Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

20.09.1960

Geschäftszahl

0624/59

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Werner als und die Räte Dr. Kaniak, Dr. Hrdlitzka, Dr. Krzizek und Dr. Striebl als Richter, im Beisein des Magistratskommissärs Dr. Liska als Schriftführer, über die Beschwerde der AS in L, gegen den Bescheid des Amtes der Steiermärkischen Landesregierung - mittelbare Bundesverwaltung vom 4. Februar 1959, Zl. 4 - 318 Su 10/3 - 1958, betreffend die Verhängung einer Verwaltungsstrafe wegen Übertretung der Gewerbeordnung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Begründung

Die Bezirkshauptmannschaft Leoben fand mit ihrem Straferkenntnis vom 7. Juli 1958 die Beschwerdeführerin einer Verwaltungsübertretung nach dem Paragraph 132, Litera a, Gewerbeordnung für schuldig und verhängte über sie eine Geldstrafe von 1.500 S (Ersatzfreiheitsstrafe 3 Tage Arrest). Nach den behördlichen Feststellungen hatte die Beschwerdeführerin ohne Gewerbeberechtigung hiefür das Fremdenbeherbergungsgewerbe dadurch ausgeübt, daß sie in den sechs Wohnräumen oberhalb des Bäckereibetriebes in L, V-straße (welche Räume früher der Unterbringung von Dienstnehmern der Beschwerdeführerin gedient hatten), zirka 16  betriebsfremde Personen beherbergt hatte, welche seit dem 15. Jänner 1958 pro Bett und Nacht an die Beschwerdeführerin ein Entgelt von 6 S entrichtet hatten; Möbel und Bettwäsche waren hiebei von der Beschwerdeführerin beigestellt und die Reinigung der Unterkünfte durch eine von dieser beauftragte weibliche Bedienstete besorgt worden. Die Behörde nahm zudem als erwiesen an, daß die in Rede stehenden Unterkünfte von der Wohnung der Beschwerdeführerin räumlich getrennt seien und hielt auch deshalb eine häusliche Nebenbeschäftigung nicht für gegeben.

Der dagegen von der Beschwerdeführerin erhobenen Berufung gab das Amt der Steiermärkischen Landesregierung mit dem namens des Landeshauptmannes erlassenen, nun angefochtenen Bescheid bei Anwendung der Strafbestimmung des Paragraph 131, Absatz , Litera b, Gewerbeordnung

und Einschränkung des Straftatbestandes auf drei Räume und sechs betriebsfremde Personen - dies alles gemäß dem Paragraph 66, Absatz 4, AVG - nicht Folge; nur die Strafe wurde auf 500 S (1 Tag Arrest) herabgesetzt. Aus einem Bericht des Bundespolizeikommissariates Leoben vom 30. Mai 1958 wurde festgestellt, daß von den sechs in Rede stehenden Räumen zwei als Massenunterkunft - davon einer mit vier und einer mit sechs Betten - benützt werden, in welchen beiden Räumen zur Zeit der Erhebungen sechs Personen gewohnt hatten, denen von der Vermieterin Bettwäsche und Bedienung beigestellt worden waren; einer der eben erwähnten Bewohner wurde als im Bäckereibetrieb der Beschwerdeführerin beschäftigter Dienstnehmer derselben als Beherbergter ausgeschieden, jedoch ferner festgestellt, daß ein weiterer Raum möbliert und mit Bedienung gegen einen monatlichen Mietzins von 180 S vermietet sei. Nur in Ansehung dieser drei Räume mit insgesamt sechs Bewohnern wurde der strafbare Tatbestand als gegeben erachtet, wozu noch angenommen wurde, daß Neuaufnahmen von Mietern und ein Wechsel in deren Person stattgefunden habe, es sich also bei den Mietern nicht ausschließlich um ehemalige Betriebsangehörige handelt, wie in der Berufung ausgeführt worden war.

In der vorliegenden Beschwerde werden inhaltliche Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Schon die Verfahrensrüge - gesehen in einer Ergänzungsbedürftigkeit des Sachverhaltes hinsichtlich der Person der Bedienerin - erweist sich als begründet; dies aus den nachfolgenden Erwägungen:

Die Beherbergung von Fremden zählt gemäß dem Paragraph 16, Gewerbeordnung zum Gast- und Schankgewerbe und ist gemäß dem Paragraph 15, Ziffer 15, des Gesetzes grundsätzlich ein konzessioniertes Gewerbe; die Beschwerdeführerin besitzt nach der insoweit unbestrittenen Lage der Akten des Verwaltungsstrafverfahrens eine solche Konzession nicht. Im Gesetz ist jedoch - unter der Litera e, des Artikels römisch fünf des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung - eine Ausnahme von der Anwendung dieses Gesetzes vorgesehen, und zwar für den Fall, als die Fremdenbeherbergung in die Kategorie der häuslichen Nebenbeschäftigung fällt und durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes betrieben wird; hiebei ist die Frage, ob der Erwerbszweig der Ausnahmebestimmung unterliegt, nach der örtlichen Übung zu beurteilen.

Im vorliegenden Fall ging auch die belangte Behörde nicht davon aus, daß es sich um eine andere als eine Nebenbeschäftigung handle, wurde doch nicht angenommen, daß die Beschwerdeführerin aus der ihr angelasteten Tätigkeit auch nur überwiegend ihren Unterhalt ziehe. Zudem ist die Beschäftigung eine häusliche, welches Merkmal des gesetzlichen Ausnahmetatbestandes nicht zu eng ausgelegt werden darf und jedenfalls dann gegeben ist, wenn die Beschäftigung, wie hier, im eigenen Haus, in dem sich nach der Aktenlage auch die Wohnung der Beschwerdeführerin befindet - nämlich L, V-straße -, ausgeübt wird und es sich wie im gegebenen Fall um Räume handelt, die dem Wohnbedürfnis des Vermieters oder dessen Hausgenossen dienen oder gedient haben. Die von der belangten Behörde in deren Gegenschrift zur Beschwerde vertretene Meinung, die auch schon aus der Bestätigung des erstinstanzlichen Strafbescheides zu erkennen ist, es sei ein hervorstechendes Merkmal der Fremdenbeherbergung als einer häuslichen Nebenbeschäftigung im Sinne des Gesetzes, daß nur Teile der eigenen, vom Vermieter selbst bewohnten Wohnung an Fremde abgegeben werden, findet im Wortlaut des Gesetzes keine Stütze.

Was das weitere Tatbestandsmerkmal des Betriebes des Erwerbszweiges durch die gewöhnlichen Mitglieder des eigenen Hausstandes anlangt, bedarf der Sachverhalt, wie in der Beschwerde mit Recht vorgebracht wird, der Ergänzung. Die Bezirkshauptmannschaft hatte in Ansehung der personalmäßigen Führung des Betriebes in ihrem Straferkenntnis lediglich festgestellt, daß die Reinigung der Unterkünfte durch eine von der Beschwerdeführerin beauftragte weibliche Bedienstete besorgt werde. In der Berufung war diese offensichtlich zutreffende Tatsache nicht geleugnet worden. Im angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, es sei die Bedienung von der Vermieterin beigestellt und als Bedienerin eine Hilfskraft beschäftigt worden, die durch die Vermieterin entlohnt worden sei. Nun kann nicht schlechthin gesagt werden, daß eine im Dienst- oder Werkvertrag beschäftigte Bedienerin den gewöhnlichen Mitgliedern des eigenen Hausstandes nicht zugezählt werden könne. Der Gesetzgeber würde, wenn er bei der Umschreibung des hier ins Auge gefaßten Personenkreises nur an nicht vertragsmäßig gebundene und nicht gegen Entgelt verwendete Personen - also etwa nur an die dauernd im Haus der die Beschäftigung Ausübenden wohnenden Familienmitglieder derselben - gedacht hätte, dies ausdrücklich gesagt haben. Statt dessen wählte er die Worte "gewöhnliche Mitglieder des eigenen Hausstandes". Unter diesen Begriff fallen wohl die zuvor erwähnten Familienmitglieder, dazu sind aber auch jene Personen zu rechnen, die ständig dem Haushalt der Familie angehören, wie z.B. die Hausgehilfin. Da an Hausgehilfinnen heute Mangel herrscht, werden sie oft durch Bedienerinnen ersetzt; gleicht nun funktionell die Stellung der Bedienerin der einer Hausgehilfin, dann ist auch sie als ein gewöhnliches Mitglied des eigenen Hausstandes anzusehen. Die bloße Feststellung der Verwendung einer entlohnten Bedienerin für Zwecke der Nebenbeschäftigung ist daher unzureichend, das Fehlen des in Rede stehenden Ausnahmetatbestandsmerkmales zu begründen. Wenngleich sich das Beschwerdevorbringen, die Bedienerin habe an sich die Bedienungsarbeiten in der Privatwohnung der Beschwerdeführerin auszuführen, als eine im verwaltungsgerichtlichen Verfahren unzulässige Neuerung darstellt, so handelt es sich hier doch um ein Sachverhaltselement, dessen Feststellung der belangten Behörde oblegen war, weil die Richtigkeit der Annahme des Straftatbestandes auch davon abhing.

Eben dies gilt im übrigen auch für die unterbliebene Feststellung, inwieweit die inkriminierte Tätigkeit im Rahmen der örtlichen Übung gelegen war; die Vermietung eines Zimmers an eine Person und von Schlafstellen an fünf Personen, worum es nur noch ging, kann nämlich nicht als eine Tätigkeit angesehen werden, deren Umfang allein schon die Möglichkeit, daß derlei in L ortsüblich sei, ausschlösse. Der Sachverhalt bedarf daher auch insoweit der Ergänzung.

Da bei Zutreffen der Merkmale des Ausnahmetatbestandes der Litera e, des Artikels römisch fünf des Kundmachungspatentes zur Gewerbeordnung ein strafbares Verhalten nicht anzunehmen wäre, ist der Sachverhalt in wesentlichen Punkten ergänzungsbedürftig. Dies führte zur Aufhebung des angefochtenen Bescheides gemäß dem Paragraph 42, Absatz 2, Litera c, Ziffer 2, VwGG 1952. Eine Erörterung der Beschwerdeausführungen in deren sonstigen Einzelheiten war bei der gegebenen Sachlage entbehrlich.

Wien, am 20. September 1960

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:1960:1959000624.X00