Verwaltungsgerichtshof
22.06.2011
2006/04/0188
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Pallitsch und die Hofräte Dr. Bayjones, Dr. Grünstäudl, Dr. Kleiser und Mag. Nedwed als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Crnja, über die Beschwerde der Stadtgemeinde Salzburg in Salzburg, vertreten durch Dr. Wolfgang Berger und Dr. Josef Walter Aichlreiter, Rechtsanwälte in 5020 Salzburg, Sterneckstraße 55, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates des Landes Salzburg vom 14. September 2006, Zl. UVS-35/10.059/34-2006, betreffend Genehmigung der Änderung einer gewerblichen Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A Holzindustrie in B, vertreten durch NH Niederhuber Hager Rechtsanwälte GmbH in 1010 Wien, Wollzeile 24), zu Recht erkannt:
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Die mitbeteiligte Partei betreibt am Standort W eine mit Bescheiden der Bezirkshauptmannschaft Salzburg-Umgebung (im Folgenden: BH) vom 20. November 1998 und vom 18. Jänner 2001 gewerberechtlich genehmigte Holzindustriebetriebsanlage.
Sie beantragte am 25. August 2004 die Erteilung der gewerberechtlichen Genehmigung für die Errichtung und den Betrieb einer Biomasse KWK-Anlage. Auf Grund des örtlichen und organisatorischen Zusammenhanges sei dieses Vorhaben als Änderung der bestehenden gewerberechtlichen Betriebsanlage zu beurteilen.
Die Beschwerdeführerin erhob als Eigentümerin der Liegenschaft römisch zehn, auf der sich die Volksschule Y befindet, und als Schulerhalterin (Paragraph 75, Absatz 2, GewO) Einwendungen gegen das Vorhaben in Bezug auf Lärm, Luftschadstoffe und Geruch.
Mit dem angefochtenen Bescheid vom 14. September 2006 wies die belangte Behörde die Berufung (u.a.) der Beschwerdeführerin gegen die mit zahlreichen Auflagen erteilte Genehmigung für die Erweiterung der Energiezentrale durch Errichtung und Betrieb eines Biomasseheizkraftwerks zur Verwertung von Holzreststoffen als unbegründet ab und bestätigte den erstinstanzlichen Bescheid der BH mit der Maßgabe, dass die Zitierung einer Rechtsgrundlage richtiggestellt, zwei Auflagenpunkte umformuliert und der Entfall eines Auflagenpunktes angeordnet wurde.
In der Begründung gab die belangte Behörde zunächst den Verfahrensgang wieder und führte sodann unter Bezugnahme auf die von ihr eingeholten ergänzenden gutachtlichen Stellungnahmen der Amtssachverständigen zu den von der Beschwerdeführerin erhobenen Einwendungen wie folgt aus:
Nach dem schlüssigen Gutachten des gewerbetechnischen Amtssachverständigen sei für die Beschwerdeführerin auf Grund der bestehenden Entfernungen zur Immissionsquelle der vorliegenden Betriebsanlagenerweiterung bei gleicher Geräuschcharakteristik wie bei der bestehenden Betriebsanlage eine Änderung der örtlichen Verhältnisse und eine akustische Wahrnehmbarkeit der zusätzlich beantragten Anlagenteile nicht gegeben.
Was die behaupteten Beeinträchtigungen durch Luftschadstoffe (Abgase) betreffe, sei nach der Stellungnahme des chemischumwelttechnischen Sachverständigen davon auszugehen, dass sich die Zusatzbelastungswerte von Stickstoffdioxid und Feinstaub durch den Betrieb der Biomassefeuerung im Bereich der Messungenauigkeit bewegen würden. Nach den Ausführungen der umweltmedizinischen Amtssachverständigen sei keine Überschreitung der Immissionsgrenzwerte des Immissionsschutzgesetzes - Luft zum dauerhaften Schutz der menschlichen Gesundheit zu erwarten und es sei mit keiner Gesundheitsgefährdung zu rechnen. Durch die im Bereich der Messungenauigkeit prognostizierte Zusatzbelastung mit Luftschadstoffen sei auch mit keiner unzumutbaren Belästigung der Beschwerdeführerin zu rechnen.
Der chemisch-umwelttechnische Sachverständige habe zu den behaupteten Geruchsbeeinträchtigungen ausgeführt, dass es durch die Einbindung der Abluft der geplanten Feuerungsanlage tendenziell zu einer Zunahme der Kondensationskeime und zu einer gegebenenfalls in geringem Ausmaß gegebenen Aufstockung des Gehaltes organischer Substanz in der Abluft kommen werde, wobei eine wesentliche Änderung in der Häufigkeit der Geruchswahrnehmung bzw. in der Geruchscharakteristik der Abluftfahne nicht erwartet werde, weil sich die Abluftmengen und -temperaturen und damit auch die Bedingungen für ein Einbinden in bodennahe Schichten nicht ändern würden. Die belangte Behörde erachte daher für die Volksschule Y, dass auch durch die vom chemisch-umwelttechnischen Sachverständigen zu erwartende Aufstockung des Gehaltes organischer Substanzen in der Abluft in geringem Ausmaß in Bezug auf die bestehende örtliche Situation im Bereich der Volksschule Y keine solche Änderung eintreten werde, die als unzumutbare Belästigung einzustufen sein werde.
Weiters wies die belangte Behörde darauf hin ("in diesem Zusammenhang ist auch noch zu erwähnen, …"), dass auf Grund der vom chemisch-umwelttechnischen Amtssachverständigen im erstinstanzlichen Verfahren gemachten Ausführungen über Geruchsbelästigungen aus der bestehenden genehmigten Anlage durch die BH ein Sanierungsverfahren gemäß Paragraph 79, GewO eingeleitet worden sei. Die BH habe dazu mit Bescheid vom 5. April 2004 der mitbeteiligten Partei die Vorlage eines Sanierungskonzeptes für eine weitergehende Reinigung der Abluft aus dem Trockner der genehmigten MDF-Anlage mit dem Ziel einer signifikanten Senkung der geruchlichen Wahrnehmbarkeit aufgetragen. Dieser Bescheid sei rechtskräftig und weise eine Vorlagefrist bis spätestens April 2007 aus. Es sei somit in absehbarer Zeit mit einer Änderung der Geruchssituation der bestehenden Betriebsanlage im Sinne einer Verbesserung zu rechnen, sodass auch unter diesem Aspekt eine unzumutbare Geruchsbelästigung der Kinder, Lehrer und sonstigen Personen in der Volksschule Y. nicht erwartet werde. Aus diesem Grund werde auch die Durchführung von aufwändigen olfaktometrischen Messungen und Beurteilungen, wie sie die Beschwerdeführerin fordere, für nicht erforderlich erachtet.
Da die Einwendungen der Beschwerdeführerin nicht geeignet seien, die beantragte Betriebsanlagenänderungsgenehmigung zu versagen, sei die Berufung abzuweisen gewesen. Die angeführten Korrekturen beträfen im Wesentlichen die Klarstellung von Verweisungsfehlern in den Auflagen des erstinstanzlichen Bescheides. Die belangte Behörde teile die Ansicht des chemischumwelttechnischen Amtssachverständigen, dass die in der ärztlichen Auflage 16. geforderten Messungen zu ungenau umschrieben seien. Die Durchführung entsprechender Kontrollmessungen sei überdies bereits detailliert in den chemisch-umwelttechnischen bzw. gewerbetechnischen Auflagen vorgeschrieben, sodass die ärztliche Auflage ersatzlos entfallen könne.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und in einer Gegenschrift - wie die mitbeteiligte Partei - die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die Beschwerdeführerin bringt im Wesentlichen vor, die Aufhebung einer umweltmedizinischen Vorschreibung im Interesse des Nachbarschutzes werde im angefochtenen Bescheid mit einer Bescheiderlassung gemäß Paragraph 79, GewO und der von der belangten Behörde ausgesprochenen Erwartung einer künftigen Verbesserung der Luftschadstoff-Situation begründet. Hiefür fehlten jedoch konkretisierte Anhaltspunkte. Es bestehe zwar ein Bescheid nach Paragraph 79, GewO, doch sei mit diesem höchstens die Hoffnung verknüpft, dass es infolge der Vorlage eines Sanierungskonzeptes zu einer Verbesserung der Luftschadstoff-Belastungen der Nachbarn kommen werde. Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides liege jedenfalls ein Sanierungskonzept nicht vor. In diesem in Rechtskraft erwachsenen Bescheid der BH gemäß Paragraph 79, Absatz 3, GewO werde ausdrücklich festgehalten, "dass trotz konsensgemäßen Betriebes durch die MDF-Anlage die erforderlichen Schutzinteressen, die Beeinträchtigung von Nachbarn durch Geruch, nicht hinreichend geschützt wird".
Paragraph 79, GewO 1994 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 84 aus 2006, lautet (auszugsweise):
…
Paragraph 81, GewO 1994 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr. 131 aus 2004, lautet (auszugsweise):
Ungeachtet des Einleitungssatzes in den rechtlichen Ausführungen der Beschwerde richtet sich diese nach ihrem gesamten Inhalt nicht allein gegen den im angefochtenen Bescheid angeordneten Entfall eines Auflagenpunktes.
Die belangte Behörde hat mit dem angefochtenen Bescheid die Erweiterung der Betriebsanlage der Mitbeteiligten um ein zusätzliches Biomasseheizkraftwerk genehmigt, obwohl es nach dem Gutachten des chemisch-umwelttechnischen Amtssachverständigen dadurch zu einer Zunahme der Kondensationskeime und zu einer Aufstockung des Gehaltes organischer Substanzen - wenngleich in geringem Ausmaß - in der Abluft kommen werde. Diese Aufstockung wertete die belangte Behörde in rechtlicher Hinsicht - ohne dass sie sich diesbezüglich auf das Gutachten eines ärztlichen Sachverständigen stützen konnte - dahingehend, dass dadurch keine unzumutbare Belästigung eintreten werde.
Die Beschwerdeführerin macht nun zutreffend geltend, dass diese Beurteilung im Widerspruch zu dem rechtskräftigen, auf Paragraph 79, Absatz 3, GewO 1994 gestützten Bescheid der BH vom 5. April 2006 stehe.
Mit diesem Bescheid war der mitbeteiligten Partei aufgetragen worden, ein Sanierungskonzept zur signifikanten Senkung der geruchlichen Wahrnehmbarkeit der Abluft aus dem Trockner der bestehenden Plattenproduktion bis April 2007 vorzulegen. In der Begründung dieses Bescheides hatte die BH ausgeführt, dass es immer wieder zu Anrainerbeschwerden wegen der von der Betriebsanlage ausgehenden Geruchsbelastung gekommen wäre und dass trotz konsensgemäßen Betriebes der Anlage die erforderlichen Schutzinteressen, nämlich die Beeinträchtigung von Nachbarn durch Geruch, nicht hinreichend geschützt wären.
Die Vorschreibung gemäß Paragraph 79, Absatz 3, GewO 1994, ein Sanierungskonzept vorzulegen, ist für jenen Fall vorgesehen, in dem der Schutz der gemäß Paragraph 74, Absatz 2, GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen Maßnahmen erfordert, die dem Betriebsinhaber als Auflagen gemäß Paragraph 79, Absatz eins, GewO 1994 nicht vorgeschrieben werden dürfen, weil sie die genehmigte Betriebsanlage in ihrem Wesen veränderten. Gerade weil die erforderlichen Auflagen "wesensverändernd" wären, hat sich die Behörde darauf zu beschränken, den Betriebsinhaber die Vorlage eines Konzeptes zur Sanierung der festgestellten Mängel vorzuschreiben. Das Ziel der Sanierung liegt in der Behebung der festgestellten Mängel vergleiche das hg. Erkenntnis vom 18. Oktober 2006, Zl. 2004/04/0206, VwSlg. 17.038 A/2006).
Es ist im Beschwerdefall daher davon auszugehen, dass die Nachbarn schon vor den Geruchsemissionen der bisherigen Anlage nicht ausreichend geschützt sind und unzumutbar beeinträchtigt werden. Es ist daher nicht nachvollziehbar, wenn die belangte Behörde eine solche Beeinträchtigung - noch dazu ohne ein diesbezügliches Gutachten eines medizinischen Sachverständigen - ausgeschlossen hat, obwohl durch die Erweiterung der Betriebsanlage um ein zusätzliches Biomasseheizkraftwerk diese Geruchsemissionen unstrittig noch erhöht werden.
Der angefochtene Bescheid war daher wegen Verletzung von Verfahrensvorschriften gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer 3, Litera c, VwGG aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz stützt sich auf die Paragraphen 47, ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008, Bundesgesetzblatt römisch II Nr. 455.
Wien, am 22. Juni 2011