Verwaltungsgerichtshof
19.10.2022
Ro 2020/15/0017
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Mag. Novak und Dr. Sutter sowie die Hofrätinnen Dr.in Lachmayer und Dr.in Wiesinger als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Löffler, LL.M., über die Revision des Finanzamts Kitzbühel Lienz (nunmehr: Finanzamt Österreich - Dienststelle Tirol Ost) in 6370 Kitzbühel, Im Gries 9, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 9. April 2020, Zl. RV/3101202/2016, betreffend Einkommensteuer 2014 (mitbeteiligte Partei: G H in A, vertreten durch die Dr. Obermoser Wirtschaftstreuhand GmbH in 6370 Kitzbühel, St. Johannerstrasse 49a), zu Recht erkannt:
Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
1 Die Mitbeteiligte und ihr Ehemann erwarben mit Kaufvertrag vom 29. Mai 1998 jeweils das ideelle Hälfteeigentum an einer Liegenschaft. Im Jahr 2011 begannen sie mit der Errichtung eines Wohngebäudes. Noch während der Bauausführung wurden zwecks Mietersuche (parallel) zwei Makler beauftragt und Zeitungsinserate sowie Inserate auf Internetplattformen geschaltet.
2 Mit der im Jänner 2013 eingereichten Umsatzsteuererklärung für das Jahr 2011 begehrte die Miteigentumsgemeinschaft (die Mitbeteiligte und ihr Ehemann) im Hinblick auf die geplante Vermietung des Hauses die Vorsteuern aus den Errichtungskosten des Wohngebäudes. Im Umsatzsteuerbescheid 2011 vom 18. Februar 2013 wurde die Umsatzsteuer erklärungsgemäß festgesetzt. Weitere Vorsteuern machte die Miteigentümergemeinschaft für die Jahre 2012 und 2013 geltend. Im Zuge einer Außenprüfung im Jahr 2013 prüfte das Finanzamt, ob die ernsthafte Absicht der Vermietung des Wohngebäudes bestehe. Durch die steuerliche Vertretung wurde das Bestehen der ernsthaften Vermietungsabsicht mit Schreiben vom 10. Juni 2013 bestätigt und belegt. Das Finanzamt zahlte sodann die begehrten Vorsteuern an die Vermietungsgemeinschaft.
3 Ein Makler teilte dem Ehemann der Mitbeteiligten mit Email vom 23. Februar 2013 mit, dass trotz intensiver Vermietungsbemühungen bisher noch kein Mieter für das hochwertige Haus gefunden worden sei. Am Mietenmarkt sei derzeit die Krise deutlich zu spüren. Viele Leute könnten sich die (hohen) Mieten in der betreffenden Gegend nicht mehr leisten. Mit Email vom 3. Juni 2013 teilte dieser Makler sodann mit, er habe einen Mietinteressenten, ein anderer Mietinteressent habe hingegen abgesagt. Der Makler sei aber weiterhin um einen Erfolg bemüht.
4 Mit Kaufvertrag vom 27. Dezember 2013 verkauften die Mitbeteiligte und ihr Ehemann das bebaute Grundstück zum Kaufpreis von 4,650.000 €, ohne dass aus dem neu errichteten Wohngebäude jemals Mieteinnahmen erzielt wurden. Im Hinblick auf den Verkauf berichtigten die Mitbeteiligte und ihr Ehemann die für den Neubau geltend gemachten Vorsteuern gemäß § 12 Abs. 11 UStG 1994 und zahlten diese am 10. Februar 2014 zurück.
5 Für die Jahre 2011 bis 2014 wurden von der Mitbeteiligten weder positive noch negative Einkünfte aus der Vermietung der Liegenschaft erklärt.
6 Bei der Berechnung der Immobilienertragsteuer (für die Mitbeteiligte in Höhe von 24.337 €) für den Verkauf des bebauten Grundstücks wurde die Herstellerbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 in Anspruch genommen.
7 Mit Einkommensteuerbescheid 2014 vom 16. Oktober 2015 schrieb das Finanzamt - nach Durchführung einer Nachschau - der Mitbeteiligten für die Einkünfte aus der privaten Grundstücksveräußerung unter Anwendung des besonderen Steuersatzes von 25% und der Bemessungsgrundlage nach § 30 Abs. 4 Z 2 EStG 1988 Steuer von 81.287,50 € vor. Die Vorschreibung begründete das Finanzamt damit, dass die Herstellerbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nicht greife, weil das Gebäude innerhalb der letzten zehn Jahre der Erzielung von Einkünften gedient habe. Die bereits während der Bauzeit bestandene Vermietungsabsicht sei durch die Beauftragung von Maklern und Schaltung von Inseraten nach außen hin kundgetan worden. Aufgrund der geplanten Vermietung seien auch Vorsteuern aus den angefallenen Baukosten geltend gemacht worden.
8 In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wurde beantragt, die Herstellerbefreiung gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 zu gewähren, weil die Liegenschaft innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient habe. Das Vorliegen einer bloßen Vermietungsabsicht schließe die Befreiung nach § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 nicht aus.
9 Nach Ergehen einer abweisenden Beschwerdevorentscheidung gab das auf Grund eines Vorlageantrages zuständig gewordene Bundesfinanzgericht der Beschwerde Folge, änderte den angefochtenen Bescheid ab und setzte die auf die Veräußerung iSd § 30 Abs. 1 EStG 1988 entfallende Einkommensteuer 2014 mit 24.337 €, also in Höhe der vorgenommenen Selbstberechnung fest.
10 Begründend führte das Bundesfinanzgericht aus, es gehe von einer erwiesenen Vermietungsabsicht der Mitbeteiligten aus. In rechtlicher Hinsicht würde aber die Formulierung des § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 („selbst hergestellte Gebäude, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben“) eine retrospektive Betrachtung einer abgeschlossenen Sachlage verlangen. In der Außenprüfung der Miteigentumsgemeinschaft sei nicht festgestellt worden, dass aus der Vermietung Einkünfte erzielt worden seien, obwohl die Ernsthaftigkeit der Vermietungsabsicht glaubwürdig dargelegt worden sei, sodass die begehrten Vorsteuern ausbezahlt worden seien. Bei der Beurteilung der Einschränkung der Steuerfreiheit nach dem zweiten Halbsatz des § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 sei eine rückblickende Betrachtung dahingehend vorzunehmen, ob das Gebäude in dem mit Veräußerung abgeschlossenen Zeitraum der Erzielung von Einkünften gedient hat. Eine Tätigkeit (das Vermieten der Liegenschaft) könne nur dann der Erzielung von Einkünften gedient haben, wenn sie tatsächlich aufgenommen worden sei und nachweislich Einnahmen erwirtschaftet worden seien, nicht aber, wenn es nicht zur Vermietung gekommen sei, weil die Vermietungsabsicht aufgegeben und die Liegenschaft verkauft worden sei. Dem stehe nicht entgegen, dass unter dem Aspekt der Liebhabereiprüfung vorweggenommene Werbungskosten einer Einkunftsquelle zugeordnet werden können, auch wenn die Vermietungsabsicht aufgegeben und die Liegenschaft verkauft werde. Hier müsse nämlich eine Annahme über das Vorliegen von Einkünften getroffen werden, die auf einer Prognose über künftige Geschehnisse beruhe. Dagegen liege bei der Beurteilung der Steuerbefreiung nach § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 eine bereits in der Vergangenheit abgeschlossene Sachlage vor.
11 Das Bundesfinanzgericht erklärte die Revision für zulässig, weil keine höchstgerichtliche Judikatur zur Frage vorliege, ob ein tatsächlich nicht vermietetes Gebäude im Sinne des § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1998 deshalb der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient habe, weil unter dem Aspekt der Liebhabereiprüfung vorweggenommene Werbungskosten einer Einkunftsquelle zugeordnet werden können.
12 Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende ordentliche Revision, zu der die Mitbeteiligte eine Revisionsbeantwortung erstattet hat.
13 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
14 Gemäß § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 idF des 1. Stabilitätsgesetzes 2012 (1. StabG 2012), BGBl. I Nr. 22/2012, sind von der Besteuerung ausgenommen Einkünfte:
„aus der Veräußerung von selbst hergestellten Gebäuden, soweit sie innerhalb der letzten zehn Jahre nicht zur Erzielung von Einkünften gedient haben.“
15 Die Erläuterungen zur Regierungsvorlage führen hierzu aus (vgl. 1680 BlgNR XXIV. GP 8):
„Auch selbst hergestellte Gebäude sollen wie bisher von der Besteuerung befreit sein. Ein selbst hergestelltes Gebäude liegt vor, wenn der Steuerpflichtige hinsichtlich der Errichtung das (finanzielle) Baurisiko trägt; er also selbst oder auch durch einen Bauunternehmer das Gebäude errichtet. Anders als nach der bisherigen Rechtslage, soll die Befreiung allerdings insoweit nicht greifen, als das Gebäude innerhalb der letzten 10 Jahre zur Erzielung von Einkünften gedient hat. Im Falle einer teilweisen Nutzung zur Erzielung von Einkünften steht die Befreiung nur anteilig zu.“
16 Wie das Bundesfinanzgericht sind auch die Parteien des Verfahrens vor dem Bundesfinanzgericht davon ausgegangen, dass mit Kaufvertrag vom 27. Dezember 2013 ein mit einem selbst hergestellten Gebäude iSd § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988 bebautes Grundstück veräußert wurde. Diese Annahme liegt auch der Revision zugrunde.
17 Strittig ist, ob die von der Revisionswerberin und ihrem Ehemann verkaufte Immobilie in den letzten zehn Jahren vor der Veräußerung der Erzielung von Einkünften aus Vermietung und Verpachtung gedient hat, obwohl zu keinem Zeitpunkt Mieteinnahmen aus einer Vermietung oder Verpachtung erzielt wurden.
18 Das Bundesfinanzgericht hat die Feststellung getroffen, dass die Vermietungsabsicht der Mitbeteiligten (und ihres Ehemannes) erwiesen sei. Dies habe auch dazu geführt, dass die geltend gemachte Vorsteuer aus den Errichtungskosten des Wohngebäudes vom Finanzamt anerkannt und ausbezahlt worden sei. Da aber die Vermietung nicht in Form der tatsächlichen Erzielung von Mieteinnahmen aufgenommen worden sei, liege nach Ansicht des Bundesfinanzgerichts keine Erzielung von Einkünften vor und stelle das neu errichtete Wohngebäude keine der Inanspruchnahme der Herstellerbefreiung entgegenstehende Quelle von Einkünften dar.
19 Dieser Rechtsansicht vermag sich der Verwaltungsgerichtshof nicht anzuschließen.
20 Der Einkommensteuer unterliegende Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung gemäß § 2 Abs. 3 Z 6 EStG 1988 bestehen nach Abs. 4 Z 2 EStG 1988 im Überschuss der Einnahmen über die Werbungskosten. Auch negative Ergebnisse (Verluste, Überschuss der Werbungskosten über die Einnahmen) stellen Einkünfte dar (vgl. VwGH 21.6.1963, 2179/61, Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 2 Tz 6).
21 Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes können Werbungskosten und damit negative Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung unter Umständen bereits steuerliche Berücksichtigung finden, bevor noch der Steuerpflichtige aus einer Vermietung Einnahmen im einkommensteuerlichen Sinn erzielt. Für diese Berücksichtigung reichen allerdings weder bloße Absichtserklärungen des Steuerpflichtigen über eine künftige Vermietung aus noch der Umstand, dass der Steuerpflichtige bloß die Möglichkeit zur Erzielung von Einkünften aus der Vermietung ins Auge fasst. Voraussetzung einer Berücksichtigung von Werbungskosten vor der Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung ist, dass die ernsthafte Absicht zur späteren Einnahmenerzielung auf Grund bindender Vereinbarungen oder sonstiger, über die Absichtserklärung hinausgehender Umstände als klar erwiesen angesehen werden kann. Der auf Vermietung des Objektes gerichtete Entschluss des Steuerpflichtigen muss klar und eindeutig nach außen hin in Erscheinung treten (vgl. z.B. VwGH 14.9.2017, Ra 2016/15/0016; 28.6.2012, 2010/15/0016). Liegen solche Umstände zunächst vor, fallen sie aber später weg, so ist ab dem Wegfall auch kein Werbungskostenabzug mehr möglich (Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 16 Tz 10). Nicht erforderlich ist es also, dass tatsächlich steuerpflichtige Einnahmen erzielt werden (vgl. VwGH 19.1.1988, 87/14/0034, mwN; 7.10.2003, 2001/15/0085; Sutter/Pfalz in Hofstätter/Reichel, EStG62 § 16 Tz 52; siehe zu einer Konstellation negativer Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung ohne tatsächlichem Zufluss von Einnahmen VwGH 27.8.2020, Ra 2019/13/0036).
22 Die Frage, ob die geschilderten Voraussetzungen, also insbesondere die durch objektive Umstände erwiesene ernsthafte Vermietungsabsicht, vorliegen, ist eine auf der Ebene der Beweiswürdigung zu lösende Sachfrage (VwGH 14.9.2017, Ra 2016/15/0016).
23 Im gegenständlichen Fall hat das Bundesfinanzgericht das Vorliegen der Vermietungsabsicht aufgrund konkreter, über die Absichtserklärung hinausgehender Umstände als klar erwiesen angenommen.
24 Auch aus umsatzsteuerlicher Sicht können ernsthafte unternehmensbezogene Vorbereitungshandlungen die Unternehmereigenschaft begründen, auch wenn diese abgebrochen werden, bevor Einnahmen erzielt werden (vgl. Ruppe/Achatz, UStG5 § 2 Tz 137 zu erfolglosen Vorbereitungshandlungen, vgl. auch VwGH 7.10.2003, 2001/15/0085). Im gegenständlichen Fall ist für den Zeitraum 2011 bis 2013 die durch die Vermietungsabsicht begründete Unternehmereigenschaft unbestritten gegeben gewesen.
25 Zu den (vorweggenommenen) Werbungskosten im Zusammenhang mit künftigen Mieteinnahmen gehört - neben Kosten, wie etwa jenen der Mietersuche, der Rechtsberatung, der Abwicklung der umsatzsteuerlichen Agenden - insbesondere die AfA (§ 16 Abs. 1 Z 8 EStG 1988). Grundsätzlich beginnt die AfA erst mit der Inbetriebnahme eines der Erzielung von Einkünften dienenden Wirtschaftsgutes. Bei Gebäuden, die der Vermietung dienen, wird die AfA aber nicht erst ab der tatsächlichen Überlassung an Mieter angesetzt, sondern schon ab der in der Vermietungsabsicht erfolgten Bereitstellung des Gebäudes, weil bei Gebäuden die rein altersbedingte Abnutzung in den Vordergrund tritt (vgl. VwGH 27.07.1994, 92/13/0175; 2.3.1993, 92/14/0182; 22.2.1993, 92/15/0048; 27.11.1984, 83/14/0046, 0048). Werbungskosten wie Betriebsausgaben sind im Übrigen von Amts wegen zu berücksichtigen (vgl. VwGH 25.11.1986, 86/14/0065, 27.6.2018, Ra 2016/15/0072, und aus der jüngeren Zeit 25.6.2020, Ro 2020/15/0009).
26 Entgegen der Ansicht des Bundesfinanzgerichts können sohin (negative) Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung auch vorliegen, bevor Mieteinnahmen erzielt werden, selbst wenn die Erzielung von Mieteinnahmen gänzlich ausbleibt. Die als Voraussetzung für derartige Einkünfte erforderliche objektiv erwiesene Vermietungsabsicht wurde im gegenständlichen Fall unstrittig festgestellt.
27 Ein Gebäude dient auch dann der „Erzielung von Einkünften“ iSd Herstellerbefreiung des § 30 Abs. 2 Z 2 EStG 1988, wenn diese Einkünfte negativ sind. Demgegenüber ist das Bundesfinanzgericht davon ausgegangen, dass - im gegebenen Zusammenhang - Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nur vorliegen, wenn tatsächlich Einnahmen aus der Vermietung erzielt worden sind, und hat damit die Rechtslage verkannt.
28 Das Bundesfinanzgericht hat sein Erkenntnis somit mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb es gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Wien, am 19. Oktober 2022
ECLI:AT:VWGH:2022:RO2020150017.J00