Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

18.10.2017

Geschäftszahl

Ro 2016/13/0033

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Fuchs und die Hofräte Dr. Nowakowski, MMag. Maislinger und Mag. Novak sowie die Hofrätin Dr. Reinbacher als Richter, unter Mitwirkung der Schriftführerin Mag. Engenhart, über die Revision der C GmbH in W, vertreten durch die Consultatio Revision und Treuhand Steuerberatung GmbH & Co KG in 1210 Wien, Karl-Waldbrunner-Platz 1, gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichts vom 5. August 2016, Zl. RV/7103437/2011, betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2008, zu Recht erkannt:

Spruch

Das angefochtene Erkenntnis wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhalts aufgehoben.

Der Bund hat der revisionswerbenden Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.346,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Das Kostenbegehren des Finanzamts wird abgewiesen.

Begründung

1 In der Niederschrift über die Schlussbesprechung anlässlich der Außenprüfung vom 5. Juli 2010 wurde u.a. festgehalten, die Revisionswerberin habe im Juli 2005 ein Grundstück im Ausmaß von 897 m2 erworben. In den darauf folgenden Jahren (2006 bis 2008) habe die Revisionswerberin auf diesem Grundstück ein Einfamilienhaus errichten lassen. Die Gesamtkosten für das Objekt würden ca. 2,5 Mio EUR inklusive Umsatzsteuer betragen. Das Gebäude sei im Jahr 2008 fertig gestellt worden und diene seit Juni 2008 P, dem Sohn des Geschäftsführers U der Revisionswerberin, als Hauptwohnsitz. P zähle zum Kreis der Begünstigten der A Privatstiftung, die mittelbar an der geprüften Gesellschaft beteiligt sei. Das Einfamilienhaus werde an P zu monatlich 2.250 EUR zuzüglich Umsatzsteuer vermietet. Die Vermietung des Einfamilienhauses stelle keine nachhaltige, einnahmenorientierte Aktivität der Revisionswerberin dar. Sie erfolge ausschließlich, um einer dem Geschäftsführer nahestehenden Person einen Vorteil zuzuwenden. Da die Nutzung des Einfamilienhauses gesellschaftsrechtlich veranlasst sei, stünden die in diesem Zusammenhang geltend gemachten Vorsteuern gemäß Paragraph 12, Absatz 2, Ziffer 2, Litera a, UStG 1994 nicht zu. Auch für die Einrichtungsgegenstände stehe Vorsteuerabzug nicht zu. Die Nutzungsüberlassung der Einrichtungsgegenstände führe zu keiner unternehmerischen Tätigkeit iSd Paragraph 2, UStG 1994. Die im Jahr 2008 erklärten Mieterlöse seien als nicht steuerbare Umsätze auszuscheiden.

2 Das Finanzamt schloss sich der Beurteilung der Außenprüfung an und setzte - nach Wiederaufnahme der Verfahren - die Umsatzsteuer für die Jahre 2005 bis 2008 entsprechend fest.

3 Die Revisionswerberin erhob gegen die Bescheide Berufung. 4 Mit dem angefochtenen Erkenntnis wies das Bundesfinanzgericht die (nunmehrige) Beschwerde betreffend Umsatzsteuer 2005 bis 2007 ab und gab ihr betreffend 2008 teilweise Folge; den Bescheid betreffend Umsatzsteuer 2007 änderte das Bundesfinanzgericht - zu Lasten der Revisionswerberin - ab. Es sprach aus, dass eine Revision an den Verwaltungsgerichtshof nach Artikel 133, Absatz 4, B-VG wegen nicht gesicherter Judikatur zulässig ist.

5 Begründend führte das Bundesfinanzgericht im Wesentlichen aus, die Revisionswerberin sei zu 100% Tochter der CV GmbH, welche selbst wiederum zu 100% im Eigentum der A Privatstiftung stehe. Stifter dieser Privatstiftung sei U, Begünstigter der Privatstiftung sei unter anderem dessen Sohn P.

6 Die Revisionswerberin sei im Rahmen einer Unternehmensgruppe mit Liegenschaftsprojekten befasst. Seit 2011 vermiete sie - abgesehen von dem hier zu beurteilenden Einfamilienhaus - ausschließlich Betriebsliegenschaften und Lagerflächen an Speditionsunternehmen.

7 Mit im Betriebsvermögen vorhandenen Eigenmitteln habe die Revisionswerberin im Jahr 2005 ein Grundstück mit 897 m2 Grundfläche um ca. 408.000 EUR erworben. In den Jahren 2006 bis 2008 habe sie darauf ein Einfamilienhaus errichtet; die Errichtungskosten hätten ca. 1,602 Mio EUR zuzüglich Umsatzsteuer betragen. Weiters habe sie für das Einfamilienhaus Einrichtungsgegenstände ("Konzepteinrichtung", Einbauküche) um insgesamt ca. 213.000 EUR zuzüglich Umsatzsteuer erworben; es handle sich hiebei um keine Bestandteile des Gebäudes, da sie jederzeit ohne Verletzung der Substanz entfernt werden könnten.

8 Das Gebäude (351 m2 Wohnfläche auf zwei Geschoßen, 121 m2 Kellerfläche, 49 m2 Garagen und 126 m2 Pergolen und Terrassen in hochwertiger Ausführung und Ausstattung) sei während der Errichtung bzw. kurz vor Fertigstellung zwei Personen (einem Geschäftspartner und einer als Führungskraft in der Unternehmensgruppe ins Auge gefassten Person) zur Miete angeboten worden, letztlich seien beide nicht interessiert gewesen. Die Entwicklung der Immobilie sei nicht mit der Absicht, sie nach Fertigstellung zu veräußern, sondern zur Vermietung erfolgt. Unmittelbar nach Fertigstellung habe die Revisionswerberin das Einfamilienhaus an ihren Prokuristen, der Sohn des Geschäftsführers der Revisionswerberin und Begünstigter der A Privatstiftung sei, um einen monatlichen, wertgesicherten Nettomietzins von 2.250 EUR vermietet. Die Erhaltungspflicht für das Gebäude liege laut Mietvertrag beim Mieter, der auch die Betriebskosten zu tragen habe. Im Jahr 2010 sei - entgegen dem Inhalt des schriftlichen Mietvertrags - die Miete rückwirkend mit 1. Jänner 2009 auf 3.270 EUR zuzüglich Umsatzsteuer angehoben worden. Der Mietzins sei im Jahr 2008 unter Zugrundelegung der damaligen Markteinschätzung eines vom Geschäftsführer der Revisionswerberin befragten Immobilienmaklers, der eigenen Marktkenntnisse des Geschäftsführers sowie im Internet zugänglicher Mietanbote von vergleichbaren Objekten festgesetzt worden. Es sei offenbar beabsichtigt gewesen, das Objekt zu einer ortsüblichen Marktmiete an P zu vermieten. Die Verhandlungen über den Mietvertrag seien geführt worden vom Vorstand der Privatstiftung unter Beiziehung eines Steuerberaters.

9 Betreffend neu errichteter, überdurchschnittlich ausgestalteter Einfamilienhäuser bestehe in Österreich ein kleiner Kreis an potentiellen Mietern (Universitätsprofessoren, "Expats"); es bestehe ein entsprechendes Marktsegment für die Vermietung derartiger Objekte.

10 Bezogen auf die Gesamtinvestition von ca. 2,01 Mio EUR errechne sich unter Zugrundelegung der Berechnungsmethode des umgekehrten Ertragswertverfahrens entsprechend den Ansätzen des Gutachtens Kranewitter (2,25% Liegenschaftszinssatz, Restnutzungsdauer 70 Jahre, Vervielfältiger 35,08208) ein Reinertrag von ca. 57.300 EUR, unter Berücksichtigung von 4% Bewirtschaftungskosten ein Rohertrag von ca. 59.700 EUR. Unter Beachtung der Erhaltungspflicht des Mieters ergebe sich daraus eine monatliche Renditemiete von 4.974 EUR. Das entspreche einer Verzinsung von rund 3% des für Grund und Boden und Gebäude gebundenen Kapitals.

11 Dieser Netto-Renditemiete sei im Jahr 2008 eine nachhaltig erzielbare monatliche Netto-Marktmiete unter Beachtung einer Erhaltungspflicht des Mieters von etwa 2.250 EUR gegenüber gestanden.

12 Dem Vorbringen des Finanzamts, das Haus sei auf die Wohnbedürfnisse des P individuell abgestimmt, sei nicht zu folgen. Der Umstand, dass ein großzügiges Einfamilienhaus für eine fünfköpfige Familie konzipiert sei, sei als solcher nicht ungewöhnlich. Eben jene Besserverdiener, die als Mieter einer derartigen Liegenschaft in Betracht kämen, wünschten entsprechend großzügige Platzverhältnisse (allenfalls für Au-Pair-Personal). Die Tatsache, dass P den Einreichplan unterzeichnet habe, sei angesichts seiner Stellung im vermietenden Unternehmen nicht in dem Maß außergewöhnlich, dass sich daraus ein Zuschnitt des Gebäudes auf ihn ableiten ließe. Laut den Aussagen des Architekten seien besondere Wünsche des späteren Mieters nie geäußert worden. Der Auftrag, pflegeleichte Materialien zu verwenden, sei von U gekommen und sei hinsichtlich der geplanten Vermietung verständlich.

13 Die Einrichtungsgegenstände im Wert von ca. 213.000 EUR ohne Umsatzsteuer seien dem Mieter offenbar ohne Entgelt überlassen worden. Aus dem Mietvertrag sei kein Möblierungszuschlag ersichtlich. Die gesamte Miete sei dem ermäßigen Steuersatz unterzogen worden; allfällig mitvermietete Einrichtungsgegenstände wären jedoch dem Steuersatz von 20% zu unterziehen gewesen. Auch die Beschreibung des Mietgegenstandes umfasse keine Einrichtungsgegenstände. Hinzu komme die schlüssige Darlegung des Sachverständigen, dass bei mitvermieteter, hochwertiger Einrichtung üblicherweise gesonderte Mietverträge abgeschlossen würden, zumal die Nutzungsdauer der Einrichtung deutlich unter der Nutzungsdauer eines Gebäudes liege. Das Vorliegen eines derartigen Mietvertrages sei nicht behauptet worden. Die Vermieterin habe die Einrichtungsgegenstände selbst in ihrem Rechenwerk gesondert vom Gebäude aktiviert.

14 Der Grundstückspreis in der Umgebung der Liegenschaft habe sich in den Jahren seit der Anschaffung von 380 EUR/m2 bis 2012 auf 680 EUR/m2 erhöht.

15 Da die tatsächlich verrechnete Miete weniger als die Hälfte der errechneten Renditemiete betrage, sei erkennbar, dass die hier strittige Investitionsentscheidung zur Errichtung des Einfamilienhauses letztlich gesellschaftsrechtlich veranlasst gewesen sei und demgemäß überwiegend als verdeckte Ausschüttung zu werten sei. Die behauptete anteilige Nutzung des Gebäudes als Arbeitszimmer des Mieters vermöge daran nichts zu ändern. Der Vorsteuerabzug aus den Anschaffungs- und Herstellungsaufwendungen für Grund und Boden und Gebäude stehe daher gemäß Paragraph 12, Absatz 2, Ziffer 2, Litera a, UStG 1994 nicht zu.

16 Hinsichtlich der unentgeltlich überlassenen Einrichtungsgegenstände ergebe sich die fehlende Zugehörigkeit zum Unternehmen aus der schon von Anfang an vorgesehenen Unentgeltlichkeit der Nutzungsüberlassung. Die unentgeltliche Überlassung stelle keine unternehmerische Tätigkeit der Revisionswerberin dar.

17 Gegen dieses Erkenntnis wendet sich die Revision. Das Finanzamt hat eine "Revisionsbeantwortung" eingebracht, in der es beantragt, der Revision stattzugeben, weil die Entscheidung des Bundesfinanzgerichts mit Rechtswidrigkeit belastet sei. Schon unter Bedachtnahme auf das Gesamtbild der Verhältnisse hätte das Bundesfinanzgericht zur Auffassung gelangen müssen, dass eine unternehmerische Tätigkeit iSd Paragraph 2, Absatz eins, UStG 1994 mangels Entfaltung marktkonformen Investitionsverhaltens nicht vorliege. Der Vorsteuerabzug für die angeschafften Einrichtungsgegenstände sei auch iSd Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer eins, UStG 1994 nicht zugestanden. Die Revisionswerberin replizierte hierauf.

18 Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

19 Die Revision ist zulässig und begründet.

20 Im Bereich der Überlassung von Wohngebäuden durch eine Körperschaft an ihre Gesellschafter bzw. an Personen, die den Gesellschaftern nahestehen, sind in rechtlicher Hinsicht mehrere dem Vorsteuerabzug allenfalls entgegenstehende Konstellationen zu unterscheiden. Der Vorgang kann einerseits eine verdeckte Ausschüttung darstellen und gegebenenfalls zum Ausschluss des Vorsteuerabzugs nach Paragraph 12, Absatz 2, Ziffer 2, Litera a, UStG 1994 führen. In diesem Fall kommt besondere Bedeutung der Angemessenheit der Miete zu. Der Vorgang kann sich aber andererseits auch als bloße Gebrauchsüberlassung darstellen, die nicht als wirtschaftliche (unternehmerische) Tätigkeit einzustufen ist. Um bei der Überlassung des Gebrauches das Vorliegen einer unternehmerischen Tätigkeit ausschließen zu können, kommt entscheidendes Gewicht dem Gesamtbild der Verhältnisse zu. Ein (moderates) Abweichen des tatsächlich vereinbarten vom fremdüblichen Mietentgelt kann daher für sich allein nicht dazu führen, eine Tätigkeit als nichtunternehmerisch einzustufen vergleiche das Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0284).

21 Zunächst ist zu bemerken, dass sich die Revision in ihrem Vorbringen und auch in ihrer betraglichen Darstellung nicht gegen die Nichtberücksichtigung der Vorsteuern betreffend die Einrichtungsgegenstände wendet. Die unentgeltliche Überlassung dieser Gegenstände stellt zutreffend keine unternehmerische Tätigkeit dar (Paragraph 2, Absatz eins, UStG 1994; vergleiche etwa das Erkenntnis vom 10. Februar 2016, 2013/15/0087), sodass Vorsteuern nach Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer eins, UStG 1994 hiefür nicht zustehen.

22 Die Revision wendet sich aber gegen die Nichtberücksichtigung der Vorsteuern aus den Anschaffungsbzw. Errichtungskosten des Grund/Bodens sowie des Gebäudes. Das Bundesfinanzgericht hatte insoweit darauf verwiesen, es liege eine verdeckte Ausschüttung iSd Paragraph 8, Absatz 2, KStG 1988 vor und hiezu auf sein Erkenntnis betreffend die A Privatstiftung verwiesen.

23 Insoweit liegt aber, wie im Erkenntnis vom heutigen Tag, Ra 2016/13/0050, auf dessen Begründung gemäß Paragraph 43, Absatz 2, zweiter Satz VwGG verwiesen wird, dargelegt, keine verdeckte Ausschüttung vor. Damit kann der Vorsteuerausschluss nicht auf Paragraph 12, Absatz 2, Ziffer 2, Litera a, UStG 1994 gestützt werden.

24 Wenn das Finanzamt in der Revisionsbeantwortung ausführt, es liege keine unternehmerische Tätigkeit iSd Paragraph 2, Absatz eins, UStG 1994 vor, so bezieht sich ein Großteil der in der Revisionsbeantwortung näher angeführten Umstände auf die Nutzungsüberlassung der Einrichtungsgegenstände, die auch vom Bundesfinanzgericht als nichtunternehmerische Tätigkeit beurteilt wurde, was in der Revision - wie bereits erwähnt - nicht mehr bestritten wird. Ein weiterer Teil der dort angeführten Umstände steht im Widerspruch zu den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts; dass diese Sachverhaltsannahmen von Verfahrensmängeln belastet wären, zeigt das Finanzamt nicht auf. Dass ausgehend von den Sachverhaltsannahmen des Bundesfinanzgerichts die Überlassung des Einfamilienhauses an P nach dem Gesamtbild der Verhältnisse als nichtunternehmerisch zu beurteilen wäre, behauptet auch das Finanzamt nicht; hiefür bestehen auch keine Anhaltspunkte.

25 Das angefochtene Erkenntnis erweist sich daher als rechtswidrig und war sohin gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins, VwGG aufzuheben.

26 Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Paragraphen 47, ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2014. Anderen Parteien als dem Revisionswerber (so insbesondere der belangten Behörde im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht, wenn diese nicht selbst Revision erhebt) steht auch dann, wenn sie beantragen, der Revision stattzugeben, bei Aufhebung der angefochtenen Entscheidung kein Kostenersatz zu, da ein Beitritt als Streithelfer auf Seiten des Revisionswerbers im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof im Gesetz nicht vorgesehen ist vergleiche etwa das Erkenntnis vom 28. Juni 2017, Ra 2016/09/0091, mwN).

Wien, am 18. Oktober 2017