Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

04.11.1994

Geschäftszahl

94/16/0030

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner, Dr. Fellner, Dr. Höfinger und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Peternell, über die Beschwerde der Österreichische Lotterien Gesellschaft m.b.H. (vormals Österreichische Lotto Toto Ges.m.b.H.) in W, vertreten durch Dr. B, Rechtsanwalt in W, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 24. Jänner 1994, Zl. GA 9-83/92, betreffend Schenkungssteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von S 12.920,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen; das Kostenmehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Zwischen den Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ist die Frage strittig, ob Gewinne aus dem sogenannten Millionenradspiel, der zweiten Stufe der Brieflotterie, als andere freigebige Zuwendungen gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 2, ErbStG steuerpflichtig sind.

Während die Beschwerdeführerin dies verneint, vertrat die belangte Behörde mit ihrer, drei erstinstanzliche Bescheide bestätigenden Berufungsentscheidung unter anderem folgende Auffassung:

Die auf dem Glücksspielgesetz 1989 beruhende Brieflotterie sei eine sogenannte Sofortlotterie. Der Preis eines Briefloses betrage S 10,--; der Spielvertrag komme durch die Entrichtung des Preises durch den Spielteilnehmer und Übergabe des Loses an ihn zustande. Gewinne entfielen auf jene Brieflose, auf deren Innenseiten Gewinnbeträge bzw. weitere Gewinnchancen aufgedruckt seien. Der Erwerber eines Briefloses könne einen allfälligen Gewinn bzw. das Vorliegen einer weiteren Gewinnchance sofort nach Erwerb des Loses feststellen. Die weitere Gewinnchance bestünde in der zweiten Stufe der Brieflotterie. Zur Teilnahme daran seien alle Erwerber von Brieflosen berechtigt, deren Los am Gewinnfeld den Aufdruck "Millionenrad" enthalte. Durch die Übermittlung des mit Namen und Anschrift ausgefüllten Millionenradkupons wahre der Teilnehmer seine Chance, an der Ziehung der Kandidaten für die Millionenradshow teilzunehmen. Die eingelangten Kupons würden gesammelt, in eine Lostrommel geschüttet und gemischt. Daraus würden dann die Kandidaten für die Teilnahme an der Millionenradshow gezogen. Die solcherart ermittelten Kandidaten könnten dann durch Drehen des Millionenrades die Höhe ihres Gewinnes selbst bestimmen. Der "Millionenradgewinntopf" werde aus den Wetteinsätzen der Brieflotterie dotiert, und zwar pro Serie mit mindestens S 1.160.000,--, was durch die Beschwerdeführerin garantiert sei.

Die belangte Behörde vermeinte in diesem Zusammenhang, es sei zwischen der Teilnahme eines Spielers an der ersten Stufe der Brieflotterie und an der zweiten Stufe deshalb zu unterscheiden, weil der Eintritt eines Teilnehmers in die zweite Stufe nicht automatisch, sondern durch neuerliches Tätigwerden, nämlich durch Einsenden des Kupons erfolge. Werde der Teilnehmer dann als Kandidat für die zweite Stufe gezogen, so stehe der Leistung des Veranstalters keine vermögensrechtliche Leistung des Kandidaten mehr gegenüber. Die vermögensrechtliche Leistung würde nämlich einem eigens dafür dotierten "Topf", dem Millionenradtopf entnommen. Der Vermögensminderung des Veranstalters stünde somit eine Vermögensvermehrung des Kandidaten gegenüber, weshalb alle Tatbestandsmerkmale des Paragraph 3, ErbStG erfüllt seien.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht darauf verletzt, daß der streitgegenständliche Glücksspielumsatz nicht mit Schenkungssteuer belastet werde.

Der Bundesminister für Finanzen legte die Verwaltungsakten und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift vor.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Paragraph 3, ErbStG lautet auszugsweise:

"§ 3 (1) Als Schenkung im Sinne des Gesetzes gilt

  1. Ziffer eins
    jede Schenkung im Sinne des bürgerlichen Rechtes;
  2. Ziffer 2
    jede andere freigebige Zuwendung unter Lebenden, soweit der Bedachte durch sie auf Kosten des Zuwendenden bereichert wird; ..."
Gemäß Paragraph eins, Absatz eins, GSpG, Bundesgesetzblatt 620 aus 1989,, sind Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes Spiele, bei denen Gewinn und Verlust ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängen.
Nach Paragraph 2, Absatz eins, leg. cit. sind Ausspielungen Glücksspiele, bei denen der Unternehmer (Veranstalter) den Spielern für eine vermögensrechtliche Leistung eine vermögensrechtliche Gegenleistung in Aussicht stellt.
Nach Paragraph 9, Absatz eins, GSpG sind Sofortlotterien Ausspielungen, bei denen die Spielteilnehmer einen auf einem Spielanteilschein vorgedruckten allfälligen Gewinn unmittelbar nach Erwerb feststellen können.
Paragraph 13, leg. cit. bestimmt:

"(1) Mehrstufige Ausspielungen sind Glücksspiele, bei denen die Spielteilnehmer neben einem allfälligen Gewinn eine weitere Gewinnchance erlangen können.

  1. Absatz 2Die Ausspielungen nach den Paragraphen 6 bis 12 können ein- oder mehrstufig durchgeführt werden."

    Zur zentralen Frage des vorliegenden Beschwerdefalles, nämlich zur Abgrenzung zwischen dem Glücksvertrag und freigebigen Zuwendungen iS des Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 2, ErbStG (dessen wichtigster Unterfall die Schenkung gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer eins, leg. cit. ist; vergleiche Fellner, Gebühren und Verkehrsteuern Band römisch III, 4. Teil, Erbschafts- und Schenkungssteuer, Rz 8 Absatz 12, zu Paragraph 3, ErbStG und die dort referierte hg. Judikatur) vertritt der Verwaltungsgerichtshof (im Einklang mit der zivilrechtlichen Lehre und Judikatur) die Auffassung, daß es dabei maßgeblich auf das Vorliegen eines aleatorischen Elementes ankommt vergleiche z.B. die hg. Erkenntnis vom 16. Oktober 1989, Zl. 88/15/0156; 28. September 1959, Zl. 560/59, Slg. N.F. 2074/F; Krejci in Rummel, ABGB II2, Rz 2 bzw. 56 zu Paragraphen 1267, - 1274 ABGB; Koziol-Welser, Grundriß I9, 406; Wolff in Klang2 römisch fünf, 982). Daß ein Vertrag entgeltlich ist, schließt seinen aleatorischen Charakter im Einzelfall nicht aus vergleiche das hg. Erkenntnis vom 18. Februar 1983, Zl. 81/17/0030, Slg. N.F. 5762/F; Krejci in Rummel aaO. Rz 27 zu Paragraphen 1267, - 1274 ABGB; Koziol-Welser aaO. 407; Wolff in Klang aaO.). Bei aleatorischen Verträgen kann nach der hg. Judikatur eine Schenkung bzw. freigebige Zuwendung nur dann angenommen werden, wenn nach der Sachlage für den einen Teil auf jeden Fall eine Bereicherung und für den anderen Teil auf jeden Fall eine Vermögensminderung eintreten muß, und diese Folge von Vertragsparteien gewollt ist vergleiche das hg. Erkenntnis vom 27. Juni 1963, Zl. 1869/62). Eine freigebige Zuwendung gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 2, ErbStG liegt nur vor, wenn es auf eine (Gegen)Leistung des bereicherten Teiles nicht ankommt vergleiche das hg. Erkenntnis vom 27. September 1990, Zlen. 89/16/0214, 0215).

    Vor dem Hintergrund dieser Rechtslage ergibt sich für den vorliegenden Beschwerdefall folgendes: Zunächst hängen sowohl die Frage des sofortigen Gewinnes aus einem Brieflos (erste Stufe der Brieflotterie) als auch die Frage der Teilnahme des Spielers an der Millionenradshow (zweite Stufe der Brieflotterie) ausschließlich von aleatorischen Elementen ab, nämlich davon, ob das erworbene Los einen Gewinnaufdruck bzw. den Aufdruck "Millionenrad" enthält bzw. ob der dann eingesandte Teilnahmekupon gezogen wird oder nicht. Dazu kommt, daß es gerade für die Teilnahme eines Spielers an der zweiten Stufe der Brieflotterie entscheidend ist, daß vorher entgeltlich ein Brieflos erworben wurde, womit aber der durch den Erwerb des Briefloses erbrachten Geldleistung des Teilnehmers ebenfalls entscheidende Bedeutung zukommt. Dieser Umstand allein schließt iS der oben referierten hg. Judikatur (Zlen. 89/16/0214, 0215) das Vorliegen einer freigebigen Zuwendung gemäß Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 2, ErbStG bereits aus.

    Demgegenüber kann dem rein faktischen Umstand, daß der Spielteilnehmer nach dem Erwerb des Briefloses zum Zwecke der Teilnahme an der zweiten Stufe der Brieflotterie (soferne sein Los den Aufdruck "Millionenrad" aufweist) noch manipulativ tätig werden muß - anders als dies die belangte Behörde gesehen hat - kein entscheidendes Gewicht zukommen. Der erwähnte Umstand ist durch Paragraph 13, in Verbindung mit Paragraph 9, GSpG bedingt vergleiche Krejci aaO. Rz 30 zu Paragraphen 1267 bis 1274 ABGB). Die zwischengeschaltete Aktivität des Teilnehmers durch Ausfüllen und Einsenden des Teilnahmekupons hebt weder den notwendigen Zusammenhang zwischen dem vorangegangenen entgeltlichen Loserwerb und der erhofften und im Falle der Ziehung stattfindenden Teilnahme an der Millionenradshow auf, noch wird dadurch das Geschäft seines insgesamt maßgeblichen aleatorischen Elementes entkleidet.

    Da sohin auch die Teilnahme eines Spielers an der zweiten Stufe der Brieflotterie als Glücksgeschäft anzusehen ist, in welchen Fall kein schenkungssteuerpflichtiger Tatbestand erfüllt ist vergleiche Doralt, Ruppe, Grundriß II2, 62) hat die belangte Behörde ihren Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, was gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Ziffer eins, VwGG zu seiner Aufhebung führen muß.

    Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Paragraphen 47, ff VwGG in Verbindung mit der VO Bundesgesetzblatt Nr. 416 aus 1994,, insbesondere deren Art. römisch III Absatz 2 ;, die Abweisung des Kostenmehrbegehrens betrifft Stempelgebühren für eine überzählige Beschwerdeausfertigung sowie überflüssigerweise vorgelegte Beilagen und den ausdrücklich angesprochenen Umsatzsteuerbetrag. Der Zuerkennung von Umsatzsteuer steht der Charakter der gesetzlich vorgesehenen Pauschalabgeltung für Schriftsatzaufwand entgegen vergleiche Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit3, 687 Absatz 3,).