Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

04.05.2023

Geschäftszahl

Ra 2021/06/0044

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Lehofer und die Hofrätinnen Mag.a Merl und Mag. Liebhart-Mutzl als Richterinnen und Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Kovacs, über die Revision des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt Innsbruck gegen den Beschluss des Landesverwaltungsgerichtes Tirol vom 21. Dezember 2020, LVwG-2020/32/2423-5, betreffend eine Angelegenheit nach der Tiroler Bauordnung 2018 (mitbeteiligte Partei: t GmbH in römisch eins, vertreten durch Dr. Martin Dellasega und Dr. Max Kapferer, Rechtsanwälte in 6020 Innsbruck, Schmerlingstraße 2/2; weitere Partei: Tiroler Landesregierung), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Beschluss wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1             Mit Bescheid des Stadtmagistrates der Landeshauptstadt römisch eins. (Amtsrevisionswerber) vom 15. September 2020 wurde ein Antrag der mitbeteiligten Partei vom 15. April 2020 auf Bewilligung einer näher beschriebenen Änderung von Grundstücksgrenzen betreffend ein näher bezeichnetes Grundstück der KG. A gemäß Paragraph 16, Absatz eins, der Tiroler Bauordnung 2018 (in der Folge: TBO 2018) abgewiesen.

2             Begründend führte der Amtsrevisionswerber dazu zusammengefasst aus, für den gegenständlichen Bereich bestünde kein Bebauungsplan. Nachdem gemäß Paragraph 16, Absatz eins, TBO 2018 bei Grundstücken, für die wie vorliegend nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen sei, eine Grenzänderung nur dann bewilligt werden könne, wenn ein Bebauungsplan, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise weiters ein ergänzender Bebauungsplan, bestehe, ein solcher im gegenständlichen Fall aber nicht vorliege, sei spruchgemäß zu entscheiden gewesen.

3             Mit dem angefochtenen Beschluss hob das Landesverwaltungsgericht Tirol (in der Folge: LVwG) diesen Bescheid aufgrund einer Beschwerde der mitbeteiligten Partei gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG auf und verwies die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an den Amtsrevisionswerber zurück (1.) Gleichzeitig sprach es aus, dass gegen diesen Beschluss eine ordentliche Revision an den Verwaltungsgerichtshof gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig sei (2.).

4             Zur Begründung der Aufhebung und Zurückverweisung führte das LVwG im Wesentlichen aus, der gegenständliche Sachverhalt sei nicht nach Paragraph 16, Absatz eins, TBO 2018, sondern nach Paragraph 16, Absatz 2, leg. cit. zu beurteilen. Paragraph 16, Absatz eins, TBO 2018 stelle auf jene Fälle ab, in denen künftig Bebauungspläne zu erlassen seien bzw. erlassen werden dürften. Die Bestimmung finde jedoch nur dann Anwendung, wenn ein Bebauungsplan existiere, da nur ein bestehender Bebauungsplan Maßstab für die Erteilung der Bewilligung sein könne. Absatz 2, der genannten Bestimmung sei anzuwenden, wenn ein Bebauungsplan nicht bestehe, und zwar unabhängig davon, ob er erlassen werden müsste oder dürfte; diesfalls sei auf die Kriterien abzustellen, die in Paragraph 16, Absatz 2, Litera a,, b und c leg. cit. genannt seien. Gegenständlich sei die Notwendigkeit eines Bebauungsplanes vorgesehen, es bestehe jedoch keiner. Da der Amtsrevisionswerber keine Ermittlungen dahingehend aufgenommen habe, inwieweit die Voraussetzungen nach Paragraph 16, Absatz 2, leg. cit. vorlägen und es dazu der Befassung von Amtssachverständigen bedürfe, sei nach Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG vorzugehen gewesen.

5             Gegen diesen Beschluss richtet sich die vorliegende Amtsrevision, die zur Begründung ihrer Zulässigkeit zusammengefasst vorbringt, es fehle Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, ob das in Paragraph 16, Absatz eins, TBO 2018 normierte Vorliegen eines Bebauungsplanes eine Anwendungsvoraussetzung für diese Bestimmung sei oder eine Genehmigungsvoraussetzung für eine Grenzänderung darstelle. Konkret stelle sich die Frage, ob in jenen Fällen, in denen zwar nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen wäre, ein solcher aber (noch) nicht vorliege, das Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes einen Abweisungsgrund nach Paragraph 16, Absatz eins, TBO 2018 darstelle oder ob in diesen Fällen die Bestimmung des Paragraph 16, Absatz 2, TBO 2018 anzuwenden sei.

6             Die Tiroler Landesregierung erstattete im vom Verwaltungsgerichtshof eingeleiteten Vorverfahren eine Revisionsbeantwortung, in der sie sich der vom Amtsrevisionswerber zur Auslegung des Paragraph 16, Absatz eins, und 2 TBO 2018 vertretenen Rechtsansicht mit näherer Begründung anschließt.

7             Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 2, VwGG gebildeten Senat erwogen:

8             Die Amtsrevision ist zu der von ihr dargelegten Rechtsfrage zulässig. Sie ist auch begründet.

9             Der Amtsrevisionswerber bringt in den Revisionsgründen zusammengefasst vor, der angefochtene Beschluss beruhe auf einer unzutreffenden Auslegung bzw. falschen Interpretation des Paragraph 16, TBO 2018, weshalb sein Bescheid vom 15. September 2020 zu Unrecht behoben und die Angelegenheit an ihn zurückverwiesen worden sei.

10           Paragraph 14, Absatz eins und Paragraph 16, Absatz eins und 2 TBO 2018, jeweils in der im Revisionsfall maßgeblichen Stammfassung Landesgesetzblatt Nr. 28 aus 2018,, lauten:

„§ 14

Änderung von Grundstücksgrenzen

(1) Die Teilung, die Vereinigung und jede sonstige Änderung von

a)     als Bauland, Sonderflächen oder Vorbehaltsflächen gewidmeten Grundstücken und

b)     von Grundstücken, die innerhalb der im örtlichen Raumordnungskonzept nach Paragraph 31, Absatz eins, Litera d, und e des Tiroler Raumordnungsgesetzes 2016 festgelegten Bereiche liegen,

bedürfen der Bewilligung der Behörde. [...]“

„§ 16

Bewilligung

(1) Die Bewilligung nach Paragraph 14, Absatz eins, ist bei Grundstücken, für die nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, zu erteilen, wenn ein Bebauungsplan, im Fall der Festlegung einer besonderen Bauweise weiters ein ergänzender Bebauungsplan, besteht und wenn die vorgesehene Änderung der Grundstücksgrenzen eine dem Bebauungsplan bzw. dem ergänzenden Bebauungsplan entsprechende Bebauung der Grundstücke sowie die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung nicht verhindert oder erschwert. Bei sonstigen Grundstücken, für die ein Bebauungsplan besteht, ist die Bewilligung zu erteilen, wenn die vorgesehene Änderung der Grundstücksgrenzen eine dem Bebauungsplan entsprechende Bebauung der Grundstücke sowie die darin festgelegte verkehrsmäßige Erschließung nicht verhindert oder erschwert.

(2) In allen übrigen Fällen ist die Bewilligung nach Paragraph 14, Absatz eins, zu erteilen, wenn die vorgesehene Änderung der Grundstücksgrenzen

a)     einer geordneten baulichen Gesamtentwicklung der Gemeinde im Sinn der Ziele der örtlichen Raumordnung, insbesondere unter Bedachtnahme auf die möglichen künftigen Größenverhältnisse der Gebäude zueinander und den Schutz des Orts- und Straßenbildes, nicht zuwiderläuft,

b)     eine zweckmäßige und bodensparende Bebauung des betreffenden Grundstückes gewährleistet und

c)     einer zweckmäßigen verkehrsmäßigen Erschließung und Erschließung des betreffenden Gebietes mit Einrichtungen zur Wasserversorgung und Abwasserbeseitigung unter Bedachtnahme auf die Erfordernisse einer geordneten Gesamterschließung des Gemeindegebietes nicht entgegensteht.

[...]“

11           Nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes kann ein Beschluss des Verwaltungsgerichtes, mit welchem dieses den verwaltungsbehördlichen Bescheid gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG aufgehoben und die Angelegenheit zur Erlassung eines neuen Bescheides an die Behörde zurückverwiesen hat, eine Rechtsverletzung dadurch bewirken, dass das Verwaltungsgericht entweder von der Regelung des Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG zu Unrecht Gebrauch gemacht und keine Sachentscheidung getroffen hat oder von einer für die betroffene Partei nachteiligen, jedoch für das weitere Verfahren bindenden unrichtigen Rechtsansicht ausgegangen ist vergleiche etwa VwGH 26.2.2020, Ra 2017/05/0266, oder auch 20.11.2014, Ro 2014/07/0097, jeweils mwN).

12           Das Zulässigkeitsvorbringen der gegenständlichen Amtsrevision zielt nicht primär auf die Behauptung ab, das LVwG hätte von der Regelung des Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG zu Unrecht Gebrauch gemacht, sondern auf die gemäß der genannten Gesetzesbestimmung auf den Amtsrevisionswerber überbundene Rechtsansicht des LVwG, auf den vorliegenden Sachverhalt sei Paragraph 16, Absatz 2, TBO 2018 anzuwenden.

13           Dazu ist Folgendes zu sagen:

14           Die hier maßgebliche Konzeption des Paragraph 16, TBO 2018 wurde vom Gesetzgeber - im Hinblick auf die Neuregelung der Bebauungsplanung im TROG - mit Landesgesetzblatt Nr. 48 aus 2011, eingeführt vergleiche Paragraph 14, Absatz eins, und 2 Tiroler Bauordnung 2011). Dem klaren Gesetzeswortlaut zufolge ist in Paragraph 16, Absatz eins, erster Satz TBO 2018 die Bebauungsplanpflicht nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften als Anwendungsvoraussetzung („[...] bei Grundstücken, für die [...] ein Bebauungsplan zu erlassen ist, [...]“) und das Vorliegen eines Bebauungsplanes als Genehmigungsvoraussetzung („Die Bewilligung [...] zu erteilen, wenn ein Bebauungsplan [...] besteht und [...]“) festgelegt.

15           Bei Grundstücken, für die - wie unstrittig im vorliegenden Fall - nach den raumordnungsrechtlichen Vorschriften ein Bebauungsplan zu erlassen ist, ist somit im Anwendungsbereich der TBO 2018 bei Nichtvorliegen eines Bebauungsplanes die Grundteilungsbewilligung nach Paragraph 16, Absatz eins, leg. cit. zu versagen, weil eine der vom Gesetzgeber dort genannten Genehmigungsvoraussetzungen fehlt vergleiche dazu auch VwGH 27.4.2023, Ra 2021/06/0083).

16           Die fallbezogen gemäß Paragraph 28, Absatz 3, letzter Satz VwGVG auf den Amtsrevisionswerber überbundene Rechtsansicht des LVwG, auf den vorliegenden Sachverhalt sei Paragraph 16, Absatz 2, TBO 2018 anzuwenden, erweist sich damit als unrichtig.

17           Der angefochtene Beschluss war daher gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins, VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 4. Mai 2023

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2023:RA2021060044.L00