Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

28.04.1982

Geschäftszahl

3251/80

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Mag. Hofstätter und die Hofräte Dr. Karlik, Dr. Iro, Dr. Pokorny und Dr. Fürnsinn als Richter, im Beisein des Schriftführers Rat Dr. König, über die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland (Berufungssenat römisch VIII) vom 3. Juli 1980, Zl. 6/2-3274/2/78, betreffend Einkommensteuer 1976 der Mitbeteiligten JT in W, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Mitbeteiligte hat im Jahr 1963 eine ihr gehörige Liegenschaft an ihre Tochter übereignet, sich aber das lebenslange Fruchtgenußrecht an einem Teil der übertragenen Liegenschaft vorbehalten. Die Mitbeteiligte verpflichtete sich, sämtliche die Liegenschaft betreffenden Abgaben, Instandhaltungskosten, Versicherungsprämien und Schuldzinsen aus eigenem zu tragen.

Bis zum Jahr 1975 erklärte die Mitbeteiligte sämtliche aus dem Fruchtgenußrecht stammenden Einkünfte als solche aus Vermietung und Verpachtung und wurde vom Finanzamt mit diesen Einkünften zur Einkommensteuer veranlagt.

In einer als "Anzeige einer Schenkung" bezeichneten Eingabe vom 10. Februar 1975 teilte die Mitbeteiligte dem Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern mit, daß sie ihren drei noch studierenden Enkelkindern je 1/10 ihres Fruchtgenusses ohne jegliche Auflage geschenkt habe. Dementsprechend wurde für das Jahr 1976 eine Erklärung betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften abgegeben. In der Einkommensteuererklärung für dasselbe Jahr wies die Mitbeteiligte nur 7/10 der aus dem Fruchtgenuß stammenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung aus.

Das Finanzamt vertrat die Auffassung, daß das Fruchtgenußrecht und die daraus erzielten Einkünfte nach wie vor zur Gänze der Mitbeteiligten zuzurechnen seien. Verträge zwischen nahen Angehörigen bedürften eindeutiger nach außen hin mit genügender Deutlichkeit zum Ausdruck kommender Vereinbarungen, um steuerlich anerkannt werden zu können. Für die Wirksamkeit von Schenkungsverträgen ohne tatsächliche Übergabe sei ein Notariatsakt erforderlich. Ein solcher sei jedoch nicht aufgenommen worden.

Die Mitbeteiligte erhob Berufung. Im Abgabenrecht gelte gemäß Paragraph 21, BAO der Grundsatz der wirtschaftlichen Betrachtungsweise. Das Fehlen eines Formerfordernisses könne daher für sich allein noch nicht dazu führen, einer bürgerlich-rechtlichen Vertragsgestaltung die steuerliche Anerkennung zu versagen. Durch die Anzeige beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrsteuern sei die Schenkung nach außen hin deutlich in Erscheinung getreten. Es sei ein alltäglicher Vorgang, daß "eine Großmutter ihren drei studierenden Enkeln einen Teil des ihr selbst zustehenden Fruchtgenusses schenkungsweise überläßt".

Das Finanzamt erließ eine abweisende Berufungsvorentscheidung und wies in der Begründung darauf hin, daß das Fruchtgenußrecht der Mitbeteiligten grundbücherlich einverleibt sei und daß eine teilweise Übertragung dieses Rechtes ebenfalls aus dem Grundbuch ersichtlich sein müßte, um Dritten gegenüber geltend gemacht werden zu können. Eine solche Eintragung sei jedoch nicht erfolgt.

Die Mitbeteiligte beantragte die Vorlage ihrer Berufung an die Abgabenbehörde zweiter Instanz. Eine grundbücherliche Ersichtlichmachung des Schenkungsvorganges sei nicht erforderlich. Im übrigen könnte ein Erwerber der belasteten Liegenschaft seine Verpflichtungen aus dem Fruchtgenußrecht gegenüber der Mitbeteiligten (als ehemaligen Einzelberechtigten) mit schuldbefreiender Wirkung gegenüber den nunmehr Mitberechtigten erfüllen.

In der mündlichen Berufungsverhandlung betonte der Steuerberater der Mitbeteiligten, daß von einer steuerlich unbeachtlichen Zuwendung im Sinne des Paragraph 20, Absatz eins, Ziffer 4, EStG nicht gesprochen werden könne, weil der Fruchtgenuß als solcher Gegenstand der Schenkung gewesen sei, der auch die "Kosten bzw. Risken, die den Fruchtgenußberechtigten treffen, miteinschließt".

Die belangte Behörde gab der Berufung statt. Durch die Anzeige des Schenkungsvertrages beim "Gebührenamt" und durch die Abgabe einer Erklärung betreffend die einheitliche und gesonderte Feststellung von Einkünften sei dem Erfordernis der Bekanntmachung nach außen hin mit genügender Deutlichkeit nachgekommen worden. Der Mitbeteiligten sei darin beizupflichten, daß die schenkungsweise Weitergabe eines Teiles des Fruchtgenusses eine Änderung bei der Zurechnung der Einkünfte aus dem Fruchtgenuß bewirke. Durch den Schenkungsvertrag sei es bezüglich des Fruchtgenusses zu einer "Nutzungsgemeinschaft nach Quoten" gekommen. Alle Beteiligten trügen quotenmäßig die mit dem Fruchtgenuß im Zusammenhang stehenden Kosten und damit ein Unternehmerwagnis. Bei besonders hohen Instandsetzungskosten der Liegenschaft könne es sogar zu einem Verlust kommen.

Gegen diese Entscheidung wendet sich die Beschwerde des Präsidenten der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, in der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht wird.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Paragraph 20, Absatz eins, Ziffer 4, EStG in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1975, Bundesgesetzblatt Nr. 636, dürfen freiwillige Zuwendungen und Zuwendungen an gesetzlich unterhaltsberechtigte Personen weder bei den einzelnen Einkunftsarten noch vom Gesamtbetrag der Einkünfte abgezogen werden; dies auch dann nicht, wenn die Zuwendungen auf einer den Zuwendenden verpflichtenden Vereinbarung beruhen. Mit der zitierten Bestimmung wird klargestellt, daß die freiwillige Weitergabe von Einkommensteilen auch dann nichts an deren steuerlichen Zurechnung zu ändern vermag, wenn sie rechtsverbindlich vereinbart wird und künftige, noch nicht zugeflossene Einkommensteile betrifft. Nur wenn eine Einkunftsquelle als solche ganz oder zum Teil übertragen wird, sind die daraus erfließenden Einkünfte steuerlich regelmäßig jenen Personen zuzurechnen, denen auch die Einkunftsquelle selbst zuzurechnen ist, und zwar gleichgültig, auf welcher Vertragsgestaltung die Übertragung der Einkunftsquelle beruht.

Gemäß Paragraph 478, ABGB gehört das Recht der Fruchtnießung zu den persönlichen Servituten. Paragraph 485, leg. cit. bestimmt, daß sich keine Servitut eigenmächtig von der dienstbaren Sache absondern, noch auf eine andere Sache oder Person übertragen läßt. In Klang, Kommentar zum Allgemeinen Bürgerlichen Gesetzbuch wird zur letztzitierten Bestimmung ausgeführt, daß es in der Lehre zwar strittig sei, ob ein Fruchtgenußrecht als solches übertragen oder nur dessen Ausübung überlassen werden könne. Einigkeit bestehe aber darüber, daß die Verpflichtungen des Fruchtgenußberechtigten von einem etwaigen Übertragungsakt unberührt bleiben vergleiche Klang2, Bd römisch II, S. 566 f). Diese Verpflichtungen bestehen gemäß Paragraph 513, ABGB insbesondere darin, die dienstbare Sache in dem Stande, in welchem sie übernommen wurde, zu erhalten, und aus dem Ertrag die Ausbesserungen, Ergänzungen und Herstellungen zu besorgen.

Die Mitbeteiligte hat der Abgabenbehörde mitgeteilt, Teile ihres Fruchtgenusses an ihre Enkelkinder "ohne jegliche Auflage" geschenkt zu haben. Mit den sich aus dem Fruchtgenußrecht ergebenden gesetzlichen Verpflichtungen sowie mit den darüber hinausgehenden, bei der seinerzeitigen Einräumung des Fruchtgenußrechtes vertraglich übernommenen Verpflichtungen (Tragung sämtlicher die Liegenschaft betreffenden Abgaben, Versicherungsprämien und Schuldzinsen), blieb sohin allein die Mitbeteiligte belastet, wie dies ja auch der eben erwähnten, in dieser Frage einhelligen Lehre entspricht. Daran ändert auch der Umstand nichts, daß den Enkelkindern der Mitbeteiligten nur der Reinertrag aus dem Fruchtgenuß zukommt, weil eine solche Regelung beim Empfänger von Reinerträgen keine Verpflichtungen der oben dargelegten Art zu begründen vermag. Es trifft daher auch die Annahme der belangten Behörde nicht zu, daß die Enkelkinder der Mitbeteiligten unter Umständen verpflichtet wären, für einen Verlust aus dem Fruchtgenuß aufzukommen. Damit wird aber deutlich, daß das in Rede stehende Fruchtgenußrecht nach wie vor ausschließlich der Mitbeteiligten zuzurechnen ist, und daß die schenkungsweise Überlassung von quotenmäßigen Anteilen nur den aus dem Fruchtgenußrecht erfließenden Reinertrag der Liegenschaft betrifft. Die Schenkung stellt sohin eine einkommensteuerlich unbeachtliche, wenn auch auf rechtsverbindlichem Vertrag beruhende Maßnahme der Einkommensverwendung dar vergleiche auch das hg. Erkenntnis vom 27. Oktober 1961, Zl. 802/61, Slg. Nr. 2519/F).

Da die belangte Behörde dies verkannt hat, erweist sich der angefochtene Bescheid als inhaltlich rechtswidrig und war sohin gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Litera a, VwGG 1965 aufzuheben.

Wien, am 28. April 1982

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:1982:1980003251.X00