Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

28.11.2023

Geschäftszahl

Ra 2022/22/0043

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sulzbacher sowie die Hofräte Dr. Mayr und Mag. Berger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Thaler, über die Revision der E R, vertreten durch Dr. Astrid Wagner, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Himmelpfortgasse 10, gegen das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes Wien vom 28. September 2021, VGW-151/V/061/2780/2021-22, betreffend Aufenthaltstitel (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Landeshauptmann von Wien), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Der Bund hat der Revisionswerberin Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

1             Die Revisionswerberin, eine 1989 geborene nordmazedonische Staatsangehörige, stellte am 11. September 2020 unter Berufung auf ihre am 31. Oktober 2019 geschlossene Ehe mit dem österreichischen Staatsbürger R.R. einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels „Familienangehörige“ nach § 47 Abs. 2 Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz (NAG).

2             Mit Bescheid vom 19. Jänner 2021 wies die belangte Behörde (Landeshauptmann von Wien) diesen Antrag gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG mit der Begründung ab, dass das erforderliche Haushaltsnettoeinkommen nicht erreicht werde.

3             Mit dem angefochtenen Erkenntnis vom 28. September 2021 wies das Verwaltungsgericht Wien die dagegen erhobene Beschwerde der Revisionswerberin nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung als unbegründet ab und erklärte die ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG für unzulässig.

4             Das Verwaltungsgericht stellte auf das Wesentliche zusammengefasst fest, die Revisionswerberin sei vor der Antragstellung am 9. August 2020 und zuletzt am 28. Jänner 2021 nach Österreich eingereist und halte sich seitdem, somit acht Monate durchgehend, ohne Aufenthaltstitel in Österreich auf. Die seit 2017 bestehende Beziehung zwischen der Revisionswerberin und R.R. sei bis zur letzten Einreise in der Form geführt worden, dass die Revisionswerberin sich drei Monate bei R.R. in Wien und anschließend R.R. drei Monate bei der Revisionswerberin in Nordmazedonien aufgehalten habe. Derzeit lebe die Revisionswerberin mit ihrem berufstätigen Ehemann und dessen sechsjähriger Tochter S.R. (ihrer Stieftochter) zusammen. Die gemeinsame Obsorge von S.R. komme den Eltern (R.R. und der leiblichen Mutter L.R.) zu, wobei die hauptsächliche Betreuung im Haushalt des R.R. stattfinde. Der in Vollzeit arbeitenden L.R. stehe das Besuchsrecht für Sonntag zu. S.R. befinde sich von 7 Uhr bis 17 Uhr im Kindergarten bzw. in der Vorschule, die restlichen Stunden werde sie von der Revisionswerberin und R.R. betreut. Die Revisionswerberin habe eine gute Beziehung zu ihrer Stieftochter, allerdings beschränke sich die Betreuung von S.R. durch sie (gemeinsam mit R.R.) auf wenige Stunden pro Tag und einen Tag am Wochenende. Mit der Ausreise der Revisionswerberin und der durch das Abwarten der Entscheidung über einen neuerlichen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in Nordmazedonien verbundenen Trennung von der Revisionswerberin würde für das Wohlergehen und die Betreuung von S.R. somit keine wesentliche Beeinträchtigung eintreten, weil beide Eltern von S.R. in Österreich aufhältig seien und deren Obsorge wahrnehmen würden, soweit sie sich nicht ohnehin im Ganztagskindergarten befinde.

Die - nicht berufstätige - Revisionswerberin verfüge über ein Sprachdiplom auf dem Niveau A1, die Einvernahme habe aber nur unter Beiziehung einer Dolmetscherin erfolgen können. Die Revisionswerberin sei schwanger; der errechnete Geburtstermin sei der 1. Jänner 2021 (gemeint: 2022). Es sei nicht davon auszugehen, dass die Ausreise und Rückreise nach Nordmazedonien aufgrund der Schwangerschaft nicht zumutbar oder unmöglich sei, weil keine Risikoschwangerschaft vorliege und nicht von dringenden medizinischen Gründen auszugehen sei, die eine Ausreise nicht zumutbar machen würden; Derartiges ergebe sich auch nicht aus den vorgelegten ärztlichen Befundberichten vom 20. Mai 2021 und vom 28. Juli 2021. Der Revisionswerberin sei es daher zumutbar, die Ehe zu R.R. in der vor ihrer Einreise am 28. Jänner 2021 gelebten Art und Weise weiter zu führen und die Entscheidung über einen erneuten Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels in ihrer Heimat abzuwarten.

5             In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, die Revisionswerberin habe ihren Antrag iSd § 21 Abs. 1 NAG zwar während eines zulässigen Inlandsaufenthaltes gestellt, wäre jedoch gehalten gewesen, nach Ablauf ihrer visumfreien Zeit auszureisen und das weitere Verfahren im Ausland abzuwarten. Auch ihre Schwangerschaft habe sie nicht „von dieser klaren Verpflichtung des § 21 Abs. 1 zweiter Satz NAG dispensieren“ können. Die Revisionswerberin habe damit ein „zwingendes“ Erteilungshindernis iSd § 11 Abs. 1 Z 5 NAG verwirklicht.

6             Auch eine Abwägung gemäß § 11 Abs. 3 NAG führe nicht dazu, dass der Revisionswerberin der beantragte Aufenthaltstitel zu erteilen wäre. Die Revisionswerberin sei nicht beruflich integriert, sie verfüge zwar über Sprachkenntnisse auf dem Niveau A1, sei in der mündlichen Verhandlung aber nicht in der Lage gewesen, einfache auf Deutsch gestellte Fragen zu verstehen. Ihre soziale und familiäre Anbindung finde hauptsächlich in ihrem Zusammenleben mit R.R und der Stieftochter S.R. statt. Der unsichere Aufenthaltsstatus der Revisionswerberin habe ihr und R.R. bei Eheschließung bewusst sein müssen. Darüber hinaus bestünden deutliche Bindungen der Revisionswerberin zu ihrem Heimatstaat, wo ihre Eltern und Schwestern lebten. Eine Bindung zu ihrer Stieftochter S.R. werde nicht in Abrede gestellt. Da jedoch beide leiblichen Elternteile von S.R. in Wien aufhältig seien und die gemeinsame Obsorge wahrnehmen würden, werde S.R. durch eine Trennung von der Revisionswerberin nicht in ihren Rechten nach Art. 8 EMRK verletzt und nicht gezwungen, Österreich zu verlassen. Ebenso wenig werde R.R. durch die Ausreise der Revisionswerberin im Kernbestand seiner unionsbürgerlichen Rechte verletzt, zumal er die Ehe in der bislang gelebten Form weiterleben könne und nicht gezwungen sei, das Gebiet der Europäischen Union auf Dauer zu verlassen. Somit überwiege im konkreten Fall das öffentliche Interesse an der Versagung des begehrten Aufenthaltstitels das Interesse der Revisionswerberin an der Erteilung desselben.

7             Die Revisionswerberin erhob gegen dieses Erkenntnis zunächst Beschwerde gemäß Art. 144 B-VG, deren Behandlung vom Verfassungsgerichtshof mit dem Beschluss VfGH 30.11.2021, E 3832/2021, abgelehnt und die dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung abgetreten wurde.

8             In der Folge wurde die vorliegende außerordentliche Revision fristgerecht erhoben.

9             Die belangte Behörde nahm von der Erstattung einer Revisionsbeantwortung Abstand.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 2, VwGG gebildeten Dreiersenat erwogen:

10           Während die belangte Behörde den Antrag der Revisionswerberin gemäß § 11 Abs. 2 Z 4 iVm Abs. 5 NAG aufgrund fehlender finanzieller Mittel abwies, stützte das Verwaltungsgericht seine Entscheidung nur auf die Überschreitung der Dauer des erlaubten visumfreien Aufenthaltes gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG. Gegen das Vorliegen dieses Erteilungshindernisses bringt die Revisionswerberin nichts vor.

11           Die Revisionswerberin wendet sich in ihrer Zulässigkeitsbegründung gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung und bringt dazu vor, das angefochtene Erkenntnis greife ungerechtfertigt in ihr Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens ein. Die Revisionswerberin führe nachweislich ein Familienleben mit ihrem Ehemann und ihrer Stieftochter. Sie sei die Hauptbetreuungsperson von S.R., weil R.R. beinahe „rund um die Uhr“ arbeite und die leibliche Mutter, die ebenfalls viel arbeite, nur einmal pro Woche berechtigt sei, S.R. zu sich zu nehmen. Die Revisionswerberin sei zwar nicht die leibliche Mutter von S.R., sie sei jedoch in emotionaler Hinsicht Elternteil der Minderjährigen. Völlig lebensfremd seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts bezüglich der Möglichkeit der Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens, wenn die Revisionswerberin in Nordmazedonien aufhältig sei. Zudem habe das Verwaltungsgericht übersehen, dass die Revisionswerberin in Kürze ihr erstes Kind erwarte.

12           Die Revision erweist sich in Bezug auf diese Ausführungen - entgegen dem gemäß § 34 Abs. 1a erster Satz VwGG nicht bindenden Ausspruch des Verwaltungsgerichtes - unter dem Gesichtspunkt des Art. 133 Abs. 4 B-VG als zulässig und auch als berechtigt.

13           Gemäß § 11 Abs. 3 NAG kann ein Aufenthaltstitel trotz Vorliegens eines Erteilungshindernisses (fallbezogen) gemäß § 11 Abs. 1 Z 5 NAG erteilt werden, wenn dies zur Aufrechterhaltung des Privat- und Familienlebens im Sinn des Art. 8 EMRK geboten ist. Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist bei der Beurteilung nach § 11 Abs. 3 NAG unter Bedachtnahme auf alle Umstände des Einzelfalles eine gewichtende Abwägung des öffentlichen Interesses an der Versagung eines Aufenthaltstitels mit den gegenläufigen privaten und familiären Interessen unter Berücksichtigung der im § 11 Abs. 3 NAG genannten Kriterien in Form einer Gesamtbetrachtung vorzunehmen (vgl. VwGH 20.5.2021, Ra 2021/22/0036, Rn. 14, mwN).

14           Die im Rahmen der Entscheidung über einen Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels unter Bedachtnahme auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalles in Form einer Gesamtbetrachtung durchgeführte Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK kann im Allgemeinen - wenn sie auf einer verfahrensrechtlich einwandfreien Grundlage erfolgte und in vertretbarer Weise im Rahmen der von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze vorgenommen wurde - nicht erfolgreich mit Revision im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG bekämpft werden. Die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Interessenabwägung im Sinn des Art. 8 EMRK ist vom Verwaltungsgerichtshof also nur dann aufzugreifen, wenn das Verwaltungsgericht die vom Verwaltungsgerichtshof aufgestellten Leitlinien und Grundsätze nicht beachtet und somit seinen Anwendungsspielraum überschritten oder eine krasse und unvertretbare Fehlbeurteilung des Einzelfalles vorgenommen hat (vgl. zum Ganzen VwGH 31.3.2021, Ra 2020/22/0030, Rn. 9, mwN).

15           Der Verwaltungsgerichtshof erkennt in ständiger Rechtsprechung, dass der Bindung eines Fremden an einen österreichischen Ehepartner im Rahmen der Abwägung nach Art. 8 EMRK große Bedeutung zukommt. In einem solchen Fall müssen nähere Feststellungen zu den Lebensverhältnissen des Fremden und seines Ehepartners sowie zur Möglichkeit der Führung eines Familienlebens außerhalb Österreichs getroffen werden (vgl. VwGH 18.1.2023, Ra 2020/22/0269, Rn. 8, mwN).

16           Das Verwaltungsgericht ging im Rahmen der Interessenabwägung davon aus, dass der Revisionswerberin und R.R. der unsichere Aufenthaltsstatus der Revisionswerberin bei der Eheschließung habe bewusst sein müssen. Dem Gewicht der Bindungen zu einem österreichischen Staatsbürger kann aber nicht allein mit dem Vorhalt eines unsicheren Aufenthaltsstatus begegnet werden (vgl. erneut VwGH 31.3.2021, Ra 2020/22/0030, hier Rn. 13, mwN).

17           Das Verwaltungsgericht vertrat in diesem Zusammenhang weiters die Ansicht, die Ehe zwischen der Revisionswerberin und R.R. könne in der bis zur letzten Einreise am 28. Jänner 2021 gelebten Form weitergeführt werden. Bei diesen Überlegungen lässt das Verwaltungsgericht allerdings unberücksichtigt, dass regelmäßige Besuche des berufstätigen R.R. in Nordmazedonien dem Umfang nach durch seinen Urlaubsanspruch beschränkt wären und zudem die im Haushalt von R.R. lebende sechsjährige Stieftochter des Revisionswerbers in Österreich zum Besuch einer elementaren Bildungseinrichtung verpflichtet ist. Dreimonatige Besuche des R.R. in Nordmazedonien wären daher (selbst wenn sie in beruflicher Hinsicht möglich wären) mit einer Trennung von dessen minderjähriger Tochter verbunden; mit der Frage der Betreuung der S.R. in dieser Zeit setzte sich das Verwaltungsgericht aber ebenfalls nicht auseinander (vgl. - zu einer im Haushalt der Ehegattin lebenden schulpflichtigen Stieftochter - VwGH 18.11.2021, Ra 2021/22/0092, Rn. 31).

18           Des Weiteren hat der Verwaltungsgerichtshof wiederholt zum Ausdruck gebracht, dass auch das Kindeswohl bei einer Interessenabwägung zu berücksichtigen ist (vgl. erneut VwGH 31.3.2021, Ra 2020/22/0030, nunmehr Rn. 11, mwN). Demnach war im vorliegenden Fall einerseits auf die Beziehung der Revisionswerberin zu ihrer minderjährigen Stieftochter S.R. und diesbezüglich konkret absehbare Entwicklungen Bedacht zu nehmen (vgl. zum Kindeswohl eines Stiefkindes grundsätzlich etwa VwGH 7.6.2023, Ra 2019/22/0088, Pkt. 7.1.), andererseits aber auch eine Beurteilung der Auswirkungen der angefochtenen Entscheidung in Bezug auf das im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses noch ungeborene Kind bzw. auf dessen Kindeswohl vorzunehmen (vgl. zur Notwendigkeit der Auseinandersetzung mit dem Kindeswohl in Bezug auf ein ungeborenes Kind bei einer Interessenabwägung nach § 9 BFA-VG etwa VwGH 7.3.2019, Ra 2018/21/0141, Rn. 16; weiters VwGH 19.4.2023, Ra 2022/17/0232, Rn. 19, mwN).

19           Das Verwaltungsgericht hat sich vorliegend zwar mit dem Kindeswohl der Stieftochter S.R. auseinandergesetzt, eine Beurteilung der Auswirkungen der angefochtenen Entscheidung auf das Familienleben der Revisionswerberin in Bezug auf das - im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Erkenntnisses - noch ungeborene Kind bzw. auf dessen Kindeswohl ist allerdings unterblieben. Das Verwaltungsgericht hat es somit auch unterlassen, sich damit auseinanderzusetzen, welche Auswirkungen es auf das gemeinsame Kind der Revisionswerberin und des R.R. hätte, wenn es mit seiner Mutter aus Österreich ausreisen und eine Trennung von seinem Vater hinnehmen müsste. Diesbezüglich wäre auch zu berücksichtigen gewesen, dass die Aufrechterhaltung des Kontaktes mittels moderner Kommunikationsmittel mit einem Säugling bzw. Kleinkind nicht bzw. kaum möglich ist. Auch kommt dem Vater eines Kindes (und umgekehrt) grundsätzlich das Recht auf persönlichen Kontakt zu (vgl. etwa VwGH 7.12.2021, Ra 2021/22/0130, Rn. 25, mwN).

20           Indem das Verwaltungsgericht die dargelegten Aspekte nicht ausreichend bzw. nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise in seine Interessenabwägung nach Art. 8 EMRK einbezog, hat es seine Begründung insoweit mit einem Mangel belastet, dessen Relevanz nicht ausgeschlossen werden kann.

21           Soweit die Revisionswerberin darüber hinaus vorbringt, sie sei nicht rechtzeitig aus dem Bundesgebiet ausgereist, weil ihr Arzt aufgrund einer schwierigen Schwangerschaft von einer Reise abgeraten habe und das Verwaltungsgericht die Revisionswerberin und ihr ungeborenes Kind einer großen Gefahr aussetzen würde, wendet sie sich gegen die diesbezügliche Beweiswürdigung des Verwaltungsgerichts. Die Beweiswürdigung ist einer Überprüfung durch den Verwaltungsgerichtshof zwar nur insoweit zugänglich, als es darum geht, ob die angestellten Erwägungen schlüssig sind bzw. die Beweisergebnisse in einem ordnungsgemäßen Verfahren ermittelt wurden (vgl. etwa VwGH 8.9.2022, Ra 2021/22/0135, Rn. 16, mwN).

22           Vorliegend ist dazu aber Folgendes anzumerken: Obwohl laut ärztlichem Befundbericht vom 28. Juli 2021 aufgrund von anhaltenden Schmerzen im Unterbauch und Rücken bzw. Kontraktionen „Reisen jeglicher Art“ nicht empfohlen wurden, kam das Verwaltungsgericht zum Ergebnis, dass dadurch keineswegs zum Ausdruck gebracht werde, der Revisionswerberin wäre eine mehrstündige Auto- bzw. Zugfahrt nach Nordmazedonien nicht zumutbar. Soweit das Verwaltungsgericht dabei hervorhob, dass man während einer Schwangerschaft Reisen grundsätzlich vermeiden sollte und die in den Befundberichten festgehaltenen Symptome bereits der allgemeinen Lebenserfahrung nach typische, während einer Schwangerschaft auftretende Symptome seien, legt es damit seine beweiswürdigenden Überlegungen aber nicht in einer für den Verwaltungsgerichtshof nachvollziehbaren Weise dar.

23           Zwar hat der Verwaltungsgerichtshof bereits festgehalten, dass § 11 Abs. 1 Z 5 NAG keine Anhaltspunkte dafür enthält, dieser Versagungsgrund wäre nur bei schuldhaftem Verhalten erfüllt (vgl. VwGH 24.3.2021, Ra 2020/22/0215, Rn. 6). Allerdings hat der Verwaltungsgerichtshof ebenfalls bereits ausgesprochen, dass die Frage der Reiseunfähigkeit eines Fremden in die Interessenabwägung nach § 11 Abs. 3 NAG einzubeziehen ist (vgl. etwa VwGH 12.10.2015, Ro 2015/22/0022, mwN).

24           Das angefochtene Erkenntnis war aber bereits aus den oben dargelegten Erwägungen wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. b und c VwGG aufzuheben.

25           Die Entscheidung über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Das auf Ersatz der Umsatzsteuer gerichtete Mehrbegehren der Revisionswerberin war abzuweisen, weil in dem in der genannten Verordnung vorgesehenen Pauschalbetrag die Umsatzsteuer bereits enthalten ist (vgl. VwGH 24.8.2023, Ra 2022/22/0086, Rn. 22, mwN).

Wien, am 28. November 2023

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2022220043.L00