Verwaltungsgerichtshof
17.06.2024
Ro 2022/16/0022
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Thoma und die Hofrätin Dr. Reinbacher, den Hofrat Dr. Bodis, die Hofrätin Dr. Funk-Leisch und den Hofrat Mag. M. Mayr als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag.a Sasshofer, über die Revision des Präsidenten des Landesgerichts Linz in 4020 Linz, Fadingerstraße 2, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 30. August 2022, L521 2258178-1/2E, betreffend Gerichtsgebühren (mitbeteiligte Partei: römisch fünf Gesellschaft m.b.H. in L, vertreten durch die Sattlegger, Dorninger, Steiner & Partner Anwaltssocietät in 4020 Linz, Harrachstraße 6, Atrium City Center), in der Sache zu Recht erkannt:
Der Revision wird Folge gegeben und Spruchpunkt A) 2. des angefochtenen Erkenntnisses dahin abgeändert, dass er wie folgt lautet:
„Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen“.
1 Am 25. März 2019 brachte die Mitbeteiligte beim Bezirksgericht L eine Unterlassungsklage mit einem bezifferten Streitwert von 4.000 € ein und entrichtete dafür eine Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG iHv 314 €.
2 Die für 14. Mai 2019 anberaumte vorbereitende Tagsatzung blieb nach vorangehender telefonischer Ankündigung des Vertreters der Klägerin von beiden Streitteilen unbesucht.
3 Die Richterin versah den Akt mit dem Vermerk:
„Niemand erschienen, Zustellung ausgewiesen.
Ruhen des Verfahrens gem. Paragraph 170, ZPO.
[L] am 14.5.2019“.
4 Auf Grund eines Fortsetzungsantrags beraumte die Richterin eine Tagsatzung für den 21. Jänner 2020 an, in der die Parteien einen Vergleich schlossen. Im Verhandlungsprotokoll hielt die Richterin fest, „dass aufgrund des Vergleichsabschlusses in der ersten Verhandlung nach Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches die halbe Pauschalgebühr an die Klagevertreter rücküberwiesen wird“.
5 In weiter Folge veranlasste das Bezirksgericht L die Rückerstattung der halben Pauschalgebühr.
6 Anlässlich einer Gebührenrevision im Jahr 2022 wurde die Mitbeteiligte mit Zahlungsauftrag (Mandatsbescheid) vom 4. April 2022 zur Zahlung einer restlichen Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG iHv 157 € samt einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 € verpflichtet, wogegen die Mitbeteiligte Vorstellung erhob.
7 Nach Durchführung eines Ermittlungsverfahrens schrieb der Präsident des Landesgerichts L der Mitbeteiligten neuerlich eine restliche Pauschalgebühr gemäß TP 1 GGG iHv 157 € samt einer Einhebungsgebühr gemäß § 6a Abs. 1 GEG iHv 8 € vor. In der Begründung des Bescheids wurde ausgeführt, der Vergleich sei nicht in der ersten Tagsatzung am 14. Mai 2019, sondern erst beim zweiten Verhandlungstermin am 21. Jänner 2020 geschlossen worden, sodass die Voraussetzungen für eine Reduktion der Pauschalgebühr um die Hälfte nach Anm. 2 zu TP 1 GGG (Abschluss des Vergleichs in der ersten Verhandlung) nicht gegeben seien.
8 Der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde der Mitbeteiligten gab das Bundesverwaltungsgericht mit Spruchpunkt A) 2. des angefochtenen Erkenntnisses Folge und hob den Bescheid des Präsidenten des Landesgerichts L ersatzlos auf.
9 In der Begründung führte das Verwaltungsgericht aus, die Mitbeteiligte bezweifle nicht, dass mit der Einbringung der Unterlassungsklage am 25. März 2019 der Gebührentatbestand der TP 1 GGG verwirklicht worden und dafür Pauschalgebühr iHv 314 € zu entrichten gewesen sei. Strittig sei lediglich, ob der in der vorbereitenden Tagsatzung am 21. Jänner 2020 abgeschlossene gerichtliche Vergleich zu einer nachträglichen Ermäßigung der Gebührenschuld gemäß Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 führe.
10 Im Abgabenrecht sei in Ermangelung entgegenstehender Vorschriften über den Wirksamkeitszeitpunkt grundsätzlich die materielle Rechtslage zum Zeitpunkt der Verwirklichung des Abgabentatbestands maßgebend. Dieser Grundsatz sei auf den Ermäßigungstatbestand in Anm. 2 zu TP 1 GGG sinngemäß anzuwenden, zumal diese Bestimmung vom Entstehen des Abgabenanspruchs entkoppelt sei und lediglich für bestimmte Sachverhalte eine nachträgliche Ermäßigung einer bereits entstandenen Gebührenschuld vorsehe. Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 sei mit Ablauf des 31. Juli 2019 ohne Übergangsvorschrift in Kraft getreten. Die Bestimmung sei daher auf alle gerichtlichen Vergleiche anzuwenden, die nach dem 31. Juli 2019 in einer „ersten Verhandlung“ geschlossen worden seien. Auf den Zeitpunkt der Einbringung der Klage komme es nicht an, da Anm. 2 zu TP 1 GGG eine bereits entstandene Gebührenschuld voraussetze und dem Gesetzeswortlaut zufolge die Rechtsfolge der Ermäßigung bei Vorliegen der Voraussetzungen unabhängig vom Zeitpunkt der vorangehenden Verwirklichung des Gebührentatbestands eintrete.
11 Das Bundesverwaltungsgericht teile die Rechtsansicht der Justizverwaltungsbehörde nicht, wonach die Möglichkeit eines gebührenschonenden Vergleichs in der ersten Verhandlung versäumt worden sei, weil die vorbereitende Tagsatzung am 14. Mai 2019 von den Parteien des Grundverfahrens unbesucht geblieben sei.
12 Nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut von Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 ermäßige sich die Pauschalgebühr nach TP 1 auf die Hälfte, wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen werde. Im gegenständlichen Fall habe das Erstgericht zwar die Parteien zur vorbereitenden Tagsatzung am 14. Mai 2019 geladen. Diese sei jedoch nicht durchgeführt worden, weil die Parteien dazu nicht erschienen seien. Dieser Umstand sowie die Rechtsfolge des Ruhens des Verfahrens gemäß § 170 ZPO seien seitens des im Grundverfahrens tätigen Gerichts mit im Akt angebrachter Stampiglie vom 14. Mai 2019 festgehalten worden. Ausweislich des Akteninhalts sei am 14. Mai 2019 weder eine mündliche Verhandlung eröffnet (§ 180 Abs. 1 erster Satz ZPO), noch ein Verhandlungsprotokoll (§ 207 Abs. 1 ZPO) aufgenommen worden. Vielmehr sei aufgrund des beiderseitigen Nichterscheinens der Parteien des Grundverfahrens Ruhen des Verfahrens mit den in § 163 ZPO normierten Rechtsfolgen eingetreten. Dem im Grundverfahren tätigen Gericht seien aufgrund des Verweises in § 168 zweiter Satz ZPO auf § 163 ZPO sämtliche weiteren Verfügungen in der Hauptsache verwehrt gewesen. Konsequenterweise gingen Rechtsprechung und Literatur davon aus, dass, wenn das Ruhen infolge Versäumung der vorbereitenden Tagsatzung eingetreten sei, die anlässlich der Fortsetzung des Verfahrens angeordnete Tagsatzung wiederum als vorbereitende Tagsatzung anzusehen sei. Da am 14. Mai 2019 die mündliche Verhandlung aufgrund der eingetretenen Unterbrechungswirkung nicht habe durchgeführt werden können, bestehe kein Grund zur Annahme, dass an diesem Tag die „erste Verhandlung“ im Sinne der Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 stattgefunden habe. Die Parteien des Grundverfahrens hätten am 14. Mai 2019 in Ermangelung einer an diesem Tag durchgeführten mündlichen Verhandlung gar keine Möglichkeit gehabt, einen gerichtlichen Vergleich abzuschließen und in den Genuss der Gebührenermäßigung zu kommen. Diese Gelegenheit habe sich erst am 21. Jänner 2020, als die mündliche Streitverhandlung eröffnet worden sei, geboten. Die Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 stelle nicht auf die bloße Anberaumung einer Verhandlung ab und schließe die Anwendung der Ermäßigung auch für den Fall des beiderseitigen Nichterscheinens zu einer anberaumten, aber dann nicht durchgeführten Verhandlung nicht aus. Die von der Justizverwaltungsbehörde vorgenommene einschränkende Auslegung der Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 verbiete sich aufgrund der gebotenen Anknüpfung an formale äußere Tatbestände. Das gewünschte Auslegungsergebnis lasse sich auch nicht mit dem zusätzlichen Aufwand des Gerichts nach dem im Grundverfahren gestellten Fortsetzungsantrag rechtfertigen. Stünden die Materialien wie im gegenständlichen Fall im eindeutigen Widerspruch zum Wortlaut des Gesetzes, seien diese für die Auslegung bedeutungslos. Das Bundesverwaltungsgericht gehe zusammenfassend davon aus, dass ein in der „ersten Verhandlung“ iSd. Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 abgeschlossener gerichtlicher Vergleich auch dann vorliege, wenn die erste anberaumte vorbereitende Tagsatzung von beiden Parteien versäumt und die Verhandlung deshalb nicht eröffnet worden, Ruhen des Verfahrens gemäß § 170 ZPO eingetreten und der gerichtliche Vergleich sodann nach Fortsetzung des Verfahrens in der ersten durchgeführten Tagsatzung abgeschlossen worden sei. Die von der Streitrichterin bereits im Grundverfahren vertretene Rechtsansicht sei somit zutreffend, sodass die Festsetzung einer restlichen Pauschalgebühr rechtsgrundlos erfolgt sei.
13 Eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof sei zulässig, weil Rechtsprechung zur Frage fehle, ob die Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 auch auf Sachverhalte anzuwenden sei, in welchen der Gebührentatbestand vor dem Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 81/2019 verwirklicht worden und erst das die Ermäßigung auslösende Ereignis nach Inkrafttreten der Novelle BGBl. I Nr. 81/2019 gesetzt worden sei. Weiters fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob die Ermäßigung gemäß Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. Nr. 81/2019 auch zu gewähren sei, wenn die erste anberaumte vorbereitende Tagsatzung beiderseits unbesucht bleibe und daher nicht stattfinde und nach Fortsetzung des Verfahrens neuerlich eine vorbereitende Tagsatzung anberaumt werde, in welcher der Vergleichsabschluss erfolge.
14 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende Amtsrevision, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Erstattung einer Revisionsbeantwortung erwogen hat:
15 Die Revision ist zulässig; sie ist auch berechtigt.
16 Anm. 2 zu TP 1 Gerichtsgebührengesetz - GGG, BGBl. Nr. 501/1984 lautete in der vor der Novelle BGBl. I Nr. 81/2019 geltenden Fassung:
„Die Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 ist auch für prätorische Vergleiche (Paragraph 433, ZPO) sowie für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen und Europäischer Beschlüsse zur vorläufigen Kontenpfändung außerhalb eines Zivilprozesses zu entrichten; in diesen Fällen ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 auf die Hälfte. Für Verfahren zur Erlassung einstweiliger Verfügungen nach den Paragraphen 382 b,, 382e und 382g EO fallen keine Gebühren nach Tarifpost 1 an.“
17 Mit dem Bundesgesetz BGBl. I Nr. 81/2019, kundgemacht am 31. Juli 2019, das mangels spezieller In-Kraft-Tretens-Regelung gemäß Art. 49 Abs. 1 B-VG mit Ablauf des genannten Tages in Kraft trat, wurde in Anm. 2 zu TP 1 GGG ein weiterer Ermäßigungstatbestand eingefügt, sodass der zweite Halbsatz in Satz eins wie folgt lautete:
„in diesen Fällen und wenn die Rechtssache in der ersten Verhandlung rechtswirksam verglichen wird, ermäßigt sich die Pauschalgebühr nach Tarifpost 1 auf die Hälfte.“
18 In dem dieser Änderung zugrundeliegenden Initiativantrag (80/A 26. GP) wird festgehalten:
„Wenn eine Rechtssache in der ersten Verhandlung verglichen wird, ist das von Aufwand und Ergebnis einem prätorischen Vergleich gleichzuhalten. Auch der Aufwand des Gerichts ist durch die halbe Pauschalgebühr abgedeckt“.
19 Im revisionsgegenständlichen Fall ist strittig, ob der in der Tagsatzung am 21. Jänner 2020 abgeschlossene gerichtliche Vergleich zu einer nachträglichen Ermäßigung der Gebührenschuld gemäß Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl. I Nr. 81/2019 führt.
20 Gemäß § 133 Abs. 1 ZPO beginnt die Tagsatzung mit dem Aufrufe der Sache. Nach Abs. 2 leg. cit. ist die Tagsatzung von einer Partei versäumt, wenn die Partei zu der für die Tagsatzung anberaumten Zeit nicht erscheint oder, wenn erschienen, ungeachtet richterlicher Aufforderung nicht verhandelt oder nach dem Aufrufe der Sache sich wieder entfernt.
21 Gemäß § 170 ZPO hat, wenn bei einer zur mündlichen Verhandlung anberaumten Tagsatzung keine der Parteien erscheint, dies, soweit nicht solches Ausbleiben nach den Bestimmungen dieses Gesetzes ohne Einfluss auf den Fortgang des Prozesses ist, das Ruhen des Verfahrens zur Folge. Die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht ausgeschlossen.
22 Ruhen des Verfahrens tritt nach § 170 ZPO ex lege ein und bedarf auch keines weiteren Beschlusses, sondern nur eines Aktenvermerks (vgl. RIS Justiz RS0064480); Ruhen des Verfahrens tritt auch trotz eines offenen Vertagungsantrags ein (vgl. die in RIS Justiz zu RS0036664 zitierte Rechtsprechung des OGH).
23 Das Gerichtsgebührengesetz knüpft bewusst an formale äußere Tatbestände an, um eine möglichst einfache Handhabung des Gesetzes durch die Vorschreibungsbehörde zu gewährleisten. Eine ausdehnende oder einschränkende Auslegung des Gesetzes, die sich vom Wortlaut insoweit entfernt, als sie über das Fehlen eines Elements des im Gesetz umschriebenen formalen Tatbestands, an den die Gebührenpflicht oder die Ausnahme geknüpft ist, hinwegsieht, würde diesem Prinzip nicht gerecht werden (vgl. etwa VwGH 20.6.2022, Ra 2022/16/0004).
24 Der Begriff der „ersten Verhandlung“ in Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl I Nr. 81/2019 findet sich nicht in der Zivilprozessordnung. Diese kennt die Begriffe der mündlichen Verhandlung und der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung. Die mündliche Verhandlung wird in einer Tagsatzung (vgl. § 440 Abs. 1 ZPO, wonach im bezirksgerichtlichen Verfahren das Beweisverfahren tunlichst schon in der vorbereitenden Tagsatzung durchgeführt werden soll) oder im Falle der Erstreckung (§ 134 ZPO) oder der Fortsetzung nach Ruhen des Verfahrens in zwei oder mehreren Tagsatzungen durchgeführt.
25 Im Hinblick auf die dem zitierten Initiativantrag gegebenen Erläuterungen ist der Begriff der „ersten Verhandlung“ in Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl I Nr. 81/2019 systemkonform mit der Zivilprozessordnung dahingehend auszulegen, dass es sich hiebei um die erste Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung handelt; ansonsten wäre diesem Begünstigungstatbestand jegliche Anwendung in Übereinstimmung mit der Zivilprozessordnung genommen.
26 Dieses Auslegungsergebnis wird durch die nachfolgende Neufassung der Anm. 2 und 4 zu TP 1 GGG durch die Novelle BGBl. I Nr. 61/2022 bestätigt, in der der in Rede stehende Ermäßigungstatbestand der Sache nach in Anm. 4 übergeleitet wurde, wo - nun systemkonform mit der Zivilprozessordnung - von der „ersten Tagsatzung“ oder der „zweiten Tagsatzung“ (zur mündlichen Verhandlung) gesprochen wird.
27 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes knüpfen die gerichtsgebührenrechtlichen Ermäßigungstatbestände (prätorischer Vergleich und gerichtlicher Vergleich in der „ersten Verhandlung“) jeweils an den Abschluss eines gerichtlichen Vergleichs an (vgl. etwa VwGH 29.9.2022, Ro 2021/16/0011, mwN).
28 Auch hat der Verwaltungsgerichtshof bereits ausgesprochen, dass eine analoge Anwendung der Ermäßigungstatbestände der Anm. 2 und 3 zu TP 1 GGG nicht in Betracht kommt, wenn etwa erst nach der Klagszustellung Ruhen des Verfahrens eintritt (vgl. nochmals VwGH 29.9.2022, Ro 2021/16/0011, mwN).
29 Im Revisionsfall gelangte das Verwaltungsgericht zum Auslegungsergebnis, dass nicht schon die - unbesucht gebliebene - Tagsatzung zur mündlichen Streitverhandlung vom 14. Mai 2019, sondern erst jene vom 21. Jänner 2020, in der die Sache vergleichsweise bereinigt wurde, die „erste Verhandlung“ im Sinne der Anm. 2 zu TP 1 GGG darstellte.
30 Damit entfernt sich das Verwaltungsgericht allerdings vom dargelegten Regelungsgehalt der Anm. 2 zu TP 1 GGG:
31 Wie sich aus den Feststellungen im Einklang mit dem Inhalt des Aktes (Aktenvermerk vom 14.5.2019) ergibt, wurde am 14. Mai 2019 die Rechtssache erstmals aufgerufen, womit gemäß § 133 Abs. 1 ZPO die (erste) Tagsatzung und damit die Verhandlung begann, mag diese auch - wie durch den Klagevertreter vorangekündigt - beiderseits unbesucht geblieben sein, sodass zufolge § 170 ZPO wiederum umgehend Ruhen des Verfahrens eintrat.
32 Erst in der weiteren Tagsatzung vom 21. Jänner 2020 schlossen die Parteien einen Vergleich. Damit wurde die Rechtssache nicht in der ersten Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung - oder, um mit den Worten der Anm. 2 zu TP 1 GGG zu sprechen, in der „ersten Verhandlung“ - vergleichsweise bereinigt, sondern erst in der zweiten. An dieser verfahrensrechtlichen Konstellation änderte auch nichts, dass Anm. 2 zu TP 1 GGG idF BGBl I Nr. 81/2019 mit Ablauf des 31. Juli 2019 in Kraft trat, weil das spätere In-Kraft-Treten der Novelle aus der Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung vom 21. Jänner 2020 fallbezogen keine „erste Verhandlung“, nämlich die erste Tagsatzung zur mündlichen Verhandlung, mehr machen konnte.
33 Die Protokollierung in der Tagsatzung vom 21. Jänner 2020, „dass aufgrund des Vergleichsabschlusses in der ersten Verhandlung nach Rechtswirksamkeit dieses Vergleiches die halbe Pauschalgebühr an die Klagevertreter rücküberwiesen wird“, kann keine gesetzliche Bindungswirkung für das Vorschreibungsverfahren in Anspruch nehmen.
34 Das Verwaltungsgericht gelangte daher zu Unrecht zu einer Ermäßigung der Pauschalgebühr nach Anm. 2 zu TP 1 GGG.
35 Da sich damit die Sache bereits als entscheidungsreif im Sinne der Rechtmäßigkeit der Vorschreibung der rückerstatteten Pauschalgebühr erweist und die Entscheidung in der Sache selbst im Interesse der Einfachheit, Zweckmäßigkeit und Kostenersparnis liegt, hat der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 42 Abs. 4 VwGG in der Sache selbst zu entscheiden, dass das angefochtene Erkenntnis dahingehend abgeändert wird, dass die Beschwerde der Mitbeteiligten als unbegründet abgewiesen wird.
Wien, am 17. Juni 2024
ECLI:AT:VWGH:2024:RO2022160022.J00