Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

12.07.2023

Geschäftszahl

Ro 2022/11/0010

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Schick sowie die Hofrätinnen Dr. Pollak und MMag. Ginthör als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Vitecek, über die Revision der Österreichischen Gesundheitskasse, vertreten durch Dr. Helmut Destaller, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Wastiangasse 7, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 15. Februar 2022, Zl. G308 2245756-1/6E, betreffend Beitragspflicht nach Paragraph 6, BMSVG (mitbeteiligte Partei: F GesmbH, vertreten durch Dr. Christian Schoberl, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Alberstraße 9/HP/2), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Antrag auf Aufwandersatz wird abgewiesen.

Begründung

1             Mit Bescheid vom 4. März 2021 sprach die revisionswerbende Behörde gemäß § 410 Abs. 1 Z 2 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz (ASVG) sowie § 1 Abs. 1a und § 6 Betriebliches Mitarbeiter- und Selbständigenversorgungsgesetz (BMSVG) iVm. § 4 Abs. 2 ASVG aus, vier namentlich näher genannte Personen unterlägen aufgrund ihrer Tätigkeit für die mitbeteiligte Partei als Lehrbeauftragte in näher bestimmten Zeiträumen dem BMSVG. Weiters wurde festgehalten, dass die entsprechenden Versicherungsmeldungen von Amts wegen vorgenommen würden (Spruchpunkt I.). Ferner sprach die revisionswerbende Behörde gemäß § 410 Abs. 1 Z 7 iVm. §§ 44 Abs. 1, 49 Abs. 1 und Abs. 2 sowie § 54 Abs. 1 ASVG iVm. § 6 Abs. 1 und Abs. 3 BMSVG aus, die mitbeteiligte Partei sei verpflichtet, die für die unter Spruchpunkt I. genannten Personen und die dort bezeichneten Zeiträume anfallenden allgemeinen Beiträge zur Mitarbeitervorsorgekasse sowie Verzugszinsen in der Höhe von insgesamt € 1.788,26 nachzuentrichten.

2             Gegen diesen Bescheid erhob die mitbeteiligte Partei Beschwerde, in der sie ein umfangreiches rechtliches Vorbringen erstattete und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung beantragte.

3             Mit der Vorlage der Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht nahm die revisionswerbende Behörde ihrerseits zu dem Beschwerdevorbringen Stellung. Darin legte sie ausführlich ihre Rechtsansicht dar.

4             Zu dem Vorbringen der revisionswerbenden Behörde im Vorlagebericht, den das Bundesverwaltungsgericht der mitbeteiligten Partei zur Kenntnis gebracht hatte, äußerte sich die mitbeteiligte Partei mit Schriftsatz vom 23. September 2021. In dieser Eingabe wiederholte sie ausdrücklich ihren Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung.

5             Mit Schreiben vom 19. Oktober 2021 nahm wiederum die revisionswerbende Behörde zu dem Schriftsatz der mitbeteiligten Partei vom 23. September 2021 Stellung.

6             Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht der Beschwerde der mitbeteiligten Partei ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung statt und hob den Bescheid der revisionswerbenden Behörde vom 4. März 2021 auf. Die Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG erklärte das Verwaltungsgericht für zulässig.

7             Zusammengefasst gelangte das Bundesverwaltungsgericht zu der Auffassung, dass die von der revisionswerbenden Behörde vertretene Rechtsansicht unzutreffend sei, weil die in Rede stehenden Tätigkeiten der betreffenden Personen als Lehrbeauftragte bzw. freie Dienstnehmer nicht dem BMSVG unterlägen. Aus diesem Grund sei der Bescheid der revisionswerbenden Behörde aufzuheben gewesen.

8             Die Zulässigkeit der Revision nach Art. 133 Abs. 4 B-VG begründete das Verwaltungsgericht damit, dass keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Zuständigkeit der revisionswerbenden Behörde in der vorliegenden Angelegenheit bestehe. Weiters fehle hg. Rechtsprechung zu der Frage, ob im Hinblick auf die gegenständliche Konstellation von einer im Wege der Analogie zu schließenden planwidrigen Gesetzeslücke auszugehen sei, sodass - anders als dem angefochtenen Erkenntnis zugrunde gelegt - die in Rede stehenden freien Dienstverhältnisse von Lehrbeauftragten in den Anwendungsbereich des BMSVG fielen.

9             Gegen dieses Erkenntnis richtete sich die vorliegende Amtsrevision, die sich in ihrem Zulässigkeitsvorbringen der dargestellten Begründung des Verwaltungsgerichts anschließt.

10           Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Revisionsbeantwortung.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 2, VwGG gebildeten Senat erwogen:

11           Die Revision erweist sich aus den vom Verwaltungsgericht genannten Gründen als zulässig. Sie ist auch - jedenfalls im Ergebnis - berechtigt.

12           Die maßgeblichen Bestimmungen des BMSVG, BGBl. I Nr. 100/2002 in der Fassung BGBl. I Nr. 135/2020, lauten auszugsweise:

„1. Teil

Mitarbeitervorsorge

1. Abschnitt

Allgemeine Bestimmungen

Geltungsbereich

Paragraph eins, (1) Die Bestimmungen des 1., 2. und 3. Teiles gelten für Arbeitsverhältnisse, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen.

(1a) Die Bestimmungen des 1. und 2. Teiles und Paragraph 48, Absatz eins, gelten für freie Dienstverhältnisse im Sinne des Paragraph 4, Absatz 4, des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,, für freie Dienstverhältnisse von geringfügig beschäftigten Personen (Paragraph 5, Absatz 2, ASVG) sowie für freie Dienstverhältnisse von Vorstandsmitgliedern im Sinne des Paragraph 4, Absatz eins, Ziffer 6, ASVG, die auf einem privatrechtlichen Vertrag beruhen mit der Maßgabe, dass

...

(2) Ausgenommen sind Arbeitsverhältnisse und freie Dienstverhältnisse

1.     zu Ländern, Gemeinden und Gemeindeverbänden;

2.     der land- und forstwirtschaftlichen Arbeiter im Sinne des Landarbeitsgesetzes 1984, BGBl. Nr. 287;

3.     zum Bund, auf die dienstrechtliche Vorschriften anzuwenden sind, die den Inhalt der Arbeitsverhältnisse zwingend regeln;

4.     zu Stiftungen, Anstalten, Fonds oder sonstigen Einrichtungen, auf die das Vertragsbedienstetengesetz 1948 (VBG), BGBl. Nr. 86, gemäß § 1 Abs. 2 VBG oder auf Grund sonstiger gesetzlicher Bestimmungen anzuwenden ist;

5.     die dem Kollektivvertrag gemäß § 13 Abs. 6 des Bundesforstegesetzes 1996, BGBl. Nr. 793, unterliegen.

...

Verweisungen

Paragraph 5, Soweit in diesem Bundesgesetz auf andere Bundesgesetze verwiesen wird, sind diese in der jeweils geltenden Fassung anzuwenden.

2. Abschnitt

Beitragsrecht

Beginn und Höhe der Beitragszahlung

Paragraph 6, (1) Der Arbeitgeber hat für den Arbeitnehmer ab dem Beginn des Arbeitsverhältnisses einen laufenden Beitrag in Höhe von 1,53 vH des monatlichen Entgelts sowie allfälliger Sonderzahlungen an den für den Arbeitnehmer zuständigen Träger der Krankenversicherung nach Maßgabe des Paragraph 58, Absatz eins, bis 6 des Allgemeinen Sozialversicherungsgesetzes (ASVG), Bundesgesetzblatt Nr. 189 aus 1955,, zur Weiterleitung an die BV-Kasse zu überweisen, sofern das Arbeitsverhältnis länger als einen Monat dauert. Der erste Monat ist jedenfalls beitragsfrei. Wird innerhalb eines Zeitraumes von zwölf Monaten ab dem Ende eines Arbeitsverhältnisses mit dem selben Arbeitgeber erneut ein Arbeitsverhältnis geschlossen, setzt die Beitragspflicht mit dem ersten Tag dieses Arbeitsverhältnisses ein.

...

(1b) Die monatliche Bemessungsgrundlage ist mit der monatlichen Beitragsgrundlagenmeldung gemäß Paragraph 34, Absatz 2, ASVG vom/von der Arbeitgeber/in an den zuständigen Träger der Krankenversicherung zu melden. Der Beginn der Beitragszahlung ist vom/von der Arbeitgeber/in mit der Anmeldung zur Sozialversicherung gemäß Paragraph 33, Absatz eins a, ASVG bekanntzugeben, das Ende der Beitragszahlung mit der Abmeldung des Arbeitnehmers/der Arbeitnehmerin von der Sozialversicherung. Für die Meldungen zur Betrieblichen Vorsorge sind die Bestimmungen der Paragraphen 33, und 34 ASVG sinngemäß anzuwenden.

(2) Für die Eintreibung nicht rechtzeitig entrichteter Beiträge und allfälliger Verzugszinsen sind die Paragraphen 59,, 62, 64 und 409 bis 417a ASVG anzuwenden. Weiters sind die Paragraphen 65, bis 68 und 69 ASVG anzuwenden. Der zuständige Träger der Krankenversicherung hat die Einhaltung der Melde- und Beitragspflichten durch den Arbeitgeber im Zuge der Sozialversicherungsprüfung gemäß Paragraph 41 a, ASVG zu prüfen.

(2a) Der/Die Arbeitgeber/in hat abweichend von Absatz eins, die Wahlmöglichkeit, die Abfertigungsbeiträge aus geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen gemäß Paragraph 5, Absatz 2, ASVG entweder monatlich oder jährlich zu überweisen. Eine Vereinbarung nach Paragraph 58, Absatz 8, ASVG gilt automatisch auch als Vereinbarung für die Beiträge zur Betrieblichen Vorsorge. Bei einer jährlichen Zahlungsweise sind zusätzlich 2,5 vH. vom zu leistenden Beitrag gleichzeitig mit diesem Betrag an den zuständigen Träger der Krankenversicherung zu überweisen. Die Fälligkeit der Beiträge ergibt sich aus Paragraph 58, ASVG. Abweichend davon sind bei einer jährlichen Zahlungsweise die Abfertigungsbeiträge bei einer Beendigung des Arbeitsverhältnisses bis zum 15. des Folgemonats zu entrichten, in den die Beendigung des Arbeitsverhältnisses fällt. Eine Änderung der Zahlungsweise ist nur zum Ende des Kalenderjahres zulässig. Der/Die Arbeitgeber/in hat eine Änderung der Zahlungsweise dem zuständigen Träger der Krankenversicherung vor dem Beitragszeitraum, für den die Änderung der Zahlungsweise vorgenommen wird, zu melden.

(3) Sind nach einer Sozialversicherungsprüfung gemäß Paragraph 41 a, ASVG vom Arbeitgeber noch Beiträge zu leisten, sind diese Beiträge samt Verzugszinsen an die BV-Kasse weiterzuleiten, wobei Paragraph 63, ASVG mit der Maßgabe anzuwenden ist, dass an Stelle der Wortfolge ‚Träger der Unfall- und Pensionsversicherung‘ der Begriff ‚BV-Kasse‘ tritt. Sind vom Arbeitgeber (Bund) noch Beiträge nach dem BMSVG für bereits vergangene Beitragszeiträume samt Verzugszinsen aus einem bereits beendeten Arbeitsverhältnis aufgrund eines rechtskräftigen Gerichtsurteils oder eines gerichtlichen Vergleiches (Paragraph 204, der Zivilprozessordnung, RGBl. Nr. 113/1895) zu leisten, sind diese Beiträge samt Verzugszinsen als Abfertigung direkt an den Arbeitnehmer auszuzahlen.

...

(5) Welche Leistungen als Entgelt im Sinne der Absatz eins bis 4 anzusehen sind, bestimmt sich nach Paragraph 49, ASVG unter Außerachtlassung der Geringfügigkeitsgrenze nach Paragraph 5, Absatz 2, ASVG und der Höchstbeitragsgrundlage nach Paragraph 108, Absatz 3, ASVG.“.

13           § 4 ASVG, BGBl. 189/1955 in der Fassung BGBl. I Nr. 75/2016, lautet:

„Vollversicherung

Paragraph 4, (1) In der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung sind auf Grund dieses Bundesgesetzes versichert (vollversichert), wenn die betreffende Beschäftigung weder gemäß den Paragraphen 5 und 6 von der Vollversicherung ausgenommen ist, noch nach Paragraph 7, nur eine Teilversicherung begründet:

1.     die bei einem oder mehreren Dienstgebern beschäftigten Dienstnehmer;

2.     die in einem Lehrverhältnis stehenden Personen (Lehrlinge);

3.     die im Betrieb der Eltern, Großeltern, Wahl- oder Stiefeltern ohne Entgelt regelmäßig beschäftigten Kinder, Enkel, Wahl- oder Stiefkinder, die das 17. Lebensjahr vollendet haben und keiner anderen Erwerbstätigkeit hauptberuflich nachgehen, alle diese, soweit es sich nicht um eine Beschäftigung in einem land- oder forstwirtschaftlichen oder gleichgestellten Betrieb (§ 27 Abs. 2) handelt;

4.     die zum Zwecke der vorgeschriebenen Ausbildung für den künftigen, abgeschlossene Hochschulbildung erfordernden Beruf nach Abschluß dieser Hochschulbildung beschäftigten Personen, wenn die Ausbildung nicht im Rahmen eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt, jedoch mit Ausnahme der Volontäre;

5.     Schülerinnen/Schüler an Schulen für Gesundheits- und Krankenpflege und Auszubildende in Lehrgängen nach dem Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG), BGBl. I Nr. 108/1997, Schülerinnen/Schüler und Auszubildende in Lehrgängen zu einem medizinischen Assistenzberuf nach dem Medizinische Assistenzberufe-Gesetz (MABG), BGBl. I Nr. 89/2012, sowie Studierende an einer medizinisch-technischen Akademie nach dem MTD-Gesetz, BGBl. Nr. 460/1992;

6.     Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Aktiengesellschaften, Sparkassen, Landeshypothekenbanken sowie Versicherungsvereinen auf Gegenseitigkeit und hauptberufliche Vorstandsmitglieder (Geschäftsleiter) von Kreditgenossenschaften, alle diese, soweit sie auf Grund ihrer Tätigkeit als Vorstandsmitglied (GeschäftsleiterIn) nicht schon nach Z 1 in Verbindung mit Abs. 2 pflichtversichert sind;

7.     die Heimarbeiter und die diesen nach den jeweiligen gesetzlichen Vorschriften über die Heimarbeit arbeitsrechtlich gleichgestellten Personen;

8.     Personen, denen im Rahmen beruflicher Maßnahmen der Rehabilitation nach den §§ 198 oder 303 berufliche Ausbildung gewährt wird, wenn die Ausbildung nicht auf Grund eines Dienst- oder Lehrverhältnisses erfolgt;

9.     Fachkräfte der Entwicklungshilfe nach § 2 des Entwicklungshelfergesetzes, BGBl. Nr. 574/1983;

10.   Personen, die an einer Eignungsausbildung im Sinne der §§ 2b bis 2d des Vertragsbedienstetengesetzes 1948, BGBl. Nr. 86, teilnehmen;

11.   die Teilnehmer/innen des Freiwilligen Sozialjahres, des Freiwilligen Umweltschutzjahres, des Gedenkdienstes oder des Friedens- und Sozialdienstes im Ausland nach dem Freiwilligengesetz, BGBl. I Nr. 17/2012;

12.   Personen, die eine Geldleistung gemäß § 4 des Militärberufsförderungsgesetzes, BGBl. Nr. 524/1994, beziehen;

13.   geistliche Amtsträger der Evangelischen Kirchen AB und HB hinsichtlich der Seelsorgetätigkeit und der sonstigen Tätigkeit, die sie in Erfüllung ihrer geistlichen Verpflichtung ausüben, zum Beispiel des Religionsunterrichtes, ferner Lehrvikare, Pfarramtskandidaten, Diakonissen und die Mitglieder der evangelischen Kirchenleitung, letztere soweit sie nicht ehrenamtlich tätig sind;

14.   die den Dienstnehmern im Sinne des Abs. 4 gleichgestellten Personen.

(2) Dienstnehmer im Sinne dieses Bundesgesetzes ist, wer in einem Verhältnis persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegen Entgelt beschäftigt wird; hiezu gehören auch Personen, bei deren Beschäftigung die Merkmale persönlicher und wirtschaftlicher Abhängigkeit gegenüber den Merkmalen selbständiger Ausübung der Erwerbstätigkeit überwiegen. Als Dienstnehmer gelten jedenfalls Personen, die mit Dienstleistungsscheck nach dem Dienstleistungsscheckgesetz (DLSG), Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 45 aus 2005,, entlohnt werden. Als Dienstnehmer gilt jedenfalls auch, wer nach Paragraph 47, Absatz eins, in Verbindung mit Absatz 2, EStG 1988 lohnsteuerpflichtig ist, es sei denn, es handelt sich um

1.     Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. a oder b EStG 1988 oder

2.     Bezieher von Einkünften nach § 25 Abs. 1 Z 4 lit. c EStG 1988, die in einem öffentlich-rechtlichen Verhältnis zu einer Gebietskörperschaft stehen oder

3.     Bezieher/innen von Geld- oder Sachleistungen nach dem Freiwilligengesetz.

(4) Den Dienstnehmern stehen im Sinne dieses Bundesgesetzes Personen gleich, die sich auf Grund freier Dienstverträge auf bestimmte oder unbestimmte Zeit zur Erbringung von Dienstleistungen verpflichten, und zwar für

1.     einen Dienstgeber im Rahmen seines Geschäftsbetriebes, seiner Gewerbeberechtigung, seiner berufsrechtlichen Befugnis (Unternehmen, Betrieb usw.) oder seines statutenmäßigen Wirkungsbereiches (Vereinsziel usw.), mit Ausnahme der bäuerlichen Nachbarschaftshilfe,

2.     eine Gebietskörperschaft oder eine sonstige juristische Person des öffentlichen Rechts bzw. die von ihnen verwalteten Betriebe, Anstalten, Stiftungen oder Fonds (im Rahmen einer Teilrechtsfähigkeit), wenn sie aus dieser Tätigkeit ein Entgelt beziehen, die Dienstleistungen im wesentlichen persönlich erbringen und über keine wesentlichen eigenen Betriebsmittel verfügen; es sei denn,

a)     dass sie auf Grund dieser Tätigkeit bereits nach § 2 Abs. 1 Z 1 bis 3 GSVG oder § 2 Abs. 1 BSVG oder nach § 2 Abs. 1 und 2 FSVG versichert sind oder

b)     dass es sich bei dieser Tätigkeit um eine (Neben- )Tätigkeit nach § 19 Abs. 1 Z 1 lit. f B-KUVG handelt oder

c)     dass eine selbständige Tätigkeit, die die Zugehörigkeit zu einer der Kammern der freien Berufe begründet, ausgeübt wird oder

d)     dass es sich um eine Tätigkeit als Kunstschaffender, insbesondere als Künstler im Sinne des § 2 Abs. 1 des Künstler-Sozialversicherungsfondsgesetzes, handelt.

(6) Eine Pflichtversicherung gemäß Absatz eins, schließt für dieselbe Tätigkeit (Leistung) eine Pflichtversicherung gemäß Absatz 4, aus.“

14           Gemäß § 24 Abs. 4 VwGVG kann das Verwaltungsgericht ungeachtet eines Parteiantrags von einer Verhandlung absehen, wenn die Akten erkennen lassen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, und einem Entfall der Verhandlung weder Art. 6 Abs. 1 EMRK noch Art. 47 GRC entgegenstehen.

15           Die Akten lassen dann im Sinn des § 24 Abs. 4 VwGVG erkennen, dass die mündliche Erörterung eine weitere Klärung der Rechtssache nicht erwarten lässt, wenn von vornherein absehbar ist, dass die mündliche Erörterung nichts zur Ermittlung der materiellen Wahrheit beitragen kann. Dies ist dann der Fall, wenn in der Beschwerde kein dem Ergebnis des behördlichen Ermittlungsverfahrens entgegenstehender oder darüberhinausgehender, für die Beurteilung relevanter Sachverhalt behauptet wurde und auch keine Rechtsfragen aufgeworfen werden, deren Erörterung in einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht erforderlich wäre. Ein bloß unsubstantiiertes Bestreiten des von der Verwaltungsbehörde festgestellten Sachverhaltes kann aber außer Betracht bleiben.

Artikel 6, Absatz eins, EMRK oder Artikel 47, GRC stehen einem Entfall der Verhandlung nicht entgegen, wenn es ausschließlich um rechtliche oder sehr technische Fragen geht oder wenn das Vorbringen des Revisionswerbers angesichts der Beweislage und angesichts der Beschränktheit der zu entscheidenden Fragen nicht geeignet ist, irgendeine Tatsachen- oder Rechtsfrage aufzuwerfen, die eine mündliche Verhandlung erforderlich macht. Der Verzicht auf eine mündliche Verhandlung kann auch in Fällen gerechtfertigt sein, in welchen lediglich Rechtsfragen beschränkter Natur oder von keiner besonderen Komplexität aufgeworfen werden (zu alldem siehe etwa VwGH 27.8.2019, Ra 2019/08/0062).

16           Im angefochtenen Erkenntnis findet sich keine Begründung für die Nichtdurchführung der in der Beschwerde der mitbeteiligten Partei beantragten mündlichen Verhandlung (vgl. zudem VwGH 21.3.2023, Ra 2021/12/0030, wonach die anderen Parteien nicht gehalten sind, einen Verhandlungsantrag zu stellen, wenn bereits [hier: von der mitbeteiligten Partei] die Durchführung einer Verhandlung beantragt wurde). Wenn das Bundesverwaltungsgericht meinte, eine mündliche Verhandlung sei nicht durchzuführen gewesen, weil gegenständlich ausschließlich Rechtsfragen strittig gewesen seien, ist dem zu entgegnen, dass der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf § 24 Abs. 4 VwGVG wiederholt festgehalten hat, dass der Gesetzgeber als Zweck einer mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht auch die mündliche Erörterung einer nach der Aktenlage strittigen Rechtsfrage zwischen den Parteien und dem Gericht vor Augen hatte. Zweck einer Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht ist somit grundsätzlich nicht nur die Klärung des Sachverhaltes und die Einräumung von Parteiengehör zu diesem, sondern auch das Rechtsgespräch und die Erörterung der Rechtsfragen (vgl. VwGH 5.4.2023, Ro 2021/12/0006).

17           Im vorliegenden Fall, in dem über Beitragsleistungen nach dem BMSVG und somit über „civil rights“ im Sinn des Art. 6 EMRK zu entscheiden war (zur Qualifikation von Beitragsleistungen nach dem ASVG als „civil rights“ vgl. VwGH 11.4.2018, Ra 2017/08/0141 bis 0143), fehlt sowohl nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts als auch nach der Auffassung der revisionswerbenden Behörde Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung im Sinn des Art. 133 Abs. 4 B-VG. Dies trifft bereits deshalb zu, weil keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur Anwendung des BMSVG auf freie Dienstverhältnisse von Lehrbeauftragten besteht. Dass es sich dabei bloß um Rechtsfragen beschränkter Natur oder ohne besondere Komplexität handeln würde, ist nicht ersichtlich. Der Umstand, dass von den Verfahrensparteien im Zuge des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens umfangreiche rechtliche Ausführungen erstattet wurden, belegt zudem, dass fallbezogen eine mündliche Verhandlung zwecks Durchführung eines Rechtsgesprächs unabdingbar war.

18           Indem sich das Verwaltungsgericht über die dargestellte Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hinweggesetzt und insoweit die Rechtslage verkannt hat, belastete es das angefochtene Erkenntnis mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit. Das angefochtene Erkenntnis war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.

19           Der Antrag auf Aufwandersatz war gemäß § 47 Abs. 4 VwGG abzuweisen.

Wien, am 12. Juli 2023

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2023:RO2022110010.J00