Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

14.05.2020

Geschäftszahl

Ra 2019/13/0093

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Nowakowski sowie die Hofräte MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätinnen Dr. Reinbacher und Dr.in Lachmayer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Karlovits, LL.M., über die Revision des Finanzamts Baden Mödling in 2500 Baden bei Wien, Josefsplatz 13, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 6. Mai 2019, Zl. RV/7100881/2014, betreffend Einkommensteuer (Arbeitnehmerveranlagung) für das Jahr 2012 (mitbeteiligte Partei: N in G), zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

1 Mit Bescheid vom 29. Juli 2013 setzte das Finanzamt die Einkommensteuer für das Jahr 2012 fest (Arbeitnehmerveranlagung). 2 Der Mitbeteiligte erhob gegen diesen Bescheid Berufung. Er machte u.a. geltend, der laufende Beitrag aus der Sozialversicherung aus dem Monat März 2012 sei von seinem Dienstgeber von den Sonderzahlungen abgezogen worden, weil im Monat März neben dem laufenden Bezug eine Bonifikation ausgezahlt worden sei. Im März sei es damit zu keinem Abzug von Sozialversicherungsbeiträgen vom laufenden Bezug gekommen, sondern nur vom sonstigen Bezug. Im April seien weitere zweimal Sozialversicherungsbeiträge von Sonderzahlungen in Abzug gebracht worden. In Summe seien daher von den Sonderzahlungen drei Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden, vom laufenden Bezug demgegenüber nur elf. Richtigerweise wären zwölf Sozialversicherungsbeiträge vom laufenden Bezug und zwei von den sonstigen Bezügen in Abzug zu bringen.

3 Mit Beschwerdevorentscheidung vom 24. Februar 2014 änderte das Finanzamt den Einkommensteuerbescheid in einem nicht revisionsgegenständlichen Punkt ab. Betreffend die Zurechnung der Sozialversicherungsbeiträge zu laufenden oder sonstigen Bezügen führte das Finanzamt in der Begründung aus, die Abrechnung sei entsprechend LStR Rz 1124 erfolgt: Werde gleichzeitig mit einem laufenden Bezug ein sonstiger Bezug im Sinne des Paragraph 67, Absatz eins, EStG 1988 ausgezahlt, der sozialversicherungsrechtlich in die allgemeine Beitragsgrundlage falle (wie etwa eine außerordentliche Prämie oder Belohnung), sei auch in diesem Fall für Zwecke der Lohnsteuerberechnung zuerst der sonstige Bezug (abgestellt auf die jeweilige Höchstbeitragsgrundlage) und in der Folge der laufende Bezug abzurechnen. Die Sozialversicherungsbeiträ ge (insgesamt 10.626,44 EUR) wurden mit 8.417,59 EUR den laufenden Bezügen und mit 2.208,85 EUR den sonstigen Bezügen zugeordnet. 4 Der Mitbeteiligte beantragte die Entscheidung durch das Bundesfinanzgericht.

5 Mit dem angefochtenen Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der (nunmehrigen) Beschwerde Folge und änderte den Einkommensteuerbescheid ab; betreffend Bemessungsgrundlagen und Höhe der festgesetzten Abgabe verwies es auf ein beiliegendes Berechnungsblatt. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zulässig sei.

6 Nach Wiedergabe des Verfahrensgangs führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, im Jahr 2012 seien ausgehend von der Höchstbeitragsgrundlage insgesamt vierzehnmal Sozialversicherungsbeiträge abgezogen worden, wobei diese Beiträge im März 2012 einmal und im April 2012 zweimal von den "Sonderzahlungen" in Abzug gebracht worden seien. Insgesamt seien somit Sozialversicherungsbeiträge von den "Sonderzahlungen" dreimal und vom laufenden Bezug elfmal entrichtet worden. Der laufende Durchschnittsbezug des Mitbeteiligten überschreite die Höchstbeitragsgrundlage zur Sozialversicherung.

7 Da das Jahressechstel gemäß Paragraph 41, Absatz 4, EStG 1988, der Gegenwert von zwei Durchschnittsmonatsgehältern, begünstigt besteuert werde, komme es im konkreten Fall bei der im angefochtenen Bescheid angewandten Berechnung zu einer gesetzlich nicht vorgesehenen Minderung der auf die laufenden Bezüge entfallenden zwölf monatlichen Beiträge von der Höchstbeitragsgrundlage, während bei den sonstigen Bezügen mehr als der Gegenwert von zwei monatlichen Beiträgen von der Höchstbeitragsgrundlage berücksichtigt worden sei.

8 Wie aus dem Berechnungsblatt hervorgeht, wurden vom Bundesfinanzgericht die Sozialversicherungsbeiträge mit 9.252 EUR (wohl bereits gerundet) den laufenden Bezügen und mit 1.374,07 EUR den sonstigen Bezügen zugeordnet, wobei die Sozialversicherungsbeiträge für die sonstigen Bezüge in der Weise ermittelt wurden, dass die Sozialversicherungsbeiträge insgesamt (10.626,44 EUR) entsprechend dem Verhältnis des Jahressechstels (zum Jahresende) zu den Bruttobezügen aufgeteilt wurden. 9 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision des Finanzamts. Zur Zulässigkeit macht das Finanzamt geltend, es bestehe keine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zur Frage, wie Sozialversicherungsbeiträge bei der Steuerberechnung zuzuordnen seien, wenn ein steuerlicher sonstiger Bezug gemäß Paragraph 67, Absatz eins, und 2 EStG 1988 sozialversicherungsrechtlich als Teil der laufenden Beitragsgrundlage einzustufen sei.

10 Der Mitbeteiligte hat sich nach Einleitung des Vorverfahrens nicht am Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof beteiligt.

11 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

12 Die Revision ist zulässig und begründet.

13 Gemäß Paragraph 16, Absatz eins, Ziffer 4, EStG 1988 sind u.a. Beiträge des Versicherten zur Pflichtversicherung in der gesetzlichen Sozialversicherung Werbungskosten.

14 Nach Paragraph 62, Ziffer 4, EStG 1988 sind beim Steuerabzug vom Arbeitslohn vor Anwendung des Lohnsteuertarifes (Paragraph 66,) vom Arbeitslohn u.a. vom Arbeitgeber einbehaltene Beiträge im Sinne des Paragraph 16, Absatz eins, Ziffer 4, EStG 1988, soweit sie nicht auf Bezüge entfallen, die mit einem festen Steuersatz im Sinne des Paragraph 67, EStG 1988 zu versteuern sind, abzuziehen.

15 Damit korrespondierend sind die auf Bezüge, die mit festen Steuersätzen zu versteuern sind, entfallenden Beiträge im Sinne u. a. des Paragraph 62, Ziffer 4, EStG 1988 nach Paragraph 67, Absatz 12, EStG 1988 vor Anwendung der festen Steuersätze in Abzug zu bringen. 16 Diese Regelung wurde mit dem Strukturanpassungsgesetz 1996, Bundesgesetzblatt Nr. 201, eingeführt. In den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (72 BlgNR 20. GP 269) wurde hiezu ausgeführt:

"Nach bisheriger Verwaltungspraxis wurden die auf die Sonderzahlung entfallenden Sozialversicherungsbeiträge, Pflichtbeiträge zu gesetzlichen Interessenvertretungen und Wohnbauförderungsbeiträge beim laufenden Bezug jenes Monats, in dem die Sonderzahlung geleistet wurde, abgezogen und minderten somit die Bemessungsgrundlage der laufenden Bezüge. In Hinkunft werden diese Beiträge, soweit sie auf die sonstigen Bezüge entfallen, systematisch richtig, von diesen Bezügen in Abzug gebracht. Innerhalb des wie bisher zu ermittelnden Jahressechstels sind die sonstigen Bezüge um die auf diese Bezüge entfallenden Beiträge zu kürzen. Soweit sonstige Bezüge gemäß Paragraph 67, Absatz 2, wie ein laufender Bezug nach dem Lohnsteuertarif zu versteuern sind (Sechstelüberschreitung), sind die auf die Sechstelüberschreitung entfallenden anteiligen Beiträge beim laufenden Bezug zu berücksichtigen. Die Kürzung um die entsprechenden Beiträge gilt für alle Fälle der Versteuerung von sonstigen Bezügen mit dem festen Steuersatz des Paragraph 67 Punkt ",

17 Bei der Veranlagung von lohnsteuerpflichtigen Einkünften sieht Paragraph 41, Absatz 4, EStG 1988 in gleicher Weise vor, dass sich die Bemessungsgrundlage betreffend die sonstigen Bezüge aus diesen sonstigen Bezügen innerhalb des Jahressechstels, abzüglich der darauf entfallenden Beiträge gemäß Paragraph 62, Ziffer 3,, 4 und 5 EStG 1988, ergibt.

18 Unbestritten bezog der Mitbeteiligte im Jahr 2012 neben dem

13. und 14. Monatsbezug (der in den Monaten April bzw. Oktober anfiel) weiters eine Bonifikation (im März). Sowohl die monatlichen laufenden Zahlungen als auch die jeweilige Sonderzahlung überschritten jeweils für sich die Höchstbeitragsgrundlage in der Sozialversicherung.

19 Gemäß Paragraph 49, Absatz 2, ASVG sind Sonderzahlungen (Bezüge, die in größeren Zeiträumen als den Beitragszeiträumen gewährt werden, wie zum Beispiel ein 13. oder 14. Monatsbezug, Weihnachts- oder Urlaubsgeld, Gewinnanteile oder Bilanzgeld) als Entgelt nur nach Maßgabe der Bestimmungen des Paragraph 54, ASVG (und der sonstigen Bestimmungen dieses Bundesgesetzes, in denen die Sonderzahlungen ausdrücklich erfasst werden) zu berücksichtigen.

20 Nach Paragraph 54, ASVG sind von den Sonderzahlungen nach Paragraph 49, Absatz 2, ASVG in der Kranken-, Unfall- und Pensionsversicherung Sonderbeiträge mit dem gleichen Hundertsatz wie für sonstige Bezüge nach Paragraph 49, Absatz eins, ASVG zu entrichten; hiebei sind die in einem Kalenderjahr fällig werdenden Sonderzahlungen bis zum 60fachen Betrag der für die betreffende Versicherung in Betracht kommenden Höchstbeitragsgrundlage (Paragraph 45, Absatz eins, ASVG) unter Bedachtnahme auf Paragraph 45, Absatz 2, ASVG zu berücksichtigen. 21 Sonderzahlungen nach Paragraph 49, Absatz 2, ASVG setzen voraus, dass sie mit einer gewissen Regelmäßigkeit in bestimmten, über die Beitragszeiträume hinausreichenden Zeitabschnitten wiederkehren vergleiche z.B. VwGH 3.4.2019, Ra 2018/08/0017, mwN). Davon gehen die Parteien - was die Bonifikation im März betrifft - übereinstimmend nicht aus; es handelt sich daher nicht um Sonderzahlungen iSd Paragraph 49, Absatz 2, ASVG. Hingegen sind die im April und Oktober zusätzlich ausbezahlten Beträge (13. Und 14. Monatsbezug) als Sonderzahlungen iSd Paragraph 49, Absatz 2, ASVG zu beurteilen. Für diese Sonderzahlungen fallen insgesamt nur bis zum 60fachen Betrag der Höchstbeitragsgrundlage Sozialversicherungsbeiträge an. 22 Als sonstige Bezüge iSd Paragraph 67, EStG 1988 zählen hingegen - im Verfahren unbestritten - nicht nur der 13. Und 14. Monatsbezug, sondern auch die Bonifikation im März.

23 Paragraph 67, Absatz 12, EStG 1988 kommt die Bedeutung zu festzulegen, ob bestimmte Werbungskosten für Zwecke der Lohnsteuerbemessung (bzw. der Einkommensteuerbemessung) den laufenden oder den sonstigen Bezügen zuzuordnen sind und ob sie damit die nach dem Tarif zu versteuernden oder die mit festen Steuersätzen zu versteuernden Einnahmen mindern vergleiche VwGH 10.5.2001, 99/15/0256, VwSlg. 7612/F). Auch im Fall der Veranlagung soll eine systematisch richtige Zuordnung erfolgen vergleiche VwGH 7.10.2003, 2000/15/0014, VwSlg. 7865/F). Dabei sollen Beiträge, soweit sie auf die sonstigen Bezüge entfallen, systematisch richtig von diesen Bezügen in Abzug gebracht werden. Wie aus den Erläuterungen zur Regierungsvorlage hervorgeht, sollen aber Beiträge, die auf sonstige Bezüge entfallen, die wie ein laufender Bezug zu versteuern sind (Sechstelüberschreitung), anteilig beim laufenden Bezug berücksichtigt werden. Dies ergibt sich auch aus dem Wortlaut des Paragraph 67, Absatz 12, EStG 1988, der eine Regelung für "Bezüge, die mit festen Steuersätzen zu versteuern sind," vorsieht, was für sonstige Bezüge, soweit sie die Sechstelgrenze überschreiten, nicht zutrifft.

24 Die Zahlung im März 2012 ist - einschließlich Bonifikation -

sozialversicherungsrechtlich als (gewöhnliches) Entgelt zu beurteilen, für das sohin keine Sozialversicherungsbeiträge als Sonderzahlung (Paragraph 49, Absatz 2, ASVG) anfallen. Es fällt daher nur ein (einziger, einheitlicher) Beitrag für den März an, der durch die Höchstbeitragsgrundlage limitiert wird. Steuerlich handelt es sich bei der Bonifikation aber um einen sonstigen Bezug iSd Paragraph 67, Absatz eins, EStG 1988, sodass im März sowohl ein laufender Bezug als auch ein sonstiger Bezug angefallen sind. Wie aus dem angefochtenen Erkenntnis hervorgeht, übersteigt dieser sonstige Bezug nicht die Sechstelgrenze, sodass der sonstige Bezug zur Gänze begünstigt besteuert ist. Eine direkte Zuordnung des einzigen (einheitlichen) Sozialversicherungs-Beitrags zu einem der beiden (steuerlichen) Bezüge (laufend oder sonstige) ist im Gesetz nicht vorgesehen. Auch besteht - entgegen der Ansicht des Finanzamts und auch entgegen der Ansicht des Mitbeteiligten - keine Regel dahin, dass dieser einheitliche Beitrag vorrangig dem laufenden Bezug oder vorrangig dem sonstigen Bezug zuzuordnen wäre (und nur ein allfälliger Rest dem anderen Bezug). Der Beitrag ist demnach anteilig (entsprechend dem Verhältnis der Höhen der beiden Bezüge) zuzuordnen.

25 Im April fiel neben dem laufenden Bezug ein weiterer Bezug an, der sozialversicherungsrechtlich als Sonderzahlung und steuerlich als sonstiger Bezug zu beurteilen ist. Hier ist daher dem sonstigen Bezug direkt ein Sozialversicherungsbeitrag für die Sonderzahlung zuzuordnen (und zwar im Hinblick auf die Höhe dieser Sonderzahlung bereits bemessen vom 60fachen der Höchstbeitragsgrundlage). Sollte es im Hinblick auf diesen sonstigen Bezug zu einer Sechstelüberschreitung gekommen sein (worauf das in den Verwaltungsakten befindliche Lohnkonto des Mitbeteiligten hinzudeuten scheint), wäre dieser Sozialversicherungsbeitrag - der anteiligen Sechstelüberschreitung entsprechend - anteilig auch den laufenden Bezügen zuzurechnen. 26 Was den im Oktober anfallenden weiteren Bezug betrifft, so handelt es sich hiebei wiederum sozialversicherungsrechtlich um eine Sonderzahlung, steuerlich um einen sonstigen Bezug. Da allerdings für diese Sonderzahlung keine (weiteren) Beiträge angefallen sind (die Höchstbeitragsgrundlage für Sonderzahlungen wurde bereits mit der Zahlung im April erreicht), liegen insoweit keine Beiträge vor, die dem sonstigen Bezug zuzurechnen sind. Im Übrigen wäre zu beachten, dass (was wiederum aus dem im Akt befindlichen Lohnkonto hervorgeht) der sonstige Bezug im Oktober im Hinblick auf die Sechstelüberschreitung ganz überwiegend (im Oktober war ein etwas höheres Jahressechstel zu berücksichtigen als im April; im angefochtenen Erkenntnis liegt insoweit wohl betreffend Jahressechstel April ein Tippfehler vor) steuerlich wie ein laufender Bezug zu behandeln war, sodass auch allfällige Beiträge auf Sonderzahlungen insoweit ganz überwiegend dem laufenden Bezug zuzurechnen gewesen wären.

27 Da das Bundesfinanzgericht bei der Zuordnung der Beiträge zu den Bezügen (laufend bzw. sonstig) von einer anderen Rechtsansicht ausgegangen ist, war das angefochtene Erkenntnis wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins, VwGG aufzuheben.

Wien, am 14. Mai 2020

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:2020:RA2019130093.L00