Verwaltungsgerichtshof
18.03.1964
1770/62
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Porias und die Hofräte Dr. Naderer, Dr. Härtel, DDr. Dolp und Dr. Skorjanec als Richter, im Beisein des Schriftführers, Regierungskommissärs Öhler, über die Beschwerde des GA in A gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau vom 21. September 1962, Zl. 31.840--Präs. III/62, betreffend Verleihung der Befugnis eines Architekten, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründete abgewiesen.
Mit Eingabe vom 15. Jänner 1962 hatte der Beschwerdeführer das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau um die Erteilung der Befugnis eines Ziviltechnikers für das Fachgebiet „Architektur“ mit dem Berufssitz in A ersucht. Nach Einholung einer Stellungnahme bzw. eines Gutachtens der Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg in Linz und nach Anhörung des Landeshauptmannes von Oberösterreich sowie nach Einsichtnahme in den Strafakt des Bezirksgerichtes Frankenmarkt GZ. U 346/55 und in den Strafakt des Bezirksgerichtes Bad Ischl GZ. U 542/60 hat das Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau das Ansuchen des Beschwerdeführers vom 15. Jänner 1962 um Verleihung der Befugnis eines Architekten gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Litera b, des Bundesgesetzes vom 8. Juli 1957, Bundesgesetzblatt Nr. 146, in der Fassung des Bundesgesetzes vom 21. Juli 1958, Bundesgesetzblatt Nr. 155, abgewiesen. In der Begründung dieses Bescheides wurde ausgeführt, es sei gemäß der zitierten Gesetzesstelle für die Verleihung der angestrebten Befugnis ein in staatsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreier Lebenswandel erforderlich. Der Beschwerdeführer sei einmal nach Paragraph 411 und zweimal nach Paragraph 431, StG bestraft worden. Der Verurteilung nach Paragraph 411, StG hätten zwei Raufhändel zugrunde gelegen. Bei dem einen habe das Entwenden eines fremden Autos die Ursache des Streites gebildet. Der Beschwerdeführer wolle in seiner Stellungnahme zwar glauben machen, daß er mit dieser Handlung nichts zu tun habe. Das sei jedoch unrichtig, da der Zeuge FF im Strafverfahren ausgesagt habe, daß er gemeinsam mit dem Beschwerdeführer den Plan gefaßt habe, das Auto wegzuführen. Als der Beschwerdeführer dann vom Besitzer des Autos zur Rede gestellt worden sei, hätte er diesen durch Erteilung der gewünschten Auskunft leicht beruhigen können. Er habe jedoch die Ohrfeige des JO nicht nur abgewehrt, sondern habe seinerseits so kräftig zugeschlagen, daß JO Verletzungen erlitten habe. Die Tatsache, daß der Beschwerdeführer in der Bezahlung der Strafe säumig war, habe er damit zu entschuldigen gehabt, daß er erst kürzlich sein Studium beendet und daher nur eine geringfügige Entlohnung erhalten habe, die den normalen Existenzerfordernissen nicht entsprochen habe. Hiezu müsse jedoch festgestellt werden, daß der Antragsteller trotz seiner angeblich so prekären Vermögenslage immer noch Geld für nächtelange Kaffeehausbesuche gehabt habe. Auch hätte er in einigen Monaten genügend große Rücklagen machen können, um die Strafe zu bezahlen. Tatsächlich habe er sich dazu fast zwei Jahre Zeit gelassen. Auf Grund aller dieser Tatsachen sei das Bundesministeriums für Handel und Wiederaufbau zur Ansicht gelangt, daß ein in staatsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreier Lebenswandel beim Beschwerdeführer nicht vorliege. Da eine Ziviltechnikerbefugnis mit weitgehenden öffentlichen Funktionen verbunden sei, müsse an die Bewerber um eine solche Befugnis ein besonders strenger Maßstab angelegt werden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß Paragraph eins, des Bundesgesetzes vom 18. Juni 1957, Bundesgesetzblatt Nr. 146, über die staatlich befugten und beeideten Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieure (Ziviltechnikergesetz), in der Fassung des Bundesgesetzes vom 9. Juli 1958, BGB1. Nr. 155, bedarf die Ausübung des Berufes eines staatlich befugten und beeideten Ziviltechnikers (Architekten, Ingenieurkonsulenten und Zivilingenieurs) nach Maßgabe dieses Bundesgesetzes einer von der Behörde verliehenen Befugnis. Zur Erlangung der Befugnis ist gemäß Paragraph 7, Absatz eins, Litera b, des genannten Gesetzes ein in staatsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreier Lebenswandel erforderlich. Nach Paragraph 15, Absatz eins, des Ziviltechnikergesetzes wird die Befugnis über Ansuchen vom Bundesministerium für Handel und Wiederaufbau nach Anhörung der Ingenieurkammer und des Landeshauptmannes für einen bestimmten Sitz der Kanzlei verliehen.
Im vorliegenden Fall hatten sich sowohl die Ingenieurkammer für Oberösterreich und Salzburg als auch der Landeshauptmann von Oberösterreich gegen die Verleihung der Befugnis eines Architekten an den Beschwerdeführer ausgesprochen und diese Stellungnahme vor allem mit einem Hinweis darauf begründet, daß das vom Gesetz für die Verleihung aufgestellte Erfordernis eines in staatsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreien Lebenswandels beim Beschwerdeführer nicht erfüllt sei. Auch die belangte Behörde ist davon ausgegangen, daß der Beschwerdeführer vor allem mit Rücksicht auf seine Verurteilung nach Paragraph 411, StG einen in staatsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreien Lebenswandel nicht aufzuweisen habe und daß daher eine der nach dem Gesetz erforderlichen Voraussetzungen für die Verleihung der Befugnis eines Architekten nicht gegeben sei. Welcher Sinn dem Ausdruck „in staatsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreier Lebenswandel“ zukommt, ist im Gesetz nicht näher umschrieben. Dies erklärt sich daraus, daß es sich bei dem Gebrauch dieser Wendung um die Verwendung eines sogenannten unbestimmten Gesetzesbegriffes handelt. Bei der Auslegung solcher unbestimmter Gesetzesbegriffe hat es die Behörde, wie der Verwaltungsgerichtshof schon wiederholt, so z. B. in seinem Erkenntnis vom 14. April 1953, Slg. N. F. Nr. 2932/A, ausgesprochen hat, nicht mit Fragen des Ermessens zu tun. Solche Begriffe haben einen objektiven und nach objektiven Kriterien zu ermittelnden Sinn, indem sie auf Maßstäbe und Vorstellungen Bezug nehmen, die sich in bestimmten Lebens- und Sachbereichen herausgebildet haben. Die Behörde hat daher den unbestimmten Gesetzesbegriff nach solchen Maßstäben auszulegen. Der Verwaltungsgerichtshof konnte nicht finden, daß die belangte Behörde im vorliegenden Fall diesen unbestimmten Gesetzesbegriff unrichtig oder unvernünftig ausgelegt hat, wenn sie das Vorliegen eines in stattsbürgerlicher und sittlicher Beziehung einwandfreien Lebenswandels beim Beschwerdeführer im Hinblick auf seine noch nicht getilgte Verurteilung nach Paragraph 411, StG und die vom Beschwerdeführer an den Tag gelegte Säumigkeit in der Bezahlung der über ihn verhängten Geldstrafe verneint hat. Diese gewiß strenge Auslegung des mehrfach erwähnten unbestimmten Gesetzesbegriffes erscheint dem Verwaltungsgerichtshof jedoch im Hinblick auf die an die Verleihung der Befugnis eines Architekten geknüpften weitgehenden Berechtigungen nicht rechtswidrig. Für die vom Beschwerdeführer vertretene Ansicht, daß die Verleihung einer Befugnis nach dem Ziviltechnikergesetz nur unter den gleichen Voraussetzungen verweigert werden könne, unter denen eine bereits erteilte Befugnis erlischt, findet im Ziviltechnikergesetz keine Stütze.
Der vom Beschwerdeführer gerügte Verfahrensmangel ist deshalb ohne Bedeutung, weil es nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofes lediglich auf die Tatsache der noch nicht getilgten strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers anzukommen hatte; eine allenfalls unrichtige Wiedergabe der dem strafgerichtlichen Urteil zugrunde liegenden Tatgeschichte kann daher die Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides nicht in Frage stellen.
Die Beschwerde war daher gemäß Paragraph 42, Absatz eins, VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 18. März 1964
ECLI:AT:VWGH:1964:1962001770.X00