Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

05.04.2022

Geschäftszahl

Ra 2020/13/0112

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch die Vorsitzende Senatspräsidentin Dr. Büsser und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Schramel, über die Revision des S in S, vertreten durch Mag. Sarah Abel, Rechtsanwältin in 5020 Salzburg, Mildenburggasse 1/2, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. November 2020, Zl. RV/6100658/2019, betreffend Haftung gemäß Paragraph 9, in Verbindung mit Paragraph 80, BAO, den Beschluss gefasst:

Spruch

Die Revision wird zurückgewiesen.

Begründung

1             Das Finanzamt erließ gegenüber dem Revisionswerber als ehemaligem Obmann eines Vereines einen Haftungsbescheid gemäß Paragraph 9, in Verbindung mit Paragraph 80, BAO (betreffend Umsatzsteuer 2012 bis 2016). Als das für die Vertretung nach außen berufene Organ sei er für die Entrichtung der Abgaben des Vereins aus dessen Mitteln verantwortlich gewesen. Als Vertreter hafte er mit seinem persönlichen Einkommen und Vermögen für nicht entrichtete Abgaben des Vertretenen, wenn ihn an der Nichtentrichtung dieser Abgaben ein Verschulden treffe, wobei leichte Fahrlässigkeit bereits als Verschulden gelte. Voraussetzung für die Haftung sei die objektive Uneinbringlichkeit der betreffenden Abgaben im Zeitpunkt der Inanspruchnahme des Haftenden. Dies treffe zu, weil der Verein am 5. Februar 2018 freiwillig aufgelöst worden sei.

2             Dagegen erhob der Revisionswerber fristgerecht Beschwerde. Nach abweisender Beschwerdevorentscheidung und Vorlageantrag wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es führte aus, der Revisionswerber sei im fraglichen Zeitraum Obmann des betreffenden Vereins gewesen. Laut Vereinsstatuten sei der Obmann der höchste Vereinsfunktionär. Ihm sei gemeinsam mit dem Kassier die Vertretung des Vereins nach außen, gegenüber Behörden und dritten Personen oblegen. Für die ordnungsgemäße Geldgebarung des Vereins sei der Kassier verantwortlich gewesen. Kassier des Vereins sei im fraglichen Zeitraum bis zum 5. Juni 2015 A gewesen, der bereits verstorben sei. Kassierin B sei laut Aktenlage schwer erkrankt. Die Abgaben seien beim Verein uneinbringlich, weil dieser laut Beschluss des Konkursgerichts ein bereits aufgelöster Verein sei, der über kein unverteiltes Vermögen mehr verfüge, weshalb der Antrag auf Eröffnung des Konkurses über das Vermögen des Vereins zurückgewiesen worden sei.

3             Der wirksam bestellte Vertreter einer juristischen Person, der die Abgaben der juristischen Person nicht entrichtet habe, hafte für diese Abgaben, wenn sie bei der juristischen Person nicht eingebracht werden könnten und er nicht beweise, dass die Abgaben ohne sein Verschulden nicht hätten entrichtet werden können. Für die Haftung nach Paragraph 9, BAO sei die Verletzung abgabenrechtlicher Pflichten von Bedeutung. Zu den abgabenrechtlichen Pflichten des Vertreters gehöre insbesondere dafür zu sorgen, dass die Abgaben entrichtet würden, sowie die Führung gesetzmäßiger Aufzeichnungen und die zeitgerechte Einreichung von Abgabenerklärungen.

4             Laut seinen eigenen Angaben habe der Revisionswerber im vorliegenden Fall das Konzept und die Statuten eines bereits bestehenden Vereins übernommen, ohne sich bei der Finanzverwaltung oder einem Experten für Steuerrecht zu erkundigen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es zulässig sei, einen Swingerclub als gemeinnützigen Verein zu führen. Auch die Ausführungen des Revisionswerbers zu seinem Gesundheitszustand stellten keinen Schuldausschließungsgrund dar. Sofern bereits in den Jahren 2012 bis 2016 eine wesentliche Erkrankung vorgelegen habe, hätte der Revisionswerber darzulegen gehabt, aus welchen entschuldbaren Gründen er unter diesen Umständen die Obmannfunktion nicht zurückgelegt habe. Er sei daher für die Umsatzsteuer 2012 bis 2016 zu Recht zur Haftung herangezogen worden.

5             Zum Ermessen führte das Bundesfinanzgericht aus, die Ermessensentscheidung im Sinne des Paragraph 20, BAO sei innerhalb der vom Gesetz gezogenen Grenzen nach Billigkeit und Zweckmäßigkeit unter Berücksichtigung aller in Betracht kommenden Umstände zu treffen. Wesentliches Ermessenskriterium sei die Vermeidung eines endgültigen Abgabenausfalls. Aus dem auf die Hereinbringung der Abgabenschuld beim Haftenden gerichteten Besicherungszweck der Haftung folge, dass die Geltendmachung der Haftung in der Regel ermessenskonform sei, wenn die betreffende Abgabe beim Primärschuldner uneinbringlich sei. Der verstorbene Kassier habe nicht mehr zur Haftung herangezogen werden können, die (anteilige) Heranziehung von B sei wegen ihrer schweren Erkrankung nicht zweckmäßig.

6             Gegen dieses Erkenntnis richtet sich die vorliegende außerordentliche Revision, die zu ihrer Zulässigkeit vorbringt, beim Ermessen sei die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Haftungspflichtigen sowie die Höhe seines Einkommens, der Grad des Verschuldens des Vertreters, sowie der Grundsatz der Sparsamkeit, Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu berücksichtigen. Alle diese Punkte seien beim Revisionswerber vollkommen außer Acht gelassen worden. Auch die Frage der Zumutbarkeit des Erkennens einer Abgabenpflicht könne bei im Ermessen gelegenen Sanktionen durchaus von Bedeutung sein. Der Revisionswerber sei Notstandshilfebezieher, sodass von der Zweckmäßigkeit seiner Heranziehung zur Haftung keine Rede sein könne. Er sei dauerhaft arbeitsunfähig, verfüge über keinerlei Vermögen und werde auch künftig keine Einkünfte erzielen. Er sei einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen, sodass zu Unrecht von einem Verschulden ausgegangen worden sei.

7             Nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.

8             Nach Paragraph 34, Absatz eins, VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren mit Beschluss zurückzuweisen.

9             Nach Paragraph 34, Absatz eins a, VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (Paragraph 28, Absatz 3, VwGG) zu überprüfen.

10           Die in den Paragraphen 80, ff BAO bezeichneten Vertreter haften gemäß Paragraph 9, Absatz eins, BAO neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.

11           Die Haftung des Paragraph 9, BAO betrifft auch Personen, die nach den Statuten zur Vertretung eines Vereines berufen sind vergleiche VwGH 10.9.1998, 96/15/0053; 24.4.2002, 2001/16/0548).

12           Die Revision bringt vor, dass der Revisionswerber Notstandshilfe beziehe und über kein Vermögen verfüge und deshalb seine Heranziehung zur Haftung nicht zweckmäßig sei. Die Vermögens- und Arbeitslosigkeit des Haftenden steht allerdings - auch im Hinblick auf die Ermessensübung - in keinem erkennbaren Zusammenhang mit der Geltendmachung der Haftung, zumal es eine allfällige (zur Zeit der Erlassung des Haftungsbescheides bestehende) Uneinbringlichkeit beim Haftenden auch nicht ausschließt, dass künftig neu hervorkommendes Vermögen oder künftig erzielte Einkünfte zur Einbringlichkeit der haftungsgegenständlichen Abgaben führen können vergleiche VwGH 27.5.2020, Ra 2020/13/0027, mwN). Wenn der Revisionswerber schließlich behauptet, er sei dauerhaft arbeitsunfähig, so entfernt er sich damit vom festgestellten Sachverhalt, ohne dazu weitere Gründe im Sinn des Paragraph 41, VwGG - wiederum als Ausfluss einer unrichtigen Beantwortung einer Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung - zu relevieren, sodass schon deshalb insoweit keine fallbezogene Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung vorliegt vergleiche z.B. VwGH 29.6.2020, Ra 2020/16/0066; 26.5.2021, Ra 2021/13/0057, je mwN).

13           Die Revision argumentiert weiters, dass der Revisionswerber einem entschuldbaren Rechtsirrtum unterlegen sei und er die Abgabenpflicht nicht habe erkennen können. Dazu ist auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu verweisen, wonach ein Rechtsirrtum bzw. das Handeln auf Grund einer vertretbaren Rechtsansicht die Annahme eines Verschuldens ausschließen kann. Gesetzesunkenntnis oder irrtümlich objektiv fehlerhafte Rechtsauffassung sind aber nur dann entschuldbar und nicht als Fahrlässigkeit zuzurechnen, wenn die objektiv gebotene, der Sache nach pflichtgemäße, nach den subjektiven Verhältnissen zumutbare Sorgfalt nicht außer Acht gelassen wurde. Ein nicht vorwerfbarer Rechtsirrtum wird durch den bloßen Hinweis auf eine andere Rechtsmeinung noch nicht dargetan. Das Risiko des Rechtsirrtums trägt auch der, der es verabsäumt, sich an geeigneter Stelle zu erkundigen vergleiche VwGH 13.1.2021, Ra 2020/13/0104, mwN).

14           Das Bundesfinanzgericht ist von einem Verschulden ausgegangen, weil der Revisionswerber das Konzept und die Statuten eines bereits bestehenden Vereins übernommen hat, ohne sich bei der Finanzverwaltung oder einem Experten für Steuerrecht zu erkundigen, ob bzw. unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist, einen Swingerclub als gemeinnützigen Verein zu führen. Diese Beurteilung begegnet keinen vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifenden Bedenken.

15           In der Revision werden keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.

Wien, am 5. April 2022

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2022:RA2020130112.L00