Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

11.11.1969

Geschäftszahl

1472/68

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Borotha und die Hofräte Dr. Kadecka, Dr. Skorjanec, Dr. Rath und Dr. Jurasek als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Baran, über die Beschwerde des P G in K, vertreten durch Dr. Wilhelm Noverka, Rechtsanwalt in Wien römisch XVII, Hernalser Hauptstraße 116, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 16. August 1968, Zl. MDR-181/68, betreffend Konzession für einen Spielautomaten, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Die Gemeinde Wien hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von S 1.093,80 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde das Ansuchen des Beschwerdeführers um Bewilligung zum Betrieb eines Unterhaltungsspielapparates der Type "Flipper" im Standort Wien , H-Hauptstraße 128, Cafe "XY", gemäß Paragraph 3, des Wiener Theatergesetzes abgewiesen. In der Begründung des Bescheides beruft sich die belangte Behörde auf das ihr vom Gesetz eingeräumte Ermessen. Als Richtlinie für dessen Handhabung habe der in der Übergangsbestimmung des Paragraph 118, Absatz 6, des Wiener Theatergesetzes zum Ausdruck gebrachte Grundsatz gedient, wonach die Bewilligung zur Weiterverwendung grundsätzlich verbotener Geldspielautomaten davon abhänge, ob durch den Betrieb nachteilige Wirkungen für die Bevölkerung, insbesondere für die Jugend, zu befürchten seien. Die Verbreitung von Unterhaltungsspielautomaten in Gast- und Schankgewerbebetrieben sei regelmäßig nicht wünschenswert, weil die Besucher dadurch zum längeren Verweilen in derartigen Betrieben angeregt würden und somit letzten Endes die Zeit in für sie ungünstiger Umgebung totschlügen. Dies gelte insbesondere für jüngere Personen, wenn sie auch bereits über 18 Jahre alt und daher keine Jugendlichen mehr seien. Es sei daher zu befürchten, dass durch die Aufstellung des Unterhaltungsspielautomaten in dem als Betriebsort vorgesehenen Cafehaus ein Anziehungspunkt für jüngere Menschen geschaffen würde, was weder in ihrem noch im Interesse der Bevölkerung gelegen sei. Die vom Beschwerdeführer vorgeschlagene Anbringung einer Verbotstafel, durch die die Benützung des Automaten durch Jugendliche verboten werde, sei nicht geeignet, den geschilderten Gefahren vorzubeugen, weil es an einer wirksamen Überwachung des Verbotes, das im übrigen keine gesetzliche Grundlage hätte, mangle. Auch wenn sich der Beschwerdeführer darauf berufe, dass das als Aufstellungsort vorgesehene Cafehaus derzeit vorwiegend von älteren Menschen besucht werde, besage dies nichts, weil sich durch die Aufstellung des Automaten diesbezüglich eine Änderung ergeben könne. Da es nicht so sehr darum gehe, Jugendliche, als vielmehr Personen über 18 Jahre vom Spiel abzuhalten, sei die Durchführung der vom Beschwerdeführer angebotenen Beweise betreffend das Desinteressement jugendlicher Personen entbehrlich gewesen. Das private Interesse des Beschwerdeführers, der einen Handel mit gebrauchten Spielautomaten betreibe und sie nach Instandsetzung vor dem Weiterverkauf auf ihre Betriebssicherheit erproben wolle, müsse gegenüber dem öffentlichen Interesse an der Hintanhaltung der weiteren Verbreitung derartiger Apparate zurücktreten.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde und die von der belangten Behörde erstattete Gegenschrift hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Mit Erkenntnis vom 23. Juni 1969, Zl. G 9 und G 14/69, hat der Verfassungsgerichtshof dem Antrag des Verwaltungsgerichtshofes, Paragraph 3, Absatz eins, Ziffer 4, des Wiener Theatergesetzes, neu verlautbart mit Verordnung der Wiener Landesregierung vom 6. April 1930, Landesgesetzblatt Nr. 27, in der Fassung der Stadtgesetze vom 22. Mai 1936, GBl. der Stadt Wien Nr. 30, und vom 13. Mai 1937, GBl. der Stadt Wien Nr. 26, der Gesetze vom 21. Juli 1947, Landesgesetzblatt Nr. 16, und vom 17. Mai 1957, Landesgesetzblatt Nr. 14, als verfassungswidrig aufzuheben, keine Folge gegeben. In den Entscheidungsgründen des Erkenntnisses wird der Ansicht Ausdruck gegeben, dass der Sinn des genannten Gesetzes und somit die Richtlinie für die Handhabung des der Behörde eingeräumten Ermessens in seinen Bestimmungen deutlich genug zum Ausdruck komme. Der Sinn sei darin zu erblicken, nachteilige Wirkungen für die Bevölkerung einschließlich der Jugend hintanzuhalten. Es handle sich um die Polizeiaufgabe, Gefahren für die Allgemeinheit, die aus der Durchführung von Veranstaltungen entstehen können, abzuwehren.

Der belangten Behörde ist darin beizupflichten, dass es gewiss sinnvollere, gesündere und daher vom Standpunkt der Öffentlichkeit aus wünschenswertere Möglichkeiten der Freizeitbeschäftigung für Personen jeden Alters, insbesondere aber auch für jüngere Menschen gibt, als es der Besuch von Cafehäusern oder Gaststätten ist. Abgesehen davon aber, dass in der modernen arbeitsteiligen Gesellschaft auch den Gast- und Schankgewerbebetrieben eine notwendige Funktion im Wirtschaftsleben zukommt, hieße es nicht nur die Möglichkeiten, sondern auch die Aufgaben der Polizei in einem demokratischen Staat verkennen, wollte man annehmen, dass verwaltungspolizeiliche Maßnahmen die Aufgabe hätten, die innerhalb der gesetzlichen Schranken freie Betätigung des Individuums von bestimmten als weniger vorteilhaft angesehenen Tätigkeiten abzuhalten und auf höherwertig scheinende Ziele hinzulenken. Die wirklichen und ernst zu nehmenden Gefahren, denen die heutige Jugend ausgesetzt ist und deren Ursache vor allem in dem durch die Massenmedien immer mehr gesteigerten Sensationsbedürfnis zu liegen scheint, bestehen darin, dass sie dieses Bedürfnis in negativer Form, insbesondere durch frühzeitige hemmungslose sexuelle Betätigung, durch Missbrauch von Rauschgiften und Drogen und durch kriminelle Handlungen zu befriedigen sucht. Selbst wenn also die Annahme der belangten Behörde stimmen sollte, dass die Aufstellung eines Unterhaltungsspielautomaten im Cafe "XY" dazu beitragen könnte, mehr Personen jüngeren Alters als bisher zum Besuch dieses Betriebes zu veranlassen, kann darin nur die Stillung eines in diesem Personenkreis vorhandenen Bedürfnisses nach einer vergleichsweise durchaus harmlosen Unterhaltung angesehen werden. Dass diese Unterhaltung als solche oder aber der dadurch bedingte Aufenthalt im Cafehaus eine Gefährdung bedeute, der zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen auf die Bevölkerung entgegengetreten werden müsste, vermag der Verwaltungsgerichtshof nicht einzusehen. Dies umsoweniger, als der Personenkreis, der nach Ansicht der belangten Behörde durch sein besonderes Interesse am Automatenspiel zu längerem Verweilen im Cafehaus angeregt werden könnte, nämlich jüngere Menschen im Alter von mehr als 18 Jahren, vom Gesetzgeber in wichtigen Belangen mit Aufgaben, die selbständiges Entscheiden und eigenverantwortliches Handeln voraussetzen, betraut ist, wie die Herabsetzung des Wahlalters auf 19 Jahre und die Heranziehung der 18-jährigen zur Landesverteidigung zeigen. Eine Bevormundung desselben Personenkreises in dem von der belangten Behörde gedachten Sinne ist damit nicht vereinbar. Die Verweigerung der Konzession konnte daher nicht mit Recht darauf gegründet werden, dass sie zur Vermeidung nachteiliger Wirkungen der Veranstaltung für die Bevölkerung erforderlich sei. Dies kam ja auch darin zum Ausdruck, dass keine der im Verfahren befragten Stellen (Bundespolizeidirektion Wien, Bezirksvorstehung des römisch XVII. Bezirkes) Bedenken gegen die Erteilung der Bewilligung erhoben hat.

Da somit die belangte Behörde von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht hat, war der angefochtene Bescheid gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Litera a, VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die Paragraphen 47, Absatz eins,, Absatz 2, Litera a,, Absatz 5,, 48 Absatz eins, Litera a und b, 49 Absatz eins, VwGG 1965 in Verbindung mit Art. römisch eins lit. A der Verordnung, Bundesgesetzblatt Nr. 4 aus 1965,.

Wien, am 11. November 1969