Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

13.06.2024

Geschäftszahl

Ra 2023/10/0347

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Schiclub K in K, vertreten durch Dr. Gerhard Lebitsch, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Rudolfskai 48, gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 29. März 2023, Zl. 405-1/843/1/13-2023, betreffend Duldungsverpflichtung gemäß Paragraph 33, Absatz 4, Forstgesetz 1975 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Hallein; mitbeteiligte Partei: Bringungsgenossenschaft F in K, vertreten durch die Berger Daichendt Grobovschek Perfeller Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1             Mit Bescheid der belangten Behörde vom 31. Oktober 2022 wurde festgestellt, dass das von der revisionswerbenden Partei beantragte Befahren durch Fahrzeuge zur Versorgung der „K-Skihütte“ über die Forststraßen der mitbeteiligten Partei von deren Mitgliedern nicht geduldet werden müsse. Weiters wurden der revisionswerbenden Partei Verfahrenskosten im Betrag von € 206,30 vorgeschrieben.

2             Mit dem angefochtenen Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichtes Salzburg vom 29. März 2023 wurde die dagegen von der revisionswerbenden Partei erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen und ausgesprochen, dass die Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.

3             Dem legte das Verwaltungsgericht - soweit für das Revisionsverfahren von Interesse - folgenden Sachverhalt zugrunde:

4             Die revisionswerbende Partei sei Eigentümerin der „K-Skihütte“, die sich auf einer Höhe von rund 1.200 m über dem Meeresspiegel befinde. Es handle sich um eine Selbstversorgerhütte, die als einfacher Stützpunkt für Skitourengeher, Bergtourengeher und Wanderer diene. Im Obergeschoss der Hütte befänden sich zwei separate Schlafräume mit 12 und 13 Schlafplätzen in Form von Massenlagern. Die Hütte sei in zwei Aufenthaltsräume aufgeteilt, die separat zu beheizen seien. Die Benützung der Hütte sei insofern möglich, als dies bei der revisionswerbenden Partei „vorbestellt“ werden könne und der Schlüssel für die Hütte beim „Hüttenwart“ abgeholt werde. Die „K-Skihütte“ könne gegen eine Benutzungsgebühr auch zur Übernachtung genutzt werden. Vor einer solchen Benützung sei Kontakt mit einem auf der Homepage der „K-Skihütte“ angegebenen Mitglied des Vereins „K-Skihütte“ unter einer angegebenen Handynummer aufzunehmen. Die Hütte sei vom öffentlichen Verkehr abgetrennt und fußläufig über eine Forststraße oder über einen markierten Wanderweg in ca. 1,5 Stunden Gehzeit erreichbar. Die N-Alm, auf der sich die Hütte befinde, sei über diese Forststraße der mitbeteiligten Partei erschlossen. Die letzte Parkmöglichkeit befinde sich auf dem Parkplatz „H“, wo ein Hinweisschild angebracht sei; entlang des gesamten Weges befänden sich keinerlei Hinweisschilder zur „K-Skihütte“. Wenn die Hütte nicht von Mitgliedern der revisionswerbenden Partei oder von Mietern benutzt werde, sei die Hütte komplett versperrt und Fensterläden würden die Fenster verbarrikadieren. Bei der Hütte seien keine Hinweisschilder über eine Zugangsmöglichkeit bzw. Öffnungszeiten vorhanden; auch der Hintereingang sei versperrt. Die Hütte werde nicht bewirtschaftet und sei auch nicht für Selbstversorger zugänglich. Sie verfüge über ein Vordach und einen Tisch und zwei Bänke im windgeschützten (gemeint: Außen-)Bereich. Die revisionswerbende Partei sei kein alpiner Verein und auch nicht Mitglied des Verbandes Alpiner Vereine Österreichs.

5             In seiner rechtlichen Beurteilung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus, nach Brawenz/Kind/Wieser, ForstG4, S. 340, seien Schutzhütten im Sinne des Sprachgebrauches einfach ausgestattete, grundsätzlich allgemein und auch Selbstversorgern zugängliche Stützpunkte für Bergtouren und Wanderungen, die in der Regel im Eigentum alpiner oder touristischer Vereine stünden. Hotels, Gasthäuser und Ausflugsgaststätten zählten nicht zu den Schutzhütten. Für die Abgrenzung der Schutzhütte sei die Gewerbeordnung heranzuziehen: Beherbergung, Verabreichung von Speisen jeder Art, Getränkeausschank im Rahmen eines einfach ausgestatten Betriebes, der in öffentlich nicht oder schlecht erschlossener Gegend liege und auf die Bedürfnisse von Bergsteigern oder Bergwanderern abgestellt sei, seien auch von einer Gastgewerbekonzession umfasst. Entscheidend sei somit für die Qualifikation als Schutzhütte, ob die gesamte Baulichkeit und ihre Ausstattung vordergründig dem Schutzbedürfnis der Bergwanderer diene. Übersteige die Art der Einrichtung und der Betriebsführung den Schutzzweck, so sei von einem Gasthaus auszugehen. Dies sei im Einzelfall durch konkrete Erhebungen vor Ort und Feststellungen nachzuweisen. Bloße Auslobungen und Werbung in Prospekten oder Internet würden dafür nicht ausreichen, selbst wenn diese von Seminarräumen, Familienfeier-Banketten oder Silvesterfeiern sprächen, da mit werblichen Übertreibungen zu rechnen sei.

6             Weiters verwies das Verwaltungsgericht auf eine näher genannte Entscheidung des Landesverwaltungsgerichtes Niederösterreich, wonach unter einer Schutzhütte nach dem allgemeinen Sprachgebrauch eine Hütte oder ein Haus in ansonsten unbebautem Gebiet zu verstehen sei, welche bzw. welches zum Schutz vor Unwettern sowie als Übernachtungsmöglichkeit und als Stützpunkt diene und hauptsächlich für Wanderer und Bergsteiger errichtet sei. Der Begriff der Schutzhütte im ForstG sei im gleichen Sinne zu verstehen wie jener in der Gewerbeordnung (§ 111 Abs. 2 Z 2 GewO 1994). Auch die Gewerbeordnung verstehe unter Schutzhütten insbesondere Schutzhütten alpiner Vereine, die vor allem auf die Bedürfnisse von Bergsteigern abgestimmt seien.

7             Für das Verwaltungsgericht ergebe sich schlüssig, dass Schutzhütten im Sinne des Sprachgebrauches des ForstG einfach ausgestattete, aber grundsätzlich allgemein und auch Selbstversorgern zugängliche Stützpunkte für Bergtouren und Wanderungen darstellten, die in der Regel im Eigentum alpiner und touristischer Vereine stünden. Die revisionswerbende Partei sei kein „alpiner Verein“ und auch nicht Mitglied des „Verbandes Alpiner Vereine Österreichs“. Das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren und auch die Feststellungen der belangten Behörde hätten klar und von der revisionswerbenden Partei unwidersprochen ergeben, dass die „K-Skihütte“ von ihren Mitgliedern oder von Mietern gegen Entgelt benützt werde. Ansonsten sei die „K-Skihütte“ versperrt, die Fenster seien mit Balken verbarrikadiert, die Hütte sei allgemein nicht zugänglich, sodass sie keine Schutzhütte im Sinne des ForstG darstelle. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass die Hütte Schutzsuchenden unter dem Vordach Unterstand bieten könne. Folge man der Rechtsansicht der revisionswerbenden Partei, so würde jede Jagdhütte, jede Almhütte, jeder Viehunterstand oder jedes sonstige Gebäude im alpinen Bereich eine Schutzhütte im Sinne des ForstG darstellen. Es sei daher der Rechtsansicht der mitbeteiligten Partei zu folgen, wonach die wesentlichen Anforderungen an eine Schutzhütte, nämlich die Öffnung und der Betrieb zu Zeiten, in denen Wanderer in der Regel Schutzhütten aufsuchten, bei der verfahrensgegenständlichen Hütte nicht gegeben seien und ein ungeplanter Zutritt für Schutzsuchende weder beabsichtigt noch möglich sei. Die „K-Skihütte“ sei daher als reine Vereinshütte zu qualifizieren, die ausschließlich dem Vereinszweck der Sportausübung der Mitglieder und der Vermietung an vereinsfremde Personen diene. Sie sei somit nicht als eine für jedermann zugängliche Schutzhütte anzusehen.

8             Dagegen richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

9             In den Zulässigkeitsausführungen der vorliegenden außerordentlichen Revision wird unter anderem geltend gemacht, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Begriff der Schutzhütte iSd § 33 Abs. 4 ForstG. Das vom Verwaltungsgericht zitierte hg. Erkenntnis VwGH 19.2.2001, 98/10/0333, habe dazu keine Aussagen getroffen.

10           Die Revision erweist sich mit Blick auf dieses Vorbringen als zulässig. Sie ist jedoch nicht begründet.

11           Das Forstgesetz 1975, BGBl. Nr. 440/1975 idF BGBl. I Nr. 56/2016 (ForstG), lautet auszugsweise:

Arten der Benützung

Paragraph 33, (1) ...

(4) Soweit es die ordnungsgemäße Bewirtschaftung der Wälder zuläßt, hat der Erhalter der Forststraße deren Befahren durch Fahrzeuge im Rettungseinsatz oder zur Versorgung von über die Forststraße erreichbaren Schutzhütten zu dulden; einer Ersichtlichmachung im Sinne des Paragraph 34, Absatz 10, bedarf es nicht. Ist die Forststraße abgesperrt, so ist zwischen dem Erhalter der Forststraße und der für den Rettungseinsatz zuständigen Stelle eine für den Erhalter der Forststraße zumutbare Vereinbarung über die Zugänglichmachung der Forststraße zu treffen. Der Erhalter der Forststraße hat gegenüber dem Inhaber der Schutzhütte Anspruch auf eine dem Umfang der Benützung der Forststraße entsprechende Entschädigung für vermögensrechtliche Nachteile. Die Bestimmungen des Paragraph 14, Absatz eins, dritter bis sechster Satz sind sinngemäß anzuwenden.“

12           Das ForstG definiert den in § 33 Abs. 4 verwendeten Begriff der „Schutzhütte“ nicht. Bereits die Bezugnahme in dieser Bestimmung auf das Befahren der Forststraße durch Fahrzeuge „im Rettungseinsatz oder zur Versorgung von über die Forststraße erreichbaren Schutzhütten“ lässt allerdings erkennen, dass dem Gesetzgeber ein streng auf die jeweilige Funktion („Rettungseinsatz“; Versorgung einer „Schutzhütte“) der beiden damit dem Erhalter der Forststraße - im öffentlichen Interesse - auferlegten Duldungsverpflichtungen abzielendes Begriffsverständnis vor Augen gestanden ist.

13           Ein derartiges - enges, auf die Schutzfunktion abstellendes - Begriffsverständnis lassen auch die Materialien erkennen: Die Bestimmung des § 33 Abs. 4 ForstG steht nach wie vor in der Stammfassung in Geltung. Die Regierungsvorlage zur Stammfassung (1266 BlgNR 13. GP, S. 96) führt zur damaligen Bestimmung des § 35 Abs. 4 - diese Bestimmung wurde im Ausschuss (vgl. 1677 BlgNR 13. GP) durch den ersten Halbsatz sowie den dritten Satz ergänzt und als § 33 Abs. 4 bezeichnet - Folgendes aus:

„Abs. 4 enthält die einzige Ausnahme vom gesetzlichen Befahrungsverbot der Forststraßen, nämlich für Rettungsfahrzeuge sowie für Versorgungsfahrzeuge von Schutzhütten, im letzteren Falle gegen Entschädigung für die zusätzliche Inanspruchnahme (siehe auch Paragraph 72, Absatz 4,).“

14           In der in der Regierungsvorlage enthaltenen Bestimmung des § 72 Abs. 4 ForstG war vorgesehen, dass Bewirtschafter von Liegenschaften, die ein wesentliches wirtschaftliches Interesse an einer von § 72 Abs. 1 abweichenden Benützung einer Bringungsanlage nachzuweisen vermögen, berechtigt sind, einer gemäß § 72 Abs. 3 lit. a leg. cit. gebildeten Genossenschaft beizutreten. In den Erläuterungen zu dieser Bestimmung wurde darauf verwiesen, dass den Genossenschaften auch „an der Wegbenützung interessierte Bewirtschafter von Liegenschaften, wie Almwirte oder Schutzhüttenwirte, beitreten können“ (vgl. 1266 BlgNR 13. GP, S. 105).

15           Der Gesetzgeber wollte demnach zwar einem breiteren Kreis von „an der Wegbenützung interessierten Bewirtschaftern von Liegenschaften“ die Beteiligung an einer Bringungsgenossenschaft ermöglichen, eine Befahrung durch Fahrzeuge zu Versorgungszwecken im Sinne des § 33 Abs. 4 leg. cit. jedoch nur einem engeren, auf die Schutzfunktion der in Rede stehenden Hütte bezogenen Kreis von „an der Wegbenützung interessierten Bewirtschaftern von Liegenschaften“ vorbehalten.

16           Was nun diese - vom Gesetzgeber als maßgeblich angesehene - Schutzfunktion in Ansehung der im Revisionsfall relevanten Umstände anbelangt, so kann eine solche nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes vor dem Hintergrund des in den Materialien zum Ausdruck kommenden Ausnahmecharakters der auferlegten Duldungsverpflichtung nur dann angenommen werden, wenn diese Schutzfunktion grundsätzlich gegenüber jedem Schutzsuchenden - wenn auch allenfalls nur durch Bereitstellen des notdürftigsten Schutzes gegenüber widrigen Naturgegebenheiten - erfüllt wird.

17           Im Revisionsfall ist die in Rede stehende Hütte nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes - wenn sie nicht von Mitgliedern der revisionswerbenden Partei oder von „Mietern“ benutzt wird - komplett versperrt. Bei der Hütte sind keine Hinweisschilder über eine Zugangsmöglichkeit bzw. Öffnungszeiten vorhanden. Die Hütte wird nicht bewirtschaftet und ist auch nicht für Selbstversorger zugänglich. Die Benützung der Hütte ist insofern möglich, als diese bei der revisionswerbenden Partei „vorbestellt“ und der Schlüssel für die Hütte beim „Hüttenwart“ abgeholt wird.

18           Entgegen der Ansicht der revisionswerbenden Partei kann daher keine Rede davon sein, dass im Revisionsfall die in § 33 Abs. 4 ForstG in den Vordergrund gestellte Schutzfunktion der Hütte grundsätzlich gegenüber jedem Schutzsuchenden erfolgt. Eine Erfüllung dieser Schutzfunktion nur gegenüber Mitgliedern der revisionswerbenden Partei und vorbestellenden „Mietern“, die in den Besitz eines Schlüssels gelangen, reicht für die Qualifikation als Schutzhütte im Sinne des § 33 Abs. 4 ForstG - anders als die revisionswerbende Partei meint, die diese bereits dann als erfüllt ansehen will, wenn „die Schutzhütte im Rahmen der Planung der Berg/Schitour als ‚Stützpunkt‘ zur Versorgung und Übernachtung dient“ - nicht aus.

19           Die revisionswerbende Partei macht in ihrer Verfahrensrüge auch geltend, wenn das Verwaltungsgericht mit seinem Verweis darauf, dass ein ungeplanter Zutritt für Schutzsuchende weder beabsichtigt noch möglich sei, eine (zu ergänzend: fehlende) Zutrittsmöglichkeit in Notsituationen meine, so könne sich eine derartige Feststellung auf keinerlei Beweisergebnisse stützen. Das Verwaltungsgericht hätte dazu einen Ortsaugenschein vornehmen müssen, dann hätte es festgestellt, dass die in Rede stehende Hütte „selbst in Zeiten der Nichtbewartung auch ohne Schlüssel leicht geöffnet werden kann bzw ein Schutzsuchender sich ohne nennenswerten Aufwand Zutritt verschaffen“ könne.

20           Diesem behaupteten Verfahrensfehler kommt allerdings von vornherein keine Relevanz zu. Ob eine nach dem Gesagten nicht auf die Erfüllung der Schutzfunktion grundsätzlich gegenüber jedem Schutzsuchenden ausgerichtete Hütte durch Überwindung von Sperreinrichtungen leichter oder schwerer betreten werden kann, ändert nichts an der mangelnden Qualifikation als Schutzhütte im Sinne des § 33 Abs. 4 ForstG.

21           Da bereits der Inhalt der vorliegenden Revision erkennen lässt, dass die von der revisionswerbenden Partei behaupteten Rechtsverletzungen nicht vorliegen, war diese gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 13. Juni 2024

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023100347.L00