Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

16.03.1962

Geschäftszahl

0241/59

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Wasniczek und die Räte Dr. Schirmer, Dr. Schimetschek, Dr. Eichler und Dr. Kaupp als Richter, im Beisein des Finanzoberkommissärs Dr. Zatschek als Schriftführer, über die Beschwerde der S-OHG in S gegen den Bescheid der Berufungskommission für Niederösterreich bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 21. November 1958, Zl. VI-2520/1 1958, betreffend einheitliche Gewinnfeststellung für 1956, nach der am 26. Jänner 1962 durchgeführten Verhandlung, und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Rechtsanwalt Dr. Otto Kern, und des Vertreters der belangten Behörde, Finanzoberkommissär Dr. HE, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Begründung

Die Beschwerdeführerin ist eine offene Handelsgesellschaft, zu deren Betriebsvermögen u. a. auch ein Haus gehört. An diesem Hause wurden im Jahre 1956 größere Reparaturen vorgenommen, wobei auch ein Schindeldach durch ein Alumon-Dach (Leichtmetall-Dach) und ein Holztor durch ein Eisentor ersetzt wurden. Die Kosten der Dachreparatur betrugen S 60.068, die Kosten der Torerneuerung S 9.565.

Die Beschwerdeführerin setzte diese Kosten anläßlich des Jahresabschlusses für 1956 zur Gänze als Instandsetzungskosten ab. Dagegen vertrat das Finanzamt bei Durchführung der Gewinnfeststellung für 1956 den Standpunkt, daß es sich hier um Herstellungskosten handle, die auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer zu verteilen und demnach jährlich mit 5 % absetzbar seien.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Sie führte dabei aus, daß es sich im vorliegenden Falle nur um einen Erhaltungsaufwand gehandelt habe, da die gemachten Aufwendungen ausschließlich dazu dienten, das Gebäude in gutem Zustande zu erhalten und eine Veränderung an der Wesensart des Gebäudes oder am Bestand des Grundstückes nicht erfolgt sei. Das alte Dach sei nur mit Schindeln gedeckt und daher außerordentlich feuergefährdet gewesen. Das hölzerne Einfahrtstor sei gleichfalls schon sehr schadhaft gewesen, sodaß die Torpfeiler bereits umzustürzen drohten.

Die belangte Behörde gab der Berufung der Beschwerdeführerin -

von einem nicht mehr Gegenstand der Verwaltungsgerichtshofbeschwerde bildenden Punkt abgesehen - keine Folge. Sie begründete ihre abweisende Entscheidung damit, daß ein Herstellungsaufwand nicht nur bei Wesens- und Bestandsänderungen vorliege. Es komme vielmehr - wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 17. Mai 1957, Zl. 859/54, ausgeführt hat - darauf an, ob durch Aufwendungen auf ein bestehendes Wirtschaftsgut eine Verbesserung gegenüber dem Zustande desselben im Zeitpunkte der Anschaffung erzielt wurde. Dies sei der Fall, wenn morsche Bauteile durch Verwendung neuer, dauerhafterer Materialien ersetzt werden (wie z.B. im vorliegenden Fall: Leichtmetall statt Schindeln, Eisen statt Holz). Diese Aufwendungen haben das Betriebsgebäude wesentlich im Werte gesteigert und ihm eine bedeutend längere Nutzungsmöglichkeit verliehen. Ein solcher Wertzuwachs des Gebäudes müsse auch buchmäßig durch eine entsprechende Aktivierung der Herstellungskosten zum Ausdruck kommen.

Über die gegen diesen Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften erhobene Beschwerde hat der Gerichtshof erwogen:

Im vorliegenden Fall ist strittig, ob die Nutzung der Aufwendungen der Beschwerdeführerin sich erfahrungsgemäß auf mehr als ein Jahr erstreckt und der Aufwand daher gemäß Paragraph 7, Absatz eins, EStG auf die betriebsgewöhnliche Nutzungsdauer der Liegenschaft zu verteilen ist (Herstellungsaufwand) oder ob die Aufwendungen der laufenden Erhaltung der Liegenschaft dienen und daher voll als Instandsetzungskosten abzugsfähig sind (Erhaltungsaufwand).

Die belangte Behörde hat die Lösung dieser Frage im angefochtenen Bescheid vornehmlich darauf abgestellt, ob durch die auf die Liegenschaft gemachten Aufwendungen eine Verbesserung gegenüber dem bisherigen Zustand erzielt wurde. Sie stützte sieh dabei auf das hg. Erkenntnis vom 17. Mai 1957, Zl. 859/54, in welchem der Gerichtshof die Ansicht ausgesprochen hat, daß sich die Frage, ob Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger zur Instandsetzung einer neu erworbenen Liegenschaft leiste, Herstellungsaufwand oder Erhaltungsaufwand darstellen, nicht losgelöst vom Zustand des Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt seiner Anschaffung beantworten lasse. Die Beurteilung solcher Aufwendungen hänge vielmehr davon ab, ob durch die Aufwendungen eine Verbesserung gegenüber dem Zustand des Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt seiner Anschaffung erzielt worden sei. Die Nachholung rückständiger Instandhaltungsarbeiten, d. h. von Arbeiten, die üblicherweise zum laufenden Erhaltungsaufwand gehörten und deren Durchführung längere Zeit unterblieben sei, führe aber, soweit es sich nicht bloß um kleinere ständig wiederkehrende Arbeiten handle, zu einer solchen Verbesserung und ihre Kosten gehörten daher, wenn sie auf eine neu erworbene Liegenschaft aufgewendet würden, zum Herstellungsaufwand.

Bei dem zitierten Vorerkenntnis handelte es sich somit um Aufwendungen, die ein Steuerpflichtiger kurz nach der Erwerbung eines Hauses gemacht hatte. Sie wurden als nachgeholte Instandsetzungskosten bzw. als Erhöhung der Anschaffungskosten und somit als Herstellungsaufwand angesehen und ausschließlich aus diesem Grund nicht als sofort absetzungsfähiger Erhaltungsaufwand anerkannt.

Ein solcher Fall der Neuerwerbung eines Grundstücke durch einen Steuerpflichtigen, bei welchem eine im allgemeinen als Erhaltungsaufwand anzusehende Aufwendung im Hinblick auf die den schlechten Bauzustand des Hauses berücksichtigenden niedrigeren Anschaffungskosten ausnahmsweise als Herstellungsaufwand zu behandeln ist, liegt jedoch hier nicht vor. Die Frage, ob es sich hier um einen Erhaltungsaufwand oder Herstellungsaufwand handelt, kann daher im gegenständlichen Fall auch nicht auf die Feststellung einer "Verbesserung gegenüber dem Zustand des Wirtschaftsgutes im Zeitpunkt seiner Anschaffung" abgestellt werden.

Werden vielmehr auf ein Gebäude Aufwendungen gemacht, die nicht im Anschluß an den Erwerb dieses Hauses durch den Steuerpflichtigen erfolgen, so kommt einer durch die Aufwendung allenfalls eintretenden Wertsteigerung keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Denn regelmäßig liegt in jeder Instandsetzung eine gewisse Werterhöhung des Wirtschaftsgutes, da ein instandgesetztes Gebäude in der Regel mehr wert ist als ein solches im schlechten Erhaltungszustand. Damit käme man aber zu dem wirtschaftlich nicht vertretbaren Ergebnis, daß jeder auf ein Gebäude gemachte erhebliche Aufwand als Herstellungsaufwand anzusehen wäre vergleiche auch das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 9. Juli 1953, Bd. 57 S. 639).

Folgt man rein dem Wortlaut des Paragraph 7, Absatz eins, EStG, so dürften allerdings Aufwendungen bei Gebäuden und sonstigen Wirtschaftsgütern, deren Verwendung und Nutzung sich erfahrungsgemäß auf einen Zeitraum von mehr als ein Jahr erstreckt, nicht in dem Steuerabschnitt, in dem der Aufwand getätigt wurde, voll abgesetzt, sondern nur mit dem Betrag berücksichtigt werden, der bei ihrer Verteilung auf die Gesamtdauer der Verwendung oder Nutzung auf ein Jahr entfällt. Es würde daher nach dem Wortlaut dieser Vorschrift bei jeder Ausgabe, deren Nutzung sich auf einen Zeitraum von mehr als ein Jahr erstreckt, Herstellungsaufwand vorliegen, sodaß ein beträchtlicher Teil der Reparaturkosten im Jahre des Aufwandes nicht abgesetzt werden dürfte. Da jedoch ein solches Vorgehen den betriebswirtschaftlichen Grundsätzen und der kaufmännischen Übung widerspricht, hat bereits der ehemalige Reichsfinanzhof in ständiger Rechtsprechung für den sogenannten laufenden Erhaltungsaufwand auch den Abzug von Aufwendungen, die über den betreffenden Steuerabschnitt hinaus genutzt werden, im Jahre des Aufwandes ohne Aktivierung und Verteilung zugelassen. Dabei wurde das Vorliegen eines Erhaltungsaufwandes dann angenommen, wenn die Aufwendungen dazu dienen, das Gebäude in ordnungsgemäßem Zustand zu erhalten. Es muß sich also um regelmäßig in gewissen Zeitabständen notwendige Ausbesserungen handeln, durch die die Wesensart des Gebäudes nicht verändert wird. Das ist z.B. der Fall bei Umdeckung eines Daches, Ausbesserung der Dachrinne oder des Mauerwerkes, bei Erneuerung des Verputzes und des Anstriches, bei Instandsetzung schadhaft gewordener Fenster, Türen usw. Herstellungsaufwand liegt dagegen vor, wenn durch die baulichen Maßnahmen die Wesensart des Gebäudes geändert wird. Das ist zweifellos der Fall, soweit ein Anbau oder Umbau größeren Ausmaßes oder eine Gebäudeaufstockung vorgenommen wird.

Damit wurden neben der laufenden Instandhaltung auch die in regelmäßigen Zeitabschnitten wiederkehrenden Instandsetzungsarbeiten durch die Rechtsprechung und in der Folge auch durch die Praxis der Finanzverwaltung vergleiche z. B. Abschnitt 100 EStR 1941) als Erhaltungsaufwand anerkannt. Auch kam in jenen Fällen, in denen in einem Jahre besonders hohe Instandsetzungsaufwendungen angefallen waren, die Verwaltungsübung dem Wunsche des Steuerpflichtigen, dem daran gelegen war, die Kosten für Zwecke der Einkommensbesteuerung auf mehrere Jahre zu verteilen, insoweit entgegen, als sie ihm auf Antrag gestattete, diese Kosten auf drei Jahre zu verteilen.

Eine gesetzliche Grundlage für eine solche Verteilung des Erhaltungsaufwandes auf mehrere Jahre wurde allerdings erst durch den österreichischen Gesetzgeber im Artikel römisch IV Absatz 6, Steueränderungsgesetz 1950, Bundesgesetzblatt Nr. 101 aus 1950,, geschaffen, in welchem angeordnet wurde, daß bei der Ermittlung der Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung Werbungskosten, die für die Erhaltung von Gebäuden aufgewendet werden und die nicht regelmäßig jährlich erwachsen (Großreparaturen), über Antrag gleichmäßig auf zehn Jahre zu verteilen sind. Diese Bestimmung ist dann unverändert in das Einkommensteuergesetz 1953 (Paragraph 21, Absatz 3,) übergegangen.

Mögen jedoch derartige Instandsetzungskosten sogleich im Jahr ihrer Entstehung oder auf zehn Jahre verteilt abgesetzt werden, so handelt es sich dabei, solange das Gebäude durch die periodisch vorzunehmenden Instandsetzungsarbeiten keine Veränderung seiner Wesensart erfährt bzw. das Haus in seiner bisherigen Gestalt und zu weinem bisherigen Zweck erhalten wird, stets um bloßen Erhaltungsaufwand. Dabei nimmt der Umstand, daß im Zuge der Instandsetzung unter Umständen besseres Material oder eine modernere Ausführung gewählt wird, den Aufwendungen in der Regel noch nicht den Charakter eines Erhaltungsaufwandes, solange nicht durch die baulichen Maßnahmen die Wesensart des Hauses verändert wird oder das Gebäude - wie etwa durch einen Einbau oder Aufbau - ein größeres Ausmaß erhält. Bleibt dagegen das Gebäude und insbesondere die Mauern, welche in erster Linie über die Nutzungsdauer eines Hauses entscheiden, unverändert bestehen und wird darin nur ein neuer Teil, z. B. an Stelle einer Holzdecke eine Betondecke eingefügt, so handelt es sich um einen Erhaltungsaufwand vergleiche das Urteil des deutschen Bundesfinanzhofes vom 1. März 1960, Bd. 70 S. 530).

Wendet man diese Grundsätze auf den vorliegenden Fall an, so ist nicht etwa zu prüfen, ob die Wirtschaftsgüter "Dach" oder "Einfahrtstor" eine Wesensänderung erfahren haben oder nicht. Denn diese sind ja nur Teile des Hauses, sodaß das Vorliegen eines bloßen Erhaltungsaufwandes hier nur dann verneint werden könnte, wenn das Haus selbst durch die Erneuerung des Daches oder Tores eine Änderung seiner Wesensart erfahren hätte. Das ist aber nicht der Fall; es wurde vielmehr bloß an Teilen des Hauses eine den bautechnischen Erfordernissen unserer Zeit entsprechende Instandsetzung vorgenommen, um eine Verschlechterung des Bauzustandes zu verhindern. An den Mauern des Hauses, die in erster Linie über die Nutzungsdauer eines Gebäudes entscheiden, wurde nichts geändert. Ob aber das neue Dach oder Tor eine wesentlich längere Nutzungsdauer haben, als sie früher besaßen, ist hier unentscheidend, weil ja damit nicht die vornehmlich vom Zustand des Mauerwerkes abhängige Nutzungsdauer des Gebäudes an sich verlängert wurde, sondern bloß die einzelnen Zeitabschnitte vergrößert wurden, innerhalb welcher im Rahmen der Gesamtnutzungsdauer des Hauses die Erneuerung des Daches oder Tores sich jeweils als notwendig erweisen wird. Dadurch wird aber den Aufwendungen für die Erneuerung des Daches oder Tores der Charakter eines bloßen Erhaltungsaufwandes nicht genommen.

Da die belangte Behörde dies offenbar verkannte, indem sie auch in der Erneuerung des Daches und Tores einen Herstellungsaufwand erblickte, war der angefochtene Bescheid gemäß Paragraph 42, Absatz 2, Litera a, VwGG 1952 wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufzuheben.

Wien, am 16. März 1962