Verwaltungsgerichtshof
25.05.1959
0115/56
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Höslinger und die Räte Dr. Porias, Dr. Vejborny, Dr. Kaniak und Dr. Krzizek als Richter, im Beisein des Sektionsrates Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der Stadt Wien gegen den Bescheid des Bundesministeriums für Unterricht vom 30. November 1955, Zl. 94.175-II/6 - 1955, betreffend Denkmalschutz, nach durchgeführter Verhandlung und zwar nach Anhörung des Vortrages des Berichters, sowie der Ausführungen des Vertreters der Beschwerde, Senatsrat Dr. RJ und des Vertreters der belangten Behörde, Sektionsrat Dr. ET, zu Recht erkannt:
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Am 7. Februar 1955 fand, über Einladung des Wiener Magistrates eine mündliche Verhandlung an Ort und Stelle, betreffend ein Ansuchen der Stadt Wien um baubehördliche Abtragungsbewilligung der Althäuser Wien römisch eins, Blutgasse 3, 5, 7, 9, Singerstraße 11 und Schönlaterngasse 8? statt, zu der auch das Bundesdenkmalamt geladen war. Die Vertreter des Bundesdenkmalamtes gaben in ihrer Stellungnahme bekannt, daß die Objekte gemäß Paragraph 2, des Denkmalschutzgesetzes unter Denkmalschutz stünden und eine Zustimmung zur Demolierung nicht in Aussicht gestellt werden könne. Beim Objekt Singerstraße 11 handle es sich um ein wertvolles altes Baudenkmal aus dem 16. Jahrhundert mit einer künstlerisch wertvollen Fassade des 18. Jahrhunderts. Sowohl dieses Haus als auch die Häuser in der Blutgasse seien zur Wahrung des Charakters der Altstadt besonders wichtig. Als die Stadt Wien ihr Projekt weiter verfolgte, ließ das Bundesdenkmalamt die Standsicherheit der gegenständlichen Gebäude von Professor Dipl. Ing. Dr. techn. FP begutachten. Nach Schilderung des Sachverhaltes, sowie der gegebenen Möglichkeiten für eine Verbesserung der Wohnverhältnisse kam der Sachverständige in zwei Gutachten zum Schluß, daß eine unmittelbar bevorstehende Einsturzgefahr bzw. eine akute Baufälligkeit nicht gegeben sei und damit jede Begründung für eine Demolierung zum jetzigen Zeitpunkt entfalle. Abschriften dieser Gutachten wurden allen in Betracht kommenden Abteilungen des Wiener Magistrates übermittelt.
Mit Schreiben vom 14. Juli 1955 stellte der Magistrat der Stadt Wien, Stadtbauamtsdirektion, Rechtsreferat, beim Bundesdenkmalamt den Antrag, gemäß Paragraph eins, Absatz eins und 2 des Denkmalschutzgesetzes bescheidmäßig abzusprechen, ob die Erhaltung der im Eigentum der Stadt Wien stehenden Häuser in Wien römisch eins, Blutgasse 3, 5, 7 und 9, Singerstraße 11 und Schönlaterngasse 2 und 8, wegen ihrer Bedeutung im öffentlichen Interesse gelegen sei. Für den Fall der positiven Entscheidung wurde weiters der Antrag gestellt, gemäß Paragraph 4, Absatz eins, des Gesetzes die Zustimmung zur Abtragung dieser Gebäude in Form eines der Rechtskraft fähigen Bescheides zu erteilen. Mit dem Bescheid vom 14.September 1955 entschied das Bundesdenkmalamt über diese Anträge nach den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes, BGBl. Nr. 533/4923, und in sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Allgemeinen Verwaltungsverfahrens-gesetzes wie folgt:
a) Das Ansuchen um die Feststellung, daß die Erhaltung dieser im Eigentum der Stadt Wien stehenden Häuser im öffentlichen Interesse gelegen ist, wird mangels der gesetzlichen Bestimmungen für eine solche Feststellung zurückgewiesen.
b) Das Ansuchen um die Zustimmung zur Abtragung dieser Gebäude wird, soweit das Haus in Wien 1, Schönlaterngasse 2 davon betroffen ist, in sinngemäßer Anwendung des Paragraph 68, Absatz eins, AVG, wegen entschiedener Sache zurückgewiesen. Hinsichtlich der übrigen Häuser wird die nach Paragraph 4, Absatz , des DSCHG erforderliche Zustimmung nicht erteilt.“
In der Begründung wurde ausgeführt: Es ergebe sich aus Paragraph 2, des Denkmalschutzgesetzes selbst, welche Bauwerke als unter Denkmalschutz stehend zu behandeln seien. Der künstlerische Wert der einzelnen Objekte sei auf Grund näher beschriebener Umstände gegeben. Die Abtragung der gegenständlichen Häuser könnte den-Verlust benachbarter Objekte zur Folge haben. Dies würde schließdich zum völligen Verschwinden der noch vorhandenen Altstadtteile führen. Der kulturelle Verlust dieser Gebiete könnte vom Bundesdenkmalamt nicht verantwortet werden. Das Ansuchen um Abtragungsbewilligung für das Haus Schönlaterngasse 2 hätte zurückgewiesen werden müssen, weil über ein derartiges Ansuchen schon unter der Geschäftszahl 4561/55 vom 9.Juli 1955 (siehe hg. Zahl 116/56) entschieden worden sei. Gegen diesen Bescheid erhob der Magistrat der Stadt Wien, Stadtbauamtsdirektion, Rechtsreferat, Beschwerde beim Bundesministerium für Unterricht. Darin wurde zunächst der Fall des Hauses Wien römisch eins, Schönlaterngasse 2, ausgeschieden. Im übrigen wurde sowohl die Zurückweisung als auch die Verweigerung der Zustimmung gemäß Paragraph 4, Absatz , des Denkmalschutzgesetzes bekämpft. In allen Fällen wurde der schlechte Bauzustand, die überaus hohen Kosten einer Generalinstandsetzung sowie die untragbare Höhe der auf die einzelnen Mieter entfallenden Kosten betont, Zum Beweise wurden Befunde und Kostenschätzungen des Ing. Konsulenten für Bauwirtschaft und Architekten Dipl. Ing. Otto Gerhard, Wien 1, Kärntnerstraße 7, vorgelegt.
Mit dem angefochtenen Bescheid hat das Bundesministerium für Unterricht der Beschwerde, soweit sie sich mit dem Antrag auf Demolierung der gegenständlichen Häuser (außer Schönlaterngasse 2) befaßt, unter sinngemäßer Anwendung der Bestimmungen des Paragraph 66, Absatz 4 und im Hinblick auf die Bestimmungen der Paragraphen eins,, 2 und 4 des Bundesgesetzes vom 25.September 1923, Bundesgesetzblatt Nr. 533, Denkmalschutzgesetz, keine Folge gegeben und den Abbruch der Häuser auf Grund der zitierten gesetzlichen Bestimmungen untersagt.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes erhobene Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Zu der in der Beschwerde aufgestellten Behauptung, daß die Behörde einen Feststellungsbescheid darüber hätte erlassen müssen, ob die gegenständlichen Häuser den Bestimmungen des Denkmalschutzgesetzes unterliegen, ist folgendes zu bemerken: Die Behörde hatte in ihren Bescheidausführungen dargelegt, daß ein solcher Feststellungsbescheid nach der Konstruktion des Gesetzes nicht möglich sei. Der Gerichtshof vermag dieser Ansicht nicht entgegenzutreten. Nach der im Paragraph eins, des Denkmalschutzgesetzes enthaltenen allgemeinen Bestimmung finden die in diesem Gesetz enthaltenen Beschränkungen auf unbewegliche und bewegliche Gegenstände von geschichtlicher, künstlerischer oder kultureller Bedeutung (Denkmale) Anwendung, wenn ihre Erhaltung dieser Bedeutung wegen im öffentlichen Interesse gelegen ist‘ Darüber, ob ein solches Interesse besteht, entscheidet das Bundesdenkmalamt. Wenn nun das Bestehen eines solchen Interesses bescheidmäßig ausgesprochen wird, so wird damit auch zum Ausdruck gebracht, daß es sich im gegenständlichen Fall um ein Denkmal handle. Eine besondere Regelung besteht nach Paragraph 2, des Gesetzes bezüglich der Denkmale, die sich im Eigentum oder Besitze der öffentlichen Hand befinden. Hier gilt das öffentliche Interesse insolange als gegeben, als das Bundesdenkmalamt nicht auf Antrag des Eigentümers oder Besitzers das Gegenteil festgestellt hat. In diesen Fällen obliegt es also zunächst dem Eigentümer oder Besitzer selbst zu beurteilen, ob ein Denkmal vorliegt. Im vorliegenden Fall konnte bei der Stadt Wien nach der erwähnten mündlichen Verhandlung kein Zweifel darüber bestehen, daß nach Ansicht des Bundesdenkmalamtes die gegenständlichen Häuser als Denkmale zu gelten hätten. Da die Gemeinde Wien eine Abtragung der Häuser beabsichtigte, hatte sie lediglich nach den Bestimmungen des Paragraph 4, des Gesetzes vorzugehen und um die Zustimmung zur Zerstörung der Denkmale beim Bundesdenkmalamt anzusuchen. Sie hatte dabei die Möglichkeit, geltend zu machen, daß es sich nach ihrer Ansicht bei den betreffenden Objekten nicht um Denkmale handle, daß der Antrag nur vorsorglicherweise zwecks Vermeidung von Sanktionen gestellt werde. In dem über einen solchen Antrag zu erlassenden Bescheid hat die Behörde jedenfalls zu der Frage Stellung zu nehmen, ob im gegenständlichen Fall ein Denkmal vorliege oder nicht. Damit erscheint die Erlassung eines besonderen Feststellungsbescheides in dieser Frage als überflüssig. Die Behörde hat nun im vorliegenden Falle den Eventualantrag der Beschwerdeführerin in diesem Sinne behandelt und begründet, warum nach ihrer Ansicht die Häuser als Denkmale zu werten seien.
Die Beschwerdeführerin bestreitet im weiteren Vorbringen die Richtigkeit dieser Annahme. Es sei nicht angängig, die Gebäude nur wegen ihres erheblichen Alters zwischen 150 und 300 Jahren ohne jede Rücksicht auf ihre bauliche Erhaltungswürdigkeit und ihre Bewohnbarkeit zu erhalten. Nach den gegebenen Verhältnissen sei eine befriedigende Verbesserung der derzeitigen Wohnverhältnisse nicht möglich. Diese Ausführungen gehen jedoch am Wesen des Denkmalschutzes vorbei, sie beschäftigen sind mit Fragen, die von der Baubehörde nach den baurechtlichen zu entscheiden sind. Die belangte Behörde hat in hinlänglicher Weise die kulturelle Bedeutung der gegenständlichen Häuser dargestellt. Es wurde bereits im erstinstanzlichen Bescheid ausgeführt, worin die künstlerische Bedeutung dieser Häuser liege und warum sie erhaltungswürdige Denkmale seien. Die Beschwerdeführerin hätte in diesem Punkte nur dann durchdringen können, wenn sie in der Lage gewesen wäre, das Urteil der Behörde über die geschichtliche, künstlerische und kulturelle Bedeutung der gegenständlichen Häuser zu widerlegen. Dies ist jedoch nicht geschehen.
Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß Paragraph 42, Absatz , VwGG 1952 als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 25. Mai 1959
ECLI:AT:VWGH:1959:1956000115.X00