Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

13.06.2024

Geschäftszahl

Ra 2023/11/0065

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Samm und die Hofrätin MMag. Ginthör, den Hofrat Dr. Faber sowie die Hofrätinnen Dr.in Oswald und Dr. Kronegger als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Janitsch, über die Revision der Österreichischen Ärztekammer in Wien, vertreten durch die Haslinger / Nagele Rechtsanwälte GmbH in 4020 Linz, Roseggerstraße 58, gegen den Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 16. März 2023, Zl. W136 2259200-1/2E, betreffend Anrechnung von ausländischen ärztlichen Ausbildungszeiten nach dem ÄrzteG 1998 (mitbeteiligte Partei: Dr. A F in S, vertreten durch die Stingl und Dieter Rechtsanwälte OG in 8010 Graz, Kalchberggasse 10), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1             1.1. Mit Antrag an die Österreichische Ärztekammer vom 20. März 2022 begehrte die Mitbeteiligte die Anrechnung von im Ausland absolvierten Ausbildungszeiten auf die Ausbildung zur Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten im Ausmaß von sechs Monaten auf die Sonderfach-Grundausbildung sowie von 18 Monaten auf die Sonderfach-Schwerpunktausbildung.

2             Mit Schreiben vom 12. April 2022, welches im Kopf die „Österreichische Ärztekammer“ ausweist, wurde der Mitbeteiligten zu ihrem Antrag in Wahrung des Parteiengehörs mitgeteilt, dass „auf Basis der Beurteilung der Ausbildungskommission der Österreichischen Ärztekammer“ keine Anrechnung auf die Sonderfach-Grundausbildung und eine Anrechnung auf die Sonderfach-Schwerpunktausbildung im Ausmaß von 12 Monaten erfolgen könne. Dieses Schreiben ist „[f]ür die Österreichische Ärztekammer“ von deren Präsidenten gefertigt.

3             Mit Bescheid vom 5. Juli 2022, der im Kopf die „Österreichische Ärztekammer“ anführt, wurden gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 Ärztegesetz 1998 - ÄrzteG 1998, BGBl. I Nr. 169 in der Fassung BGBl. I Nr. 65/2022, in Verbindung mit § 15 und Anlage 10 der Ärztinnen-/Ärzte-Ausbildungsordnung 2015 Ausbildungszeiten im Ausmaß von 12 Monaten auf die Sonderfach-Schwerpunktausbildung angerechnet. Im Übrigen wurde der Antrag abgewiesen.

4             Darin wird begründend zunächst ausgeführt, die Ausbildungskommission der Österreichischen Ärztekammer habe auf Basis der vorgelegten Unterlagen mit Beschluss vom 11. April 2022 „festgestellt“, dass eine Anrechnung der beantragten Ausbildungszeiten lediglich in dem im Spruch genannten Ausmaß erfolgen könne. Daran anschließend werden der weitere Verfahrensgang sowie Rechtsgrundlagen wiedergegeben.

5             Sodann lautet es: „Die Österreichische Ärztekammer hat wie folgt erwogen:“ und wird die rechtliche Begründung für die spruchgemäße Entscheidung dargelegt. In der Rechtsmittelbelehrung wird auf die Möglichkeit der Erhebung einer Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht hingewiesen, die „bei der Österreichischen Ärztekammer“ einzubringen sei.

6             Der Bescheid ist „[f]ür die Österreichische Ärztekammer“ von deren Präsidenten gefertigt.

7             Gegen diesen Bescheid, insoweit damit ihr Antrag auf Anrechnung abgewiesen wurde, erhob die Mitbeteiligte Beschwerde.

8             1.2. Mit dem angefochtenen Beschluss behob das Bundesverwaltungsgericht den Bescheid vom 5. Juli 2022, soweit der Antrag der Mitbeteiligten abgewiesen wurde, gemäß § 28 Abs. 3 zweiter Satz VwGVG und § 14 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 und verwies die Sache zur neuerlichen Entscheidung an die Behörde zurück. Das Verwaltungsgericht sprach aus, dass die Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

9             Das Verwaltungsgericht stellte fest, die Mitbeteiligte habe an einer entsprechend den schweizerischen Bestimmungen als Weiterbildungsstätte der Kategorie C im Bereich Dermatologie und Venerologie anerkannten Einrichtung näher beschriebene Ausbildungszeiten im Umfang von zwei Jahren absolviert.

10           Rechtlich führte das Verwaltungsgericht auf das Wesentliche zusammengefasst aus, die in § 14 ÄrzteG 1998 vorgesehene Gleichwertigkeitsprüfung habe ausschließlich anhand der Inhalte der vermittelten Kenntnisse, Erfahrungen und Fertigkeiten und ohne Rücksicht darauf, an welcher Art der Aus- oder Weiterbildungsstätte diese Zeiten absolviert worden seien, zu erfolgen.

11           Die Aufhebung und Zurückverweisung begründete das Verwaltungsgericht damit, dass die belangte Behörde jegliche Ermittlungen zur Gleichwertigkeit der von der Mitbeteiligten in der Schweiz absolvierten Aus- und Weiterbildungszeiten unterlassen habe. Im Hinblick auf die bei der belangten Behörde bestehende Expertise liege die Zurückverweisung aber auch im Interesse der Verwaltungsökonomie, da die belangte Behörde die relevanten Erhebungen auf Grund der bei ihr bestehenden Erfahrungen und Expertise und der ihr unmittelbar zur Verfügung stehenden Sachverständigen schneller und billiger erledigen könne als das Verwaltungsgericht.

12           Die belangte Behörde habe die Gleichwertigkeitsprüfung zwar auch für die von ihr auf die Sonderfach-Schwerpunktausbildung angerechneten Ausbildungszeiten nicht vorgenommen, doch sei die Anrechnung insoweit in Rechtskraft erwachsen, weswegen eine Behebung und Zurückverweisung in diesem Umfang nicht in Betracht komme.

13           1.3. Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende (außerordentliche) Revision der Österreichischen Ärztekammer, in der die Entscheidung in der Sache selbst, in eventu die Aufhebung des angefochtenen Beschlusses beantragt wird. Die Mitbeteiligte erstattete keine Revisionsbeantwortung. Über Einladung des Verwaltungsgerichtshofes gemäß § 41 zweiter Satz VwGG erstatteten die Revisionswerberin und der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz jeweils eine Stellungnahme zur Frage der zur Anrechnung gemäß § 14 ÄrzteG 1998 zuständigen Verwaltungsbehörde. Die Mitbeteiligte äußerte sich dazu nicht.

14           Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

15           2. Die Revision ist zulässig, weil sie zutreffend vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Anrechnung von im Ausland absolvierten ärztlichen Ausbildungszeiten gemäß § 14 Abs. 1 Z 2 ÄrzteG 1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 86/2020.

16           3. Sie ist im Ergebnis auch begründet.

17           3.1. Vorweg ist darauf hinzuweisen, dass der Ausspruch der Österreichischen Ärztekammer über die Anrechnung von ausländischen ärztlichen Ausbildungszeiten der Mitbeteiligten als solcher nicht teilbar ist und als notwendige Einheit nicht hinsichtlich eines damit erworbenen Anspruchs auf Beibehaltung zumindest der darin ausgesprochenen Anrechnung in Teilrechtskraft erwachsen kann. Trotz des von der Mitbeteiligten in ihrer Beschwerde eingeschränkten Anfechtungsumfangs hatte das Verwaltungsgericht daher sämtliche zur Anrechnung beantragte ausländische Ausbildungszeiten inhaltlich zu beurteilen (siehe zur vergleichbaren Fällen der Anrechnung von Zeiten auf das Besoldungsdienstalter VwGH 6.11.2019, Ra 2019/12/0045; 18.5.2020, Ra 2019/12/0001; 19.11.2020, Ra 2020/12/0059).

18           3.2. Im Revisionsfall hob das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 5. Juli 2022 auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an „die Behörde“ zurück. Es ist im Verfahren unstrittig geblieben und von der Revisionswerberin in ihrer gemäß § 41 VwGG erstatteten Stellungnahme auch bestätigt worden, dass der Bescheid vom 5. Juli 2022 von der Österreichischen Ärztekammer stammt. Auch der Verwaltungsgerichtshof hegt keinen Zweifel daran, dass dieser Bescheid, der die Österreichische Ärztekammer in seinem Kopf nennt, für diese von ihrem Präsidenten gefertigt wurde und sie als entscheidende Behörde anführt („Die Österreichische Ärztekammer hat erwogen:“), dem Rechtsträger Österreichische Ärztekammer selbst zuzurechnen ist.

19           Es ist dem Gesetzgeber grundsätzlich auch nicht verwehrt, eine behördliche Zuständigkeit der Österreichischen Ärztekammer selbst, einer im Rahmen der sonstigen Selbstverwaltung nach Art. 120a ff. B-VG eingerichteten Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. § 117 Abs. 2 ÄrzteG 1998), und nicht einem ihrer Organe zu übertragen (vgl. dazu allgemein Wiederin, Verbandskompetenzen, Behördenzuständigkeiten und Organbefugnisse in der sonstigen Selbstverwaltung, in FS Kopetzki, 2019, 723). In diesem Sinne hat der Verwaltungsgerichtshof an Bescheiden der Österreichischen Ärztekammer zuletzt auch keinen Anstoß genommen (vgl. etwa VwGH 7.9.2023, Ro 2022/11/0008 bis 0009, Rn. 10 und 48, unter Zurückweisung einer Revision des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer sowie Bejahung der verwaltungsbehördlichen Zuständigkeit und Revisionslegitimation der Österreichischen Ärztekammer).

20           Es ist daher zunächst zu prüfen, ob das ÄrzteG 1998 zur bescheidmäßigen Entscheidung über Anträge auf Anrechnung ausländischer ärztlicher Ausbildungszeiten gemäß § 14 ÄrzteG 1998 tatsächlich die Österreichische Ärztekammer oder doch eines ihrer Organe beruft, wobei für die Beurteilung der behördlichen Zuständigkeit die Rechtslage im Zeitpunkt der Erlassung des (mit 5. Juli 2022 datierten) Bescheides maßgeblich ist (vgl. VwGH 7.9.2023, Ro 2022/11/0008 bis 0009, mwN). Während die Österreichische Ärztekammer in ihrer gemäß § 41 VwGG erstatteten Stellungnahme von ihrer eigenen Zuständigkeit ausgeht, nimmt der Bundesminister für Soziales, Gesundheit, Pflege und Konsumentenschutz eine Zuständigkeit der Ausbildungskommission an.

21           3.3. Zur Beantwortung dieser Frage sind die Entwicklung der Bestimmungen über die Anrechnung ärztlicher Aus- und Weiterbildungszeiten und die damit in Zusammenhang stehenden Zuständigkeiten in den Blick zu nehmen:

22           3.3.1. § 14 ÄrzteG 1998 in der Stammfassung lautete:

Anrechnung ärztlicher Aus- oder Weiterbildungszeiten

Paragraph 14, (1) Im Inland nach den Ärzte-Ausbildungsvorschriften absolvierte ärztliche Ausbildungszeiten sowie im Ausland absolvierte ärztliche Aus- oder Weiterbildungszeiten sind unter der Voraussetzung der Gleichwertigkeit auf die jeweils für die Ausbildung zum Arzt für Allgemeinmedizin oder zum Facharzt oder für die ergänzende spezielle Ausbildung auf einem Teilgebiet eines Sonderfaches vorgesehene Dauer anzurechnen.

...

(3) Über die Anrechnung von Aus- oder Weiterbildungszeiten gemäß Absatz eins, und 2 entscheidet die Österreichische Ärztekammer. ...“

23           Ausbildungskommissionen waren in den Ärztekammern in den Bundesländern für alle mit der Ausbildung zusammenhängenden Fragen einzurichten (vgl. § 82 leg. cit.). Diese waren jedoch lediglich zur Beratung berufen (vgl. VwGH 20.9.2001, 2001/11/0187).

24           3.3.2. Mit dem Gesundheitsreformgesetz 2005, BGBl. I Nr. 179/2004, wurde die Ausbildungskommission als ein Organ der Österreichischen Ärztekammer eingeführt (vgl. § 120 Z 6a ÄrzteG 1998 in der genannten Fassung). Der Ausbildungskommission oblag gemäß § 128a Abs. 4 Z 1 leg. cit. die Entscheidung in Verfahren ua. gemäß dem (durch die 5. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 140/2003, in seiner Paragraphenbezeichnung geänderten) § 14a leg. cit. über die Anrechnung ärztlicher Aus- oder Weiterbildungszeiten. Die zuletzt genannte Bestimmung wurde durch das Gesundheitsreformgesetz 2005 nicht geändert und sah daher in ihrem Abs. 3 (weiterhin) vor, dass über einen Antrag auf Anrechnung die „Österreichische Ärztekammer mit Bescheid ... zu entscheiden“ hatte. Die Gesetzesmaterialien legen jedoch nahe, dass die behördliche Entscheidungszuständigkeit in Verfahren nach dieser Bestimmung der Ausbildungskommission übertragen werden sollte (vgl. RV 693 BlgNR XXII. GP 12: „eine Ausbildungskommission als Organ der Österreichischen Ärztekammer mit Entscheidungskompetenz“; aaO 23: „alleinige Entscheidungszuständigkeit der Ausbildungskommission“).

25           3.3.3. Durch das Gesundheitsrechtsänderungsgesetz 2006, BGBl. I Nr. 122, wurde die Ausbildungskommission in (damals) § 14a Abs. 3 und 4 ÄrzteG 1998 zur Feststellung der Gleichwertigkeit bestimmter im Ausland absolvierter ärztlicher Aus- und Weiterbildungszeiten ermächtigt. Über Anträge auf Anrechnung hatte (weiterhin) die „Österreichische Ärztekammer“ mit Bescheid zu entscheiden (§ 14a Abs. 6 leg. cit.). Die in § 128a Abs. 4 Z 1 leg. cit. vorgesehene Zuständigkeit der Ausbildungskommission zur Entscheidung in Verfahren nach (damals) § 14a leg. cit. blieb durch diese Novelle unverändert.

26           3.3.4. Durch die 13. Ärztegesetz-Novelle, BGBl. I Nr. 144/2009, erfolgte eine gesetzliche Zuordnung der Aufgaben der Österreichischen Ärztekammer zu einem eigenen und einem übertragen Wirkungsbereich (vgl. §§ 117a Abs. 2, 117b und 117c ÄrzteG 1998; RV 467 BlgNR XXIV. GP 2, 5). Zwar wurde in dem - durch die Novelle BGBl. I Nr. 62/2009 seine nunmehrige Paragraphenbezeichnung erhaltenden - § 14 Abs. 1 leg. cit. ergänzt, dass die Anrechnung durch die „Österreichische Ärztekammer“ erfolgt. Auch in den Gesetzesmaterialien ist die Rede davon, dass die „Österreichische Ärztekammer“ diese Verfahren „als erste und letzte Instanz“ zu führen habe (RV 467 BlgNR XXIV. GP 2). In § 14 Abs. 6 leg. cit. wurde aber ausdrücklich klargestellt, dass über den Antrag auf Anrechnung die „Ausbildungskommission der Österreichischen Ärztekammer“ mit Bescheid zu entscheiden hat. Auch die Materialien benennen die Ausbildungskommission als „zuständiges Organ für Angelegenheiten der Gleichwertigkeitsprüfung“ (RV 467 BlgNR XXIV. GP 4). Unter einem wurde diese behördliche Entscheidungszuständigkeit in § 128a Abs. 5 Z 1 leg. cit. festgeschrieben, nach welchem der Ausbildungskommission die Entscheidung in Verfahren gemäß ua. § 14 leg. cit. „als erste und letzte Instanz“ obliegt.

27           Dass der „Österreichischen Ärztekammer“ in § 14 Abs. 1 ÄrzteG 1998 in der Fassung der 13. Ärztegesetz-Novelle die Aufgabe der Anrechnung von Zeiten ärztlicher Aus- oder Weiterbildung zugewiesen wird, ist vor diesem Hintergrund lediglich als Zuweisung einer Verbandskompetenz an diesen Rechtsträger zu verstehen, die gemäß § 117b Abs. 1 Z 19 leg. cit. („Durchführung von Verfahren zur Prüfung der Gleichwertigkeit der ärztlichen Qualifikation“) im eigenen Wirkungsbereich besorgt werden soll. Eine behördliche Entscheidungszuständigkeit in Verfahren nach § 14 leg. cit. wurde der Österreichischen Ärztekammer damit nicht übertragen; diese war vielmehr ihrer Ausbildungskommission zugewiesen.

28           Zu erwähnen ist schließlich, dass mit der 13. Ärztegesetz-Novelle in § 125 Abs. 4 zweiter Satz ÄrzteG 1998 auch eine behördliche Entscheidungszuständigkeit des Präsidenten der Österreichischen Ärztekammer in Verfahren betreffend die Versagung der Ausstellung von Diplomen (§ 15 Abs. 6), die Versagung der Eintragung in die Ärzteliste (§ 27 Abs. 10), die Absolvierung einer Eignungsprüfung (§ 27 Abs. 11) sowie die Streichung aus der Ärzteliste und die Feststellung des Wegfalls der Berufsberechtigung (§ 59 Abs. 3) vorgesehen wurde.

29           3.3.5. Durch die Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 wurde § 14 (nunmehr) Abs. 3 ÄrzteG 1998 dahingehend geändert, dass über einen Antrag auf Anrechnung nicht mehr die Ausbildungskommission, sondern die „Österreichische Ärztekammer“ mit Bescheid entscheidet. Nach den Gesetzesmaterialien handelte es sich dabei um eine „redaktionelle Klarstellung ..., dass die bescheiderlassende Behörde die Österreichische Ärztekammer ist, unabhängig von der kammerinternen Struktur und fachlichen Zuständigkeit der Ausbildungskommission“ (AB 532 BlgNR XXV. GP 1). Damit reagierte der Gesetzgeber offenbar auf Entscheidungen von Landesverwaltungsgerichten, die auf Grundlage der 13. Ärztegesetz-Novelle eine Zuständigkeit der Ausbildungskommission zur bescheidmäßigen Entscheidung über die Anrechnung von Zeiten ärztlicher Aus- und Weiterbildung angenommen hatten (vgl. die Nw bei Wiederin, aaO 734 f.). Die Behördenzuständigkeit sollte nunmehr, ungeachtet der subsidiären Organzuständigkeit des Vorstandes der Österreichischen Ärztekammer gemäß § 123 Abs. 3 ÄrzteG 1998, beim Rechtsträger Österreichische Ärztekammer liegen.

30           § 128a Abs. 5 Z 1 ÄrzteG 1998, welcher der Ausbildungskommission (weiterhin) die Entscheidung in Verfahren gemäß ua. § 14 leg. cit. „als erste Instanz“ zuwies, wurde durch die Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 allerdings nicht geändert. Angesichts des aus den Gesetzesmaterialien eindeutig hervorgehenden Willens, eine - wenn auch nur als „redaktionelle Klarstellung“ bezeichnete - Änderung der Behördenzuständigkeit in Verfahren gemäß § 14 leg. cit. zu Gunsten des Rechtsträgers Österreichische Ärztekammer herbeizuführen, wird jedoch davon auszugehen sein, dass der Erwähnung dieser Verfahren in der Aufzählung der Zuständigkeiten der Ausbildungskommission in § 128a Abs. 5 Z 1 leg. cit. durch die Änderung des § 14 Abs. 3 ÄrzteG 1998 mit der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 materiell derogiert wurde (so auch Wiederin, aaO 733 FN 47).

31           3.3.6. Durch die Ärztegesetz-Novelle 2020, BGBl. I Nr. 86, wurde - in Reaktion auf das Erkenntnis VfSlg. 20.323/2019 - in § 117c Abs. 1 Z 6 ÄrzteG 1998 als Aufgabe des übertragenen Wirkungsbereiches der Österreichischen Ärztekammer die Führung der Ärzteliste sowie die Durchführung sämtlicher mit der Ärzteliste und der Berufsberechtigung im Zusammenhang stehender Verfahren einschließlich Besorgung diesbezüglicher Verwaltungsangelegenheiten gemäß näher genannten Bestimmungen des ÄrzteG 1998 - darunter auch § 14 - gebündelt. Gleichzeitig entfiel die Zuordnung der Verfahren nach § 14 leg. cit. zum eigenen Wirkungsbereich (vgl. die Aufhebung des § 117b Abs. 1 Z 19 leg. cit. durch Z 15 der Ärztegesetz-Novelle 2020).

32           § 14 Abs. 3 ÄrzteG 1998, der in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 die Behördenzuständigkeit der Österreichischen Ärztekammer zur Entscheidung über Anträge auf Anrechnung von Zeiten ärztlicher Aus- oder Weiterbildung begründet hatte, wurde durch die Ärztegesetz-Novelle 2020 nicht geändert. Geändert wurde durch diese Novelle hingegen § 125 Abs. 4 zweiter Satz ÄrzteG 1998. Demnach entscheidet der Präsident der Österreichischen Ärztekammer mit Bescheid in den Verfahren gemäß § 117c Abs. 1 Z 6 leg. cit., somit auch in den in dieser Bestimmung ausdrücklich genannten Verfahren gemäß § 14 leg. cit.

33           Dass damit der Präsident der Österreichischen Ärztekammer zur zuständigen Behörde auch für die Anrechnung von Zeiten ärztlicher Aus- und Weiterbildung wurde, wird auch dadurch belegt, dass dessen Behördenzuständigkeit für die in § 125 Abs. 4 zweiter Satz ÄrzteG 1998 aufgezählten Verfahren schon vor der Ärztegesetz-Novelle 2020 unbestritten war (vgl. oben Rn. 28; zur Eintragung in die sowie die Streichung aus der Ärzteliste vgl. etwa VfGH 13.3.2019, G 242/2018 ua. = VfSlg. 20.323; VwGH 24.4.2019, Ro 2019/11/0004). Es gibt nun keinen Anhaltspunkt dafür, dass sich daran durch die Neuformulierung des Umfangs dieser Zuständigkeit - in Form eines Verweises auf die „Verfahren gemäß § 117c Abs. 1 Z 6“ - etwas ändern oder für die durch diesen Verweis nunmehr miterfassten Verfahren gemäß § 14 leg. cit. etwas anderes gelten sollte.

34           3.3.7. Die hier maßgeblichen Änderungen durch die Ärztegesetz-Novelle 2020 waren allerdings mit 30. Juni 2021 befristet (vgl. § 243 Abs. 2 sowie § 244 Abs. 2 ÄrzteG 1998). Durch die Novelle BGBl. I Nr. 172/2021 wurden diese Regelungen in Dauerrecht überführt (vgl. den Abänderungsantrag AA-150 XXVII. GP 8). Dazu wurde die Zuweisung ua. der Verfahren gemäß § 14 ÄrzteG 1998 in den übertragenen Wirkungsbereich der Österreichischen Ärztekammer in § 117c Abs. 1 Z 6 leg. cit. und die Zuständigkeit des Präsidenten zur bescheidmäßigen Entscheidung in den in dieser Bestimmung genannten Verfahren in § 125 Abs. 4 leg. cit. - inhaltlich im Wesentlichen unverändert - neu erlassen. Diese Bestimmungen traten mit 1. Juli 2021 in Kraft (§ 246 Abs. 1 leg. cit.). Ebenso wurden die in § 128a Abs. 5 Z 1 bis 3 leg. cit. aufgezählten Zuständigkeiten der Ausbildungskommission neu gefasst; die Z 1 nennt weiterhin „die Entscheidung in Verfahren gemäß §§ 14 ... als erste Instanz“. Diese Neufassung trat hingegen erst mit 1. Jänner 2023 in Kraft.

35           Der Bundesminister zieht in seiner nach § 41 VwGG erstatteten Stellungnahme aus diesem versetzten Inkrafttreten in Anwendung des Grundsatzes lex posterior derogat legi priori den Schluss, dass zuständige Behörde zur Entscheidung über Anrechnungen gemäß § 14 ÄrzteG 1998 die Ausbildungskommission sei. Diese Auffassung teilt der Verwaltungsgerichtshof nicht. Wie zuvor dargestellt (vgl. Rn. 30), wurde der Erwähnung der Verfahren nach § 14 leg. cit. in der Aufzählung der Zuständigkeiten der Ausbildungskommission in § 128a Abs. 5 Z 1 leg. cit. bereits durch die Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 (zugunsten einer Behördenzuständigkeit des Rechtsträgers Österreichische Ärztekammer) materiell derogiert. Seit der Ärztegesetz-Novelle 2020 liegt die Behördenzuständigkeit in diesen Verfahren bei deren Präsidenten. Es gibt nun, auch in den Gesetzesmaterialien, keinen Hinweis darauf, dass durch die Novelle BGBl. I Nr. 172/2021, mit der unter einem die Zuständigkeit des Präsidenten zur Entscheidung in den Verfahren gemäß § 117c Abs. 1 Z 6 leg. cit. - und somit auch in Verfahren nach § 14 leg. cit. - in Dauerrecht überführt wurde, die Aufzählung der Zuständigkeiten der Ausbildungskommission in § 128a Abs. 5 Z 1 leg. cit. mit einem anderen als dem seit der Novelle BGBl. I Nr. 56/2015 um ebendiese Verfahren reduzierten Inhalt neu gefasst werden sollte.

36           3.3.8. Zu dieser Auslegung fügt sich auch die zuletzt erfolgte - wenn auch im Revisionsverfahren nicht mehr maßgebliche - ersatzlose Aufhebung des § 128a Abs. 5 Z 1 ÄrzteG 1998 durch Z 76 der Novelle BGBl. I Nr. 21/2024 ins Bild. Nach den Gesetzesmaterialien handelt es sich dabei lediglich um eine redaktionelle Anpassung (AB 2437 BlgNR XXVII. GP 3). Diese Novelle bietet auch sonst keinen Anhaltspunkt dafür, dass durch die Aufhebung des § 128a Abs. 5 Z 1 leg. cit. eine Änderung der Behördenzuständigkeit in den Verfahren nach § 14 leg. cit. bewirkt werden sollte.

37           3.3.9. Auch die Satzung der Österreichischen Ärztekammer gibt, anders als dies der Bundesminister meint, keinen Hinweis auf eine Zuständigkeit der Ausbildungskommission. Zwar sieht diese Satzung (auch in der Fassung ihrer letzten, 6. Änderung vom 24. August 2023) in § 39 vor, dass die „bescheidmäßige Erledigung der Verfahren zu den in § 34 Abs 2d angeführten Anträgen“, das sind die Anträge nach § 128a Abs. 5 Z 1 und 2 ÄrzteG 1998, der Unterfertigung des Präsidenten bedarf. Allerdings besteht diese Regelung unverändert seit der Stammfassung der Satzung vom 15. Dezember 2006, als nach den gesetzlichen Vorgaben des Gesundheitsreformgesetzes 2005 bzw. des Gesundheitsrechtsänderungsgesetzes 2006 von einer Behördenzuständigkeit der Ausbildungskommission in Verfahren nach § 14 ÄrzteG 1998 zumindest ausgegangen werden konnte (vgl. oben Rn. 24 f.). § 39 der Satzung wurde ersichtlich nie an die folgenden gesetzlichen Änderungen der Behördenzuständigkeit angepasst.

38           3.3.10. Ebenso wenig ergibt sich aus § 14 Abs. 3 ÄrzteG 1998 in der Fassung der Ärztegesetz-Novelle 2020 eine behördliche Zuständigkeit der Österreichischen Ärztekammer (als Rechtsträger), wie dies die Ärztekammer in ihrer gemäß § 41 VwGG erstatteten Stellungnahme meint. Die Zuweisung dieser Verfahren zur Österreichischen Ärztekammer in § 14 leg. cit. begründet nämlich, wie bereits zur Rechtslage nach der 13. Ärztegesetz-Novelle dargelegt (vgl. oben Rn. 27), lediglich eine Verbandskompetenz, die gemäß § 117c Abs. 1 Z 6 leg. cit. im übertragenen Wirkungsbereich wahrzunehmen ist.

39           3.4. Aus alldem folgt, dass im maßgeblichen Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides vom 5. Juli 2022 gemäß § 125 Abs. 4 zweiter Satz ÄrzteG 1998 in der Fassung BGBl. I Nr. 172/2021 der Präsident der Österreichischen Ärztekammer zuständig zur Erlassung von Bescheiden über die Anrechnung von Zeiten ärztlicher Aus- oder Weiterbildung gemäß § 14 leg. cit. war.

40           3.5. Die belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht - die Österreichische Ärztekammer - hat daher mit der Erlassung dieses Bescheides eine Zuständigkeit für sich in Anspruch genommen, die ihr nach dem Gesetz nicht zukam.

41           Eine Unzuständigkeit der bescheiderlassenden Verwaltungsbehörde hat das Verwaltungsgericht im Beschwerdeverfahren aufzugreifen und den bekämpften Bescheid zu beheben (vgl. VwGH 21.10.2020, Ra 2018/11/0205, mwN; 20.12.2023, Ko 2023/03/0002).

42           Das Verwaltungsgericht hätte daher den Bescheid der Österreichischen Ärztekammer vom 5. Juli 2022 ersatzlos aufheben müssen, um auf diese Weise den Weg für eine Entscheidung durch die zuständige Behörde freizumachen (vgl. VwGH 25.6.2019, Ro 2018/10/0028, Rn. 39, unter Hinweis auf VwGH 25.3.2015, Ro 2015/12/0003).

43           4. Der angefochtene Beschluss war daher schon aus diesem Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 13. Juni 2024

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023110065.L00