Verwaltungsgerichtshof
23.07.2024
Ra 2023/08/0092
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Vizepräsidentin Dr.in Sporrer und die Hofrätin Dr. Julcher als Richterinnen sowie den Hofrat Mag. Stickler als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision der B G in G, vertreten durch Mag. Doris Braun, Rechtsanwältin in 8010 Graz, Joanneumring 6/2. Stock, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 26. April 2023, G313 2267994-1/6E, betreffend Verlust des Anspruchs auf Notstandshilfe (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Arbeitsmarktservice Graz Ost), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
1 Mit dem angefochtenen Erkenntnis sprach das Bundesverwaltungsgericht - in Bestätigung einer Beschwerdevorentscheidung der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Graz Ost (AMS) - nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung gemäß § 10 Abs. 1 iVm § 38 AlVG aus, dass die Revisionswerberin für den Zeitraum vom 12. Dezember 2022 bis 22. Jänner 2023 ihren Anspruch auf Notstandshilfe verloren habe. Die Revision erklärte das Bundesverwaltungsgericht für nicht zulässig.
2 Das Bundesverwaltungsgericht stellte fest, das AMS habe der Revisionswerberin ein Stellenangebot mit einer möglichen Arbeitsaufnahme übermittelt und die Revisionswerberin aufgefordert, sich für diese Stelle zu bewerben. Dazu sei der Revisionswerberin vom AMS auch ein „Bewerbungslink“ für eine Online-Bewerbung bei der potentiellen Dienstgeberin mitgeteilt worden. Die Revisionswerberin sei der Aufforderung, sich für diese Stelle zu bewerben, nicht nachgekommen. Das sei ursächlich dafür gewesen, dass ein Beschäftigungsverhältnis in der Folge nicht begründet worden sei.
3 In seiner Beweiswürdigung legte das Bundesverwaltungsgericht dar, warum es die Behauptung der Revisionswerberin, eine Online-Bewerbung für die Stelle abgegeben zu haben, nicht als glaubwürdig erachtete. Dem legte es die Ergebnisse der mündlichen Verhandlung zugrunde, in der sowohl die Revisionswerberin als auch die Zeugin TL - eine Angestellte der potentiellen Dienstgeberin - einvernommen worden waren. Die Zeugin TL habe glaubwürdig bestätigt, dass bei der potentiellen Dienstgeberin keine Bewerbung der Revisionswerberin eingegangen sei. Wie der Revisionswerberin aufgrund einer früheren Bewerbung bekannt gewesen sei, werde beim Eingang einer Online-Bewerbung bei der Dienstgeberin automatisch eine Bestätigung des Eingangs der Bewerbung versandt. Eine solche Bestätigung habe die Revisionswerberin nach eigenen Angaben nicht erhalten.
4 In rechtlicher Hinsicht folgerte das Bundesverwaltungsgericht, aufgrund der Vereitelung des Zustandekommens des Dienstverhältnisses verliere die Revisionswerberin nach § 10 Abs. 1 Z 3 AlVG iVm § 38 AlVG für die Dauer der auf die Pflichtverletzung folgenden sechs Wochen den Anspruch auf Notstandshilfe.
5 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
6 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
7 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
8 Zu ihrer Zulässigkeit macht die Revision zunächst geltend, die im Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht unvertretene Revisionswerberin sei für den Zeitraum der Einvernahme der Zeugin TL von der mündlichen Verhandlung „ausgeschlossen“ worden. Damit sei ihr rechtliches Gehör verletzt worden, weil sie keine Möglichkeit gehabt habe, insoweit vom Ergebnis der Beweisaufnahme Kenntnis zu nehmen, sich dazu zu äußern und im Ermittlungsverfahren ihre Rechte wahrzunehmen.
9 Diesem Vorbringen ist zunächst entgegenzuhalten, dass in der Niederschrift der mündlichen Verhandlung des Bundesverwaltungsgerichts im Sinn von § 14 Abs. 2 Z 2 AVG unter anderem die Revisionswerberin als Anwesende vermerkt ist. Dass sie - wie die Revision behauptet - an der Einvernahme der Zeugin TL nicht teilgenommen hätte, weil sie von der Richterin aufgefordert worden wäre, den Saal zu verlassen, ist der Niederschrift dagegen nicht zu entnehmen. Einwendungen gegen die Niederschrift (§ 14 Abs. 3 AVG) wurden nicht protokolliert und ihre Erhebung in der Revision auch nicht behauptet.
10 Eine nähere Auseinandersetzung damit, welche Rechtsfolgen im Sinn von § 15 AVG die Unterlassung der Erhebung von Einwendungen gegen die Niederschrift für die Annahme des Vorliegens des behaupteten Verfahrensmangels hat, kann im vorliegenden Fall aber unterbleiben. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes setzt die Zulässigkeit der Revision im Zusammenhang mit einem eine grundsätzliche Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG aufwerfenden Verfahrensmangel nämlich voraus, dass die Revision von der Lösung dieser geltend gemachten Rechtsfrage abhängt. Davon kann bei einem Verfahrensmangel aber nur dann ausgegangen werden, wenn auch die Relevanz des Mangels für den Verfahrensausgang dargetan wird, das heißt, dass im Falle der Durchführung eines mängelfreien Verfahrens abstrakt die Möglichkeit bestehen muss, zu einer anderen - für die revisionswerbende Partei günstigeren - Sachverhaltsgrundlage zu gelangen (vgl. VwGH 22.3.2023, Ra 2021/09/0269, mwN). Es reicht somit nicht aus, die Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften zu behaupten, ohne die Relevanz der genannten Verfahrensmängel darzulegen. Die Relevanz der geltend gemachten Verfahrensfehler ist dabei in konkreter Weise aufzuzeigen (vgl. etwa VwGH 13.12.2023, Ra 2023/10/0431, mwN).
11 Diesen Anforderungen wird die Revision nicht gerecht. Insbesondere wird auch mit vagen Behauptungen der Revision, die Aussage der Zeugin TL hätte die Revisionswerberin zur Stellung eines Beweisantrages auf Einvernahme weiterer - nicht konkret bezeichneter - Mitarbeiter der potentiellen Dienstgeberin veranlassen können, keine Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels im dargestellten Sinn konkret dargelegt.
12 Die Revision macht im Weiteren unter dem Gesichtspunkt ihrer Zulässigkeit geltend, das angefochtene Erkenntnis weiche von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs ab, weil die Annahme einer Vereitelung eines Beschäftigungsverhältnisses vorausgesetzt hätte, dass das Verhalten der Revisionswerberin für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses ursächlich gewesen wäre.
13 Es trifft zu, dass es bei Beurteilung, ob ein bestimmtes Verhalten einer arbeitslosen Person als Vereitelung im Sinn des § 10 Abs. 1 AlVG zu qualifizieren ist, darauf ankommt, ob dieses Verhalten für das Nichtzustandekommen des (zumutbaren) Beschäftigungsverhältnisses ursächlich war. Dabei ist allerdings die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zu beachten, wonach nicht Voraussetzung ist, dass das Beschäftigungsverhältnis ohne die Vereitelungshandlung in jedem Fall zustande gekommen wäre. Die geforderte Kausalität liegt vielmehr bereits dann vor, wenn die Chancen für das Zustandekommen eines Beschäftigungsverhältnisses auf Grund der Vereitelungshandlung jedenfalls verringert wurden (vgl. etwa VwGH 2.11.2022, Ra 2021/08/0133, mwN).
14 In diesem Sinn vermag die Revision nicht darzulegen, dass das Bundesverwaltungsgericht die Kausalität der unterbliebenen Übermittlung einer Bewerbung durch die Revisionswerberin zu Unrecht als kausal für das Nichtzustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses beurteilt hat.
15 Soweit die Revision schließlich ihre Zulässigkeit noch darauf stützt, dass die Revisionswerberin keine Bestätigung des Eingangs ihrer Bewerbung bei der Dienstgeberin erhalten habe und insoweit die Beweislast für die Übermittlung der Bestätigung den Absender der Sendung treffe, verkennt sie, dass maßgeblich für die Annahme der Vereitelung des Beschäftigungsverhältnisses im vorliegenden Fall die Feststellung war, dass die Revisionswerberin sich für die angebotene Stelle nicht beworben hat.
16 Lediglich beweiswürdigend hat sich das Bundesverwaltungsgericht zur Untermauerung dieser Feststellung darauf gestützt, dass bei Eingang einer Online-Bewerbung von der Dienstgeberin automatisch eine Bestätigung übermittelt werde und eine solche der Revisionswerberin - wie unstrittig war - nicht zugegangen sei. Eine Unvertretbarkeit der Beweiswürdigung hinsichtlich des Unterbleibens einer Bewerbung durch die Revisionswerberin legt die Revision nicht dar (vgl. zur eingeschränkten Prüfungsbefugnis des Verwaltungsgerichtshofes hinsichtlich der Beweiswürdigung etwa VwGH 27.4.2020, Ra 2019/08/0080, mwN).
17 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren zurückzuweisen.
Wien, am 23. Juli 2024
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023080092.L00