Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

22.06.2001

Geschäftszahl

2000/13/0178

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Weiss und die Hofräte Dr. Hargassner, Dr. Fuchs, Dr. Büsser und Dr. Mairinger als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. iur. Mag. (FH) Schärf, über die Beschwerde des KG in Berlin, vertreten durch Dr. Peter Windhopp, Rechtsanwalt in Wien römisch III, Hainburgerstraße 20, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 20. Juni 2000, GZ. AO 670/14-06/06/2000, betreffend Zurückweisung eines Devolutionsantrages, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 4.565,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Wie den vorgelegten Verwaltungsakten entnommen werden kann, meldete sich der Beschwerdeführer, ein deutscher Staatsangehöriger mit dem Wohnsitz in Berlin, am 14. Oktober 1993 an einer Anschrift in Wien römisch XIX. polizeilich an.

Mit einem mit 20. November 1998 datierten, am 2. Dezember 1998 eingereichten Schreiben beantragte der Beschwerdeführer beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk in Wien die Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer. Als Ort der Leitung des Unternehmens führte er eine Anschrift in Berlin, Deutschland, an.

Mit einem mit 20. Jänner 1999 datierten Schreiben an die Bundespolizeidirektion Wien ersucht er diese "um Bestätigung der polizeilichen Abmeldung", weil er seinen "zweiten Wohnsitz in Wien XIX" abmelde und sein ausschließlicher Wohnsitz sich derzeit in Berlin befinde. Eine Ablichtung dieses Schreibens sandte er dem Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk, und fügte den Vermerk darauf, dass er ersuche, "alle seine Briefpost an seine Anschrift in Berlin zu senden".

Das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk wies den Antrag auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer mit Bescheid vom 17. Februar 1999 ab, weil "im Finanzamtsbereich" keine unternehmerische Tätigkeit festgestellt werden konnte. Auf Grund einer dagegen gerichteten Berufung hob die Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland mit Bescheid vom 24. November 1999 diesen Bescheid auf, weil das Finanzamt dazu nicht zuständig gewesen sei.

Mit einem Begleitschreiben vom 10. April 2000 übermittelte das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk und Klosterneuburg die Akten betreffend den Beschwerdeführer einschließlich dessen Antrag auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer dem Finanzamt Graz-Stadt.

Mit einem mit 5. Juni 2000 datierten, am 19. Juni 2000 bei der belangten Behörde eingereichten Schreiben beantragte der Beschwerdeführer die Entscheidung über seinen Antrag auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer durch die Abgabenbehörde zweiter Instanz.

Diesen Devolutionsantrag wies die belangte Behörde mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid als unzulässig zurück. Die belangte Behörde stützte sich darauf, dass weder eine unternehmerische Tätigkeit noch das Bestehen einer Betriebsstätte in Österreich habe dargetan werden können. Mit Rücksicht auf die Zuständigkeit des Finanzamtes Graz-Stadt nach § 12 des Abgabenverwaltungsorganisationsgesetzes (AVOG) sei das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk für den zurückgewiesenen Antrag sachlich nicht zuständig gewesen und könne daher auch nicht säumig geworden sein. Es liege somit kein Anbringen vor, für das eine Entscheidungspflicht der Abgabenbehörde erster Instanz bestünde.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Unter dem Finanzamt, welches nach Art. 28 Abs. 1 des Anhangs zu § 29 Abs. 8 UStG 1994 Unternehmern auf Antrag eine Umsatzsteuer-Identifikationsnummer zu erteilen hat, ist das Finanzamt zu verstehen, welches zur Erhebung der Umsatzsteuer dieser Unternehmer zuständig wäre.

Das Abgabenverwaltungsorganisationsgesetz (AVOG) regelt die sachliche Zuständigkeit der zur Erhebung der Umsatzsteuer zuständigen Finanzämter. Die Regelungen des § 20 Abs. 4 und des § 26 Abs. 3 UStG 1994 betreffend die Erhebung von Umsatzsteuer durch Zollämter bzw. Hauptzollämter können hier außer Betracht bleiben. Kommen danach mehrere sachlich zuständige Finanzämter in Betracht, bestimmt sich die örtliche Zuständigkeit nach § 61 BAO (s auch Ritz, Bundesabgabenordnung2, Rz 1 und 2 zu § 61).

Nach § 12 AVOG obliegt dem Finanzamt Graz-Stadt unbeschadet des - hier nicht in Betracht kommenden § 13 - für den Bereich des gesamten Bundesgebietes die Erhebung der Umsatzsteuer von Unternehmern, die ihr Unternehmen vom Ausland aus betreiben und im Inland weder eine Betriebsstätte haben noch Umsätze aus der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes erzielen. Für die in § 12 AVOG genannten Unternehmer wird somit lediglich ein Finanzamt als sachlich zuständig festgelegt. Nach § 12 AVOG gibt es nicht zwei oder mehrere sachlich zuständige Finanzämter, für die eine Verteilung der örtlichen Zuständigkeit in Betracht zu ziehen wäre.

Wenn sich die belangte Behörde darauf stützt, dass der Beschwerdeführer selbst in seinem Antrag auf Vergabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer die Leitung des Unternehmens in Berlin anführt, dass eine inländische Betriebsstätte im Verwaltungsverfahren gar nicht behauptet wird und der Fall der Nutzung eines im Inland gelegenen Grundbesitzes unstrittig von vornherein nicht vorliegt, kann der von der Behörde gezogene Schluss nicht für rechtswidrig angesehen werden, dass zur allfälligen Erhebung der Umsatzsteuer für den Beschwerdeführer angesichts der durch § 12 AVOG festgelegten sachlichen Zuständigkeit das Finanzamt Graz-Stadt von vornherein zuständig war, nicht jedoch das Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk, bei welchem der Beschwerdeführer den Antrag auf Vergabe der Umsatzsteuer-Identifikationsnummer eingebracht hatte.

Die Zuständigkeit des Finanzamtes Graz-Stadt zur Erledigung des Antrags auf Vergabe einer Umsatzsteuer-Identifikationsnummer war nach der nicht als unschlüssig zu erkennenden Feststellung der belangten Behörde zu keinem Zeitpunkt beim Finanzamt für den 9., 18. und 19. Bezirk gelegen.

Nach § 50 Abs. 1 BAO haben die Abgabenbehörden ihre sachliche und örtliche Zuständigkeit von Amts wegen wahrzunehmen. Langen bei ihnen Anbringen ein, zu deren Behandlung sie nicht zuständig sind, so haben sie diese ohne unnötigen Aufschub auf Gefahr des Einschreiters an die zuständige Stelle weiterzuleiten oder den Einschreiter an diese zu weisen.

Werden Bescheide der Abgabenbehörden erster Instanz der Partei nicht innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach Einlangen der Anbringen bekannt gegeben (§ 97), so geht nach § 311 Abs. 2 BAO auf schriftliches Verlangen der Partei die Zuständigkeit zur Entscheidung auf die Abgabenbehörde zweiter Instanz über. Ein Devolutionsantrag hinsichtlich eines Anbringens, über welches Entscheidungspflicht der angerufenen Behörde nicht oder nicht mehr besteht, ist als unzulässig zurückzuweisen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, Zl. 2000/13/0195, m. w.N.). Die Pflicht zur Entscheidung über das Anbringen einer Partei trifft nur die Behörde, die zum Abspruch über dieses Anbringen zuständig ist; die Weiterleitung eines Anbringens nach § 50 Abs. 1 BAO hat - wie im gegebenen Fall durch das Finanzamt für den 9., 18.und 19. Bezirk und Klosterneuburg am 10. April 2000 - jedenfalls das Erlöschen selbst einer bestandenen Entscheidungspflicht zur Folge (siehe abermals das erwähnte hg. Erkenntnis vom 30. Mai 2001, m.w.N.).

Der Devolutionsantrag des Beschwerdeführers wurde zu einem Zeitpunkt bei der belangten Behörde überreicht, zu welchem das als säumig benannte Finanzamt die betroffene Angelegenheit in Anwendung der Bestimmung des § 50 Abs. 1 BAO schon an das Finanzamt Graz-Stadt weitergeleitet hatte. Die Zurückweisung des Devolutionsantrages durch die belangte Behörde entsprach deshalb der Rechtslage.

Verweise des Beschwerdeführers auf das hg. Erkenntnis vom 22. März 2000, Zl. 99/13/0098, womit der Verwaltungsgerichtshof den damals angefochtenen Bescheid über die Abweisung eines Devolutionsantrages desselben Beschwerdeführers betreffend einen Antrag auf Rückzahlung eines Guthabens aufgehoben hatte und damit von einer Zuständigkeit des Finanzamtes für den 9., 18. und 19. Bezirk ausgegangen wäre, gehen schon deswegen ins Leere, weil der Verwaltungsgerichtshof an - die im damaligen Verfahren unstrittigen - Sachverhaltsfeststellungen gebunden war.

Das Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerdevorbringen, wonach die belangte Behörde keine Erhebungen gepflogen hätte, ob der Beschwerdeführer mit einem inländischen Unternehmen in Geschäftsbeziehungen stünde, allenfalls im Inland Vermögen oder Geldforderungen hätte und wo er zum Zeitpunkt der Antragstellung im Dezember 1998 einen Wohnsitz hatte und dort polizeilich gemeldet war, legt angesichts der Zuständigkeitsbestimmung des § 12 AVOG, welche nicht auf die vom Beschwerdeführer ins Treffen geführten Umstände abstellt, nicht dar, zu welchem anderen Ergebnis die belangte Behörde bei Durchführung der vermissten Erhebungen hätte kommen können.

Da die Beschwerde sohin insgesamt eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen vermochte, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. Nr. 416/1994.

Wien, am 22. Juni 2001