Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

17.02.1994

Geschäftszahl

93/16/0117

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Meinl und die Hofräte Dr. Steiner und Dr. Fellner als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Dr. Wurdinger, über die Beschwerde der A und F-Ges.m.b.H. in M, vertreten durch Dr. H, Rechtsanwalt in römisch eins, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Oberösterreich vom 1. März 1993, Zl. 246/2-9/Mü-1992, betreffend Wiederaufnahme des Verfahrens hinsichtlich Straßenverkehrsbeitrag für 1983 und 1985 sowie Festsetzung des Straßenverkehrsbeitrags für die Jahre 1983 bis Juli 1988, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von S 3.035,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin war in den Streitjahren Zulassungsbesitzerin von Zugfahrzeugen und Anhängern, wobei die Zahl der Anhänger die der Zugfahrzeuge überstieg.

Straßenverkehrsbeitrag entrichtete sie zunächst betreffend Anhänger nur für die ihren Zugfahrzeugen entsprechende Zahl. Mit allen überzähligen Anhängern wurden von der A und F OHG, BRD, (im folgenden kurz: OHG) grenzüberschreitende Transporte im Inland durchgeführt, wobei der Abgabenbehörde gegenüber die Sachlage zunächst so dargestellt wurde, daß die OHG die Anhänger der Beschwerdeführerin auf der Basis von Mietverträgen nutzt und dafür an die Beschwerdeführerin Mietzinse entrichtet.

Dieser Sachlage folgend schrieb das Finanzamt Graz-Stadt der OHG Straßenverkehrsbeitrag vor. In der dagegen erhobenen Berufung legte die OHG erstmals dar, daß kein Mietvertrag vorliegt, sondern die Verwendung der Anhänger der Beschwerdeführerin durch sie auf Grund von Schleppverträgen erfolgt. Die Berufung hatte Erfolg.

Daraufhin nahm das Finanzamt Braunau betreffend die Jahre 1983 und 1985 die Verfahren gemäß Paragraph 303, Absatz 4, BAO wieder auf und erließ für die Streitjahre Sachbescheide, wogegen die Beschwerdeführerin berief.

Die belangte Behörde wies die Berufung gegen die Wiederaufnahme der Verfahren für die Jahre 1983 und 1985 ab und setzte in teilweiser Stattgebung der Berufung (welcher Umstand aber für das verwaltungsgerichtliche Verfahren nicht von Bedeutung ist) Straßenverkehrsbeiträge die Streitjahre neu fest.

Rechtlich vertrat die belangte Behörde folgende Auffassung:

Die amtswegige Wiederaufnahme sei zulässig gewesen, weil das Finanzamt auf Grund der Erhebungsergebnisse einer Betriebsprüfung, wonach die Beschwerdeführerin gegenüber der OHG Miete verrechnet und vereinnahmt habe, davon ausgehen habe können, es lägen Mietverträge vor, weshalb die OHG Schuldnerin des die gemieteten Anhänger betreffenden Straßenverkehrsbeitrages sei. Erstmals in der Berufung gegen die gegenüber der OHG vom Finanzamt Graz-Stadt vorgenommene Festsetzung von Straßenverkehrsbeitrag sei sachverhaltsmäßig dargetan worden, daß keine Miet- sondern Fracht- bzw. Werkverträge vorlägen. Damit seien zweifelsfrei Sachverhaltselemente neu hervorgekommen.

Hinsichtlich der Festsetzung des Straßenverkehrsbeitrages für die von der OHG geschleppten Anhänger der Beschwerdeführerin verwies die belangte Behörde auf das hg. Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 89/15/0107.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verwaltungsgerichtshofbeschwerde wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Die Beschwerdeführerin erachtet sich in ihrem Recht auf Beitragsfreiheit für ihre überzähligen Anhänger sowie darauf verletzt, daß keine Wiederaufnahme zu erfolgen habe.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Paragraph eins, Absatz eins, StVBG unterliegt dem Straßenverkehrsbeitrag die Beförderung von Gütern im Inland mit Fahrzeugen mit inländischem aus ausländischem Kennzeichen.

Nach Paragraph eins, Absatz 2, leg. cit. sind Fahrzeuge im Sinne dieses Bundesgesetzes Kraftfahrzeuge und von Kraftfahrzeugen gezogene Anhänger.

Beitragsfrei sind gemäß Paragraph 2, Ziffer 9, leg. cit. in der im Streitzeitraum geltenden Fassung Beförderungen mit Anhängern, soweit deren Anzahl die der ziehenden beitragspflichtigen Fahrzeuge desselben Beitragsschuldners (Paragraph 4, Absatz 2,) übersteigt und die, bezogen auf die gesamte Anzahl der Anhänger des Beitragsschuldners, die geringere höchstzulässige Nutzlast aufweisen.

Die zuletzt zitierte Vorschrift, die in der Regierungsvorlage zum Straßenverkehrsbeitragsgesetz (822 Blg.NR römisch XIV GP) nicht enthalten war, wurde dem Paragraph 2, leg. cit. im Zuge der parlamentarischen Beratungen angefügt. Nach dem Bericht des Finanz- und Budgetausschusses über die Regierungsvorlage (832 Blg.NR römisch XIV GP) sollte die Ziffer 9, dem Umstand Rechnung tragen, daß ein ziehendes Fahrzeug jeweils nur mit einem Anhänger Beförderungen durchführen kann.

Mit der Straßenverkehrsbeitragsnovelle 1988, Bundesgesetzblatt Nr. 409 (die gemäß ihrem Art. römisch III mit 1. August 1988 in Kraft trat) wurde dem Paragraph 2, Ziffer 9, folgender Satz angefügt:

"Anhänger, die von einem Fahrzeug eines anderen Beitragsschuldners gezogen werden, sind aus obiger Berechnung auszuscheiden."

Nach den Erläuterungen zur Regierungsvorlage (625 Blg.NR römisch XVII GP) sollte durch die Ergänzung klargestellt werden, daß die Begünstigungsvorschrift nur dann erfüllt ist, wenn die Anhänger von Zugmaschinen desselben Beitragsschuldners gezogen werden.

Gemäß Paragraph 4, Absatz 2, erster Satz StVBG ist Beitragsschuldner der Zulassungsbesitzer des Fahrzeuges, bei Fahrzeugen, die ohne Beistellung eines Lenkers vermietet werden, der Mieter und bei Fahrzeugen mit ausländischem Kennzeichen auch der Lenker.

Gemäß Paragraph 303, Absatz 4, BAO ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Absatz eins, Litera a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, und die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte.

1. Zur Wiederaufnahme:

Insoweit die Beschwerdeführerin in Ausführung ihrer Verfahrensrüge zunächst vermeint, die erstinstanzlichen Erledigungen betreffend die Wiederaufnahme hinsichtlich der Jahre 1983 und 1985 stellten gar keine formgültigen Bescheide dar, weil sie je nur den Vermerk "Berichtigung gemäß Paragraph 303, Absatz 4, BAO" trügen, ist ihr entgegenzuhalten, daß es im Falle des Vorliegens von Formfehlern für die Qualifikation einer Erledigung als Bescheid darauf ankommt, daß der rechtliche Charakter der Erledigung ihrem Inhalt nach als Bescheid eindeutig feststeht vergleiche zB Stoll, BAO-Handbuch 220 Absatz 3 und die dort referierte hg. Judikatur). Da sich aus den erwähnten Vermerken, insbesondere auf Grund der dort angeführten Gesetzesstellen, der Wille des Finanzamtes Braunau, das Verfahren für die Jahre 1983 und 1985 gemäß Paragraph 303, Absatz 4, BAO von Amts wegen wiederaufzunehmen unmißverständlich und ohne Zweifel ergibt, hat die belangte Behörde diese Erledigungen zu Recht als Bescheid qualifiziert und mit der jetzt angefochtenen Berufungsentscheidung über die dagegen erhobene Berufung zu Recht meritorisch abgesprochen. Der Umstand, daß sich die Abgabenbehörde erster Instanz mit der Verwendung des Begriffes "Berichtigung" offensichtlich im sprachlichen Ausdruck vergriffen hat, spielt im vorliegenden Fall deshalb keine Rolle, weil durch den ausdrücklichen Hinweis auf die Bestimmung des Paragraph 303, Absatz 4, BAO klargestellt war, daß mit der "Berichtigung" in Wahrheit eine amtswegige Wiederaufnahme gemeint war.

Begründungsmängel, die dem erstinstanzlichen Bescheid zweifellos anhafteten, konnten durch die von der belangten Behörde vorgenommene einwandfreie Begründung der Berufungsentscheidung saniert werden vergleiche Stoll aaO 222 Absatz eins,).

Was die Frage der sachlichen Berechtigung der Wiederaufnahme betrifft, ist den Beschwerdeausführungen zu entgegnen, daß - wie sich zB aus dem hg. Erkenntnis vom 22. Juni 1987, Zl. 87/15/0049 ergibt - die Rechtsinstitute Miete (hier von Anhängern) und Schleppvertrag (als Sonderform des Straßenbeförderungsvertrages) bzw. Werkvertrag bzw. Frachtvertrag an unterschiedliche Sachverhaltsvoraussetzungen geknüpft sind. Indem nun aktenkundigerweise vergleiche insbesondere den Bericht des Finanzamtes Braunau vom 5. September 1991) erstmals im Zuge des von der OHG gegen ihre Behandlung als Mieterin der Anhängerin angestrengten Berufungsverfahrens sachverhaltsmäßig dargelegt wurde, daß die OHG nicht Mieterin sondern Subfrächterin war, kam dadurch eine Tatsache neu hervor, die zur amtswegigen Wiederaufnahme gemäß Paragraph 303, Absatz 4, BAO berechtigte, weil zufolge des Umstandes, daß die Anhänger der Beschwerdeführerin von der OHG nicht als Mieterin benützt wurden - wie unten noch gezeigt werden wird - im Spruch anders lautende Bescheide zu ergehen hatten.

Davon, daß im Wege der Wiederaufnahme nur ein ohnehin vollständig bekannter Sachverhalt anders rechtlich qualifiziert worden wäre, kann ebensowenig die Rede sein wie davon, daß gegen Paragraph 307, Absatz 2, BAO verstoßen worden wäre, weil von einer Änderung der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes bei Betrachtung der hg. Erkenntnisse vom 22. Juni 1987, Zl. 87/15/0049 einerseits und vom 22. Oktober 1990, Zl. 89/15/0170 andererseits ebenfalls keine Rede sein kann.

2. Zum Problem der überzähligen Anhänger:

Den weitwendigen Beschwerdeausführungen ist mit dem Hinweis auf das jüngst zu einem vollkommen gleichgelagerten Fall ergangene hg. Erkenntnis vom 16. Dezember 1993, Zl. 93/16/0105 zu begegnen, auf welches (ebenso wie auf die dort zitierte hg. Vorjudikatur, insbesondere das Erkenntnis vom 22. Oktober 1990, Zl. 89/15/0107) zur Vermeidung von Wiederholungen gemäß Paragraph 43, Absatz 2, VwGG verwiesen wird. Sämtliche Argumente der Beschwerdeführerin waren auch Gegenstand der Argumentation in der zitierten Beschwerdesache Zl. 93/16/0105 (schritt doch bezeichnenderweise dort derselbe Beschwerdevertreter ein wie hier) und wurden dort eingehend behandelt, sodaß auch die vorliegende Beschwerde keinerlei Anlaß bieten kann, von der ständigen hg. Judikatur zum Problem der sogenannten überzähligen Anhänger abzugehen. Dies gilt auch für das von der Beschwerdeführerin auf Seite 21 der Beschwerdeschrift vorgeführte Beispiel, weil der Beschwerdeführerin dabei der grundlegende Fehler unterlauft, der belangten Behörde und damit der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Meinung zu unterstellen, die von "B" (im Beschwerdefall wäre das die OHG) gezogenen Anhänger wären dort, also bei der OHG, "nicht mehr beitragsfrei". Gerade das Gegenteil ist der Fall: Wie sich insbesondere unter Heranziehung des mit dem oben schon zitierten hg. Erkenntnis Zl. 87/15/0049 entschiedenen Falles ergibt, wäre die Anhängerverwendung durch die OHG nur dann beitragspflichtig, wenn die OHG als Mieterin Beitragsschuldner gemäß Paragraph 4, Absatz 2,, erster Satz StVBG wäre. Indem aber die OHG als Subfrächter bzw. Schleppunternehmer zu qualifizieren war (und so auch schließlich qualifiziert wurde) sind den hg. Erkenntnissen Zlen. 93/16/0105 sowie 89/15/0107 folgend die von der OHG als Schleppunternehmer bzw. Subfrächter nicht im eigenen Interesse, sondern für die Beschwerdeführerin gezogenen Anhänger gar nicht als "überzählige" zu betrachten und somit der Beitragsfreiheit nicht zugänglich.

Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als frei von den behaupteten Rechtswidrigkeiten, weshalb die Beschwerde gemäß Paragraph 42, Absatz eins, VwGG als unbegründet abzuweisen war.

Mit Rücksicht auf die oben zitierte hg. Rechtsprechung konnte die Entscheidung in einem gemäß Paragraph 12, Absatz eins, Ziffer 2, VwGG gebildeten Senat getroffen werden.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die Paragraphen 47, ff VwGG in Verbindung mit der VO Bundesgesetzblatt Nr. 104 aus 1991,.