Verwaltungsgerichtshof
11.10.2017
Ro 2017/03/0024
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Präsident Dr. Thienel und die Hofräte Dr. Handstanger und Dr. Lehofer als Richter, unter Mitwirkung des Schriftführers Dr. Zeleny, in der Revisionssache des Präsidenten des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Graz, gegen das Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts vom 18. Mai 2017, Zl W170 2136626- 1/15E, betreffend Versagung der Verlängerung der Eintragung in die Liste der allgemein beeidet und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen (mitbeteiligte Partei: Dr. W A in G, vertreten durch Kropiunig Kropiunig Rechtsanwalts GmbH in 8700 Leoben, Max-Tendler-Straße 28), den Beschluss gefasst:
Die Revision wird zurückgewiesen.
Der Bund hat der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
1 A. Mit Bescheid vom 1. August 2016 wies der Präsident des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz den Antrag der mitbeteiligten Partei vom 14. April 2016 auf Verlängerung der Eintragung in die Liste der allgemein beeidet und gerichtlich zertifizierten Sachverständigen anlässlich der Überprüfung gemäß Paragraph 6, des Sachverständigen- und Dolmetschergesetzes (SDG)) ab. Die mitbeteiligte Partei sei seit dem 22. Juni 2011 in diese Liste für das Fachgebiet 02.08 (Hals-, Nasen- und Ohrenerkrankungen) eingetragen und habe am 14. April 2016 fristgerecht die Verlängerung der mit 31. Dezember 2016 befristeten Eintragung beantragt.
2 B. Mit dem nunmehr in Revision gezogenen Erkenntnis gab das Bundesverwaltungsgericht nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung der dagegen gerichteten Beschwerde gemäß Paragraph 28, Absatz 3, VwGVG in Verbindung mit Paragraph 6, SDG statt und verlängerte die Eintragung der mitbeteiligten Partei in die von der revisionswerbenden Partei geführte Gerichtssachverständigen- und Gerichtsdolmetscherliste für das besagte Fachgebiet bis zum Ablauf des 31. Dezember 2021 (Spruchpunkt A). Eine Revision gegen diese Entscheidung wurde für zulässig erklärt (Spruchpunkt B).
3 C. Die revisionswerbende Partei wendet gegen das angefochtene Erkenntnis ein, dass die nach Paragraph 6, Absatz 2, SDG für die Verlängerung der Eintragung der mitbeteiligten Partei in die besagte Liste (Rezertifizierung) von Paragraph 2, Absatz 2, Ziffer eins, Litera e, leg cit geforderte Voraussetzung der "Vertrauenswürdigkeit" nicht gegeben sei.
4 D. Nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG ist gegen ein Erkenntnis des Verwaltungsgerichtes die Revision zulässig, wenn sie von der Lösung einer Rechtsfrage abhängt, der grundsätzliche Bedeutung zukommt, insbesondere weil das Erkenntnis von der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs abweicht, eine solche Rechtsprechung fehlt oder die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs nicht einheitlich beantwortet wird. Nach Paragraph 34, Absatz eins, VwGG sind Revisionen, die sich wegen Nichtvorliegens der Voraussetzungen des Artikel 133, Absatz 4, B-VG nicht zur Behandlung eignen, ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung mit Beschluss zurückzuweisen. Nach Paragraph 34, Absatz eins a, VwGG ist der Verwaltungsgerichtshof bei der Beurteilung der Zulässigkeit der Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG an den Ausspruch des Verwaltungsgerichtes gemäß Paragraph 25 a, Absatz eins, VwGG nicht gebunden. Die Zulässigkeit einer außerordentlichen Revision gemäß Artikel 133, Absatz 4, B-VG hat der Verwaltungsgerichtshof im Rahmen der dafür in der Revision vorgebrachten Gründe (Paragraph 28, Absatz 3, VwGG) zu überprüfen.
5 E. Die Revision ist nicht zulässig. 6 Nach ständiger Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs
betrifft die Frage der Vertrauenswürdigkeit eines Sachverständigen im Sinn des SDG seine persönlichen Eigenschaften. Es kommt darauf an, ob jemand in einem solchen Maße vertrauenswürdig ist, wie es die rechtssuchende Bevölkerung von jemandem erwarten darf, der in die Liste der Sachverständigen eingetragen ist. In Ansehung der bedeutsamen Funktion, die dem Sachverständigen bei der Wahrheitsfindung im gerichtlichen und behördlichen Verfahren obliegt, darf daher nicht der leiseste Zweifel an seiner Gesetzestreue, Korrektheit, Sorgfalt, Charakterstärke sowie an seinem Pflichtbewusstsein bestehen; bei dieser Beurteilung ist ein strenger Maßstab anzulegen; auch ein einmaliges - gravierendes - Fehlverhalten kann Vertrauensunwürdigkeit begründen. Unmaßgeblich ist, in welchen Bereichen die Ursachen für den Verlust der Vertrauenswürdigkeit gelegen sind, weil es nur darauf ankommt, ob das erforderliche Maß an Vertrauenswürdigkeit dem Sachverständigen überhaupt zukommt oder nicht. Es kann daher auch ein Verhalten, das nicht im Zusammenhang mit der Sachverständigentätigkeit steht, Vertrauensunwürdigkeit begründen vergleiche jüngst etwa VwGH vom 28. Juni 2017, Ra 2017/03/0066, mwH). Die "Vertrauenswürdigkeit" war vom Verwaltungsgericht zum Zeitpunkt der Erlassung ihrer nunmehr in Revision gezogenen Entscheidung zu beurteilen vergleiche dazu VwGH vom 21. Oktober 2014, Ro 2014/03/0076). Nach diesem Konzept ist auf Grund der in der Vergangenheit gewonnenen Erfahrungen eine Prognose über das künftige Verhalten der Person, deren Vertrauenswürdigkeit zu beurteilen ist, zu treffen. Um eine solche Prognose treffen zu können ist (wie die Rechtsprechung zu verwandten Regelungen zeigt) nicht allein auf ein Fehlverhalten, sondern - unter der Voraussetzung seitherigen Wohlverhaltens - auch auf den seit dessen Verwirklichung verstrichenen Zeitraumes Bedacht zu nehmen, wobei allerdings einem Wohlverhalten während eines anhängigen Entziehungsverfahrens vergleiche Paragraph 10, SDG) verhältnismäßig geringe Bedeutung zukommen wird vergleiche etwa VwGH vom 18. September 2003, 2003/06/0103; VwGH vom 24. Februar 2005, 2003/11/0252 (VwSlg 16.548 A/2005); VwGH vom 23. März 1999, 96/19/1229 (VwSlg 15.103 A/1999); VwGH vom 24. März 1999, 98/11/0091; VwGH vom 21. Dezember 2016, Ro 2015/04/0019; VwGH vom 15. Dezember 2016, Ra 2016/11/0111). Ob die "Vertrauenswürdigkeit" iSd Paragraph 2, Absatz 2, Ziffer eins, Litera e, SDG zu bejahen ist, ist letztlich nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen.
7 F. Mit diesen rechtlichen Vorgaben des Verwaltungsgerichtshofes lässt sich auch der vorliegende Einzelfall lösen, ohne dass es weiterer höchstgerichtlicher Leitlinien bedarf. Das Bundesverwaltungsgericht ist in seiner Entscheidung von diesen Rechtsgrundsätzen auch nicht abgewichen.
8 Dem von der revisionswerbenden Partei für ihren Standpunkt ins Treffen geführten Vorfall aus dem Jahr 2013, der damit etwa vier Jahre zurückliegt, kommt auf Basis dieser Leitlinien der Rechtsprechung nicht mehr die gravierende Bedeutung zu, die diese ihm nach wie vor zumisst. Weder auf Grund des Vorbringens der revisionswerbenden Partei noch auf dem Boden der angefochtenen Entscheidung im Zusammenhalt mit den vorgelegten Verwaltungsakten besteht ein Anhaltspunkt dafür, dass die mitbeteiligte Partei seit diesem Vorfall ein weiteres einschlägiges, ihrer Vertrauenswürdigkeit adversielles Verhalten gesetzt hätte. Abgesehen von der Einstellung eines strafprozessualen Ermittlungsverfahrens nach Paragraph 190, Ziffer 2, StPO durch die Staatsanwaltschaft (die derart keinen tatsächlichen Grund zur weiteren Verfolgung der mitbeteiligten Partei sah) und dann dem hier gegenständlichen Verfahren war das besagte Fehlverhalten auf dem Boden des insofern unstrittigen Sachverhalts auch nicht Gegenstand weiterer behördlicher (bzw gerichtlicher) Verfahren. Zudem ging dem hier maßgeblichen Schlag, der von der mitbeteiligten Partei als assistierendem Arzt einem operierenden Arzt im Zuge einer mit Lokalanästhesie durchgeführten Operation versetzt wurde, auf dem Boden des insofern unstrittigen Sachverhalts voraus, dass der operierende Arzt auf dem Boden der mündlichen Verhandlung, offenbar entgegen der ärztlichen Praxis einer wiederholten Aufforderung seitens der mitbeteiligten Partei, Anästhetikum nachzuspritzen, nicht nachkam, obwohl die Person, die operiert wurde, Schmerzen artikulierte.
9 Vor diesem Hintergrund hat das Bundesverwaltungsgericht das einmalige, situativ besonders gelagerte Fehlverhalten der mitbeteiligten Partei im Einklang mit den Leitlinien der Rechtsprechung nicht als so gravierend erachtet, dass eine Vertrauenswürdigkeit der mitbeteiligten Partei zum Zeitpunkt seiner Entscheidung nicht (mehr) gegeben gewesen wäre.
10 G. In der Revision werden somit keine Rechtsfragen aufgeworfen, denen im Sinne des Artikel 133, Absatz 4, B-VG grundsätzliche Bedeutung zukäme. Die Revision war daher nach Einleitung des Vorverfahrens zurückzuweisen.
11 Der Spruch über den Aufwandersatz gründet auf Paragraphen 47, ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014.
Wien, am 11. Oktober 2017