Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

12.08.2010

Geschäftszahl

2006/10/0140

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Mizner und die Hofräte Dr. Stöberl, Dr. Rigler, Dr. Schick und Mag. Nussbaumer-Hinterauer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Petritz, über die Beschwerde 1. der Dr. G M in B und 2. des Dr. W K in S, beide vertreten durch Dr. Manfred Moser und Mag. Michael Wild, Rechtsanwälte in 7033 Pöttsching, Wiener Neustädter Straße 57, gegen den Bescheid der Bundesministerin für Gesundheit und Frauen (nunmehr: Bundesminister für Gesundheit) vom 19. Mai 2006, Zl. BMGF- 262485/0001-I/B/8/2006, betreffend Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke (mitbeteiligte Partei: Mag. pharm. R S in Wien, vertreten durch Dr. Eleonore Berchtold-Ostermann, Rechtsanwältin in 1010 Wien, Bräunerstraße 6), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die beschwerdeführenden Parteien haben dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 610,60 und der mitbeteiligten Partei Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.106,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen, im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 19. Mai 2006 wurde dem Mitbeteiligten die Konzession zur Errichtung und zum Betrieb einer neuen öffentlichen Apotheke für den Standort 7021 Baumgarten mit der Betriebsstätte 7021 Baumgarten, Hauptstraße 34 erteilt. Die Berufungen der Beschwerdeführer - hausapothekenführende Ärzte in Baumgarten und Schattendorf - wurden abgewiesen.

Begründend ging die belangte Behörde nach Darstellung des Verfahrensganges und der im Beschwerdefall anzuwendenden Rechtslage (§ 10 ApG in der gemäß § 62a Abs. 3 dieses Gesetzes anzuwendenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. römisch eins Nr. 41/2006) - die auf der Grundlage des Gutachtens der österreichischen Apothekerkammer getroffenen Feststellungen des bekämpften Bescheides des Landeshauptmannes übernehmend - von folgendem Sachverhalt aus: Im Umkreis von vier Straßenkilometern um die beantragte Apotheke hätten hausapothekenführende Ärzte, darunter die Beschwerdeführer, ihren Ordinationssitz. Die Betriebsstätten der benachbarten Apotheken seien von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der beantragten Apotheke jeweils mindestens acht Straßenkilometer entfernt. Im Umkreis von vier Straßenkilometer um die Betriebsstätte der beantragten Apotheke wohnten 4417 ständige Einwohner, und zwar in Baumgarten 880, in Schattendorf 2482 und in Draßburg 1055 ständige Einwohner. Darüber hinaus seien 1272 ständige Einwohner von Zemendorf - Stöttera gemäß § 10 Abs. 5 ApG dem Versorgungspotential der beantragten Apotheke zuzurechnen, weil diese für die Einwohner von Zemendorf - Stöttera die nächstgelegene Apotheke sei. Daraus ergebe sich ein Versorgungspotential der beantragten Apotheke von 5697 Personen. Die im § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG normierten Bedarfsvoraussetzungen lägen somit vor.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht werden.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie der Mitbeteiligte - eine Gegenschrift, in der die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

§ 28 Abs. 2 und 3 Apothekengesetz (ApG), in der im Beschwerdefall gemäß § 62a Abs. 3 dieses Gesetzes anzuwendenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. römisch eins Nr. 41/2006, lauten:

"§ 28.

...

  1. Absatz 2In Standorten, in denen im Umkreis von vier Straßenkilometern weniger als 5 500 Personen zu versorgen sind, wird die Arzneimittelabgabe durch ärztliche Hausapotheken besorgt, es sei denn, es ist in diesem Gebiet für eine öffentliche Apotheke bereits eine Konzession rechtskräftig erteilt worden oder es sind die Voraussetzungen des Abs. 3 gegeben.
  2. Absatz 3Eine neue Konzession für eine öffentliche Apotheke ist in Standorten im Sinne des Abs. 2 gemäß § 10 Abs. 2 Z 1 zu erteilen, wenn sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte der öffentlichen Apotheke keine ärztliche Hausapotheke befindet."

§ 10 Abs. 1 bis 5 ApG in der im Beschwerdefall gemäß § 62a Abs. 3 dieses Gesetzes anzuwendenden Fassung vor dem Inkrafttreten des Bundesgesetzes BGBl. römisch eins Nr. 41/2006, lauten:

"§ 10. (1) Die Konzession für eine neu zu errichtende öffentliche Apotheke ist zu erteilen, wenn 1. in der Gemeinde des Standortes der öffentlichen Apotheke ein Arzt seinen ständigen Berufssitz hat und 2. ein Bedarf an einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke besteht.

  1. Absatz 2Ein Bedarf besteht nicht, wenn

1. sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte eine ärztliche Hausapotheke befindet und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5 500 beträgt, oder

2. die Entfernung zwischen der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke und der Betriebsstätte der nächstgelegenen bestehenden öffentlichen Apotheke weniger als 500 m beträgt oder

3. die Zahl der von der Betriebsstätte einer der umliegenden bestehenden öffentlichen Apotheken aus weiterhin zu versorgenden Personen sich in Folge der Neuerrichtung verringert und weniger als 5 500 betragen wird.

  1. Absatz 3Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 1 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der in Aussicht genommenen öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser öffentlichen Apotheke zu versorgen sein werden.
  2. Absatz 4Zu versorgende Personen gemäß Abs. 2 Z 3 sind die ständigen Einwohner aus einem Umkreis von vier Straßenkilometern von der Betriebsstätte der bestehenden öffentlichen Apotheke, die auf Grund der örtlichen Verhältnisse aus dieser bestehenden öffentlichen Apotheke weiterhin zu versorgen sein werden.
  3. Absatz 5Beträgt die Zahl der ständigen Einwohner im Sinne der Abs. 3 und 4 weniger als 5 500, so sind die auf Grund der Beschäftigung, der Inanspruchnahme von Einrichtungen und des Verkehrs in diesem Gebiet zu versorgenden Personen bei der Bedarfsfeststellung zu berücksichtigen."

    Die Beschwerde macht unter Hinweis auf § 28 Abs. 2 und 3 in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Z. 1 ApG unter dem Titel einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend, die Voraussetzungen der Konzessionserteilung lägen nicht vor, weil sich im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte der beantragten öffentlichen Apotheke ärztliche Hausapotheken befänden und die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen weniger als 5500 betrage. Auch auf Grund der neuen Rechtslage (ApG in der Fassung BGBl. römisch eins Nr. 41/2006) wäre eine Konzessionserteilung unzulässig.

    Damit zeigt die Beschwerde jedoch keine inhaltliche Rechtswidrigkeit auf. Mit dem angefochtenen Bescheid wurde die Konzession auf der Grundlage der Auffassung erteilt, es läge die im § 10 Abs. 2 Z. 1 in Verbindung mit § 28 Abs. 2 und 3) ApG - für den Fall des Bestehens einer ärztlichen Hausapotheke normierte - Bedarfsvoraussetzung vor, dass die Zahl der von der in Aussicht genommenen Betriebsstätte der neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke aus zu versorgenden Personen nicht weniger als 5500 betrage (vgl. zu der im Beschwerdefall kraft ausdrücklicher Anordnung in § 62a Abs. 3 ApG anzuwendenden Fassung BGBl. römisch eins Nr. 16/2001 das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. Oktober 2005, VfSlg. Nr. 17682, und die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2008, Zl. 2006/10/0249, und vom 21. Mai 2008, Zl. 2006/10/0254). Demgegenüber geht die Rechtsrüge der Beschwerde von der Auffassung, das Versorgungspotential betrage weniger als 5500, und somit nicht vom festgestellten Sachverhalt aus.

    Maßgeblich ist somit allein, ob das Versorgungspotential der beantragten öffentlichen Apotheke in einem gesetzmäßigen Verfahren ermittelt wurde. Der Beschwerde gelingt es nicht, einen im maßgeblichen Zusammenhang unterlaufenen, für das Ergebnis wesentlichen Verfahrensmangel aufzuzeigen. Sie wendet sich nicht gegen die Annahme, die im Umkreis von vier Straßenkilometern um die in Aussicht genommene Betriebsstätte wohnenden 4425 Einwohner seien dem Versorgungspotential der beantragten öffentlichen Apotheke in Baumgarten zuzurechnen. Allein im Zusammenhang mit der Zurechnung der 1272 Einwohner von Zemendorf - Stöttera vertritt sie die Auffassung, diese beruhe nicht auf einem mängelfreien Ermittlungsverfahren; überdies sei ihr rechtliches Gehör nicht gewahrt worden.

    Die Zurechnung der ständigen Einwohner von Zemendorf - Stöttera, deren Wohnorte unstrittig außerhalb des Umkreises von vier Straßenkilometer um die in Aussicht genommene Betriebsstätte der beantragten Apotheke liegen, erfolgte im angefochtenen Bescheid auf Grund des § 10 Abs. 5 ApG. Zu dieser Vorschrift vertritt der Verwaltungsgerichtshof die Auffassung, dass die Annahme, es würden sich Personen im Sinne des § 10 Abs. 5 ApG

("auf Grund ... des Verkehrs") der nächstgelegenen

Arzneimittelabgabestelle bedienen, dann gerechtfertigt ist, wenn dem nicht besondere Gründe entgegenstehen (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 21. Mai 2008, Zl. 2006/10/0254, und vom 28. Jänner 2008, Zl. 2006/10/0249).

Die Beschwerde zeigt weder in Ansehung der dem angefochtenen Bescheid zu Grunde liegenden Feststellung, die beantragte Apotheke sei für die ständigen Einwohner von Zemendorf - Stöttera die nächstgelegene, noch in Ansehung der Annahme, es lägen besondere Gründe im Sinne des soeben Gesagten nicht vor, die Relevanz der behaupteten Verfahrensmängel auf.

Im Einzelnen trägt sie zunächst vor, dass Zemendorf aus zwei Ortsteilen, nämlich aus Zemendorf und Stöttera, bestehe und nicht nachvollzogen werden könne, "welcher Messpunkt letztlich seitens der Österreichischen Apothekerkammer verwendet" worden sei. Damit zeigt die Beschwerde die Relevanz des behaupteten Verfahrensmangels nicht auf, weil ihr nicht konkret entnommen werden kann, dass die beantragte Apotheke für eine im Ergebnis ins Gewicht fallende Anzahl der ständigen Einwohner von Zemendorf - Stöttera nicht die nächstgelegene wäre. Dasselbe gilt für jene Darlegungen der Beschwerde, die sich auf die - im Zusammenhang mit der Frage der räumlichen Nahebeziehung bestimmter Personenkreise zu den in Betracht zu ziehenden Apotheken für sich gar nicht aussagekräftige - Entfernung des "Ortsmittelpunktes" von Zemendorf "nach Baumgarten" und "nach Mattersburg" bzw. "ins Zentrum von Mattersburg" beziehen.

Die Beschwerde bringt überdies vor, der Bürgermeister von Zemendorf-Stöttera habe der Erstbeschwerdeführerin mitgeteilt, dass laut Zusicherung der zuständigen Landesrätin in Zemendorf - Stöttera ein Arzt seine Ordination eröffnen werde, dem auch eine Hausapotheke bewilligt werden solle. Es fehlten öffentliche Verkehrsverbindungen von Zemendorf - Stöttera nach Baumgarten, hingegen seien Verkehrsverbindungen zur "Bezirkshauptstadt" Mattersburg gegeben. In Baumgarten "existieren weder nennenswerte Arbeitgeber noch (Nah)Versorgungsbetriebe". Patienten aus Zemendorf - Stöttera seien "einem anderen Sänitätssprengel zugehörig", würden nicht durch die in Baumgarten und Schattendorf praktizierenden Ärzte medizinisch versorgt und würden auch im Nacht - oder Wochenenddienst nicht von den diensthabenden Ärzten aus Draßburg, Baumgarten oder Schattendorf betreut. Damit zeigt die Beschwerde ebenfalls keinen relevanten Verfahrensmangel auf. Auch soweit damit - wenigstens zum Teil - Umstände angesprochen werden, die Einwohner von Zemendorf - Stöttera veranlassen könnten, Mattersburg aufzusuchen und bei dieser Gelegenheit ihren Arzneimittelbedarf bei den dort situierten Apotheken zu decken, steht dies der - der prognostischen Zuordnung von Kundenpotentialen zu Grunde gelegten - Annahme, der in Rede stehende Personenkreis werde sich im Allgemeinen der

nächstgelegenen Apotheke ("auf Grund des ... Verkehrs" bedienen)

nicht entgegen (vgl. dazu ebenfalls das bereits erwähnte Erkenntnis vom 21. Mai 2008).

Das Vorbringen der Beschwerde, der Grenzübergang Schattendorf sei bis heute nicht geöffnet worden, solle auch lediglich touristischen Zwecken für Fußgänger und Radfahrer dienen und werde daher zu keinem erhöhten Verkehrsaufkommen führen, ist im gegebenen Zusammenhang schon deshalb nicht zielführend, weil der angefochtene Bescheid nicht auf der Annahme beruht, dass Personen auf Grund der Benützung des in Rede stehenden Grenzüberganges zum Versorgungspotential der beantragten Apotheke zu rechnen wären.

Die Beschwerde bringt weiters vor, mit rechtskräftigem Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 22. November 2000 sei das Ansuchen um Erteilung einer Konzession zum Betrieb einer neu zu errichtenden öffentlichen Apotheke in 7022 Schattendorf abgewiesen worden, weil sich die Zahl der von der Betriebsstätte der bewilligten öffentlichen Apotheke in Rohrbach aus weiterhin zu versorgenden Personen infolge der Neuerrichtung verringern und unter 5.500 betragen werde. Hieraus erfließe, dass die Einwohner der Gemeinde Schattendorf zum Versorgungspotenzial der bewilligten öffentlichen Apotheke in Rohrbach gezählt würden. Auf dieses - auf einer verfehlten Schlussfolgerung beruhende - Vorbringen muss schon deshalb nicht weiter eingegangen werden, weil dem Verwaltungsgerichtshof bekannt ist, dass die Einwohner von Schattendorf im insoweit maßgeblichen Bescheid des Landeshauptmannes von Burgenland vom 7. Oktober 1997, mit dem die Konzession für Errichtung und Betrieb der öffentlichen Apotheke in Rohrbach erteilt wurde, nicht zum Versorgungspotential der Apotheke in Rohrbach gezählt wurden (vgl. hiezu das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. Jänner 2008, Zl. 2003/10/0206).

Die sich somit als unbegründet erweisende Beschwerde war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Von der Durchführung der von der mitbeteiligten Partei beantragten mündlichen Verhandlung hat der Verwaltungsgerichtshof aus dem im § 39 Abs. 2 Z. 6 VwGG genannten Grund Abstand genommen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, BGBl. II Nr. 455, insbesondere deren § 3 Abs. 2.

Wien, am 12. August 2010