Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

26.03.2019

Geschäftszahl

Ro 2019/16/0003

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zorn und die Hofräte Dr. Mairinger, Dr. Thoma und Mag. Straßegger sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter unter Mitwirkung der Schriftführerin Galli, LL.M., über die Revision der M GmbH in S, vertreten durch die LeitnerLeitner GmbH Wirtschaftsprüfer und Steuerberater in 4040 Linz, Ottensheimer Straße 32, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 24. Mai 2018, RV/7102977/2017, betreffend Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG (belangte Behörde vor dem Verwaltungsgericht: Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Revision wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

1 Unbestritten ist, dass das Finanzamt Wien 12/13/14 Purkersdorf (die vor dem Verwaltungsgericht belangte Behörde) im Oktober 2016 gegenüber der Revisionswerberin eine Außenprüfung betreffend Lohnabgaben, Kommunalsteuer und Sozialversicherungsbeiträge für den Zeitraum 1. Jänner 2011 bis 31. Dezember 2013 ankündigte. Vor Beginn der Außenprüfung erstattete die Revisionswerberin mit Schriftsatz vom 23. November 2016 eine Selbstanzeige über die Verkürzung der Lohnabgaben während des Zeitraumes November 2006 bis Oktober 2016. Mit "Bescheid über einen Prüfungsauftrag" vom 28. November 2016 verpflichtete das Finanzamt die Revisionswerberin gemäß Paragraph 147, BAO in Verbindung mit Paragraph 99, Absatz 2, FinStrG zur Mitwirkung an der Außenprüfung für die Lohnabgaben für den Zeitraum von Jänner 2006 bis Dezember 2015; Gegenstand der finanzstrafrechtlichen Prüfung sei der Zeitraum der Jahre 2006 bis 2015.

2 Mit Bescheid vom 30. Jänner 2017 setzte das Finanzamt gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG eine Abgabenerhöhung in der Höhe von insgesamt EUR 88.776,-- fest, die die Revisionswerberin - unbestrittenermaßen rechtzeitig - gemäß Paragraph 29, Absatz 2, FinStrG entrichtete.

Gegen diesen Bescheid erhob die Revisionswerberin Beschwerde mit der Begründung, eine Abgabenerhöhung gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG dürfe nur für den von der Behörde zur Prüfung angemeldeten Zeitraum, also für die Jahre 2011 bis 2013, vorgeschrieben werden. Jene Abgabenzeiträume, die erst nach Erstatten der Selbstanzeige in den Prüfungszeitraum einbezogen worden seien, seien für die Bemessung der Abgabenerhöhung auszuscheiden. Die Mehrbeträge an Lohnabgaben beliefen sich für den Zeitraum von 1. Jänner 2011 bis 31. Dezember 2013 nur auf EUR 94.254,89, sodass lediglich eine Abgabenerhöhung von EUR 14.138,23 festzusetzen gewesen wäre.

3 Nach Erlassung einer Beschwerdevorentscheidung und Erhebung eines Vorlageantrages wies das Bundesfinanzgericht mit dem angefochtenen Erkenntnis diese Beschwerde gemäß Paragraph 279, BAO als unbegründet ab und sprach aus, dass gegen dieses Erkenntnis eine Revision nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG zulässig sei.

Nach Darstellung des Verfahrensganges sowie des - unstrittigen - Sachverhaltes erwog das Verwaltungsgericht in rechtlicher Hinsicht:

"Da im Zeitpunkt der Entrichtung der Abgabenschuldigkeiten über das mit Selbstanzeige zur zu erwartenden Abgabennachforderung eingebrachte Stundungsansuchen nicht entschieden worden war, bestand bis zur Entrichtung eine Hemmung und sie erfolgte fristgerecht.

In der Beschwerdeschrift wie im Vorlageantrag wird eingewendet, dass das Wort ‚anlässlich' in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG so zu interpretieren sei, dass lediglich jene Abgabenansprüche von einer Abgabenerhöhung betroffen seien, auf die sich die Prüfungsankündigung bzw. Bekanntmachung beziehe.

Im Vorlageantrag wird zudem vorgebracht, dass Abgabenerhöhungen die Anforderungen der Engel-Kriterien erfüllten und als strafrechtliche Anklage zu bewerten seien. Eine Auslegung, wonach das Wort ‚anlässlich' auch Zeiträume erfassen, die nicht in der Prüfungsankündigung enthalten gewesen seien, laufe daher Artikel 7, EMRK zuwider.

Zur Frage, ob eine Abgabenerhöhung eine Strafe darstelle, wurden durch das BFG bereits in BFG 28.9.2015, RV/2100720/2015 und BFG 29.11.2016, RV/2101458/2016, Überlegungen angestellt, dazu ist beim Verfassungsgerichtshof eine Beschwerde zu E 210/2017 anhängig.

Einem Selbstanzeiger drohen aus der Festsetzung einer Abgabenerhöhung keine schwerwiegenden negativen Konsequenzen im Sinne einer Strafsanktion, da eine solche (anders als eine Strafe) gar nicht vollstreckbar werden kann, sondern freiwillig entrichtet wird.

Bei Festsetzung einer Abgabenerhöhung liegt auch keine Anklage iSd EMRK hinsichtlich eines Finanzvergehens vor, da der Selbstanzeiger mit dem diesbezüglichen Bescheid nicht informiert wird, dass ihm die Begehung einer Straftat angelastet werde. Vielmehr wird lediglich festgehalten, dass aufgrund seines Aktivwerdens in Form der Darlegung einer Verfehlung und seiner Geltendmachung eines Strafaufhebungsgrundes ein entstandener Nebenanspruch in einer bestimmten Höhe festgesetzt wird, womit eine Frist hinsichtlich der Verpflichtung zur Entrichtung einer Zusatzleistung neben der Schadensgutmachung zu laufen beginnt.

...

Die Einführung der Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG verletzt auch nicht das Verbot des Zwanges sich nicht selbst beschuldigen zu müssen.

Die Darlegungsverpflichtung eines Selbstanzeigers ist in Paragraph 29, Absatz eins, FinStrG geregelt und hat durch die Normierung einer Abgabenerhöhung keine Änderung erfahren.

Aus Paragraph 29, Absatz eins, FinStrG ergibt sich, dass eine Verfehlung, die schuldhafte Begehung eines Finanzvergehens, in Form eines Anbringens des Selbstanzeigers darzulegen ist, um einen Strafaufhebungsgrund geltend zu machen.

Die Bekanntgabe einer Verfehlung ist auch nicht Gegenstand der Offenlegungs- und Wahrheitspflicht (Paragraphen 119,, 120 BAO, weil sie nicht von einer Abgabenvorschrift der BAO, sondern von einer Vorschrift des FinStrG verlangt wird, daher ist nach den Vorgaben des Finanzstrafrechts eine über abgabenrechtliche Bestimmungen hinausgehende Darlegungsverpflichtung zu einem Fehlverhalten gegeben. Nur wer vermeint straffällig geworden zu sein, kann eine Strafaufhebung anstreben.

Der Verwaltungsgerichtshof hatte zudem zu Ra 2017/16/0107 vom 19.10.2017 eine a.o. Revision zu einem Erkenntnis des BFG hinsichtlich einer Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG zu behandeln und hatte dazu keine Einwände, dass eine Festsetzung einer Abgabenerhöhung durch die Abgabenbehörde erfolgt war und vom Bundesfinanzgericht im Rahmen eines Abgabenverfahrens und nicht im Rahmen eines Finanzstrafverfahrens ein Erkenntnis erlassen wurde.

BFG 28.9.2015, RV/2100720/2015, zweiter Rechtssatz zur Bedeutung des Wortes ‚anlässlich' in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG:

Die Bedeutung des Wortes ‚anlässlich' in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG ist nicht ident mit der Bedeutung dieses Wortes in Paragraph 29, Absatz 3, Litera c, FinStrG:

Nach Paragraph 29, Absatz 3, Litera c, FinStrG kann hinsichtlich der vom Prüfungsauftrag umfassten Zeiträume und Abgabenarten bei vorsätzlichen Finanzvergehen nur bei Prüfungsbeginn fristgerecht Selbstanzeige erstattet werden; durch das Wort ‚anlässlich' ergibt sich in diesem Zusammenhang, dass für nicht vom Prüfungsauftrag umfasste Zeiträume und Abgabenarten auch bei vorsätzlichen Finanzvergehen noch während einer Prüfung fristgerecht Selbstanzeige erstattet werden kann. Daher steht es in dieser Bestimmung in einem Zusammenhang mit dem Prüfungszeitraum.

Mit Schaffung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG idFd FinStrG-Nov. 2014, BGBl römisch eins 2014/65 war es erklärtes Ziel des Gesetzgebers, jedwedes Taktieren bei der Erstattung von Selbstanzeigen hintanzuhalten und eine Rückkehr zur Steuerehrlichkeit bereits vor Anstoß durch die Behörde dadurch zu fördern, dass jede Selbstanzeige, die erst nach Ankündigung einer Prüfungshandlung erstattet wird, nunmehr mit einer Abgabenerhöhung als Nebenanspruch nach Paragraph 3, Absatz 2, Litera a, BAO belegt wird. Das Wort ‚anlässlich' in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG nimmt daher keine Einschränkung auf den Prüfungszeitraum und die im Prüfungsauftrag genannten Abgaben vor.

Eine Selbstanzeige hat nach Paragraph 29, Absatz eins, FinStrG die Darlegung einer Verfehlung zu enthalten, da nur ‚hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen' eine Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, leg. cit. zu entrichten ist.

Ist als Anlass der Darlegung der Verfehlung für Zeiträume oder Abgabenarten, die nicht vom Prüfungsauftrag umfasst waren, ein Entdeckungsrisiko durch die Prüfungshandlung zu sehen, wird die Selbstanzeige auch ‚anlässlich' der Prüfung und nicht losgelöst von einer Prüfungshandlung aus eigenem Antrieb erstattet.

Ob ein Bezug zwischen Prüfungsmaßnahme und Selbstanzeigenerstattung gegeben ist, ist im Rahmen der freien Beweiswürdigung festzustellen.

Als Vergehen wurden in der Selbstanzeige die steuerfreie Auszahlung von Kilometergeldern an Mitarbeiter, obwohl diesen Personen für Dienstreisen Firmenfahrzeuge zur Verfügung gestanden seien und die Bezahlung von Überstunden zum Teil in Form von Einmalzahlungen als sonstige Bezüge, obwohl die Vergütung als laufender Bezug der Tarifbesteuerung unterlegen wäre, genannt.

...

Die Summe von EUR 295.920,95 als Verkürzungsbetrag = Mehrbetrag im Sinne des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG wird nur insoweit in Abrede gestellt, als nach Ansicht der Bf. der Zeitraum, für den eine Abgabenerhöhung festzusetzen ist, mit dem Prüfungszeitraum gleichzusetzen sein sollte, gegen die Berechnung und die Höhe der Summe der Mehrbeträge liegt kein Einwand vor.

Zum Wort ‚anlässlich' ist fallbezogen festzustellen:

Der Prüfungsauftrag lautete laut Prüfungsablaufdatenblatt zunächst auf die Jahre 2011 bis 2013. Die Anmeldung erfolgte am 24.10.2016 durch Frau B. Der Prüfungsbeginn ist mit 23.11.2016, 9 Uhr angegeben. Die Selbstanzeige weist den handschriftlichen Vermerk am 23.11.2016 übernommen und am 24.11.2016 an den TL (Anmerkung = Teamleiter) übergeben auf. Am 24.11.2016 wurde nach Bekanntgabe der Einreichung einer Selbstanzeige bei Prüfungsbeginn an die Finanzstrafbehörde durch diese eine Prüfung nach Paragraph 99, Absatz 2, FinStrG angeordnet.

Der Bescheid über den Prüfungsauftrag nach Paragraph 99, Absatz 2, FinStrG betreffend die Jahre 2006 bis 2015 stammt vom 28.11.2016.

Wenn nach Anmeldung einer Prüfung Verkürzungen durch die unrichtige Berechnung von Kilometergeldern und Prämien in einer bedeutsamen Größenordnung bei zahlreichen Personen einbekannt werden, liegt es nahe, dass dieses Vorgehen nicht erst im ersten Jahr des Prüfungszeitraumes begonnen hat. Dass die Verkürzungen lediglich auf Grund von schuldlosen Fehlberechnungen erfolgt seien, wurde im Beschwerdeverfahren nicht vorgebracht und damit das Vorliegen der subjektiven Tatseite für die bewirkten Finanzvergehen (unrichtige monatliche Meldungen bei 120 Fälligkeiten in 10 Jahren) nach Paragraph 33, Absatz 2, Litera b, FinStrG oder Paragraph 49, Absatz eins, Litera a, FinStrG (bei zumindest einem Täter) außer Streit gestellt.

Die Prüfung war daher nach freier Beweiswürdigung des Senates der Anlass auch für nicht vom Prüfungsauftrag umfasste Zeiträume Selbstanzeige zu erstatten, weil ein Prüfer bei Entgegennahme einer solchen Selbstanzeige den Prüfungszeitraum unzweifelhaft bei der Annahme von hinterzogenen Abgaben auf Vorzeiträume auszudehnen hatte.

Da sie somit anlässlich einer Prüfung erstattet wurde, sind die Voraussetzungen für die Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG gegeben. Die Bemessungsgrundlage wurde richtig ermittelt und die Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG zu Recht mit 30 % der Summe der Verkürzungsbeträge festgesetzt.

Die Beschwerde war als unbegründet abzuweisen."

4 Seinen Ausspruch über die Zulässigkeit einer Revision begründete das Verwaltungsgericht damit, zur Frage von grundsätzlicher Bedeutung, ob das Wort "anlässlich" in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG im Sinne der freien Beweiswürdigung durch die erkennende Abgabenbehörde und das Verwaltungsgericht auszulegen oder hinsichtlich des Anspruches auf eine Abgabenbehörde auf den Prüfungszeitraum abzustellen sei, gebe es bisher keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes, weshalb eine ordentliche Revision zugelassen werde.

5 Gegen dieses Erkenntnis erhob die Revisionswerberin zunächst Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, der mit Erkenntnis vom 10. Oktober 2018, E 2751/2018, aussprach, dass die Revisionswerberin durch das angefochtene Erkenntnis nicht in Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden sei, die Beschwerde abwies und sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung darüber abtrat, ob die Revisionswerberin durch das angefochtene Erkenntnis in einem sonstigen Recht verletzt worden sei.

6 Tragend führte der Verfassungsgerichtshof aus:

"Die - zulässige - Beschwerde ist nicht begründet.

Der Verfassungsgerichtshof hat - entgegen dem Beschwerdevorbringen - keine Bedenken gegen die der angefochtenen Entscheidung zugrunde liegenden Rechtsvorschriften. Dies aus folgenden Gründen:

1. Paragraph 29, FinStrG sieht die Selbstanzeige als persönlichen Strafaufhebungsgrund für Finanzvergehen vor. Ein Strafaufhebungsgrund bewirkt, dass eine zunächst gegebene Strafbarkeit beseitigt wird vergleiche Lässig, §29 FinStrG, in:

Höpfel/Ratz (Hrsg.), WK-StGB2, 2016, Rz 1 und §4 FinStrG, Rz 8).

Straffreiheit durch Selbstanzeige im Finanzstrafrecht wird nur erlangt, sofern sämtliche der Voraussetzungen des Paragraph 29, FinStrG erfüllt sind. Paragraph 29, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, stellt einerseits inhaltliche sowie andererseits zeitliche Anforderungen an die Selbstanzeige:

Der Anzeiger hat die Verfehlung in seiner Selbstanzeige darzulegen (Paragraph 29, Absatz eins, erster Satz FinStrG), die Umstände zur Feststellung der Beträge bei einer Abgabenverkürzung oder einem Einnahmenausfall offenzulegen (Paragraph 29, Absatz 2, erster Satz FinStrG) und die entsprechenden Abgabenbeträge innerhalb eines Monats ab der Selbstanzeige bzw ab Bekanntgabe durch die Behörde (Paragraph 29, Absatz 2, erster und zweiter Satz FinStrG) zu entrichten. Darüber hinaus wirkt die Selbstanzeige nur dann strafbefreiend, wenn sie bei der zuständigen Behörde (Paragraph 29, Absatz eins, zweiter Satz FinStrG) eingebracht wurde.

Unter dem Gesichtspunkt der Rechtzeitigkeit legt Paragraph 29, Absatz 3, (und Absatz eins, dritter Satz) FinStrG fest, bis zu welchem Zeitpunkt eine Selbstanzeige strafbefreiend erfolgen kann. Demgemäß kommt die Strafaufhebung durch eine Selbstanzeige nach Paragraph 29, FinStrG nicht zum Tragen, wenn der Täter auf frischer Tat ertappt wird (Absatz eins, dritter Satz leg.cit.); wenn bereits Verfolgungshandlungen gegen den Anzeiger, andere Beteiligte oder Hehler gesetzt waren (Absatz 3, Litera a, leg.cit.); wenn die Tat bereits (auch nur teilweise) entdeckt war (oder dies bei zollrechtlichen Verpflichtungen unmittelbar bevorstand) und dies dem Anzeiger bekannt war (Absatz 3, Litera b, leg.cit.); oder wenn bereits hinsichtlich desselben Abgabenanspruches Selbstanzeige erstattet wurde (Absatz 3, Litera d, leg.cit.).

Paragraph 29, FinStrG lässt es grundsätzlich zu, dass

(strafbefreiende) Selbstanzeigen auch erst aus Anlass der Ankündigung oder sonstigen Bekanntgabe einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen erstattet werden. Für vorsätzlich begangene Finanzvergehen sieht Paragraph 29, Absatz 3, FinStrG jedoch die zeitliche Einschränkung vor, dass die Selbstanzeige nicht später als bei Beginn der Amtshandlung zu erstatten ist (Absatz 3, Litera c, leg.cit.). Für fahrlässig begangene Finanzvergehen gilt die Selbstanzeige (im Umkehrschluss) auch nach Beginn der Amtstätigkeit - sofern kein anderer Ausschlussgrund des Paragraph 29, Absatz 3, (oder Absatz eins, dritter Satz) FinStrG vorliegt - als rechtzeitig.

2. Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG sieht für Selbstanzeigen von vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen folgende weitere Voraussetzung für deren strafbefreiende Wirkung vor: ...

3. Die Abgabenerhöhung gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG wurde als (weitere) Voraussetzung für Selbstanzeigen, die anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet werden, im Zuge der Finanzstrafgesetznovelle 2014 mit Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, in das Regelungsregime des Strafaufhebungsgrundes der Selbstanzeige im Finanzstrafrecht eingeführt. Zuvor konnten Selbstanzeigen anlässlich der Ankündigung oder sonstigen Bekanntgabe einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen ohne Abgabenerhöhung - das Vorliegen der übrigen Anforderungen vorausgesetzt - strafbefreiend erstattet werden (Paragraph 29, FinStrG in der Fassung vor Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014,). Eine Abgabenerhöhung von 25% war lediglich bei wiederholter Selbstanzeige vorgesehen (Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung vor Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014,).

Im Zuge der Finanzstrafgesetznovelle 2014, Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014,, wurde die Möglichkeit, erneut eine Selbstanzeige betreffend denselben Abgabenanspruch zu erstatten, ausgeschlossen (Paragraph 29, Abs3 litd FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014,); die bisher in Paragraph 29, Abs6 FinStrG mit der Finanzstrafgesetznovelle 2010, Bundesgesetzblatt Teil eins, 104 aus 2010,, vorgesehene Abgabenerhöhung von 25% bei wiederholter Selbstanzeige ist entfallen. Neu hinzugekommen ist die dargelegte Abgabenerhöhung bei Selbstanzeigen hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen, die anlässlich einer finanzbehördlichen Prüfung erstattet werden (Paragraph 29, Abs6 FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014,).

Ziel der Einführung der Abgabenerhöhung iSd Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, war die Senkung der Anzahl von Selbstanzeigen für vorsätzlich oder grob fahrlässig begangene Finanzdelikte anlässlich von Prüfungsmaßnahmen Ausschussbericht 191 BlgNR 25. GP, 1). Es erschien dem Gesetzgeber - so die Materialien - nach der alten Rechtslage nicht gerechtfertigt, Selbstanzeigen, die zu einem Zeitpunkt erstattet werden, in dem bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung gerechnet werden müsse, ohne zusätzliche Leistung strafbefreiende Wirkung zukommen zu lassen. Aus diesem Grund sollte Selbstanzeigen, die anlässlich von finanzbehördlichen Überprüfungen erstattet werden, die strafbefreiende Wirkung nur mehr bei Entrichtung eines Zuschlages der verkürzten Abgabe zuerkannt werden (Erläut zur Regierungsvorlage 177 BlgNR 25. GP, 1).

Gemäß Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG tritt Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, mit 1. Oktober 2014 in Kraft und gilt für Selbstanzeigen, die nach dem 30. September 2014 erstattet werden.

4. Die vorliegende Beschwerde rügt die Verfassungswidrigkeit der Bestimmungen über die Abgabenerhöhung bei Selbstanzeigen iSd Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, und begründet die Bedenken im Wesentlichen damit, dass es wegen der Übergangsbestimmung in Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG zu einer Artikel 7, EMRK (sowie Paragraph 4, FinStrG) widersprechenden Rückwirkung von materiell-rechtlichen Strafbestimmungen komme. Die aus Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG folgende Anwendung der Abgabenerhöhung gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, auf Finanzvergehen, die vor der Kundmachung des Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, am 11. August 2014 begangen wurden, verstoße gegen das Rückwirkungsverbot gemäß Artikel 7, EMRK.

5. Der Verfassungsgerichtshof teilt die Bedenken der beschwerdeführenden Partei aus Sicht des Artikel 7, EMRK nicht. Dies aus folgenden Gründen:

5.1. Nach Artikel 7, Absatz eins, EMRK kann niemand wegen einer Handlung oder Unterlassung verurteilt werden, die zur Zeit ihrer Begehung nach inländischem oder internationalem Recht nicht strafbar war. Ebenso darf keine höhere Strafe als die im Zeitpunkt der Begehung der strafbaren Handlung angedrohte Strafe verhängt werden (siehe bereits VfSlg 8087/1977, 8195/1977, 11.776/1988; zB auch VfSlg 19.920/2014).

Das aus Artikel 7, EMRK abgeleitete Rückwirkungsverbot strengerer Strafgesetze ist nur auf Bestimmungen anwendbar, die Straftaten und die jeweils drohende Strafe festlegen. Bestimmungen, die keinen materiell-strafrechtlichen Inhalt aufweisen, sind hingegen nicht vom Schutzbereich des Artikel 7, EMRK erfasst (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention6, 2016, Paragraph 24, Rz 147; VfGH 29.11.2017, G 94/2017 ua).

5.2. Im Hinblick auf Paragraph 29, FinStrG kann dahingestellt bleiben, ob es sich bei der Regelung des Strafaufhebungsgrundes der Selbstanzeige um eine materiell-strafrechtliche Bestimmung im Schutzbereich des Artikel 7, EMRK handelt, zumal die Einführung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in Verbindung mit Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG mit Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, - anders als dies die beschwerdeführende Partei meint - keine rückwirkende Abgabenerhöhung für Selbstanzeigen von Finanzvergehen bewirkt:

Gemäß Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG tritt das zusätzliche Erfordernis der Entrichtung eines Abgabenerhöhungsbetrages nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG mit 1. Oktober 2014 in Kraft und gilt für ab dem 30. September 2014 erstattete Selbstanzeigen. Die Abgabenerhöhung ist daher nicht auf bereits vor Inkrafttreten des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG erstattete Selbstanzeigen anwendbar.

5.3.  Soweit die beschwerdeführende Partei eine Rückwirkung darin erblickt, dass die Abgabenerhöhung gemäß Paragraph 29, Absatz 6, in Verbindung mit Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, auf Selbstanzeigen von Finanzvergehen anzuwenden ist, die vor Inkrafttreten der Novelle Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, begangen wurden, teilt der Verfassungsgerichtshof diese Rechtsauffassung nicht. Paragraph 29, (Absatz 6,) FinStrG regelt, unter welchen Voraussetzungen das Nachtatverhalten strafbefreiend wirkt. Dies ist von Regelungen zum Sachverhalt der Tatbegehung - wie etwa betreffend der objektiven und subjektiven Tatseite eines (Finanz-)Deliktes, Rechtfertigungsgründe oder Schuldausschließungsgründe - zu trennen.

Es liegt in der Rechtsnatur des Strafaufhebungsgrundes der Selbstanzeige, dass dieser seine Rechtswirkung nicht im Tatzeitpunkt, sondern erst nach Verwirklichung der Tat - vorliegend im Zeitpunkt, in dem sich der Täter zur Erstattung einer Selbstanzeige gemäß Paragraph 29, FinStrG entschließt - entfaltet. Die zunächst gegebene Strafbarkeit eines Finanzvergehens wird zu einem späteren Zeitpunkt - etwa durch Verjährung (Paragraph 31, FinStrG) oder durch ein bestimmtes Nachtatverhalten (Paragraphen 29,, 30, 30a FinStrG) - beseitigt vergleiche Lässig, aaO, Paragraph 4, Rz 8; Paragraph 29, Rz 1).

Die Frage des Günstigkeitsvergleichs nach Artikel 7, EMRK - dessen Anwendbarkeit im konkreten Fall vorausgesetzt - stellte sich im Hinblick auf Paragraph 29, FinStrG nur dann, wenn das (nach der alten Rechtslage günstiger behandelte) Nachtatverhalten bereits gesetzt wurde und nach Inkrafttreten der Gesetzesänderung rückwirkend strengeren Anforderungen unterworfen wird vergleiche im Hinblick auf die Verjährung OGH RS0116876; Lässig, aaO, Paragraph 4, Rz 8 mwN; siehe in diese Richtung bereits VfSlg 9382/1982). Eine solche Rückwirkung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, auf bereits gesetztes Nachtatverhalten liegt jedoch nicht vor, weil die Regelung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG auf vor deren Inkrafttreten am 1. Oktober 2014 bereits erstattete Selbstanzeigen nicht anwendbar ist.

5.4. Ein Widerspruch des Paragraph 265, Absatz eins w und Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014, zu Artikel 7, EMRK liegt sohin nicht vor.

6. Der Verfassungsgerichtshof hegt auch aus Sicht des Artikel 6, EMRK keine Bedenken gegen Paragraph 29, FinStrG in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 65 aus 2014,.

6.1. Artikel 6, EMRK gewährleistet ein Justiz- und Verfahrensgrundrecht, dessen Anwendungsbereich auf Verfahren über zivilrechtliche Ansprüche oder die Stichhaltigkeit einer strafrechtlichen Anklage begrenzt ist.

Die Verfahrensgarantien des Artikel 6, EMRK beziehen sich nicht auf die Erstattung einer Selbstanzeige gemäß Paragraph 29, FinStrG: In dem von Paragraph 29, FinStrG geregelten Tatbestand der Darlegung eines Finanzvergehens durch den Täter selbst (oder für ihn mit seiner Zustimmung iSd Paragraph 29, Absatz 5, FinStrG) wird ein (gerichtliches oder behördliches) Verfahren gegen den Täter oder an der Tat Beteiligte gerade nicht geführt. Paragraph 29, FinStrG verlangt vielmehr unter dem Gesichtspunkt der Rechtzeitigkeit der Selbstanzeige, dass (noch) kein (finanz-)strafrechtliches Verfahren - eine Verfolgungshandlung iSd Paragraph 29, Absatz 3, Litera a, in Verbindung mit Paragraph 14, Absatz 3, FinStrG - eingeleitet wurde (siehe Punkt römisch III.1.).

Gleiches gilt für Selbstanzeigen gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG, die aus Anlass der Bekanntgabe einer behördlichen Überprüfung erfolgen und für die das Erfordernis der Entrichtung einer Abgabenerhöhung vorgesehen ist. Der Abgabenerhöhungsbetrag bestimmt sich anhand der vom Anzeiger selbst - noch vor Einleitung eines finanzbehördlichen Strafverfahrens - zur Anzeige gebrachten Abgabenbeträge (Mehrbeträge). Durch die rechtzeitige Entrichtung der Abgabenerhöhung und unter den übrigen Voraussetzungen des Paragraph 29, FinStrG (siehe Punkt römisch III.2.) beseitigt der Anzeiger die Strafbarkeit der von ihm zur (Selbst-)Anzeige gebrachten Finanzvergehen, bevor eine Verfolgungshandlung iSd Paragraph 29, Absatz 3, Litera a, in Verbindung mit Paragraph 14, Absatz 3, FinStrG gesetzt wurde. Die Garantien des Artikel 6, EMRK beziehen sich daher auch nicht auf die Selbstanzeige anlässlich der Bekanntgabe einer finanzbehördlichen Überprüfung gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG vor einem (finanz-)strafrechtlichen Verfahren.

6.2. Es ist für den Verfassungsgerichtshof auch sonst nicht erkennbar, dass der Gesetzgeber den ihm bei der Ausgestaltung von Strafaufhebungsgründen im Finanzstrafrecht zukommenden weiten rechtspolitischen Gestaltungsspielraum überschritten hat vergleiche zuletzt VfGH 14.3.2018, G 241/2017). Die Regelung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG stellt sich weder im Hinblick auf die Bemessung der Abgabenerhöhung als überschießend vergleiche dazu VfSlg 10.517/1985, 10.617/1985, 10.903/1986) noch hinsichtlich dessen Adressatenkreis als gleichheitswidrig dar.

Mit den in Paragraph 29, Absatz 6, zweiter Satz FinStrG vorgesehenen Prozentsätzen hat der Gesetzgeber eine hinreichend differenzierte Regelung geschaffen, die sich in die Systematik des Paragraph 29, FinStrG einfügt. Der Gesetzgeber hat einen gestaffelten Zuschlag vorgesehen, der sich nach den von der Selbstanzeige umfassten Abgabenverkürzungen berechnet. Der für den Höchstzuschlag von 30% bestimmte Schwellenbetrag von Mehrbeträgen über EUR 250.000,-- steht im Einklang mit den dem Paragraph 39, Absatz 3, Litera b, FinStrG betreffend den qualifizierten Abgabenbetrug zugrunde liegenden Wertungen vergleiche Erläut zur Regierungsvorlage 177 BlgNR 25. GP, 1).

Die Höhe der Abgabenerhöhung knüpft sohin an die vom Anzeiger in seiner Selbstanzeige offengelegten Mehrbeträge. Es ist dem Gesetzgeber in dieser Hinsicht nicht entgegenzutreten, wenn er die jeweils zur Anwendung kommenden Prozentsätze von 5%, 15%, 20% oder 30% abhängig vom zur Anzeige gebrachten verkürzten Abgabenbetrag unterschiedlich regelt.

Es ist aus Sicht des Gleichheitsgrundsatzes verfassungsrechtlich ebenso wenig zu beanstanden, dass Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG die Abgabenerhöhung für die Selbstanzeige von vorsätzlich und grob fahrlässig begangenen Finanzvergehen gleichermaßen einbezieht und hinsichtlich der vorgesehen Prozentsätze nicht auf die Schuld des Selbstanzeigers abstellt. Dies ist vor dem Hintergrund zu sehen, dass die Abgabenerhöhung gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG keine Bestrafung darstellt, die eine Unterscheidung dieser Tätergruppen bedingte:

Die Abgabenerhöhung trägt dem Umstand Rechnung, dass sich der Täter in den Fällen des Paragraph 29, Absatz 6, erster Halbsatz FinStrG - anders als in den übrigen Fällen, in denen Straffreiheit durch Selbstanzeige gemäß Paragraph 29, FinStrG erlangt wird - erst nach der finanzbehördlichen Ankündigung zur Selbstanzeige veranlasst sieht. Die in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG vorgesehene Abgabenerhöhung soll dahingehend wirken, mit der Selbstanzeige von vorsätzlich und grob fahrlässig begangenen Finanzvergehen nicht erst bis zur (Ankündigung der) finanzbehördlichen Überprüfung zuzuwarten. Die Abgabenerhöhung schafft einen Anreiz, Selbstanzeigen bereits frühzeitig, ohne konkreten Anlass einer behördlichen Überprüfung, zu erstatten.

Im Rahmen der finanzbehördlichen Feststellung des Abgabenerhöhungsbetrages bei einer Selbstanzeige gemäß Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG wird - im Unterschied zur Verhängung einer Strafe im (Finanz-)Strafverfahren - kein Verschulden des Anzeigers festgestellt; die Schuld wird mit der Selbstanzeige gemäß Paragraph 29, FinStrG aufgehoben und die Strafbarkeit beseitigt. Es steht dem Gesetzgeber bei der Regelung des Strafaufhebungsgrundes frei, diesen ohne Bedachtnahme auf das Verschulden des Selbstanzeigers für das freiwillig zur Anzeige gebrachte Finanzvergehen vorzusehen."

7 In der sodann erhobenen Revision erachtet sich die Revisionswerberin in ihrem Recht auf Erlangung strafbefreiender Wirkung ohne Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG infolge des Günstigkeitsvergleichs nach Paragraph 4, Absatz 2, FinStrG und auf Erlangung strafbefreiender Wirkung ohne Festsetzung einer Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG für nicht angekündigte Prüfungszeiträume verletzt.

Die Zulässigkeit ihrer Revision legt sie unter Hinweis auf die Begründung des Verwaltungsgerichtes zu einem Ausspruch darin dar, eine Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung liege schon deshalb vor, weil es weder zur Anwendung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG im Hinblick auf nicht angekündigte Prüfungszeiträume noch zur Anwendung des Günstigkeitsvergleichs nach Paragraph 4, Absatz 2, FinStrG auf Abgabenerhöhung im Sinn des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG höchstgerichtliche Rechtsprechung gebe. Vor dem Hintergrund - nach Geschäftszahlen zitierter - divergierender Rechtsprechung des Bundesfinanzgerichtes sowie fehlender "höchstgerichtlicher" Rechtsprechung liege eine über den Einzelfall hinausgehende Rechtsfrage grundsätzlicher Bedeutung vor.

Die inhaltliche Rechtswidrigkeit erblickt die Revisionswerberin zusammengefasst in einem Verstoß gegen Paragraph 4, Absatz 2, FinStrG, der, im Gegensatz zu Artikel 7, EMRK, keinen Spielraum biete. Der Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige sei nicht Teil des strafrechtlichen Handlungszeitpunktes. Folglich sei die Rechtslage zum Zeitpunkt der Erstattung der Selbstanzeige nicht als Tatzeit oder Tatzeitpunkt in den Günstigkeitsvergleich miteinzubeziehen. Das Recht zum Zeitpunkt der Selbstanzeige habe nach Paragraph 4, FinStrG keine Relevanz. Als Tatzeitpunkt sei im gegenständlichen Fall jeweils auf die zu niedrige Entrichtung der Lohnabgaben abzustellen und nach Paragraph 4, Absatz 2, FinStrG ein Vergleich zwischen der Rechtslage zum Tatzeitpunkt und jener im Zeitpunkt der Vorschreibung der Abgabenerhöhung anzustellen. Bezogen auf den jeweiligen Tatzeitpunkt hätte somit für verkürzte Lohnabgaben bis zum Tatzeitpunktablauf 15. Juli 2014 keine Vorschreibung einer Abgabenerhöhung erfolgen dürfen.

8 Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichtes lasse sich aus dem Wortlaut des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG nicht ableiten, dass sämtliche Abgabenmehrbeträge - auch für nicht angekündigte Prüfungszeiträume - vom Anwendungsbereich der Abgabenerhöhung erfasst seien. Der Begriff "anlässlich" Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG lasse keine Rückschlüsse auf den Umfang der erfassten Mehrbeträge zu, bei jeder Selbstanzeige, die nach Anmeldung oder sonstiger Bekanntgabe einer Prüfung eingereicht werde, logisch zwingend auch "anlässlich" einer Prüfung erstattet werde. Dem Begriff "anlässlich" komme keine Abgrenzungsfunktion zu. Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG spreche nur jene Prüfungsmaßnahmen an, die angemeldet oder sonst bekannt gegeben worden seien. Sowohl Paragraph 29, Absatz 6, erster Satz als auch zweiter Satz FinStrG stellten auf Selbstanzeigen ab und verwendeten - abweichend von den übrigen Regelungen in Paragraph 29, FinStrG den Plural. Werde Selbstanzeige für mehrere Finanzvergehen erstattet, lägen somit mehrere Selbstanzeigen vor. Es dürften daher nur die Mehrbeträge jener Selbstanzeigen zusammengezählt werden, für die es eine Prüfungsankündigung oder sonstige Bekanntgabe gegeben habe.

9 Mit Beschluss vom 7. Dezember 2018 stellte das Verwaltungsgericht der vor ihm belangten Behörde und dem Bundesminister für Finanzen je eine Ausfertigung der ordentlichen Revision zu; Revisionsbeantwortungen wurden nicht erstattet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem nach Paragraph 12, Absatz 2, VwGG gebildeten Senat erwogen:

10 Die Zulässigkeit der Revision ist im Hinblick auf ein Fehlen von Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage der Maßgeblichkeit des angekündigten Prüfungszeitraumes für die Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der Finanzstrafgesetz-Novelle 2014, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 65, gegeben.

11 Die Finanzstrafgesetz-Novelle 2010, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr. 104, fügte Paragraph 29, FinStrG einen Absatz 6, an, der die strafbefreiende Wirkung einer weiteren Selbstanzeige für den selben Abgabenanspruch von der zusätzlichen Entrichtung einer Abgabenerhöhung abhängig machte. Damit sollten potentielle Selbstanzeiger dazu angeregt werden, eine vollständige Offenlegung ihrer Verfehlungen bereits bei der ersten Selbstanzeige vorzunehmen vergleiche die ErläutRV 874 BlgNR römisch 24 . GP, 8).

Mit der Finanzstrafgesetz-Novelle 2014, FinStrG-Novelle 2014, erhielt Paragraph 29, Absatz 6, folgende Fassung:

"(6) Werden Selbstanzeigen anlässlich einer finanzbehördlichen Nachschau, Beschau, Abfertigung oder Prüfung von Büchern oder Aufzeichnungen nach deren Anmeldung oder sonstigen Bekanntgabe erstattet, tritt strafbefreiende Wirkung hinsichtlich vorsätzlich oder grob fahrlässig begangener Finanzvergehen nur unter der weiteren Voraussetzung insoweit ein, als auch eine mit einem Bescheid der Abgabenbehörde festzusetzende Abgabenerhöhung unter sinngemäßer Anwendung des Absatz 2, entrichtet wird. Die Abgabenerhöhung beträgt 5 % der Summe der sich aus den Selbstanzeigen ergebenden Mehrbeträgen. Übersteigt die Summe der Mehrbeträge 33 000 Euro, ist die Abgabenerhöhung mit 15 %,

übersteigt die Summe der Mehrbeträge 100 000 Euro, mit 20 % und

übersteigt die Summe der Mehrbeträge 250 000 Euro, mit 30 % zu bemessen. Insoweit Straffreiheit nicht eintritt, entfällt die Verpflichtung zur Entrichtung der Abgabenerhöhung, dennoch entrichtete Beträge sind gutzuschreiben. Die Abgabenerhöhung gilt als Nebenanspruch im Sinne des Paragraph 3, Absatz 2, Litera a, BAO."

12 Gemäß Paragraph 265, Absatz eins w, leg.cit., angefügt durch die FinStrG-Novelle 2014, traten Paragraph 29, Absatz 3, und 6 mit 1. Oktober 2014 in Kraft. Paragraph 29, in der Fassung dieser Novelle ist auf Selbstanzeigen, die nach dem 30. September 2014 erstattet werden, anzuwenden.

13 Die ErläutRV zur FinStrG-Novelle 2014, 177 BlgNR römisch 25 . Gesetzgebungsperiode 1, führen zu Paragraph 29, Absatz 6 und Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG aus:

"Es erscheint nicht gerechtfertigt, Selbstanzeigen, die zu einem Zeitpunkt erstattet werden, in dem bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung gerechnet werden muss, ohne zusätzliche Leistung strafbefreiende Wirkung zukommen zu lassen. Daher soll Selbstanzeigen, die anlässlich von finanzbehördlichen Nachschauen, Beschauen, Abfertigungen oder Prüfungen von Büchern oder Aufzeichnungen erstattet werden, die strafbefreiende Wirkung nur mehr bei Entrichtung eines Zuschlages der verkürzten Abgaben zuzuerkennen. Dieser Zuschlag soll je nach Höhe der von der Selbstanzeige umfassten Abgabenverkürzung gestaffelt festgesetzt werden. Die Betragsgrenzen orientieren sich an den jeweiligen Wertgrenzen für die Zuständigkeit des Spruchsenates oder des Gerichtes. Der höchste Zuschlagssatz soll bei Verkürzungen über der Wertgrenze für Abgabenbetrug mit mehr als dreijähriger Freiheitsstrafdrohung zur Anwendung kommen. Im Falle bloß leichter Fahrlässigkeit soll kein Zuschlag als Voraussetzung für die Strafbefreiung zu entrichten sein. Eine Selbstanzeige wird jedenfalls dann als anlässlich einer solchen Amtshandlung erstattet, wenn diese bereits angekündigt war oder sonst bekanntgegeben worden ist. Die neue Rechtslage ist auf alle nach dem 30. September 2014 erstatteten Selbstanzeigen anzuwenden."

14 Paragraphen 144 und 146 BAO treffen Bestimmungen über die Nachschau durch Abgabenbehörden, Paragraphen 147, ff enthalten Bestimmungen über Außenprüfungen durch Abgabenbehörden.

Gemäß Paragraph 148, Absatz eins, BAO haben sich die von der Abgabenbehörde mit der Vornahme von Außenprüfungen beauftragten Organe zu Beginn der Amtshandlung unaufgefordert über ihre Person auszuweisen und den Auftrag der Abgabenbehörde auf Vornahme der Prüfung (Prüfungsauftrag) vorzuweisen.

Gemäß Absatz 5, leg.cit. sind Außenprüfungen dem Abgabepflichtigen oder seinem Bevollmächtigten tunlichst eine Woche vorher anzukündigen, sofern hiedurch der Prüfungszweck nicht vereitelt wird.

15 Gemäß Paragraph 99, Absatz 2, FinStrG ist die Finanzstrafbehörde auch befugt, zur Klärung des Sachverhaltes Nachschauen und Prüfungen im Sinne der Abgaben- oder Monopolvorschriften anzuordnen. Die einschränkenden Bestimmungen des Paragraph 148, Absatz 3, und 5 BAO gelten für solche Prüfungen nicht.

16 Die vorliegende Revision wendet sich nur insofern gegen die Höhe der Abgabenerhöhung, als sie diese nur für die von der "Ankündigung" von Oktober 2016 erfassten Zeiträume als gerechtfertigt erachtet, nicht jedoch für die darüber hinausgehenden.

Die Revision sieht die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Erkenntnisses zunächst in einem Verstoß gegen Paragraph 4, Absatz 2, FinStrG, der sich im Wortlaut und im Anwendungsbereich von Artikel 7, EMRK unterscheide, weshalb Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der Finanzstrafgesetz-Novelle 2014 erst für die Tatzeitpunkte nach dem 15. Juli 2014 zur Anwendung gelangen dürfte.

17 Nach dem eindeutigen Wortlaut des Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG trat u.a. Paragraph 29, Absatz 6, mit 1. Oktober 2014 in Kraft und ist Paragraph 29, in der Fassung der FinStrG-Novelle 2014 auf Selbstanzeigen anzuwenden, die nach dem 30. September 2014 erstattet werden. Damit bestimmt Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG eindeutig - und als lex specialis und lex posterior gegenüber Paragraph 4, Absatz 2, FinStrG - den zeitlichen Bedingungsbereich des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2014 für stafbefreiend wirkende Selbstanzeigen mit dem Zeitraum nach dem 30. September 2014. Wie der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 10. Oktober 2018 näher ausführte, obwalten auch keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen Paragraph 265, Absatz eins w und Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2014 und einem Verständnis in besagtem Sinn.

Schon im Hinblick auf den eindeutigen Wortlaut des Paragraph 265, Absatz eins w, FinStrG ist daher für die Frage der strafbefreienden Wirkung der in Rede stehenden Selbstanzeige vom 28. November 2016 Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2014 maßgeblich.

18 Entgegen der Revision ist auch aus der Verwendung des Plurals "Selbstanzeigen" in Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG nicht die Unanwendbarkeit dieser Bestimmung auf den revisionsgegenständlichen

Fall abzuleiten. Wie die zitierten ErläutRV zur FinStrG-Novelle 2014 verdeutlichen, sollte generell Selbstanzeigen, die erst zu einem Zeitpunkt erstattet werden, in dem bei verständiger Würdigung der Sachlage mit der Tatentdeckung gerechnet werden muss, ohne zusätzliche Leistung keine strafbefreiende Wirkung mehr zukommen. Auch der Verfassungsgerichtshof sah die Zielrichtung des Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG dahin, mit der Selbstanzeige von vorsätzlich oder grob fahrlässig begangenen Finanzvergehen nicht erst bis zur (Ankündigung der) finanzbehördlichen Überprüfung zuzuwarten. Die Abgabenerhöhung schaffe einen Anreiz, Selbstanzeigen bereits frühzeitig, ohne konkreten Anlass einer behördlichen Überprüfung, zu erstatten.

19 Die vollumfängliche Erfassung aller von der revisionsgegenständlichen Selbstanzeige vom 23. November 2016 abgedeckten Zeiträume und Abgaben bei der Festsetzung der Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2014 ist daher vom Telos der Novelle gedeckt. Somit waren die Abgabenbehörde und das Bundesfinanzgericht bei der Bemessung der Abgabenerhöhung nach Paragraph 29, Absatz 6, FinStrG in der Fassung der FinStrG-Novelle 2014 weder auf den Zeitraum ab dem In-Kraft-Treten dieser Novelle noch auf jenen in der Ankündigung vom Oktober 2016 beschränkt, sondern konnten prüfen, ob der Bemessung der Abgabenerhöhung sämtliche während des gesamten Zeitraumes der Selbstanzeige verkürzten Abgabenbeträge - die Höhe der einzelnen verkürzten Abgabenbeträge ist nicht strittig - zugrunde zu legen seien, weil die Selbstanzeige auch insoweit anlässlich der angekündigten Außenprüfung erstattet worden sei. Dass dies im Revisionsfall zutrifft, hat das Bundesfinanzgericht schlüssig begründet.

20 Die Revision ist daher gemäß Paragraph 42, Absatz eins, VwGG als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. März 2019

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2019:RO2019160003.J00