Verwaltungsgerichtshof
28.02.2012
2009/15/0218
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höfinger und die Hofräte Dr. Zorn, Dr. Büsser, MMag. Maislinger und Mag. Novak als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der B GmbH in T, vertreten durch die DSG-WirtschaftstreuhandgmbH Steuerberatungsgesellschaft in 8010 Graz, Heinrichstraße 97, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Graz, vom 15. Oktober 2009, Zl. RV/0542-G/08, betreffend Körperschaftsteuer 2006, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die beschwerdeführende GmbH betreibt Bergbahnen. Sie ermittelt den Gewinn nach einem abweichenden Wirtschaftsjahr mit Bilanzstichtag 30. November.
Die Beschwerdeführerin erteilte im Juli 2006 der S-GmbH den Auftrag zur Lieferung von zwei neuen Seilbahnen (P-Bahn und Z-Bahn). Dabei war festgelegt, dass der offizielle Fahrbetrieb bei beiden Seilbahnen am 24. Dezember 2006 aufgenommen werde.
In der Folge machte die Beschwerdeführerin im Wirtschaftsjahr 2005/2006 für jede der beiden Liftanlagen eine Halbjahres-AfA geltend. Sie ging davon aus, dass die im November 2006 erfolgten Probeläufe der Seilbahnanlagen den Lauf der AfA in Gang gesetzt hätten.
Im Zuge einer abgabenbehördlichen Prüfung vertrat der Prüfer die Ansicht, durch die Probeläufe sei noch keine Inbetriebnahme der Anlagen erfolgt. Der Probebetrieb sei nämlich mit dem Echtbetrieb nicht vergleichbar. Beim Probebetrieb sei im gegenständlichen Fall jener Wertverzehr, der bei bestimmungsgemäßer Verwendung der Anlagen auftrete, nicht gegeben. Die AfA könne erst dann einsetzen, wenn ein Wirtschaftsgut mit der Inbetriebnahme den Zwecken des Betriebes diene und deshalb einer Abnutzung unterliege.
Der Prüfer gelangte daher zur Auffassung, dass die geltend gemachte AfA nicht anzuerkennen sei.
Das Finanzamt folgte im Körperschaftsteuerbescheid 2006 der Ansicht des Prüfers.
Gegen diesen Bescheid brachte die Beschwerdeführerin Berufung ein. Sie wendete ein, aus den Aufzeichnungen in den Betriebstagebüchern gehe hervor, dass mit der P-Bahn ab dem 28. November 2006 und mit der Z-Bahn ab dem 30. November 2006 umfassende Personentransporte im Rahmen eines Probebetriebes vorgenommen worden seien. Die Aufnahme des öffentlichen Betriebes sei unmittelbar nach Abschluss des Probebetriebes erfolgt.
Auch ein Probebetrieb könne eine Inbetriebnahme darstellen, wenn dieser mit dem "Echtbetrieb" vergleichbar sei. Dieses Erfordernis sei erfüllt, wenn bereits der Probebetrieb zu einem der bestimmungsgemäßen Verwendung der Gesamtanlage vergleichbaren Wertverzehr führe.
Selbst wenn man nicht von der Inbetriebnahme der Anlagen vor dem 30. November 2006 ausginge, wäre die AfA zu Recht vorgenommen worden. Für alle Wirtschaftsgüter, die bereits durch ihre Existenz einer technischen Abnutzung unterlägen, könne die AfA nämlich bereits vor Inbetriebnahme geltend gemacht werden.
In der mündlichen Berufungsverhandlung brachte die Beschwerdeführerin vor, durch die Aufnahme des Probebetriebes sei die Inbetriebnahme erfolgt und die Anschaffung abgeschlossen gewesen. Der Probebetrieb diene dem Austesten von Extremsituationen (z.B. Bremsproben) und sei daher mit dem Echtbetrieb vergleichbar. Dass es Unterschiede zwischen Echtbetrieb und Probebetrieb gebe, sei unbestritten. Allerdings sei auch im Echtbetrieb nicht immer eine volle Auslastung gegeben. Zudem beginne witterungsbedingt bereits vor Inbetriebnahme die technische Abnutzung. Durch die Montage der Seilbahnanlagen und die Verankerung im Boden entstehe ein Wirtschaftsgut eigener Marktgängigkeit, was auch eine wirtschaftliche Abnutzung bedinge.
Auf Anfrage, ob ein Probebetrieb gesetzlich vorgeschrieben sei, gab der Vertreter der Beschwerdeführerin an, dass Probebetriebe im gemeinsamen Interesse der Erzeugerfirma und der Betreiber in jedem Fall durchgeführt würden.
Der Vertreter des Finanzamtes verwies auf § 44 Seilbahngesetz, nach welcher Bestimmung die Behörde einen Probebetrieb anordnen könne, der jedoch ohne Personenbeförderung zu erfolgen habe.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung ab.
In der Bescheidbegründung wird ausgeführt, der Ablauf der Errichtung der Liftanlagen stelle sich wie folgt dar:
P-Bahn:
27. 7. 2006: Auftragsbestätigung der S-GmbH
18. 8. 2006: Baugenehmigung
22. 9. 2006: Naturschutzrechtliche Bewilligung 19. 12. 2006: Verhandlungsschrift betreffend die Erteilung
der Betriebsbewilligung durch das Bundesministerium für Verkehr, Innovation und Technologie
20. 12. 2006: Schlussrechnung der S-GmbH über den Leistungszeitraum 10.7. bis 19. 12. 2006;
Aufzeichnungen im Betriebstagebuch zur P-Bahn:
28., 29. und 30. 11. 2006 und 2. bis 7. 12. 2009: "Leer Seil" - Probebetrieb, sodann Transport von eigenem Personal und Personal der S-GmbH und Personal eines Subunternehmers
9, 11., 12., 13., 14, 15., 18., 19. und 23. 12. 2006:
Probebetrieb, Transport von Personen der S-GmbH
24. 12. 2006: erster öffentlicher Betrieb;
Z-Bahn:
27. 7. 2006: Auftragsbestätigung der S-GmbH
18. 8. 2006: Baugenehmigung des Bundesministeriums für
Verkehr, Innovation und Technik
29. 11. und 4. bis 7.12.2006: Durchführung der technischen
Überprüfung
20. 12. 2006: Schlussrechnung der S-GmbH über den
Leistungszeitraum 10.7 bis 19.12.2006
Aufzeichnungen im Betriebstagebuch zur Z-Bahn:
30. 11. 2006: Probebetrieb
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Gemäß § 7 Abs. 1 EStG 1988 sind bei Wirtschaftsgütern, deren Verwendung oder Nutzung durch den Steuerpflichtigen zur Erzielung von Einkünften sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als einem Jahr erstreckt (abnutzbares Anlagevermögen), die Anschaffungs- oder Herstellungskosten gleichmäßig verteilt auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer abzusetzen (Absetzung für Abnutzung).
Mit der AfA werden die Anschaffungs- oder Herstellungskosten auf die Dauer der Nutzung eines Wirtschaftsgutes verteilt abgesetzt. Die AfA beginnt keinesfalls vor der Anschaffung bzw. Herstellung des Wirtschaftsgutes (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 2. März 1993, 92/14/0182, vom 11. August 1993, 91/13/0159, Doralt, EStG13, § 7 Tz 32, sowie das Urteil des BFH vom 14. April 2011, IV R 52/09). AfA kann nur geltend machen, wer das betreffende Wirtschaftsgut als wirtschaftlicher Eigentümer angeschafft oder hergestellt hat (vgl. Hofstätter/Reichel, Tz 6 zu § 7 EStG 1988; Quantschnigg/Schuch, Einkommensteuerhandbuch, § 7 Tz 6).
Beim Anschaffungsvorgang wird ein Wirtschaftsgut entgeltlich von einer fremden Verfügungsmacht in die Verfügungsmacht des Erwerbers überführt. Die Anschaffung zielt auf den Erwerb bestehender Wirtschaftsgüter, während die Herstellung auf die Schaffung bisher nicht in dieser Form vorhandener Wirtschaftsgüter gerichtet ist. Bei einem neu herzustellenden Wirtschaftsgut liegt Anschaffung vor, wenn der Beauftragte das Herstellerrisiko trägt (vgl. Doralt/Mayr, EStG13, § 6 Tz 67, unter Bezugnahme auf das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, 93/14/0179).
Anschaffungszeitpunkt ist der Zeitpunkt des Erwerbes des wirtschaftlichen Eigentums, also der Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit im Sinn der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. März 1992, 90/13/0230). Unter wirtschaftlichem Eigentum (§ 24 Abs. 1 lit. d BAO) ist die tatsächliche Herrschaft über ein Wirtschaftsgut gleich einem (zivilrechtlichen) Eigentümer zu verstehen (Stoll, BAO-Kommentar, 285). Die wirtschaftliche Verfügungsmacht über einen Gegenstand wird regelmäßig mit der Lieferung (insbesondere durch den Übergang von Besitz, Nutzung und Lasten) erlangt; vor diesem Hintergrund kann im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse auch der Übergang der Preisgefahr in die Beurteilung miteinbezogen werden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 8. März 1994, 93/14/0179, sowie das Urteil des BFH vom 28. November 2006, III R 17/05).
Anschaffungszeitpunkt ist somit der Zeitpunkt der Lieferung in Form der Übertragung des wirtschaftlichen Eigentums (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 1991, 91/14/0062), es kommt auf die Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit im Sinne der faktischen Verfügungsmöglichkeit über das Wirtschaftsgut an (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 25. Februar 1997, 97/14/0006, und vom 12. Juni 1991, 90/13/0028).
In der Beschwerde wird vorgebracht, der am 28. bzw. 30. November 2006 aufgenommene Probebetrieb sei durchaus mit dem Echtbetrieb vergleichbar. Der Probebetrieb habe umfassende Personaltransporte beinhaltet. Durch die Simulierung von Extremsituationen (z.B. Bremsproben) sei die Spitzenbelastung getestet worden, um Sicherheitsmängeln vorzubeugen. Auch ein Probebetrieb könne die Inbetriebnahme des Wirtschaftsgutes darstellen, wenn dieser mit dem Echtbetrieb vergleichbar sei. Dieses Erfordernis sei erfüllt, wenn bereits der Probebetrieb zu einem der bestimmungsgemäßen Verwendung vergleichbaren Wertverzehr führe. Würden bei einem Sessellift bereits vor Erteilung der Betriebsgenehmigung Materialien und Arbeiter befördert, liege darin bereits eine Inbetriebnahme des Liftes. Damit habe der Lauf der AfA bereits im November 2006 begonnen. Zudem könne unabhängig von der Qualifikation des Beginnes des Probebetriebes als Inbetriebnahme für Wirtschaftsgüter, die schon durch ihre Existenz einer technischen Abnutzung unterlägen, die AfA bereits ab dem Zeitpunkt der Anschaffung geltend gemacht werden. Die belangte Behörde gehe davon aus, dass die Anschaffung der Seilbahnen erst im Dezember 2006 erfolgt sei. Auch wenn die Schlussrechnung erst im Dezember 2006 gelegt worden sei, sei als Anschaffungszeitpunkt der Zeitpunkt der Erlangung der betrieblichen Nutzungsmöglichkeit im Sinne einer faktischen Verfügungsmacht über das Wirtschaftsgut anzusehen. Dieser Zeitpunkt liege im gegenständlichen Fall im November 2006 mit Beginn des Probebetriebes.
Mit diesem Vorbringen wird keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufgezeigt.
Die belange Behörde ist im angefochtenen Bescheid davon ausgegangen, dass die beiden Seilbahnanlagen von der Beschwerdeführerin angeschafft worden sind. Beschwerdefallbezogen ist von Bedeutung, dass die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid die Abnahme der Liftanlage der Z-Bahn mit 7. Dezember 2006 und jene der P-Bahn mit 19. Dezember 2006 festgestellt hat. Daraus hat sie abgeleitet, dass die Lieferung durch die S-GmbH und damit die Anschaffung durch die Beschwerdeführerin am 7. bzw. 19. Dezember 2006 erfolgt ist.
Auch die Beschwerde geht davon aus, dass bei der Beschwerdeführerin ein Anschaffungsvorgang gesetzt worden ist. Den Feststellungen der belangten Behörde betreffend die Abnahme der Liftanlagen durch die Beschwerdeführerin tritt die Beschwerde nicht entgegen.
Die Beschwerde wendet in diesem Zusammenhang ein, aus dem Umstand, dass die S-GmbH die Schlussrechnung erst im Dezember 2006 gelegt habe, könne nicht geschlossen werden, dass auch die Lieferung erst im Dezember 2006 erfolgt sei. Ein solcher Schluss wird im angefochtenen Bescheid aber gar nicht gezogen. Auf die Schlussrechnung der S-GmbH nimmt der angefochtene Bescheid nur dahingehend Bezug, als in dieser Rechnung ein bis 19. Dezember 2006 dauernder Liefer- und Leistungszeitraum angeführt ist. Der belangten Behörde kann aber nicht entgegengetreten werden, wenn sie in dieser Rechnungsangabe ein - im Rahmen des Gesamtbildes der Verhältnisse berücksichtigtes - zusätzliches Indiz für eine erst im Dezember 2006 erfolgte Lieferung der Liftanlagen erblickt hat.
Ausgehend von der Feststellung, dass die Z-Bahn am 7. Dezember 2006 und die P-Bahn am 19. Dezember 2006 an die Beschwerdeführerin geliefert worden ist, wird die Beschwerdeführerin nicht dadurch in subjektiven Rechten verletzt, dass im angefochtenen Bescheid für das Wirtschaftsjahr 2005/2006 noch keine AfA in Abzug gebracht worden ist. Die Abschreibung der Anschaffungskosten eines Wirtschaftsgutes im Wege der AfA kann nämlich - wie oben ausgeführt - nicht vor dem Zeitpunkt der Anschaffung dieses Wirtschaftsgutes beginnen. Auf das Beschwerdevorbringen zur Frage der Inbetriebnahme und den Wertverzehr vor Inbetriebnahme braucht daher nicht eingegangen zu werden.
Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 455/2008.
Wien, am 28. Februar 2012