Verwaltungsgerichtshof
13.06.2024
Ra 2022/10/0155
Miterledigung (miterledigt bzw zur gemeinsamen Entscheidung verbunden):
Ra 2022/10/0156
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Grünstäudl sowie die Hofräte Dr. Lukasser und Dr. Hofbauer, die Hofrätin Dr. Leonhartsberger und den Hofrat Dr. Eisner als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revisionen 1. des J H in A, vertreten durch die Niederhuber & Partner Rechtsanwälte GmbH in 5020 Salzburg, Wilhelm-Spazier-Straße 2a (hg. Zl. Ra 2022/10/0155), und 2. der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (hg. Zl. Ra 2022/10/0156), gegen das Erkenntnis des Landesverwaltungsgerichts Salzburg vom 11. August 2022, Zl. 405-1/760/1/11-2022, betreffend naturschutzrechtliche Bewilligung (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Salzburg hat dem Erstrevisionswerber Aufwendungen in der Höhe von € 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Mit Bescheid vom 16. März 2022 erteilte die Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (im Folgenden: Amtsrevisionswerberin bzw. Zweitrevisionswerberin) dem Erstrevisionswerber unter Vorschreibung von Auflagen und einer Ausgleichsmaßnahme gemäß §§ 18 Abs. 2, 47 Abs. 1 Z 1, 50 und 52 Salzburger Naturschutzgesetz 1999 - NSchG in Verbindung mit § 2 Abs. 1 Schafberg-Salzkammergutseen-Landschaftsschutzverordnung in Verbindung mit § 2 Z 1 und 2 Allgemeine Landschaftsschutzverordnung die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses mit zwei eingeschossigen Nebenanlagen auf einem näher bezeichneten Grundstück im Landschaftsschutzgebiet Schafberg-Salzkammergutseen.
2 Die Landesumweltanwaltschaft Salzburg erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
3 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Landesverwaltungsgericht Salzburg (im Folgenden: Verwaltungsgericht) dieser Beschwerde statt und versagte dem Erstrevisionswerber die beantragte naturschutzrechtliche Bewilligung. Die ordentliche Revision wurde gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG für nicht zulässig erklärt.
4 Das Verwaltungsgericht stellte - auf der Grundlage u.a. mehrerer naturschutzfachlicher Sachverständigengutachten - auf das Wesentliche zusammengefasst fest, der Erstrevisionswerber sei grundbücherlicher Alleineigentümer der verfahrensgegenständlichen, als „Bauland - Erweitertes Wohngebiet“ gewidmeten Liegenschaft, die im Landschaftsschutzgebiet Schafberg-Salzkammergutseen liege. Schon im Zuge der Teilabänderung des Flächenwidmungsplanes sei zur geplanten Umwidmung des gegenständlichen Grundstückes vom naturschutzfachlichen Amtssachverständigen eine negative Stellungnahme abgegeben worden. Der Erstrevisionswerber habe um die naturschutzrechtliche Bewilligung für die Errichtung eines Wohnhauses samt eingeschossigen Nebenanlagen angesucht. Eine Bauplatzerklärung sowie eine Baubewilligung lägen bereits vor. Der Bauplatz sei eine mehrmähdige Wiesenfläche, die fast allseits von Wald umgeben sei und den Eindruck einer Waldlichtung mache. Durch diese Lage sei eine Einsehbarkeit ausschließlich aus der unmittelbaren Umgebung und aus der Luft gegeben. Das geplante Bauvorhaben sei zwar landschaftstypisch gestaltet, die Bauführung erfolge jedoch auf einer landschaftlich reizvollen Waldlichtung, wodurch eine schwere „landwirtschaftliche“ (gemeint wohl: landschaftliche) Beeinträchtigung bewirkt werde und die ohnehin schon gegebene Zerschneidung der Waldzunge durch die Gemeindestraße weiter erheblich verstärkt werde. Eine Gegenüberstellung von historischen Luftbildern zeige, dass die Anzahl der Gebäude in einem 500 m-Radius um den Bauplatz in einem Zeitraum von 64 Jahren, seit der erstmaligen Unterschutzstellung bis zum Jahr 2017, von ursprünglich 30 auf 122 angestiegen sei. Durch die gegenständliche Bauführung werde die Zersiedelung fortgesetzt.
5 Der verfahrensgegenständliche Landschaftsraum lasse sich in drei Teilräume einteilen, wobei sich das Bauvorhaben im „Teilraum 2“ befinde. Dieser von Waldbeständen, Waldinseln und Wiesenflächen geprägte Geländestreifen weise eine Landschaftsstruktur aus verzahnter Gemengelage von Wald- und Wiesenflächen sowie einer unstrukturierten Bebauung auf. Aus „naturschutzfachlicher“ Sicht, so das Verwaltungsgericht weiter, sei es Ziel, die vorhandenen Waldflächen, insbesondere die Qualität der Waldränder, die unverbauten Offenflächen zwischen den Waldflächen sowie das sehr naturnahe Seeufer und die vorhandenen Landschaftsstrukturen zu erhalten sowie letztere zu verbessern. Weitere Einbauten sowie eine weitere Zersiedelung seien zu verhindern. Die Umwandlung einer landwirtschaftlich genutzten Wiesenfläche durch Überbauung und durch die Anlage einer Zufahrts- sowie einer Gartenfläche verändere die naturräumlichen Verhältnisse grundlegend und beeinträchtige die (visuelle) Naturnähe sowie die naturnahe Bewirtschaftung der Fläche. Die Erhaltung der besonderen landschaftlichen Schönheit des Gebietes sowie des Erholungswertes der naturnahen Kulturlandschaft sei nur dann möglich, wenn man ihre maßgeblichen Elemente erhalte. Reiche eine Bebauung in den Bereich von raum- und kulissenbildenden Waldstrukturen, bestehe aus naturschutzfachlicher Sicht eine Gefährdung des Bestandes des Schutzgebietes im betrachteten Ausschnitt.
6 In rechtlicher Hinsicht führte das Verwaltungsgericht aus, dass durch die geplante Errichtung eines Wohnhauses samt Nebenanlagen auf dem verfahrensgegenständlichen Grundstück der Charakter der Landschaft durch eine fortgesetzte Zersiedelung beeinträchtigt werde. Damit wäre - ohne auf die weiteren Kriterien eingehen zu müssen - die Bewilligung nach § 18 Abs. 2 NSchG zu versagen. Für eine Bewilligungsfähigkeit unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen nach § 51 NSchG sei eine der Voraussetzungen, dass die Maßnahme, die bewilligt werden solle, nicht wesentlich den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes widerspreche (§ 51 Abs. 3 Z 3 leg. cit.). Schutzzweck des verfahrensgegenständlichen Landschaftsschutzgebietes sei nach § 1a der Verordnung, die das betroffene Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet erklärt habe, neben dem Erhalt des besonderen Erholungswertes auch jener der besonderen landschaftlichen Schönheit. Schutzgüter eines Landschaftsschutzgebietes seien gemäß § 16 NSchG die besondere landschaftliche Schönheit sowie der Erholungswert eines Gebietes als charakteristische Naturlandschaft oder als naturnahe Kulturlandschaft.
7 Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes sei ein wesentlicher Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes dann anzunehmen, wenn sich eine geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter auswirken werde. Es komme jedoch nicht auf die tatsächliche Zerstörung oder Beseitigung an; vielmehr sei im Sinne einer Prognose eine Entwicklungstendenz festzustellen, ob sich die geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter auswirken könne. Entscheidungswesentliche Frage sei daher, ob die bei der Prüfung der Bewilligungskriterien nach § 18 NSchG festgestellte Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft durch die Fortsetzung der Zersiedelung auch einen wesentlichen Widerspruch zu einem der Schutzzwecke bewirken könne.
8 Die vorliegend in Aussicht genommene Bebauung betreffe eine Waldlichtung einer Waldzunge, eines raum- und kulissenbildenden Landschaftselements, und erscheine somit als Bebauung „im Wald“, die - bei Betrachtung von oben - optisch störend sei. Das im landschaftstypischen Stil geplante Haus möge sich zwar per se nicht auffällig von umgebenden Wohngebäuden abheben, bewirke am geplanten Standort jedoch eine Fortsetzung der Zersiedelung. Eine Zersiedelung sei jedenfalls als landschaftswirksames und -veränderndes Phänomen in einer naturnahen Kulturlandschaft geeignet, ab einem gewissen Entwicklungsausmaß und einer gewissen Intensität die landschaftliche Schönheit eines Landschaftsschutzgebietes und „nicht nur“ den Charakter der Landschaft zu beeinträchtigen und damit den grundsätzlichen Zielsetzungen des Schutzgebietes zu widersprechen. Der Zersiedelungseffekt liege bei Errichtung eines Wohngebäudes samt Nebenanlagen in der freien Landschaft jedenfalls auf der Hand.
9 Mit der weiteren Verbauung auch des verfahrensgegenständlichen Grundstücks würde sich das beantragte Vorhaben voraussichtlich in Richtung einer Zerstörung der landschaftlichen Schönheit der naturnahen Kulturlandschaft - in concreto der Waldzunge - auswirken und darüber hinaus eine weitere Verringerung und damit Störung der land- und forstwirtschaftlichen Kulturlandschaft im gegenständlichen Teilraum herbeiführen, woraus sich die Wesentlichkeit des Widerspruchs zum Schutzzweck des Landschaftsschutzgebietes ergebe. Ein Zersiedelungsprozess durch die Umwidmung eines einzigen Grundstückes in einem Waldbereich zu Bauland könne letztlich nur durch eine Verhinderung der Bebauung im konkreten Einzelfall, in diesem Fall durch die Versagung der naturschutzrechtlichen Bewilligung, gestoppt werden, um die Zielsetzung des Erhalts der Schutzzwecke des Landschaftsschutzgebietes sicherzustellen.
10 Gegen dieses Erkenntnis erhoben sowohl der Erstrevisionswerber als auch die belangte Behörde als Amtsrevisionswerberin jeweils eine außerordentliche Revision. Die Amtsrevisionswerberin erstattete im Verfahren über die Revision des Erstrevisionswerbers eine Revisionsbeantwortung.
11 Der Verwaltungsgerichtshof hat - nach Verbindung der beiden Revisionen zur gemeinsamen Beratung und Entscheidung - erwogen:
12 Die vorliegenden außerordentlichen Revisionen bringen in den Zulässigkeitsbegründungen im Wesentlichen gleichlautend vor, das Verwaltungsgericht weiche von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes (Hinweis auf VwGH 28.4.2022, Ra 2022/10/0041; 21.11.2005, 2003/10/0085) ab, wonach ein wesentlicher Widerspruch einer Maßnahme zu grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes dann anzunehmen sei, wenn sich die geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter auswirken würde. Das Verwaltungsgericht deute diese Rechtsprechung zu Unrecht dahingehend, dass im Sinne einer Prognose eine Entwicklungstendenz festzustellen sei, ob sich die geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter auswirken werde, obwohl es nur darauf ankomme, ob durch die Auswirkungen der Maßnahme (und nur dieser) auf den Schutzzweck eines Landschaftsschutzgebietes der Weiterbestand des Schutzgebietes ernsthaft gefährdet sei. Ebenso weiche das Verwaltungsgericht hinsichtlich der Frage, ob das Vorliegen einer allfälligen „Zersiedelung“ ein für die Anwendung der Ausgleichsregelung relevantes Tatbestandsmerkmal sei, von dieser Rechtsprechung ab. Die „Zersiedelung“ spiele nur im Zusammenhang mit der Beurteilung des Landschaftscharakters eine Rolle.
13 Die Revisionen erweisen sich im Hinblick auf diese Ausführungen als zulässig; sie sind auch begründet.
14 Die maßgeblichen Bestimmungen des Salzburger Naturschutzgesetzes 1999 - NSchG, LGBl. Nr. 73/1999 (WV) idF LGBl. Nr. 41/2022, lauten auszugsweise:
„Begriffsbestimmungen
Paragraph 5,
Im Sinn dieses Gesetzes gelten als:
[...]
7.Charakter der Landschaft: das besondere Gepräge einer Landschaft, die in ihrer Eigenart durch eine bestimmte, gerade für dieses Gebiet typische Zusammensetzung von Landschaftsbestandteilen gekennzeichnet wird. Eine Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft liegt jedenfalls dann vor, wenn eine Maßnahme oder ein Vorhaben
a)eine Zersiedelung einleitet oder fortsetzt;
b)eine wesentliche Verarmung eines durch eine Vielfalt an Elementen gekennzeichneten Landschaftsraumes eintreten lässt;
c)die Naturbelassenheit oder die naturnahe Bewirtschaftung eines Landschaftsraumes wesentlich stört oder verändert;
d)natürliche Oberflächenformen wie Karstgebilde, Flussterrassen, Flussablagerungen, Gletscherbildungen, Bergstürze, naturnahe Gewässer oder die derzeit natürlich oder naturnah vorkommende Vegetation wesentlich ändert; oder
e)freie Wasserflächen durch Regulierungen, Ausleitungen, Verbauungen, Verrohrungen, Einbauten, Anschüttungen odgl wesentlich beeinträchtigt.
[...]
17d.Landschaftsbild: Der optische Eindruck einer Landschaft von jedemmöglichen Blickpunkt zu Land, zu Wasser und aus der Luft.
[...]
5. Unterabschnitt
Landschaftsschutzgebiete
Paragraph 16,
Gebiete außerhalb geschlossener Ortschaften können durch Verordnung der Landesregierung zu Landschaftsschutzgebieten erklärt werden, wenn sie wenigstens eine der folgenden Voraussetzungen erfüllen:
1.Sie weisen eine besondere landschaftliche Schönheit auf.
2.Sie sind für die Erholung als charakteristische Naturlandschaft oder als naturnahe Kulturlandschaft bedeutend.
Die für den Bestand des schutzwürdigen Gebietes notwendigen Flächen können in den Schutzbereich einbezogen werden. Bei der Erklärung eines Gebietes zum Landschaftsschutzgebiet ist auf Gesichtspunkte der Raumordnung Bedacht zu nehmen. In der Verordnung und in der Kundmachung nach Paragraph 17, Absatz eins, in Verbindung mit Paragraph 13, Absatz eins, ist auf den Schutzzweck (Ziffer eins, oder 2) hinzuweisen.
[...]
Bewilligungsvorbehalt
Paragraph 18,
(1) In einer Landschaftsschutzverordnung sind jene Maßnahmen anzuführen, die zur Wahrung des Landschaftsbildes, des Charakters der Landschaft, des Naturhaushaltes oder des Wertes der Landschaft für die Erholung in diesem Gebiet nur mit einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zulässig sind.
(2) Die Naturschutzbehörde hat die Bewilligung zu erteilen, wenn durch die Maßnahme der Charakter der Landschaft (Paragraph 5, Ziffer 7,), der Naturhaushalt (Paragraph 5, Ziffer 21,) und der Schutzzweck des Gebietes (Paragraph 16,) nicht beeinträchtigt werden.
(3) Bei der Aufstellung oder wesentlichen Änderung von Bebauungsplänen (3. Abschnitt, 4. Teil ROG 2009) für Flächen, die im Landschaftsschutzgebiet liegen, ist zur Wahrung der Interessen des Naturschutzes ein Gutachten der Landesregierung einzuholen.
[...]
Ausgleichsmaßnahmen
Paragraph 51,
(1) Auf Antrag des Bewilligungswerbers oder der Person, die eine anzeigepflichtige Maßnahme anzeigt, kann die Behörde an Stelle der Untersagung eines Vorhabens die angestrebte Bewilligung oder Berechtigung nach Paragraph 26, unter Vorschreibung oder Anrechnung von Ausgleichsmaßnahmen erteilen. Die Behörde kann bei der Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen auch einen Geldbetrag angeben, dessen Höhe die Verwirklichung dieser Maßnahmen durch die Naturschutzbehörde selbst oder über deren Auftrag ermöglicht. Der Bewilligungswerber ist in diesem Fall darauf hinzuweisen, dass mit der Entrichtung dieses Betrages die Ausgleichsmaßnahmen als verwirklicht gelten.
(2) Der Antrag gemäß Absatz eins, ist spätestens vier Wochen ab der Kenntnisnahme des Ergebnisses des Ermittlungsverfahrens zu stellen. Falls dies erforderlich ist, kann die Behörde dem Antragsteller auftragen, den Antrag innerhalb einer angemessen zu bestimmenden Frist durch die Vorlage entsprechender Unterlagen (Paragraph 48,) zu konkretisieren.
(2a) Bereits verwirklichte Ausgleichmaßnahmen können angerechnet werden, wenn
1. entweder von der Naturschutzbehörde festgestellt wird, dass diese Ausgleichsmaßnahmen eine wesentliche Verbesserung des Landschaftsbildes oder des Naturhaushaltes bewirken werden oder
2. die Ausgleichsmaßnahmen von der Naturschutzbehörde oder in ihrem Auftrag verwirklicht worden sind.
Die Feststellung gemäß Ziffer eins, ist zu beantragen, bevor mit der Verwirklichung der Ausgleichmaßnahmen begonnen wird. Angerechnet werden können nur Ausgleichmaßnahmen, die innerhalb von drei Jahren vor der Antragstellung verwirklicht worden sind. In Ausnahmefällen können auch Ausgleichmaßnahmen angerechnet werden, die bis zu sechs Jahre vor der Antragstellung verwirklicht worden sind.
(3) Die Erteilung einer Bewilligung oder Berechtigung unter Vorschreibung oder Anrechnung von Ausgleichsmaßnahmen gemäß Absatz eins, ist nur zulässig, wenn die Ausgleichsmaßnahmen alle folgenden Voraussetzungen erfüllen:
[...]
3. Die Maßnahme, die bewilligt werden soll, widerspricht nicht wesentlich den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes oder Naturdenkmales oder des Lebensraumschutzes nach § 24.
[...]“
15 § 1a der Schafberg-Salzkammergutseen-Landschaftsschutzverordnung, LGBl. Nr. 54/1981 idF LGBl. Nr. 83/2003, lautet:
„Diese Verordnung dient der Erhaltung:
1. der besonderen landschaftlichen Schönheit des im § 1 festgelegten Gebietes (reizvolle Lage der Voralpenseen am Fuß imposanter Felswände und markanter Berggipfel, Verlandungszonen, umgeben von Grünland, Bergwäldern sowie Almflächen und Ödland);
2. des besonderen Erholungswertes (touristische Nutzung) der wesentlich durch die Salzkammergutseen geprägten Naturlandschaft bzw naturnahen Kulturlandschaft.“
16 Die maßgeblichen Bestimmungen der Allgemeinen Landschaftsschutzverordnung 1995 - ALV, LGBl. Nr. 89/1995 in der Fassung LGBl. Nr. 32/2001, lauten:
„Geltungsbereich
Paragraph eins,
Die Bestimmungen dieser Verordnung gelten in Landschaftsschutzgebieten, soweit in der Landschaftsschutzverordnung für das einzelne Schutzgebiet nicht anderes bestimmt ist.
Bewilligungspflichtige Maßnahmen
Paragraph 2,
Folgende Maßnahmen sind nur mit einer naturschutzbehördlichen Bewilligung zulässig, wenn im Einzelfall nicht eine der Ausnahmen des Paragraph 3, zutrifft:
1. die Errichtung oder wesentliche Änderung von baulichen Anlagen;
[...]“
17 Die Revisionen vertreten mit näherer Begründung die Auffassung, das Verwaltungsgericht irre über die Voraussetzung gemäß § 51 Abs. 3 Z 3 NSchG, indem es auf eine „Entwicklungstendenz“ abstelle, anstatt ausschließlich die konkreten Auswirkungen des Vorhabens zu beurteilen. Damit müsse sich das Vorhaben des Erstrevisionswerbers diverse in der Vergangenheit genehmigte Maßnahmen als Auswirkungen der „Maßnahme, die bewilligt werden soll“, zurechnen lassen. Weiters sei die vom Verwaltungsgericht angenommene „Zersiedelung“ für die Frage der Ausgleichsfähigkeit gemäß § 51 Abs. 3 Z 3 NSchG irrelevant.
18 Gemäß § 51 Abs. 3 Z 3 NSchG ist die Erteilung einer Bewilligung unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen nur zulässig, wenn die Maßnahme, die bewilligt werden soll, nicht wesentlich den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes oder Naturdenkmales oder des Lebensraumschutzes nach § 24 NSchG widerspricht. Der Verwaltungsgerichtshof hat in seinem Erkenntnis vom 21. November 2005, 2003/10/0085, zu dem Begriff des „wesentlichen Widerspruchs“ ausgeführt, dass von einem solchen wohl dann gesprochen werden muss, wenn sich eine geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung (nicht nur der erheblichen Beeinträchtigung, sondern) der vollständigen Zerstörung oder Beseitigung der den Schutz vermittelnden Naturgüter im betreffenden Raum oder eines maßgeblichen Teils derselben auswirkt. In diesem Erkenntnis sind auch die Materialien zur Naturschutzgesetz-Novelle 1997, LGBl. Nr. 2/1998, mit der (unter anderem) das Erfordernis des Fehlens eines Widerspruchs zu den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes in das Gesetz aufgenommen wurde, wie folgt zitiert (392 BlgLT 4. Session 11. GP):
„Durch das Vorschlagen geeigneter Ausgleichsmaßnahmen kann der Antragsteller auch Projekte bewilligungsfähig machen, die sonst auch im Wege der Interessensabwägung (Paragraph 3,) nicht konsensfähig wären, da zB keine öffentlichen Interessen dafür sprechen. Rechtspolitisch beruht dieses Instrumentarium auf der Überlegung, dass Eingriffe in den Naturraum durch Verbesserungen an anderer Stelle aufgewogen werden können, so dass im Endeffekt allen gedient ist.
[....] Die Voraussetzungen für die Zulässigkeit von Ausgleichsmaßnahmen enthält Paragraph 48 a, Absatz 3, Wie bisher ist erforderlich, dass die Verbesserungen durch die Ausgleichsmaßnahme den Eingriff durch das beantragte Projekt erheblich überwiegen müssen, sodass insgesamt eine Verbesserung für den Naturraum erzielt wird. Ergänzend zur jetzt geltenden Rechtslage wird angeordnet, dass diese Verbesserungen den Landschaftsraum betreffen müssen, in dem auch der Eingriff vorgenommen werden soll.
Für bestimmte Maßnahmen kann auch durch Ausgleichsmaßnahmen keine naturschutzbehördliche Bewilligung erreicht werden. Für Schutzgebiete, die Teil des ‚Natura 2000‘-Netzwerkes sind, ergibt sich der Ausschluss von Ausgleichsmaßnahmen bereits aus dem EU-Recht. Maßnahmen, die Zielsetzungen eines geschützten Gebietes grundsätzlich zuwiderlaufen (zB den Weiterbestand eines Naturdenkmales gefährden oder das Landschaftsbild in einem Landschaftsschutzgebiet schwer beeinträchtigen) sind ebenfalls von der Ausgleichsmöglichkeit ausgenommen, da hier der Weiterbestand des Schutzgebietes höher zu bewerten ist als das Interesse an der Verwirklichung der Maßnahme.“
19 Diese Rechtsprechung wiederholte der Verwaltungsgerichtshof im Beschluss vom 28. April 2022, Ra 2022/10/0041, im Hinblick auf vorübergehende Maßnahmen in Landschaftsschutzgebieten mit besonderer landschaftlicher Schönheit und besonderem Erholungswert.
20 Vom gegenständlichen Vorhaben ist ein Landschaftsschutzgebiet betroffen, das eine besondere landschaftliche Schönheit sowie einen besonderen Erholungswert aufweist; deren Erhaltung ist das Ziel der Verordnung, mit welcher das betroffene Gebiet zum Landschaftsschutzgebiet erklärt wurde. Die besondere landschaftliche Schönheit ist darin näher beschrieben mit der reizvollen Lage der Voralpenseen am Fuß imposanter Felswände und markanter Berggipfel, Verlandungszonen, umgeben von Grünland, Bergwäldern sowie Almflächen und Ödland; der besondere Erholungswert wird mit der wesentlich durch die Salzkammergutseen geprägten Naturlandschaft bzw. naturnahen Kulturlandschaft begründet.
21 Die oben wiedergegebene Rechtsprechung zum Begriff des „wesentlichen Widerspruchs zu grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes“ kann sich in Zusammenhang mit den Schutzzwecken der Erhaltung einer besonderen landschaftlichen Schönheit und eines besonderen Erholungswertes nur auf die Wirkung der das Landschaftsbild prägenden Naturgüter, die den Schutz (die besondere landschaftliche Schönheit und/oder den besonderen Erholungswert) vermitteln, beziehen. Ein wesentlicher Widerspruch liegt daher dann vor, wenn sich eine geplante Maßnahme voraussichtlich in Richtung des vollständigen und dauerhaften Verlustes der Wirkung der das Landschaftsbild prägenden Naturgüter im betreffenden Raum oder eines maßgeblichen Teiles derselben auswirken würde.
22 Das Verwaltungsgericht stützte die Untersagung der beantragten naturschutzrechtlichen Bewilligung auf die mit dem Projekt einhergehende Fortsetzung der Zersiedelung.
23 Der Begriff der „Zersiedelung“ findet sich im NSchG lediglich in Zusammenhang mit der Begriffsdefinition des „Charakters der Landschaft“ in § 5 Z 7 NSchG. Eine Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft liegt nach § 5 Z 7 lit. a leg. cit. jedenfalls dann vor, wenn eine Maßnahme oder ein Vorhaben eine Zersiedelung einleitet oder fortsetzt. Der „Charakter der Landschaft“ spielt - neben dem Naturhaushalt und dem Schutzzweck des Gebietes - im Rahmen der Bewilligungsvoraussetzungen des § 18 NSchG eine Rolle, weil die Bewilligung für eine Maßnahme in einem Landschaftsschutzgebiet nur zu erteilen ist, wenn durch diese der Charakter der Landschaft (§ 5 Z 7), der Naturhaushalt (§ 5 Z 21) und der Schutzzweck des Gebietes (§ 16) nicht beeinträchtigt werden. Liegt jedoch eine solche Beeinträchtigung vor, käme allenfalls eine Bewilligung unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen in Betracht. Eine der hierfür in § 51 Abs. 3 NSchG festgelegten Voraussetzungen ist, dass die Maßnahme, die bewilligt werden soll, nicht wesentlich den grundsätzlichen Zielsetzungen eines Schutzgebietes widerspricht (Z 3 leg. cit.). Wie die Revisionen zutreffend ausführen, wird die Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft im Zusammenhang mit der Bewilligungsfähigkeit unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen nicht erwähnt. Dies entspricht auch der Gesetzessystematik, wonach eine Bewilligung unter Vorschreibung von Ausgleichsmaßnahmen erst beantragt werden darf, wenn das ursprünglich beantragte Vorhaben mangels Vorliegens der Bewilligungsvoraussetzungen - etwa wegen drohender Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft - zu untersagen wäre. Die Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft als solche ist daher mangels ausdrücklicher Anordnung kein Tatbestandselement des § 51 NSchG. Daher ist auch die Zersiedelung als definitionsgemäße Beeinträchtigung des Charakters der Landschaft nicht - wie vom Verwaltungsgericht vertreten - als Versagungsgrund im Rahmen eines Verfahrens nach § 51 NSchG heranzuziehen. Damit erübrigt sich eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob eine Prognose im Hinblick auf eine dahingehende Entwicklungstendenz zu erstellen ist.
24 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes muss ein Bescheid, dem die Beurteilung des Vorliegens (oder Fehlens) eines wesentlichen Widerspruches zu den grundsätzlichen Zielsetzungen des jeweiligen Schutzes zu Grunde liegt, auf in qualitativer und quantitativer Hinsicht konkreten, jeweils auf Lage und Ausprägung innerhalb des Gebietes bezogenen Feststellungen über jene geschützten Güter beruhen, deren Erhaltung die grundsätzliche Zielsetzung des Lebensraumschutzes ausmacht. Dazu sind - wiederum anhand in qualitativer und quantitativer Hinsicht konkreter Feststellungen - die Auswirkungen des beantragten Vorhabens auf die die Zielsetzungen des Gebietes bestimmenden Faktoren in Beziehung zu setzen (vgl. etwa VwGH 14.9.2004, 2001/10/0057; 21.11.2005, 2003/10/0085; 23.2.2009, 2007/10/0143).
25 Das Verwaltungsgericht stützte die Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung entscheidungswesentlich auf die durch die geplante Bebauung fortgesetzte und sich weiter fortsetzende Zersiedelung, ohne jedoch im Sinn des vorangegangenen Absatzes diejenigen Elemente im betroffenen Landschaftsraum konkret nach Lage und Ausprägung darzustellen, die dem Gebiet die besondere landschaftliche Schönheit und den besonderen Erholungswert vermitteln, und diese zu den Auswirkungen der geplanten Maßnahme derart in Beziehung zu setzen, dass daraus hervorginge, dass der den Schutzzwecken des Gebietes widersprechende Eingriff einen wesentlichen Widerspruch zu den grundsätzlichen Zielsetzungen des Schutzgebietes darstellt. Auch mit der Frage, ob die festgestellte Zerstörung der Waldzunge für sich alleine einen wesentlichen Widerspruch zu den Zielsetzungen des vorliegend betroffenen Landschaftsschutzgebietes darstellt, hat sich das Verwaltungsgericht nicht näher auseinandergesetzt.
26 Indem das Verwaltungsgericht die Versagung der naturschutzbehördlichen Bewilligung allein auf das Vorliegen einer Zersiedelung - die bereits zur Versagung der Bewilligung nach § 18 NSchG führen würde - gestützt hat, hat es die Rechtslage verkannt, weshalb das angefochtene Erkenntnis gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.
27 Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 13. Juni 2024
ECLI:AT:VWGH:2024:RA2022100155.L00