Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

22.12.1965

Geschäftszahl

2215/64

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Ondraczek und die Hofräte Dr. Eichler, Dr. Raschauer, Dr. Frühwald und Dr. Riedel als Richter, im Beisein des Schriftführers, Finanzkommissärs Dr. Blaschek über die Beschwerde des Ing. FK in W, vertreten durch Dr. Walter Riedl, Rechtsanwalt in Wien römisch eins, Wiesinger Straße 3, gegen den Bescheid des Berufungssenates bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, vom 25. Juni 1964, Zl. VI- 1982/12/64, betreffend Umsatzsteuer für die Jahre 1958 bis 1961, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Der Beschwerdeführer ist Inhaber einer Essig- und Likörfabrik in W. Infolge Zerstörung ihres Essigbildners durch Kriegseinwirkung ist diese Firma jedoch nicht mehr in der Lage, Essig selbst herzustellen. Sie hat daher das ihr zustehende Essigspritkontingent mit Zustimmung der Verwertungsstelle des Österreichischen Branntweinmonopols vertraglich jeweils anderen Firmen zur Essigverarbeitung überlassen. Bis September 1958 wurde die Verarbeitung von der Firma M.& P. in Wien durchgeführt. Am 14. Mai 1958 schloß der Beschwerdeführer mit der Firma W. in M. eine schriftliche Vereinbarung ab, die im wesentlichen folgende Bestimmungen enthielt:

1) Der Beschwerdeführer überläßt sein jährliches Kontingent von Secundasprit sowie alle Extrakontingentzuteilungen der Firma W., welche daraus in Lohnarbeit Spritessig herstellt, wobei eine Produktionsausbeute von 85 % festgelegt wird.

2) Die Firma W. holt den Sprit auf ihre Kosten von der Verwertungsstelle des Österreichischen Branntweinmonopols in Wien ab. Die Kaufsumme hiefür wird von der Firma W. bei der Abholung des Sprits ausgelegt, jedoch dem Beschwerdeführer angelastet.

3) Für die Verarbeitung wird dem Beschwerdeführer für das jeweilige Monatsquantum ein bestimmter Betrag je Liter Essig angelastet.

4) Für "Kollegenessig", den der Beschwerdeführer abgibt, steht der Firma W. das Vorkaufsrecht zu. Die Verrechnung darüber wird auf der Grundlage des jeweiligen Preises für Kollegenessig gepflogen.

5) Die wertmäßige Verrechnung geschieht vierteljährlich. Ein sich daraus ergebender Saldo aus Spritkaufpreis und Verarbeitungslohn einerseits und Kollegenessiglieferungen andererseits, ist ein Monat nach Abrechnungslegung fällig.

Punkt 2) und 3) dieses Übereinkommens wurden nach dessen Abschluß durch eine Vereinbarung in der Weise umgewandelt, daß der von der Firma W. vorläufig ausgelegte Kaufpreis für Sprit nicht gesondert verrechnet, sondern von der Firma W. in den Verarbeitungspreis eingerechnet wird.

Den von der Firma W. aus dem Spritkontingente des Beschwerdeführers erzeugten Essig überließ der Beschwerdeführer zum Teil an die Verarbeitungsfirma als "Kollegenessig", zum Teil veräußerte er ihn im Rahmen seines Betriebes an andere Abnehmer. Sämtliche Essiglieferungen an Unternehmer versteuerte der Beschwerdeführer zum ermäßigten Steuersatze für Lieferungen im Großhandel. Bei den Lieferungen an die verarbeitende Firma legte er dabei nur den Unterschiedsbetrag zwischen dem Preise des Kollegenessigs und jenem Betrage, den ihm die Verarbeitungsfirma anteilig als Verarbeitungslohn und vorgestreckte Spritbeschaffungskosten in Rechnung gestellt hatte, als steuerpflichtiges Entgelt der Besteuerung zugrunde.

Im Zug einer im Oktober 1962 beim Beschwerdeführer durchgeführten Betriebsprüfung über den Zeitraum 1959 bis 1961 nahm der Prüfer u.a. auch in den zwischen dem Beschwerdeführer und der Firma W. am 14. Mai 1958 abgeschlossenen Vertrag und den in der Folge geführten Briefwechsel Einsicht und zog auf Grund seiner Feststellungen den Schluß, daß der Beschwerdeführer in den Jahren 1958 bis 1960 das ihm zustehende Spritkontingent in Lohnarbeit zu Essig habe verarbeiten lassen und daß er daher - nach Meinung des Prüfers - die Großhandelsbegünstigung zu Unrecht in Anspruch genommen habe. Außerdem stellte der Prüfer fest, daß der Beschwerdeführer Emballagenumsätze nicht versteuert und im Jahre 1959 einen Branntweinaufschlag fälschlich als Durchlaufpost behandelt hatte. Auf Grund der Ergebnisse der Betriebsprüfung nach das Finanzamt am 13. Dezember 1962 das Verfahren zur Veranlagung der Umsatzsteuer für die Jahre 1958 bis 1960 wieder auf und erließ entsprechend berichtigte Umsatzsteuerbescheide für diese Jahre. Gleichzeitig verwertete es die Feststellungen der Betriebsprüfung bei der Veranlagung für das Jahr 1961.

Der Beschwerdeführer erhob gegen die neu erlassenen Umsatzsteuerbescheide für die Jahre 1958 bis 1960 sowie gegen den Umsatzsteuerbescheid für 1961 Berufung, in der er sowohl die Wiederaufnahme des Verfahrens, als auch die Versagung der Großhandelsbegünstigung und die Besteuerung der Emballagenumsätze bekämpfte. In der Berufung bzw. in hiezu ergänzend eingebrachten Schriftsätzen führte er zur Wiederaufnahme des Verfahrens für die Jahre 1958 und 1960 aus, daß die Art der Verwertung des ihm zustehenden Essigspritkontingents den Organen der Finanzverwaltung, vor allem auch den Prüfungsorganen bei den früheren Betriebsprüfungen bekannt gewesen sei und daß sämtlichen Prüfungsbeamten alle Unterlagen und Verträge zur Verfügung gestellt worden seien. In dem mit der Firma W. abgeschlossenen Vertrage sei lediglich eine Änderung des Vertragspartners zu erblicken, während die mit den vorhergehenden Vertragspartnern vereinbarten wesentlichen Vertragsbestimmungen unverändert geblieben seien. Es liege daher kein tauglicher Wiederaufnahmsgrund vor. In sachlicher Hinsicht brachte der Beschwerdeführer vor, daß das Spritkontingent - richtig: der im Rahmen des Kontingentes bezogene Sprit - nicht für den Beschwerdeführer bearbeitet worden sei, sondern daß er seine Rechte der Firma W. gegen das Recht, Essig zu einem Vorzugspreis zu beziehen, überlassen habe. Zur Frage der Behandlung der Umsätze für Umschließungen brachte der Beschwerdeführer vor, es müsse dem Unternehmer überlassen bleiben, die Schätzung der voraussichtlich zur Einlösung kommenden Einsätze vorzunehmen. Im übrigen sei die Art der Verrechnung der Warenumschließungen den bisherigen Betriebsprüfern bekannt gewesen, sodaß sie nunmehr keine neu hervorgekommene Tatsache darstelle.

Im Zuge des Berufungsverfahrens teilte die Verwertungsstelle des Österreichischen Branntweinmonopols der belangten Behörde auf deren Anfrage mit Schreiben vom 13. November 1963 mit, daß dem Beschwerdeführer ab Oktober 1958 gestattet worden sei, sein gesamtes Kontingent an Sprit zur Gärungsessigerzeugung bei der Firma W. verarbeiten zu lassen. Da diese Verarbeitung eine dauernde darstelle, bestelle und bezahle die Firma W. die dem Beschwerdeführer jeweils zustehende Spritmenge im Auftrage des Beschwerdeführers. Bis zum Oktober 1958 sei das dem Beschwerdeführer zustehende Kontingent von der Firma M. & P. für ihn verarbeitet worden. Die Verwertungsstelle des Österreichischen Branntweinmonopols habe sowohl der Firma W. als auch dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 7. Oktober 1958 nur eine Verarbeitung des Spritkontingentes bewilligt.

Das für die Firma W. zuständige Betriebsfinanzamt hat auf eine entsprechende Anfrage der belangten Behörde am 15. November 1963 mitgeteilt, daß nach ihren Feststellungen die Firma W. den Sprit für die Essigerzeugung von der Verwertungsstelle des Österreichischen Branntweinmonopols unmittelbar beziehe und auch selbst bezahle. Für den Zeitraum 1958 bis 1961 seien hinsichtlich der Verrechnungsgebarung mit dem Beschwerdeführer zwei Phasen zu unterscheiden. Im vierten Kalendervierteljahre 1958 sei das von der Firma W. auf den Namen der Firma "B." bezogene Spritkontingent dieser Firma getrennt in Rechnung gestellt worden. Außerdem seien in gewissen Zeitabständen Rechnungen über die Verarbeitungskosten des Sprits zu Essig gelegt worden. Ab 1. Jänner 1959 sei die "globale Fakturierung" über den jeweils gelieferten Essig, d.h. einschließlich verarbeiteten Sprits, gewählt worden. Ab 1. Jänner 1959 werde der gesamte Umsatz, der sich aus den Fakturen ergebe, der Umsatzsteuer unterworfen. Im Jahr 1958 sei von der Firma W. ursprünglich nur der getrennt fakturierte "Verarbeitungslohn" der Umsatzsteuer unterzogen worden, für die Entgelte aus der für die Firma B. gesondert fakturierten Spritlieferung sei ursprünglich keine Umsatzsteuer bezahlt worden.

Über Aufforderung der belangten Behörde legte der Beschwerdeführer eine Abschrift der am 14. Mai 1958 mit der Firma W. getroffenen schriftlichen Vereinbarung sowie Abschriften des Briefwechsels mit dieser Firma vor. Ferner machte der Beschwerdeführer Zeugen dafür namhaft, daß er bei der ersten Betriebsprüfung darauf aufmerksam gemacht worden sei, daß es sich bei diesen Essiglieferungen um steuerbegünstigte Großhandelslieferungen handelt, und daß auch bei den folgenden Betriebsprüfungen die Anwendung des begünstigten Großhandelssatzes für die Gärungsessiglieferungen eingehend überprüft worden sei. Der Beschwerdeführer stellte sich auf den Standpunkt, daß er an die Firma W. die ihm auf Grund und im Rahmen seines Spritbezugsrechtes als Stammrecht zustehenden Einzellieferungen für die Dauer des zwischen ihnen geschlossenen Vertrages abgetreten habe. Bei den einzelnen Lieferungen bestünden daher nur unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen der Firma W. einerseits und der Verwertungsstelle des Österreichischen Branntweinmonopols andererseits. Die vom Betriebsprüfer festgestellte Änderung der Punkte 2) und 3) der Vereinbarung vom 14. Mai 1958 sei bereits vor dem Wirksamwerden dieser Vereinbarung vorgenommen worden, sodaß die Punkte 2) und 3) in der angeführten Fassung nie zum Tragen gekommen seien.

In der vor der belangten Behörde am 18. Juni 1964 durchgeführter mündlichen Verhandlung vertrat der Beschwerdeführer im wesentlichen seine bereits im Berufungsverfahren vorgebrachten Ansichten und wiederholte seine Beweisanträge. Er erkannte jedoch als richtig an, daß der jährliche Überhang der empfangenen über die zurückgewährten Einsätze für Umschließungen als steuerpflichtiger Umsatz zu erfassen ist.

Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheide vom 25. Juni 1964 änderte die belangte Behörde die erstinstanzlichen Bescheide insoferne ab, als sie nur den jeweiligen Überhang der empfangenen über die zurückgewährten Einsätze für Umschließungen in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlage einbezog und das für die Lieferungen von Kollegenessig an die Verarbeitungsfirmen verrechnete Entgelt zur Gänze der Umsatzsteuer unterwarf. Zu den Einwendungen des Beschwerdeführers gegen die Wiederaufnahme führte die belangte Behörde in der Begründung ihrer Entscheidung aus, daß im Zuge der im Jahre 1962 durchgeführten Betriebsprüfung zahlreiche Schriftstücke vorgefunden worden seien, aus denen hervorgehe, daß die auf Verlangen des Beschwerdeführers gewählte Form der Abrechnung den gegebenen Tatsachen nicht gerecht werde. Diese Schriftstücke stellten jedenfalls neu hervorgekommene, die Wiederaufnahme auch für das Jahr 1958 rechtfertigende Beweismittel dar. Einen weiteren Wiederaufnahmegrund bilde die Feststellung der Nichterfassung der Umsätze für Umschließungen und überdies für das Jahr 1959 auch die Feststellung einer unrichtigen umsatzsteuerlichen Behandlung des Branntweinmonopolaufschlags. Die Wiederaufnahme hätte selbst dann verfügt werden können, wenn der Prüfer anläßlich der im Jahre 1959 durchgeführten Betriebsprüfung tatsächlich in die zwischen dem Beschwerdeführer und der Firma W. abgeschlossenen Verträge Einblick genommen haben sollte.

Zu der Abweisung der Berufung in der Frage des Großhandelssteuersatzes führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer schließe auf Grund der von ihm gewählten Verrechnungsweise darauf, daß die Firma W. für ihn nicht Leistungen (Verarbeitung von Sprit zu Essig) erbringe, sondern an ihn Lieferungen bewirke, sodaß im Falle der Weiterlieferung an Unternehmer dem Beschwerdeführer der Großhandelssteuersatz zustehe. Dabei übersehe der Beschwerdeführer jedoch die Bestimmungen der Paragraphen 21 und 23 der Bundesabgabenordnung Bundesgesetzblatt Nr. 194 aus 1961,, BAO). Daß eine Rechnungslegung, die den Anschein erweckt, als ob die Firma W. den Essig an den Beschwerdeführer liefere, den gegebenen Tatsachen nicht entspreche, gehe aus den von der belangten Behörde getroffenen Feststellungen hervor. In diesem Zusammenhange wies die belangte Behörde auch darauf hin, daß der Beschwerdeführer die Essiglieferungen an die Firma W. zu 1,8 % versteuerte, also selbst in der Überlassung eines Teiles des für ihn erzeugten Essigs eine Lieferung an die Firma W. erblickte. Darüber hinaus habe die belangte Behörde auf Grund des festgestellten tatsächlichen Ablaufes des Lieferungsvorganges die Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen um den Unterschiedsbetrag zwischen dem Kollegenessigpreis und dem Verarbeitungspreis zuzüglich der Spritkosten erhöht. Zur Versteuerung der Einsätze für Umschließungen wurde im angefochtenen Bescheid ausgeführt, daß der Beschwerdeführer diese Umsätze überhaupt nicht der Besteuerung unterzogen habe. Dies wäre jedoch nur dann vertretbar, wenn sich in jedem einzelnen Jahre der Empfang und die Rückzahlung von Einsätzen die Waage hielten. Dies sei jedoch nicht der Fall, vielmehr sei das Passivsaldo des Emballagenkontos von Jahr zu Jahr angestiegen. Die Einbeziehung der jeweiligen "Erhöhungen" in die Umsatzsteuerbemessungsgrundlagen sei daher gerechtfertigt. Dem Begehren, die Einsätze für Verpackungen mit 1,8 % zu versteuern, habe nicht entsprochen werden können, weil die Warenumschließung regelmäßig das Schicksal der gelieferten Ware teile.

Gegen diese Entscheidung richtet sich die vorliegende, wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde. Zur Frage der Wiederaufnahme des Verfahrens wird in der Beschwerde ausgeführt, die belangte Behörde habe durch die Ablehnung des Antrages auf Vernehmung jener Personen, die hätten bestätigen können, daß bereits der vorletzte Prüfer in die mit der Firma W. abgeschlossenen Verträge Einsicht genommen hat, Verfahrensvorschriften verletzt. Durch eine solche Vernehmung hätte sich ergeben, daß die im Mai 1958 mit der Firma W. abgeschlossene Vereinbarung gerade auf Anregung des vorletzten Prüfers geändert wurde. Daran könnten auch die bei der Betriebsprüfung im Jahre 1962 vorgefundenen Schriftstücke nichts ändern, da dieser Schriftwechsel nur in Durchführung und damit im Rahmen der Vereinbarungen von 1958 geführt worden sei. Soweit sich die belangte Behörde für die Wiederaufnahme auf die Behandlung der Einsätze für die Verpackungen berufe, übersehe sie aber, daß das Finanzamt ohne weiteres in der Lage gewesen wäre, bei der Debitorenprobe festzustellen, daß die jährliche Erhöhung der offenen Einsätze für Umschließungen in den erklärten Ist-Einnahmen nicht enthalten war.

Zur Frage der steuerlichen Beurteilung bringt der Beschwerdeführer vor, die belangte Behörde werte das zwischen der Firma W. und dem Beschwerdeführer bestehende Rechtsverhältnis als Auftrag, ohne jedoch zu sagen, worin dieser Auftrag bestehen solle. Der Beschwerdeführer habe lediglich Bezugsrechte abgetreten. Die Frage nach dem Entgelt hiefür sei zwanglos "unter Hinweis auf die dem Beschwerdeführer vertraglich zustehenden günstigen Bezugsbedingungen zu beantworten". Die Hinweise der belangten Behörde auf die Paragraphen 21 und 23 BAO seien nicht stichhältig. Überdies werde nicht ausgeführt, welches Scheingeschäft und welches verdeckte Rechtsgeschäft vorliegen solle. Die belangte Behörde übersehe auch, daß an der Abwicklung des Rechtsverhältnisses eine staatliche Dienststelle beteiligt war. Aber auch die übrigen von der belangten Behörde herbeigeholten Gründe könnten nicht überzeugen. Die Preisgestaltung hänge lediglich von der Stärke der jeweiligen Vertragspartner ab. Der Umstand, daß im Zusammenhange mit dem Kollegenessig von einem Vorkaufsrechte gesprochen wird, beruhe bloß auf einem Vergreifen im Ausdrucke. Daran könne auch die bisherige steuerliche Behandlung durch den Beschwerdeführer nichts ändern.

Zur Frage der umsatzsteuerlichen Erfassung der Emballagenumsätze führt die Beschwerde aus, daß nach dem Wortlaute des Gesetzes die Kosten der Warenumschließung immer dann (zur Gänze) vom Entgelt abgesetzt werden könnten, wenn sich der Unternehmer zur Zurücknahme der Umschließungen und zur Anrechnung des Entgeltes grundsätzlich verpflichtet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß Paragraph 303, Absatz 4, BAO ist eine Wiederaufnahme von Amts wegen unter den Voraussetzungen des Absatz eins, Litera a und c und in allen Fällen zulässig, in denen Tatsachen oder Beweismittel neu hervorkommen, die im Verfahren nicht geltend gemacht worden sind, wenn die Kenntnis dieser Umstände allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnis des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Eine Wiederaufnahme des Verfahrens von Amts wegen nach Paragraph 303, Absatz 4, BAO kann somit nur auf solche Tatsachen oder Beweismittel gestützt werden, die neu hervorgekommen sind, von denen die Behörde also bisher noch keine Kenntnis hatte. Das Finanzamt hat die Wiederaufnahme des Verfahrens zur Veranlagung der Umsatzsteuer für die Jahre 1958 bis 1960 auf die Ergebnisse der vom 23. bis 29. Oktober 1962 durchgeführten Betriebsprüfung gestützt. Bei dieser Betriebsprüfung gelangte der Prüfer auf Grund der zwischen dem Beschwerdeführer und der Firma W. am 14. Mai 1958 getroffenen schriftlichen Vereinbarung sowie durch Einsicht in den zwischen den Vertragsteilen geführten Briefwechsel zu der Annahme, daß die Firma W. für den Beschwerdeführer Essig in Lohnarbeit erzeugt habe. Demgegenüber wendet der Beschwerdeführer ein, daß bereits bei der im Jahre 1959 stattgefundenen Betriebsprüfung der damalige Prüfer von dem erwähnten Vertrage Kenntnis hatte und daß daher ein Wiederaufnahmsgrund nicht vorliege. Diesem Einwand hält jedoch die belangte Behörde mit Recht entgegen, daß selbst dann, wenn der Prüfer anläßlich der im Jahre 1959 stattgefundenen Betriebsprüfung in die erwähnte Vereinbarung Einsicht genommen haben sollte, eine Wiederaufnahme des Verfahrens für die strittigen Jahre zulässig gewesen wäre, weil die Behörde die Wiederaufnahme des Verfahrens nicht nur auf diese Vereinbarung, sondern auch auf die durch die Einsicht in den aufgefundenen Briefwechsel getroffenen Feststellungen gestützt hat. Aus diesen Schriftstücken hat die Behörde festgestellt, daß die auf Verlangen des Beschwerdeführers gewählte Form der Abrechnung dem wahren Gehalte der getroffenen Vereinbarungen nicht gerecht wird. Der belangten Behörde kann daher nicht entgegengetreten werden, wenn sie im angefochtenen Bescheide festgestellt hat, daß diese Schriftstücke jedenfalls neu hervorgekommene, die Wiederaufnahme des Verfahrens auch für das Jahr 1958 rechtfertigende Beweismittel darstellten. Bei dieser Rechtslage konnte aber eine Prüfung der weiteren Frage entfallen, ob auch die weiteren von der belangten Behörde angeführten Wiederaufnahmsgründe als taugliche Grundlage für die Wiederaufnahme des Verfahrens anzusehen sind, weil bereits die erstangeführte Tatsache ausreichend war, um bei Zutreffen der übrigen Voraussetzungen die Wiederaufnahme des Verfahrens für die strittigen Jahre zu rechtfertigen.

Wie jedoch bereits ausgeführt wurde, bildet es eine weitere Voraussetzung für die Wiederaufnahme des Verfahrens, daß die Kenntnis der neu hervorgekommenen Tatsachen oder Beweismittel allein oder in Verbindung mit dem sonstigen Ergebnisse des Verfahrens einen im Spruch anders lautenden Bescheid herbeigeführt hätte. Damit ergibt sich die Notwendigkeit, bereits im Wiederaufnahmeverfahren auch in die Prüfung der materiellrechtlichen Streitfrage einzutreten. Strittig ist vom Standpunkte des Umsatzsteuerrechtes die Frage, ob die Firma W. den im Rahmen des Spritkontingentes des Beschwerdeführers von der Verwertungsstelle des österreichischen Branntweinmonopols bezogenen Sprit im Auftrag und für Rechnung des Beschwerdeführers von der Verwertungsstelle abgeholt und dann im Auftrage des Beschwerdeführers in Lohnarbeit zu Essig verarbeitet oder ob die Firma W. den Sprit im eigenen Namen und auf eigene Rechnung bezogen und verarbeitet hat. Im angefochtenen Bescheid ist die belangte Behörde auf Grund des durchgeführten Ermittlungsverfahrens zu dem Ergebnisse gelangt, daß die Firma W. lediglich die Verarbeitung des Sprits im Auftrage des Beschwerdeführers durchgeführt und daher keine Lieferungen an den Beschwerdeführer bewirkt habe. Der Beschwerdeführer hat hingegen aus der zwischen den Geschäftspartnern vereinbarten Verrechnungsweise und aus der Art der Rechnungslegung nachzuweisen versucht, daß die Firma Wo für ihn nicht Leistungen erbracht, sondern Lieferungen an ihn bewirkt habe, sodaß dem Beschwerdeführer im Falle der Weiterlieferung des Essigs an Unternehmer der begünstigte Steuersatz für Lieferungen im Großhandel zustehe. Die belangte Behörde steht jedoch auf dem Standpunkte, daß die von den Vertragsparteien aus Vereinfachungsgründen gewählte Verrechnungsweise keine andere rechtliche Beurteilung der tatsächlichen Geschäftsabwicklung bewirken könne. Sie hat im angefochtenen Bescheid im einzelnen die von ihr festgestellten Tatsachen angeführt, auf die sie ihre Annahmen gestützt hat. Dies sind im wesentlichen der Umstand, daß der Spritpreis von der Firma W. ohne Aufschlag weiterverrechnet wird, daß die Firma W. den Sprit von der Verwertungsstelle im Auftrage des Beschwerdeführers bezieht und daß der Firma W. ein Vorkaufsrecht für den aus dem Kontingente des Beschwerdeführers erzeugten und von diesem nicht selbst benötigten Essig zusteht, welches sie auch tatsächlich ausübt. Schließlich hat die belangte Behörde darauf hingewiesen, daß der Beschwerdeführer die Essiglieferungen an die Firma W. zum Steuersatze von 1,8 % der Umsatzsteuer unterziehe, also selbst die Meinung vertrete, daß hier Lieferungen an die Firma W. vorliegen. Der belangten Behörde ist nun entgegenzuhalten, daß die von ihr vorgenommene Auslegung des Rechtsverhältnisses zwischen dem Beschwerdeführer und der Firma W. zum Teil unschlüssig ist und zum Teil auf offenbar aktenwidrigen Annahmen beruht. Die belangte Behörde führt nämlich als Anzeichen für das Vorliegen einer bloßen Bearbeitung durch die Firma W. im Auftrage des Beschwerdeführers u.a. an, daß der Spritpreis dem Beschwerdeführer ohne Aufschlag angelastet werde. Nun ergibt sich aber aus dem Sachverhalte, daß der Preis für Kontingentsprit S 3,-- pro Liter beträgt und daß die Firma W. bei der Preiskalkulation dem Beschwerdeführer für jeden Liter Essig 35 Groschen als Rohstoffpreis anlastet. Da der Essig 10,2 % Sprit enthalten soll, würde also die Sprittangente je Liter 3 x 102 durch 1000 S = 30,6 Groschen betragen. Verrechnet werden aber 35 Groschen, sodaß die Firma W. pro Liter Essig einen Aufschlag von 4,4 Groschen auf den Spritpreis, also von etwa 13 % berechnen würde. Die belangte Behörde hat in dieser Hinsicht nähere Ermittlungen unterlassen. Weiter erscheint es keineswegs schlüssig, wenn die belangte Behörde auch aus der umsatzsteuerlichen Behandlung der Lieferungen von "Kollegenessig" durch den Beschwerdeführer an die Firma W. die Richtigkeit ihres Standpunktes ableiten will. Daß die Überlassung des Kollegenessigs durch den Beschwerdeführer an die Firma W. eine Lieferung an diese Firma anzusehen ist, wird auch von der belangten Behörde nicht bestritten. Die Anwendung des begünstigten Steuersatzes durch den Beschwerdeführer auf diese Lieferungen war daher vom Standpunkte des Beschwerdeführers folgerichtig, weil er ja davon ausgeht, daß die Firma W. ihm vorher diesen Essig geliefert und nicht nur den Sprit des Beschwerdeführers zu Essig verarbeitet hat. Wenn ferner die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid ausführt, daß, falls die Darlegungen des Beschwerdeführers richtig wären, den Ankäufen von Kollegenessig durch die Firma W. zunächst ein Verkauf von Essig durch die Firma W. an den Beschwerdeführer vorausgehen müßte, "was jedoch nicht der Fall ist, und auch wirtschaftlich undenkbar wäre", so kann diese erst logisch zu erhärtende Unterstellung nicht schon als Beweismittel für diese Unterstellung herangezogen werden. Vielmehr hätte die belangte Behörde dieser Richtung noch nähere Ermittlungen durchführen und auch näher begründen müssen, weshalb die vom Beschwerdeführer behauptete Vorgangsweise "wirtschaftlich undenkbar" wäre.

Die belangte Behörde ist im angefochtenen Bescheid auch nicht auf das Vorbringen des Beschwerdeführers in seinem die Berufung ergänzenden Schriftsatz vom 27. Juni 1963, Seite 3, eingegangen, daß die Firma W. ihm nicht nur solchen Essig geliefert habe, der aus dem Spritkontingent des Beschwerdeführers stammt, sondern auch solchen, der aus fremden Kontingenten stammt oder den sie selbst bei anderen Erzeugern einkaufte, ohne ihn selbst bearbeitet zu haben. Denn auch dann, wenn sich der Standpunkt der belangten Behörde, daß die Firma W. für den Beschwerdeführer Sprit zu Essig verarbeitet habe, als richtig herausstellt, könnte der Beschwerdeführer zumindest für die Rücklieferungen jener Essigmenge, die die Firma W. nicht für den Beschwerdeführer in dessen Auftrag herstellt, sondern entweder spekulativ selbst erzeugt oder von anderen Erzeugern erworben hat, den ermäßigten Steuersatz in Anspruch nehmen, falls sich aus seinen Büchern feststellen läßt, welcher Herkunft die einzelnen Lieferungen von "Kollegenessig" waren. Auch in dieser Richtung ist die Ermittlung des Sachverhaltes unvollständig geblieben. Schließlich wird die belangte Behörde nach Ergänzung ihrer Sachverhaltsermittlungen auch zu prüfen haben, ob nicht vielleicht die Firma W. für den Beschwerdeführer als Einkaufskommissionär - also nicht bloß als unmittelbarer Stellvertreter tätig geworden ist.

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Litera c, Ziffer 2 und 3 VwGG 1965 wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

Wien, am 22. Dezember 1965