Verwaltungsgerichtshof
10.09.2020
Ra 2020/13/0048
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski und den Hofrat MMag. Maislinger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision des G in S, vertreten durch die Korn & Gärtner Rechtsanwälte OG in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 37, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 27. April 2020, Zl. RV/6100322/2019, betreffend Haftung gemäß Paragraph 9, in Verbindung mit Paragraph 80, BAO, den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Revisionswerber hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von € 553,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 Der Revisionswerber, ein Rechtsanwalt, wurde mit Beschluss des Landesgerichtes S im Oktober 2007 zum Nachtragsliquidator der im September 2006 gemäß § 40 FBG von Amts wegen gelöschten D GmbH bestellt. Die D GmbH war unbeschränkt haftende Gesellschafterin u.a. der DA KEG und der DB KEG. Die werbende Tätigkeit dieser Gesellschaften war seit längerer Zeit eingestellt. Diese Gesellschaften waren aber noch Eigentümerinnen von mehreren Liegenschaftsanteilen. Die Abwicklung dieses Vermögens war Aufgabe des Revisionswerbers als Nachtragsliquidator.
2 Der Revisionswerber reichte Umsatzsteuervoranmeldungen betreffend die DB KEG für die Zeiträume 1-12/2016 ein.
3 Mit Bescheid vom 12. Februar 2018 setzte das Finanzamt die Umsatzsteuer 2016 betreffend die DB KEG fest. Die Umsätze der DB KEG wurden zur Gänze als „steuerfrei ohne Vorsteuerabzug“ behandelt (Grundstücksumsätze). Der Gesamtbetrag der Vorsteuer wurde mit 3.631,93 € angesetzt; in dieser Höhe wurde auch die Abgabe (als Vorsteuerüberhang) festgesetzt. Da zuvor ein Vorsteuerüberhang von 9.796,55 € erklärt worden war, ergab sich eine Abgabennachforderung von 6.164,62 €. In der - gesonderten - Bescheidbegründung wurde im Wesentlichen dargelegt, insgesamt seien Vorsteuern in Höhe von „9.750,55 €“ geltend gemacht worden. Auf Grund der vorgelegten Rechnungen könnten Vorsteuer aber nur aus näher aufgezählten Rechnungen (insgesamt 3.631,93 €) anerkannt werden. Alle anderen Rechnungen bezögen sich nicht auf die DB KEG, sondern auf die DA KEG sowie auf die D GmbH. Die Vorsteuern für diese Rechnungen seien nicht zu berücksichtigen. Sämtliche Rechnungen seien vom Nachtragsliquidator (dem Revisionswerber) gelegt worden.
4 Mit Bescheid vom 17. Mai 2018 wies das Finanzamt einen vom Revisionswerber eingebrachten Antrag auf Nachsicht von Abgabenschuldigkeiten der DB KEG ab.
5 Mit Schreiben vom 16. Juli 2018 teilte das Finanzamt dem Revisionswerber mit, am Konto der DB KEG hafteten Abgabenbeträge uneinbringlich aus (Umsatzsteuer 2016 sowie Säumniszuschläge). Diese Abgabenbeträge seien während der Vertretungsbefugnis des Revisionswerbers fällig geworden und nicht entrichtet worden. Der Revisionswerber werde zur Stellungnahme zur möglichen Haftung aufgefordert.
6 In seiner Stellungnahme führte der Revisionswerber u.a. aus, er habe für seine Leistungen gegenüber der DB KEG Rechnungen gelegt. Aus nachträglicher Sicht müsse er zur Kenntnis nehmen, dass die betreffende Vorsteuer nicht bei der DB KEG, sondern bei der DA KEG hätte geltend gemacht werden sollen. Für das Finanzamt hätte sich dadurch wirtschaftlich nichts geändert. Eine Abgabenverkürzung sei damit jedenfalls nicht verursacht worden. Die Nachtragsliquidation sei unter erschwerten Bedingungen durchgeführt worden. Im Zuge seiner Recherchen habe er festgestellt, dass sowohl die DA KEG als auch die DB KEG noch über Liegenschaftsvermögen verfügt hätten. Er habe sich sehr arbeitsintensiv darum bemüht, diese Vermögen abzuwickeln. Der Großteil der Erlöse sei durch die vorhandenen Lasten konsumiert worden. Die einzigen abgabenrechtlich relevanten Vorgänge in diesem Zusammenhang beträfen die für diese Abwicklung aufgelaufenen Kosten, wofür bei den Gesellschaften die Vorsteuer geltend gemacht worden sei, während der Revisionswerber in Verbindung mit seinen Honoraren die darauf entfallende Umsatzsteuer abgeführt habe. Eine Abgabenverkürzung habe insgesamt nicht stattgefunden. Der allenfalls vorzuwerfende Fehler bestehe darin, dass die Vorsteuer statt bei der DA KEG bei der DB KEG geltend gemacht worden sei.
7 Mit Bescheid vom 28. November 2018 nahm das Finanzamt den Revisionswerber als Nachtragsliquidator der DB KEG für die Abgabenschuldigkeiten der DB KEG in Höhe von 6.164,62 € in Anspruch.
8 Der Revisionswerber erhob gegen diesen Bescheid Beschwerde.
9 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 28. Februar 2019 wies das Finanzamt die Beschwerde als unbegründet ab.
10 Der Revisionswerber beantragte die Vorlage der Beschwerde an das Bundesfinanzgericht.
11 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die Beschwerde als unbegründet ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zulässig sei.
12 Nach Wiedergabe des Verfahrensgeschehens führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, der Revisionswerber sei aufgrund der gerichtlichen Bestellung als Nachtragsliquidator der D GmbH (auch) als Vertreter der DB KEG anzusehen. Demgemäß habe er auch abgabenrechtliche Belange wie den Vorsteuerabzug wahrgenommen; ihn träfen auch die abgabenrechtlichen Pflichten. Die Abgaben seien bei der DB KEG nicht einbringlich.
13 Unbestritten sei, dass der Vorsteuerabzug bei der DB KEG in Höhe der geltend gemachten Haftung nicht zu Recht bestehe, weil insoweit an diese zwar Rechnungen ausgestellt, aber keine Leistungen erbracht worden seien.
14 Zu den abgabenrechtlichen Pflichten gehöre jedenfalls die Einreichung richtiger Abgabenerklärungen, hier von richtigen Umsatzsteuervoranmeldungen. Einem Rechtsanwalt sei die Kenntnis der Grundzüge des Steuerrechts, hier für den Vorsteuerabzug, zuzumuten. Dies gelte insbesondere dann, wenn dem Revisionswerber klar gewesen sei, dass die seinen Rechnungen zugrunde liegende Leistungserbringung nicht an die DB KEG erfolgt sei. Der Revisionswerber räume selbst ein, er habe nicht ausreichend darauf geachtet, welche Leistungen für welche der betroffenen Gesellschaften erbracht worden seien. Es sei jedenfalls von einem fahrlässigen Verhalten auszugehen. Diese schuldhafte Pflichtverletzung dürfe als kausal für die spätere Uneinbringlichkeit angesehen werden.
15 Daran ändere nichts, dass der Revisionswerber aus Vereinfachungsgründen, indem er die mehreren Gesellschaften als ein „Wirtschaftsobjekt“ angesehen habe, bzw. auch aufgrund jahrelanger und umfangreicher Tätigkeit diese Vorgangsweise gewählt habe.
16 Die Haftung nach § 9 BAO stelle keine Haftung für einen Schaden dar, welcher dem Abgabengläubiger bei Gesamtbetrachtung der Abgabenschulden mehrerer Abgabenschuldner entstanden sei. Es werde vielmehr darauf abgestellt, dass Abgabenschulden eines Abgabepflichtigen nicht eingebracht werden könnten. Somit sei ausschließlich ausschlaggebend, ob die Abgabenschuldnerin die in Rede stehende Umsatzsteuer geschuldet und entrichtet habe (Hinweis auf VwGH 19.10.2017, Ra 2016/16/0097). Gleiches gelte für den hier vorliegenden Vorsteuerabzug, sodass es nicht darauf ankomme, dass bei Gesamtbetrachtung kein Schaden entstanden sei.
17 Anzumerken sei, dass eine Überrechnung eines Vorsteuerabzuges von der DA KEG, welche zum Ausschluss der Haftung geführt hätte, bisher nicht erfolgt sei. Der Revisionswerber habe einen Antrag auf Wiedereröffnung des Abgabenkontos der DA KEG gestellt, um die gegenständlichen Vorsteuern geltend zu machen; weiters sei die Überrechnung des dadurch entstehenden Guthabens auf das Abgabenkonto der DB KEG beantragt worden. Das Finanzamt habe hiezu mitgeteilt, dass über diese Anträge nicht abgesprochen werden könne.
18 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision.
19 Das Finanzamt hat nach Einleitung des Vorverfahrens durch den Verwaltungsgerichtshof eine Revisionsbeantwortung eingebracht.
20 Nach Art. 133 Abs. 4 B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht einheitlich beantwortet wird.
21 Nach § 34 Abs. 1 VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Art. 133 Abs. 4 B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Ein derartiger Beschluss ist nach § 34 Abs. 3 VwGG in jeder Lage des Verfahrens zu fassen.
22 Nach § 34 Abs. 1a VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß § 25a Abs. 1 VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Art. 133 Abs. 4 B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (§ 28 Abs. 3 VwGG) zu überprüfen.
23 Zur Zulässigkeit wird in der Revision geltend gemacht, das Verschulden des Revisionswerbers an der Geltendmachung der Vorsteuer bei der falschen Gesellschaft sei unstrittig. Die Entscheidung hänge aber davon ab, ob eine Uneinbringlichkeit einer Abgabe infolge schuldhafter Verletzung von Vertreterpflichten vorliege. Die Uneinbringlichkeit werde einfach vorausgesetzt, ohne Auseinandersetzung damit, dass aufgrund der Anträge des Revisionswerbers auf Buchung der Vorsteuern auf dem Konto der DA KEG und Überrechnung des Guthabens auf das Konto der DB KEG der Debetsaldo auf dem Steuerkonto zur Gänze ausgeglichen wäre, sodass eine Uneinbringlichkeit einer Abgabe überhaupt nicht vorliege. Die Uneinbringlichkeit bestehe nur aufgrund der Nichtbehandlung der Anträge des Revisionswerbers. Die Abgabenbehörde sei verpflichtet, entsprechende Eintreibungsmaßnahmen zu setzen oder auch sonst Anträge des Steuerpflichtigen zu behandeln, die zur Abdeckung des Negativsaldos führen würden.
24 Gemäß § 9 Abs. 1 BAO haften die in den §§ 80 ff BAO bezeichneten Vertreter neben den durch sie vertretenen Abgabepflichtigen für die diese treffenden Abgaben insoweit, als die Abgaben infolge schuldhafter Verletzung der den Vertretern auferlegten Pflichten nicht eingebracht werden können.
25 Die Haftung nach § 9 BAO ist eine Ausfallshaftung. Sie darf nur dann geltend gemacht werden, wenn der Ausfall nicht nur beim Erstschuldner, sondern auch bei mit ihm verbundenen Gesamtschuldnern sowie bei außerhalb des § 9 BAO Haftenden eindeutig feststeht (vgl. Ritz, BAO6, § 9 Tz 4 und 7, mit Hinweisen auf die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes). Eine Entrichtung durch Dritte - allenfalls auch durch Überrechnung von Guthaben (§ 215 Abs. 4 BAO) - würde dazu führen, dass insoweit die Abgabenschuldigkeit erfüllt wäre; eine derartige Zahlung wäre auch noch im Beschwerdeverfahren über einen Haftungsbescheid zu berücksichtigen (vgl. Ritz, BAO6, § 7 Tz 11). Unbestritten ist allerdings, dass es bis zur Entscheidung des Bundesfinanzgerichts zu einer derartigen Entrichtung, allenfalls durch Überrechnung, nicht gekommen ist.
26 Wenn in der Revision geltend gemacht wird, eine derartige Überrechnung sei deswegen bisher unterblieben, weil die Anträge des Revisionswerbers unbehandelt geblieben seien, so ist aber zu bemerken, dass das Finanzamt der DA KEG (zu Handen des Revisionswerbers) mit Schreiben vom 16. September 2019 mitgeteilt hatte, über die diesbezüglichen Anträge könne nicht bescheidmäßig abgesprochen werden. Insbesondere wäre - wie das Finanzamt zutreffend ausführte - im vorliegenden Fall zur Geltendmachung von Vorsteuern die Abgabe einer Umsatzsteuervoranmeldung bzw. einer Umsatzsteuererklärung notwendig. Dass eine derartige Umsatzsteuererklärung namens der DA KEG eingebracht worden wäre, wird in der Revision nicht behauptet.
27 Darüber hinaus ist auch nicht erkennbar, dass der DA KEG aus berichtigten, nunmehr an die DA KEG gerichteten Rechnungen des Revisionswerbers (über dessen anwaltliche Leistungen an die DA KEG) ein Vorsteuerabzug zustünde. Die DA KEG und auch die anderen Gesellschaften, die der Revisionswerber vertrat und an die er Leistungen als Rechtsanwalt erbrachte, waren (wie auch der Revisionswerber in der Revision darlegt) seit langem inaktiv. Sie hatten ihre werbende Tätigkeit seit langem eingestellt, sie waren allerdings noch Eigentümer von Liegenschaftsanteilen. Die von diesen Gesellschaften erbrachten Leistungen bestanden im Jahr 2016 (wie im Umsatzsteuerbescheid 2016 betreffend die DB KEG explizit ausgewiesen) in steuerfreien Grundstücksumsätzen ohne Vorsteuerabzug (§ 6 Abs. 1 Z 9 lit. a UStG 1994). Dass diese Umsätze als steuerpflichtig behandelt worden wären (§ 6 Abs. 2 UStG 1994) ist nicht ersichtlich und wird auch vom Revisionswerber nicht behauptet. Die Ausübung einer derartigen Option hätte im Übrigen auch dazu geführt, dass die entsprechende Umsatzsteuer aus diesen Grundstücksgeschäften vom Revisionswerber zu erklären (§ 21 UStG 1994) und an das Finanzamt abzuführen gewesen wäre, wofür keine Anhaltspunkte bestehen.
28 Nach § 12 Abs. 3 Z 2 UStG 1994 ist aber die Steuer für sonstige Leistungen, soweit der Unternehmer diese sonstigen Leistungen zur Ausführung steuerfreier Umsätze in Anspruch nimmt, vom Vorsteuerabzug ausgeschlossen.
29 In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Art. 133 Abs. 4 B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher zurückzuweisen.
Wien, am 10. September 2020
ECLI:AT:VWGH:2020:RA2020130048.L00