Verwaltungsgerichtshof
19.06.2024
Ra 2023/03/0140
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofräte Dr. Faber, Dr. Himberger und Dr. Chvosta als Richter sowie die Hofrätin Dr.in Sabetzer als Richterin, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Revision des Bundesministers für Arbeit und Wirtschaft gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 25. Mai 2023, Zl. W109 2265870-1/19E, betreffend eine Baugenehmigung und Betriebsbewilligung nach dem Eisenbahngesetz 1957 (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bundesministerin für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie; mitbeteiligte Partei: Ö AG in W, vertreten durch die Fellner Wratzfeld & Partner Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Schottenring 12), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der mitbeteiligten Partei wird kein Aufwandersatz zuerkannt.
1 1.1. Mit Bescheid der belangten Behörde vom 13. Dezember 2022 wurde der Mitbeteiligten auf Grundlage von § 31 Eisenbahngesetz 1957 (EisbG) und anderer Bestimmungen die beantragte eisenbahnrechtliche Baugenehmigung samt wasserrechtlicher Bewilligung für ein Vorhaben umfassend den Umbau des Bahnhofs Messendorf samt elektronischem Stellwerk und die Adaptierung der Haltestelle Raaba erteilt. Weiters wurde die eisenbahnrechtliche Betriebsbewilligung gemäß § 34 EisbG für die Inbetriebnahme dieses Bauvorhabens mit der Baubewilligung derart verbunden, dass sie zu dem Zeitpunkt in Wirksamkeit tritt, zu dem der Behörde eine Prüfbescheinigung oder Erklärung gemäß § 34b EisbG darüber, dass die Anlagen der Baubewilligung entsprechen, vorgelegt werden.
2 Das Vorhaben umfasst neben dem Um- bzw. Neubau von Gleisen und Bahnsteigen, der kompletten Neuerrichtung der Haltestelle Raaba sowie begleitenden Maßnahmen an Eisenbahnkreuzungen und Straßenanlagen, die Kompletterneuerung der Eisenbahnsicherungsanlage (ESA) im Bahnhof Messendorf und deren Zentralisierung in einem neu zu errichtenden elektronischen Stellwerk (ESTW). Dieses soll ohne eigene Bedieneinrichtung errichtet und in eine neu zu errichtende Zelle der Betriebsführungszentrale (BFZ) Villach migriert werden.
3 1.2. Gegen diesen Bescheid erhob unter anderem der Bundesminister für Arbeit und Wirtschaft (Zentral-Arbeitsinspektorat) als zuständiges Arbeitsinspektorat, die nunmehrige revisionswerbende Partei, Beschwerde an das Verwaltungsgericht.
4 Im Zuge des Beschwerdeverfahrens präzisierte er sein Vorbringen dahingehend, dass sich die Beschwerde alleine auf die eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen beziehe, und beantragte primär, den Bewilligungsantrag, soweit er das ESTW betrifft, zurückzuweisen, weil dieses gemäß § 36 Abs. 3 EisbG wegen der Errichtung entsprechend europäischer Normen bewilligungsfrei sei. Soweit das Verwaltungsgericht jedoch davon ausgehe, dass diese Bestimmung im vorliegenden Fall nicht anzuwenden sei, so sei die Bewilligung insgesamt zu versagen, weil der Stand der Technik (§ 31f Abs. 1 Z 1 EisbG) als Genehmigungsvoraussetzung für die eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen tatsächlich nicht vorliege und mangels beurteilbarer Unterlagen gemäß § 92 Abs. 3 ArbeitnehmerInnenschutzgesetz (ASchG) die Einhaltung der Arbeitnehmerschutzvorschriften nicht nachgewiesen sei.
5 1.3. Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Verwaltungsgericht diese Beschwerde als unbegründet ab und sprach aus, dass eine Revision dagegen nicht zulässig sei.
6 Dazu stellte es - soweit für das Revisionsverfahren von Bedeutung - fest, dass das neue ESTW als elektronisches Stellwerk der Bauart SIMIS-AT realisiert werde. Die Neuerrichtung erfolge auf Grundlage der einschlägigen CENELEC Normen (EN 50126, EN 50128 und EN 50129). Auch Entwicklung und Einsatz der in der BFZ verwendeten Soft- und Firmwarekomponenten erfolge nach den einschlägigen geltenden CENELEC Normen. Das Bauvorhaben entspreche dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebs der Eisenbahn, des Betriebs von Schienenfahrzeugen auf der Eisenbahn und des Verkehrs auf der Eisenbahn einschließlich der Anforderungen des ArbeitnehmerInnenschutzes.
7 In der Beweiswürdigung führte das Verwaltungsgericht dazu aus, dass die revisionswerbende Partei auf dem Standpunkt stehe, dass der gesamte Bauentwurf für die Leit- und Sicherungstechnik keinerlei technische Entwurfsunterlagen für das ESTW enthalte, die eine technische Beurteilung auch nur ansatzweise ermöglichen würden. Es sei daher - so die Ansicht der revisionswerbenden Partei - nicht nachvollziehbar, wie der Verfasser des Gutachtens gemäß § 31a EisbG bei Fehlen jeglicher beurteilbarer Bauentwurfsunterlagen für das ESTW überhaupt eine „technische Beurteilung“ des Bauentwurfes durchführen habe können.
Hierzu sei, so das Verwaltungsgericht weiter, dem nach Paragraph 31 a, EisbG vorgelegten Gutachten zu entnehmen, dass sich das Vorhaben aus Sicht des Fachbereichs „Leit- und Sicherungstechnik“ (Eisenbahnsicherungstechnik) in der Grobplanungsphase befinde. Weiters führe der Sachverständige aus, dass den Einreichunterlagen keine Angaben über einzusetzende Software- und Firmwarekomponenten bzw. deren Versionen/Stände beigeschlossen seien. Für den Abschluss der Prozesse gemäß den anzuwendenden CENELEC-Normen seien die Freigaben der Assessoren der Bahn und die Freigaben der Assessoren des Herstellers erforderlich, diese Unterlagen würden derzeit noch nicht vorliegen. Diese Nachweise könnten im Rahmen der Prüfung zur Betriebsbewilligung bzw. zu den entsprechenden Inbetriebsetzungen beurteilt werden. Die abschließenden Aussagen dieser Nachweise, demgemäß die Anlagen und Anlagenteile korrekt entwickelt und eingesetzt werden und die genannten CENELEC-Anforderungen bzw. Normen erfüllt werden, könnten daher zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht bestätigt werden. Der Neubau der Eisenbahnsicherungsanlage erfolge mit im Betrieb erprobten und bewährten Regelkomponenten gemäß dem Stand der Technik.
Letztlich komme das Gutachten - auch in der in die Gesamtbeurteilung einfließenden Beurteilung des Fachgebiets „Leit- und Sicherungstechnik“ - zum Ergebnis, dass sowohl die Anforderungen des ArbeitnehmerInnenschutzes eingehalten seien, als auch das gegenständliche Vorhaben, wie es auf Basis der Unterlagen dargestellt sei, dem Stand der Technik unter Berücksichtigung der Sicherheit und Ordnung des Betriebs der Eisenbahn entspreche. Die revisionswerbende Partei zeige keine konkreten Mängel am Gutachten auf und beschränke sich auf pauschale Behauptungen, ohne jedoch dem Gutachten auf gleicher fachlicher Ebene konkret entgegenzutreten.
8 In rechtlicher Hinsicht bejahte das Verwaltungsgericht zunächst mit näheren Erwägungen die Zulässigkeit der Beschwerde der revisionswerbenden Partei u.a. im Hinblick auf deren inhaltlich beschränkte Parteistellung nach § 12 Abs. 1 Arbeitsinspektionsgesetz 1993.
9 Zum Vorbringen, die Errichtung des ESTW sei auf Grund von § 36 Abs. 3 EisbG bewilligungsfrei, erwog das Verwaltungsgericht, dass nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ein Bauvorhaben grundsätzlich ein unteilbares Ganzes sei, das nur als solches von der Behörde bewilligt oder abgelehnt werden könne. Im Sinne dieser Rechtsprechung sei das von der Mitbeteiligten beantragte Vorhaben, das u.a. den Neubau der Eisenbahnsicherungsanlagen umfasse, zu denen auch das ESTW als Komponente gehöre, als untrennbares Gesamtbauvorhaben zu betrachten, das der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung gemäß den §§ 31 ff EisbG unterliege. Insbesondere sei das ESTW als Steuerungskomponente der völlig neu errichteten Eisenbahnsicherungsanlagen von diesen nicht trennbar, diese seien ohne Stellwerk nicht funktionstüchtig und könnten damit alleine nicht den Genehmigungsvoraussetzungen des § 31f Abs. 1 Z 1 EisbG entsprechen. Eine Trennbarkeit der einzelnen Komponenten des Gesamtvorhabens im Genehmigungsverfahren ergebe sich aus näheren Erwägungen auch nicht aus den von der revisionswerbenden Partei vorgebrachten unionsrechtlichen Grundlagen zur Interoperabilität des Eisenbahnsystems.
10 Das ESTW sei daher - auch wenn dessen Bauart unstrittig nach CENELEC-Normen und damit europäischen Normen entwickelt worden sei - als untrennbarer Teil des Gesamtvorhabens nach § 31 EisbG bewilligungspflichtig.
11 Soweit die revisionswerbende Partei die Bewilligungsfähigkeit des ESTW wegen Fehlens von Unterlagen nach § 92 Abs. 3 ASchG bestreite, habe sie nicht konkretisiert, welche derartigen Unterlagen ihrer Ansicht nach fehlten. Insbesondere sei das ESTW selbst keine Arbeitsstätte im Sinne des § 92 ASchG, sondern lediglich Arbeitsmittel. Nur das ESTW betreffende Unterlagen im Sinne des § 92 Abs. 3 ASchG seien daher gar nicht vorzulegen. Weiters habe das Ermittlungsverfahren ergeben, dass die Anforderungen des ArbeitnehmerInnenschutzes berücksichtigt seien. Der pauschale Einwand sei damit nicht nachvollziehbar.
12 Zum Vorbringen der revisionswerbenden Partei, dass technische Entwurfsunterlagen für das ESTW fehlen würden und es daher nicht nachvollziehbar sei, wie im Gutachten nach § 31a EisbG eine „technische Beurteilung“ des Bauentwurfs auf Einhaltung des Standes der Technik habe erfolgen können, stellte das Verwaltungsgericht zunächst die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zum Stand der Technik nach § 9b EisbG einerseits und zu ÖNORMEN andererseits dar, welche den Charakter eines Regelwerkes mit der Wirkung eines objektivierten generellen Gutachtens hätten, das gegebenenfalls durch ein fachliches Gegengutachten widerlegt und von den Sachverständigen als Grundlage ihrer Gutachten herangezogen werden könne. Die hier relevanten CENELEC-Normen, nach denen das ESTW entwickelt werden solle, seien als ÖVE- bzw. ÖNORMEN national übernommen. Nach diesen entwickelte Komponenten entsprächen damit im Normalfall - also wenn kein fachliches Gegengutachten dies widerlege - auch dem Stand der Technik, wenn sie normkonform entwickelt werden.
13 Vor diesem Hintergrund seien die Ausführungen der revisionswerbenden Partei nicht nachvollziehbar. So komme das Gutachten gemäß § 31a EisbG zum Schluss, dass das ESTW - unter der Annahme, dass seine Entwicklung wie in den einschlägigen CENELEC-Normen vorgesehen erfolge und die entsprechenden Bescheinigungen vorgelegt werden - dem Stand der Technik entspreche und die Belange des ArbeitnehmerInnenschutzes berücksichtigt seien. Dem trete die revisionswerbende Partei nicht mit konkretem Vorbringen auf gleicher fachlicher Ebene entgegen. Anzumerken sei schließlich, dass die Betriebsbewilligung unter der aufschiebenden Bedingung der genehmigungskonformen Errichtung des Vorhabens - das bedeute auch der CENELEC-normkonformen Entwicklung des ESTW mit allen erforderlichen Prüfbescheinigungen, wie in den Projektunterlagen vorgesehen - erteilt werde.
14 Insgesamt sei die Beschwerde der revisionswerbenden Partei als unbegründet abzuweisen.
15 1.4. Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision des dazu nach § 13 Arbeitsinspektionsgesetz 1993 legitimieren Bundesministers.
16 1.5. Die Mitbeteiligte hat unaufgefordert eine Revisionsbeantwortung eingebracht und darin u.a. die Zuerkennung von Aufwandersatz beantragt.
17 2. Die Revision erweist sich als nicht zulässig:
18 2.1. Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
Nach Paragraph 34, Absatz eins, VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.
Nach Paragraph 34, Absatz eins a, VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (Paragraph 28, Absatz 3, VwGG) zu überprüfen.
19 2.2. In der demnach maßgeblichen Zulässigkeitsbegründung erklärt die revisionswerbende Partei zunächst, dass es sich bei der Frage, ob für das ESTW wegen § 36 Abs. 3 EisbG keine Bewilligung erforderlich sei, ihrer Ansicht nach mangels Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu dieser Bestimmung um eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung handle. Aus näher dargestellten Erwägungen (nämlich zur Sicherung der Überprüfungsbefugnis des Arbeitsinspektorates) bleibe jedoch die Lösung dieser Rechtsfrage durch das Verwaltungsgericht dahingehend, dass bei eisenbahn(sicherungs)technischen Einrichtungen (zu ergänzen: deren Bau oder Veränderung Teil eines nach § 31 EisbG bewilligungspflichtigen Gesamtvorhabens ist) die Bestimmungen des § 36 Abs. 3 EisbG nicht angewendet werden könnten, „ausdrücklich unangefochten“.
20 In der Folge führt die Revision folgende Fragen auf, auf welche sie ihre Zulässigkeit stützt:
- fehlende Rechtsprechung zur Frage, ob eine Grobplanung für die Genehmigung von eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen im Hinblick auf die Beurteilung der Einhaltung des Standes der Technik ausreichend ist;
- Abweichung von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs (VwGH 26.6.2013, 2012/05/0187), wonach der Inhalt einer ÖNORM und die daraus geschlossenen Schlussfolgerungen als Teil einer nachvollziehbaren Begründung des Gutachtens näher dargestellt werden müssen, wenn eine solche Norm von einem Sachverständigen zur Beurteilung des Standes der Technik herangezogen wird;
- fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur erforderlichen Dimensionierung des „Durchrutschweges“ als Stand der Technik;
- fehlende Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob entgegen §§ 92 und 93 ASchG keine Unterlagen gemäß § 92 Abs. 3 ASchG vorgelegt werden müssen, welche nur ein ESTW betreffen (zur Beurteilung des Verwaltungsgerichtes, dass es sich bei einem ESTW lediglich um ein Arbeitsmittel und nicht eine Arbeitsstätte im Sinne des § 92 ASchG handle).
21 2.3. Zur Beurteilung der Zulässigkeit der Revision ist vorab darauf einzugehen, dass für das ESTW - eine ortsfeste eisenbahnsicherungstechnische Einrichtung - nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtes, welche insofern von der Revision nicht in Frage gestellt werden, europäische Normen vorliegen, und der Bau des ESTW im vorliegenden Fall nach dem Bewilligungsantrag der mitbeteiligten Partei entsprechend dieser Normen erfolgen soll. Der geplante Bau des ESTW erfüllt somit - für sich gesehen - den Tatbestand des § 36 Abs. 3 EisbG.
22 2.4. Gemäß § 10 EisbG sind Eisenbahnanlagen Bauten, ortsfeste eisenbahnsicherungstechnische Einrichtungen und Grundstücke, die ganz oder teilweise, unmittelbar oder mittelbar der Abwicklung oder Sicherung des Betriebes einer Eisenbahn, des Betriebes von Schienenfahrzeugen auf einer Eisenbahn oder des Verkehrs auf einer Eisenbahn dienen. Ein räumlicher Zusammenhang mit der Schieneninfrastruktur ist nicht erforderlich.
Gemäß Paragraph 31, EisbG ist für den Bau oder die Veränderung von Eisenbahnanlagen und nicht ortsfesten eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen die eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erforderlich.
Gemäß Paragraph 36, Absatz 3, EisbG ist keine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erforderlich für den Bau oder die Veränderung von eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtungen, wenn deren Bau oder Veränderung entsprechend einer europäischen technischen Zulassung erfolgen soll oder für die jeweilige eisenbahnsicherungstechnische Einrichtung europäische Normen, europäische Spezifikationen oder gemeinsame technische Spezifikationen vorliegen und deren Bau oder Veränderung entsprechend dieser Normen und Spezifikationen erfolgen soll.
23 Liegen die in § 36 EisbG normierten Voraussetzungen vor, ist für die in dieser Bestimmung genannten Maßnahmen - anders als nach der Grundregel des § 31 EisbG - keine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung erforderlich (vgl. VwGH 30.9.2020, Ra 2020/03/0054, 0058, Rn 45).
24 Insoweit Vorhaben nach § 36 EisbG genehmigungsfrei gestellt sind, erfolgt (schon mangels Genehmigungsverfahren nach § 93 Abs. 1 Z 4 ASchG) auch keine Mitwirkung der Arbeitsinspektion. Die Vorschriften des ArbeitnehmerInnenschutzes sind jedoch auch bei den nach dem EisbG genehmigungsfrei gestellten Vorhaben zu beachten, und es können auch nach § 94 ASchG Schutzmaßnahmen behördlich vorgeschrieben werden (vgl. Catharin/Gürtlich/Walder-Wintersteiner, Eisenbahngesetz4 [2022] § 36 Anm. 13).
25 Durch die Genehmigungsfreistellung des § 36 Abs. 3 EisbG bringt der Gesetzgeber zum Ausdruck, dass aufgrund des Vorliegens einer europäischen technischen Zulassung bzw. der Einhaltung vorliegender europäischer Normen, europäischer Spezifikationen oder gemeinsamer technischer Spezifikationen eine eisenbahnbehördliche Prüfung von Genehmigungsvoraussetzungen im Sinne des § 31f EisbG (etwa, dass das Bauvorhaben dem Stand der Technik entspricht) oder auch des § 93 Abs. 2 zweiter Satz ASchG (etwa, dass die Anlagen den Arbeitnehmerschutzvorschriften entsprechen) nicht erforderlich ist.
26 Die auf Grundlage des § 31b Abs. 2 EisbG (betreffend nähere Bestimmungen über die je nach Art und Umfang des Bauvorhabens erforderlichen Unterlagen) erlassene Eisenbahn-Bauentwurfsverordnung (EBEV) bestimmt in ihrem § 2 Abs. 8, dass, soweit mit einem genehmigungspflichtigen Bauvorhaben auch genehmigungsfreie Baumaßnahmen im Zusammenhang stehen, in den Bauentwurfsunterlagen diesbezüglich nur die zur Beurteilung der genehmigungspflichtigen Maßnahmen erforderlichen Angaben aufzunehmen sind.
27 2.5. Im vorliegenden Fall ist das Verwaltungsgericht zum Ergebnis gekommen, dass das geplante ESTW als untrennbarer Teil eines nach § 31 EisbG baubewilligungspflichtigen Gesamtvorhabens vom Bewilligungsantrag umfasst und daher auch von der Bewilligung zu umfassen ist, und dass für einen solchen bloßen Teil des Gesamtvorhabens eine Bewilligungsfreiheit nach § 36 Abs. 3 EisbG (mit der Konsequenz der teilweisen Antragszurückweisung) nicht in Betracht kommt. Die Revision macht in diesem Zusammenhang ausdrücklich keine Rechtsfrage im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG geltend. Vor diesem Hintergrund ist das Zulässigkeitsvorbringen zu prüfen.
28 Jedoch auch wenn der Bau oder die Veränderung einer eisenbahnsicherungstechnischen Einrichtung als Teil eines nach § 31 EisbG baubewilligungspflichtigen, unteilbaren Gesamtvorhabens vom Bewilligungsantrag (und in weiterer Folge der Bewilligung) umfasst ist, ändert dies nichts am Beurteilungsmaßstab, sodass für eine solche Einrichtung unter den Voraussetzungen des § 36 Abs. 3 EisbG keine materiellen Genehmigungsvoraussetzungen zu prüfen sind. In einem solchen Fall ist es daher ausreichend, wenn der Antrag nach § 31a EisbG die Angabe enthält, dass und welche europäische Zulassung vorliegt bzw. dass und welche europäischen Normen, europäischen Spezifikationen oder gemeinsamen technischen Spezifikationen vorliegen und bei Bau oder Veränderung eingehalten werden sollen. Weitere Angaben sind nicht erforderlich (vgl. auch § 2 Abs. 8 EBEV). Die nach § 34 EisbG erforderliche Betriebsbewilligung setzt wiederum nach § 35 Abs. 1 EisbG voraus, dass die Anlage der eisenbahnrechtlichen Baugenehmigung entspricht, also im Fall eines Vorhabensteils, der aufgrund von § 36 Abs. 3 EisbG nicht anhand der Kriterien für eine eisenbahnrechtliche Baugenehmigung zu prüfen war, entsprechend der europäischen Zulassung bzw. den europäischen Normen, europäischen Spezifikationen oder gemeinsamen technischen Spezifikationen gebaut oder verändert wurde.
29 2.6. Die Zulässigkeit einer Revision setzt gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG voraus, dass ihr Schicksal, also der Erfolg der Revision, von der Lösung der geltend gemachten Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung „abhängt“. Es muss daher zumindest die Möglichkeit bestehen, dass die aufgeworfene, im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Rechtsfrage für die Lösung des Falles von ausschlaggebender Bedeutung ist. Der Verwaltungsgerichtshof ist nämlich gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Lösung theoretischer Rechtsfragen befugt, sondern nur solcher, von deren Lösung der Erfolg der Revision tatsächlich abhängt. Zur Lösung abstrakter Rechtsfragen ist der Verwaltungsgerichtshof nicht zuständig (vgl. etwa VwGH 21.12.2023, Ra 2023/07/0091, mwN).
30 Im vorliegenden Fall stehen die zur Zulässigkeit der Revision aufgeworfenen Fragen unter der Prämisse, dass das konkrete ESTW im Baubewilligungsverfahren auf die Einhaltung des Standes der Technik (§ 31f Abs. 1 Z 1 EisbG) bzw. von Arbeitnehmerschutzvorschriften (§ 93 Abs. 2 zweiter Satz ASchG) zu prüfen und daher entsprechende Antragsunterlagen beizubringen und im Gutachten nach § 31a EisbG zu beurteilen waren. Dies ist nach dem Gesagten jedoch nicht der Fall, weil das ESTW im vorliegenden Fall für sich genommen projektgemäß die Voraussetzungen für eine Bewilligungsfreiheit nach § 36 Abs. 3 EisbG erfüllt.
31 Von den in der Revision angeführten Fragen hängt diese daher nicht im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG ab, sodass es sich insofern nur um abstrakte Rechtsfragen handelt.
32 3.1. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher gemäß § 34 Abs. 1 VwGG in einem nach § 12 Abs. 2 VwGG gebildeten Senat zurückzuweisen.
33 3.2. Nach § 30a Abs. 7 in Verbindung mit § 36 Abs. 1 VwGG hat im Falle einer außerordentlichen Revision der Verwaltungsgerichtshof das Vorverfahren zu führen und die Parteien zur Einbringung einer Revisionsbeantwortung aufzufordern. Eine solche Aufforderung ist seitens des Verwaltungsgerichtshofes nicht ergangen. Der Ersatz der Kosten für die seitens der mitbeteiligten Partei erstattete Revisionsbeantwortung konnte daher nicht zugesprochen werden (vgl. VwGH 20.6.2023, Ra 2022/03/0097, mwN).
Wien, am 19. Juni 2024
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2023030140.L00