut des Gesetzes, dass auch laufende Bezüge vom selben Arbeitgeber, die nicht der Besteuerung in Österreich unterliegen, für die Ermittlung des Jahressechstels zu berücksichtigen sind; eine gegenteilige Absicht des Gesetzgebers ist nicht erkennbar (vgl. - mit näheren Ausführungen - VwGH 22.2.2017, Ra 2016/13/0010).

15           Das auf einer abweichenden Rechtsansicht beruhende angefochtene Erkenntnis war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufzuheben.

16           Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich - im Rahmen des Begehrens - auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf den Ersatz von Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung.

Wien, am 20. Juni 2024

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023130167.L00