Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

23.03.2010

Geschäftszahl

2005/13/0021

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Heinzl und die Hofräte Dr. Fuchs, Dr. Nowakowski, Dr. Pelant und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Zaunbauer, über die Beschwerde der L GmbH in W, vertreten durch Mag. Alfred Lang und Mag. Ulf Schulze-Bauer, Rechtsanwälte in 8280 Fürstenfeld, Realschulstraße 2a, gegen den Bescheid des unabhängigen Finanzsenates, Außenstelle Wien, vom 22. Dezember 2004, Zl. RV/3986-W/02, betreffend Festsetzung der Umsatzsteuer für den Monat Dezember 2001, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.286,40 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Schreiben vom 29. Mai 1998 teilten die steuerlichen Vertreter der beschwerdeführenden GmbH dem Finanzamt mit, die Beschwerdeführerin beabsichtige, 98 v.H. der Geschäftsanteile an der C GmbH zu erwerben, wobei D und E die Geschäftsführer sowohl der Beschwerdeführerin als auch der C GmbH sein würden, und sie wolle eine Umsatzsteuer-Organschaft mit sich selbst als Organträger und der C GmbH als Organgesellschaft begründen. Zur wirtschaftlichen Eingliederung sei festzuhalten, dass beide Gesellschaften Bauträgergesellschaften seien. Sämtliches Personal werde dann einerseits für die Projekte der Organgesellschaft und andererseits über Beauftragung für die Projekte des Organträgers tätig sein. Beide Gesellschaften beschäftigten sich mit der Errichtung und dem Vertrieb von Wohngebäuden bzw. Eigentumswohnungen und mit der Abwicklung solcher Projekte für andere Firmen. Um die wirtschaftliche Eingliederung der Organgesellschaft zu gewährleisten, stelle sich die Frage, in welchem Umfang selbständig Arbeiten der Organgesellschaft ausgeführt werden dürften.

Das Finanzamt antwortete mit Schreiben vom 24. Juni 1998, die Voraussetzungen für die beabsichtigte Organschaft seien auf Grund der im Antrag dargestellten Verhältnisse gegeben, wobei die Eigenumsätze der Organgesellschaft nicht mehr als etwa 25 v.H. bis maximal 50 v.H. betragen dürften. Änderungen mit Einfluss auf das Organverhältnis seien dem Finanzamt unaufgefordert mitzuteilen.

Mit Schreiben vom 6. Februar 2001 teilten die steuerlichen Vertreter der Beschwerdeführerin dem Finanzamt mit, die beiden Gesellschaften hätten eine Umsatzsteuer-Organschaft gehabt. Die Organgesellschaft akquiriere derzeit keine neuen Projekte. Die bestehenden Projekte seien beinahe zur Gänze verkauft. Das Unternehmen beschäftige daher kein Personal mehr. Das Kriterium der wirtschaftlichen Eingliederung sei daher nur mehr schwach ausgeprägt, sodass eine Organschaft nicht mehr vorliege. Es sei aus diesen Gründen vorgesehen, dass die C GmbH ab 1. Jänner 2001 wieder selbständig Umsatzsteuervoranmeldungen abgebe, weshalb um "Vergabe eines U-Signals" ersucht werde.

Das Finanzamt entsprach diesem Ersuchen.

Im Dezember 2001 veräußerte die C GmbH zwei noch in ihrem Vermögen befindliche Wohnungen an die Beschwerdeführerin. Die am 14. Dezember 2001 darüber ausgestellten Rechnungen wiesen Umsatzsteuerbeträge in der Höhe von S 980.000,-- und S 640.000,-- aus. Die Nettokaufpreise wurden von der Beschwerdeführerin am 20. Dezember 2001 überwiesen. Hinsichtlich der Umsatzsteuer sahen die Kaufverträge eine Überrechnung mit dem Finanzamt vor.

Mit Beschluss des Handelsgerichtes Wien vom 30. Jänner 2002 wurde über das Vermögen der C GmbH auf Grund eines von ihr mit Schreiben vom 17. Jänner 2002 gestellten Antrages der Konkurs eröffnet.

Am 22. Jänner 2002 langte beim Finanzamt die Umsatzsteuervoranmeldung der Beschwerdeführerin für den Monat Dezember 2001 ein. Darin wurde u.a. der Vorsteuerabzug für die in den Rechnungen vom 14. Dezember 2001 ausgewiesenen Beträge geltend gemacht.

In der Niederschrift vom 20. März 2002 über das Ergebnis einer durch diese Vorgänge ausgelösten Prüfung wurde festgestellt, die Beschwerdeführerin sei an der C GmbH zu mehr als 99 v.H. beteiligt und D, der die Beschwerdeführerin gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder einem Prokuristen vertrete, vertrete die C GmbH seit 1. Juni 2001 selbständig. Für den Fortbestand der Organschaft sei entscheidend, ob durch ein Auslaufen der betrieblichen Tätigkeit die wirtschaftliche Eingliederung beendet werde. Nach Meinung der Betriebsprüfung sei darin, dass die Organgesellschaft keine Umsätze mehr akquiriere und auch kein Personal mehr beschäftige, kein Erlöschen der wirtschaftlichen Eingliederung zu sehen. Dass kein Personal mehr beschäftigt werde, spreche im Gegenteil für die wirtschaftliche Eingliederung, weil für die auslaufende betriebliche Tätigkeit auf Personal des Organträgers zurückgegriffen werde. Die letzte Tätigkeit der Organgesellschaft bestehe darin, die noch verbleibenden Wohnungen an den Organträger zu veräußern. Auch dieser Vorgang dokumentiere die wirtschaftliche Eingliederung, weil er nur rechtlich fixiere, was vorher wirtschaftlich gegeben gewesen sei. Auch wenn die wirtschaftliche Eingliederung infolge der auslaufenden betrieblichen Tätigkeit sukzessive schwächer geworden sei, so sei sie doch bis zur Beendigung des Unternehmens vorhanden gewesen. Dass sie nur mehr schwach gewesen sei, sei angesichts der stark ausgeprägten finanziellen und organisatorischen Eingliederung nicht entscheidend.

Das Finanzamt schloss sich der Ansicht der Betriebsprüfung an und erließ den Bescheid vom 21. März 2002 über die Festsetzung von Umsatzsteuer für Dezember 2001, in dem der Vorsteuerabzug für die Wohnungskäufe nicht anerkannt wurde.

Die Beschwerdeführerin erhob dagegen mit Schriftsatz vom 19. April 2002 Berufung und replizierte mit Schreiben vom 13. August 2002 auf ein Schreiben vom 26. Juni 2002, mit dem die Betriebsprüfung zur Berufung Stellung genommen hatte.

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufung nach Durchführung einer mündlichen Berufungsverhandlung als unbegründet ab. Zur Begründung legte sie - im Anschluss an eine Darstellung des Verfahrensganges und eine Wiedergabe des § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 - zunächst dar, von den Voraussetzungen für den Fortbestand der Organschaft sei die weiterhin aufrechte finanzielle Eingliederung der C GmbH (gemeint: im Hinblick auf die Beteiligungsverhältnisse) nicht strittig. Die organisatorische Eingliederung ergebe sich daraus, dass ein allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der C GmbH zugleich Geschäftsführer der Beschwerdeführerin sei. Dass er, wie von der Beschwerdeführerin geltend gemacht, bei dieser nicht allein vertretungsbefugt sei, ändere nichts daran, dass die Umsetzung die C GmbH betreffender Entscheidungen der Beschwerdeführerin bei der C GmbH gewährleistet sei.

Zur wirtschaftlichen Eingliederung führte die belangte Behörde fallbezogen aus:

"Im gegenständlichen Fall wurden durch die Organtochter im Jahre 2001 bis zur Veräußerung der betreffenden Wohnungen keine wirtschaftlichen Handlungen gesetzt. Dass das Organ vor Konkurseröffnung außerhalb des Organschaftsverhältnisses werbend und agierend am Markt aufgetreten ist, vermag die Bw. insofern nicht überzeugend zu begründen als die beiden einzigen Geschäfte, die das Organ im Zeitraum seiner noch bestehenden wirtschaftlichen Existenz bis zur Konkurseröffnung tätigte, mit der Bw. abgeschlossen hat. Denn würde man der Argumentation der Bw. folgen, dass das Organschaftsverhältnis beendet gewesen wäre, so hätte es schon eines außerordentlichen Zufalls bedurft, bei allen am Markt agierenden Interessenten ausgerechnet die Bw. als Käuferin einer Liegenschaft zu finden. Die Bw. als Käuferin beider Liegenschaften hingegen lässt die Annahme, dass kein Organschaftsverhältnis vorliegt, in diesem Lichte als völlig unglaubwürdig erscheinen.

Auch die Aussage der Bw. im Rahmen der mündlichen Berufungsverhandlung, dass die Fa. C, um die Liegenschaften nicht zu verschleudern, rasch agieren musste und an die Bw. verkaufte, vermag dem Berufungsbegehren nicht dienlich zu sein, da notwendigerweise rasche Verkäufe immer mit Preisabschlägen verbunden sind und daher die Bw. anstelle ihrer Tochter einen höheren Verkaufspreis lukrieren konnte. Dass der Bw. im Zeitpunkt der Erwerbe die finanzielle Situation der Firma C nicht unbekannt gewesen sein dürfte, wird vom Senat aufgrund des gemeinsamen Geschäftsführers D als gegeben angenommen. Denn wirtschaftlich betrachtet hatte die Bw. natürlich das wesentlich größere Interesse, die Wohnungen selbst zu vermarkten, als in dem unmittelbar bevorstehenden Konkursverfahren der Firma C eine Verwertung durch den Masseverwalter, die oftmals unter Wert erfolgen muss, tatenlos hinzunehmen.

Dass die Firma C im Zeitraum bis zur Konkurseröffnung in wirtschaftlicher Abhängigkeit zur Organmutter agierte, lässt sich auch aus der zeitlichen Abfolge erschließen, als die Firma C nach Mitteilung an das Finanzamt, dass die Organschaft mit 31.12.2000 beendet wäre, beinahe ein Jahr inaktiv verstreichen ließ, jedoch in dieser Zeit von sich selbst aus keine wirtschaftlichen Aktivitäten setzte. Aus wirtschaftlicher Sicht des Organschaftsverhältnisses war es aber für die Bw. opportun, vor der möglichen Konkurseröffnung im Rahmen des behaupteten nicht mehr existierenden Organschaftsverhältnisses Wohnungen von der Firma C zu kaufen, da alleine die Bw. aus der Geltendmachung der Vorsteuern daraus den Nutzen hatte, jedoch seitens der Tochter der Kaufpreis nicht mehr konkursrettend war, vielmehr sie auch die Umsatzsteuer durch die Konkurseröffnung im Jänner nicht mehr bezahlen musste, obwohl sie in beiden Rechnungen ausgewiesen war. Für diesen Fall hätte die Bw. ca. S 1,6 Mio. an Zahlungen seitens des Staates erhalten, wobei der Staat im Umsatzsteuersystem durch Nichtbezahlung der Umsatzsteuer (außer den entsprechenden Anteil an der Konkursquote) durch die Organtochter mit S 1,6 Mio. geschädigt gewesen wäre.

Das Schreiben vom 6. Februar 2001 hinsichtlich der Auflösung der Organschaft wegen des Fehlens der wirtschaftlichen Eingliederung konnte insofern auch nicht seine Wirkung entfalten, als in 100% der wirtschaftlichen Tätigkeit der Firma C ihr Geschäftspartner die Muttergesellschaft war. Damit war aber eine Voraussetzung, nämlich die der wirtschaftlichen Eingliederung gegeben."

Schließlich legte die belangte Behörde noch dar, der von der Beschwerdeführerin ins Treffen geführte Grundsatz von Treu und Glauben sei "hier nicht argumentierbar".

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof nach Vorlage der Akten und Erstattung einer Gegenschrift durch die belangte Behörde erwogen hat:

Nach § 2 Abs. 2 Z 2 UStG 1994 wird die gewerbliche oder berufliche Tätigkeit u.a. dann nicht selbständig ausgeübt, wenn eine juristische Person dem Willen eines Unternehmers derart untergeordnet ist, dass sie keinen eigenen Willen hat. Eine juristische Person ist dem Willen eines Unternehmers dann derart untergeordnet, dass sie keinen eigenen Willen hat (Organschaft), wenn sie nach dem Gesamtbild der tatsächlichen Verhältnisse finanziell, wirtschaftlich und organisatorisch in sein Unternehmen eingegliedert ist.

Die auch im Dezember 2001 andauernde finanzielle Eingliederung der C GmbH in das Unternehmen der Beschwerdeführerin ist im vorliegenden Fall nicht strittig und stark ausgeprägt. Die Argumente, mit denen die Beschwerdeführerin die organisatorische Eingliederung bestreitet, sind nicht nachvollziehbar. Wurde die Beschwerdeführerin durch die Geschäftsführer D und E gemeinsam vertreten und war D zugleich allein vertretungsbefugter Geschäftsführer der C GmbH, so war die tatsächliche Durchsetzung des Willens (vgl. Ruppe, UStG3, § 2 Tz 119) der Beschwerdeführerin bei der C GmbH ausreichend gesichert. Der Wegfall von E als zweitem Geschäftsführer auch der C GmbH im Juni 2001 hätte sich diesbezüglich gegenüber den Verhältnissen während der von der Beschwerdeführerin selbst angezeigten Organschaft nur unter außergewöhnlichen Umständen, wie sie von der Beschwerdeführerin aber nie behauptet wurden, zu deren Nachteil auswirken können.

Die wirtschaftliche Eingliederung, auf deren Vorliegen es demnach noch ankommt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes gegeben, wenn zwischen den Gesellschaften ein vernünftiger betriebswirtschaftlicher Zusammenhang besteht und ihre Tätigkeiten aufeinander abgestellt sind und sich gegenseitig ergänzen (vgl. in diesem Sinn etwa die hg. Erkenntnisse vom 20. Jänner 1999, Zl. 96/13/0090, VwSlg 7345/F, vom 19. Juli 2000, Zl. 98/13/0117, VwSlg 7523/F, vom 29. März 2001, Zl. 96/14/0085, vom 20. September 2001, Zl. 98/15/0007, und vom 13. Dezember 2007, Zl. 2006/14/0043).

Dass dies beim Erwerb der Wohnungen durch die Beschwerdeführerin - entgegen der vom Finanzamt zur Kenntnis genommenen Anzeige der Beendigung der Organschaft - noch der Fall gewesen wäre, geht aus dem angefochtenen Bescheid nicht nachvollziehbar hervor. Nicht zielführend ist dabei die Erwägung der belangten Behörde, für die Beschwerdeführerin sei es "aus

wirtschaftlicher Sicht des Organschaftsverhältnisses ... opportun"

gewesen, "im Rahmen des behaupteten nicht mehr existierenden Organschaftskreises" die Wohnungen zu kaufen und die Vorsteuern geltend zu machen. Letzteres hätte auch ein fremder Käufer nicht unterlassen, worauf die Beschwerdeführerin mit Recht hinweist. Dass beim Kauf durch die Beschwerdeführerin, wie die belangte Behörde im Ergebnis darlegt, ein Fortbestand der Organschaft für den Abgabengläubiger letztlich günstiger gewesen wäre, ist kein schlüssiges Argument gegen ihre Beendigung. Die belangte Behörde hat auch nicht festgestellt, dass ein Verkauf der Wohnungen an die Beschwerdeführerin schon im Zeitpunkt der Beendigungsanzeige geplant gewesen wäre oder derartige Transaktionen im Innenverhältnis während des angezeigten Bestandes der Organschaft zur wirtschaftlichen Eingliederung der Organgesellschaft beigetragen hätten. Die strittigen Verkäufe, denen nach Annahme der belangten Behörde eine fast einjährige Inaktivität der C GmbH vorausging, werden im angefochtenen Bescheid auf das Bevorstehen eines Konkursverfahrens bei der C GmbH zurückgeführt und damit erklärt, dass die Beschwerdeführerin daran interessiert gewesen sei, die Wohnungen später zu einem besseren als dem für die C GmbH unter dem Druck eines herannahenden Konkursverfahrens oder in einem solchen erzielbaren Preis zu vermarkten.

Eine solche Reaktion der Muttergesellschaft auf eine sich anbahnende Insolvenz bei der zuvor inaktiven Tochtergesellschaft ist aber nicht als betriebswirtschaftlicher Zusammenhang mit aufeinander abgestellten, sich gegenseitig ergänzenden Tätigkeiten deutbar. Es handelt sich um eine Maßnahme zur Vermögensrettung, von der dem angefochtenen Bescheid nicht entnehmbar ist, dass sie mit den Tätigkeiten, auf die sich die Organschaft in Bezug auf die wirtschaftliche Eingliederung gegründet hatte, noch zusammenhing.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2008.

Wien, am 23. März 2010