Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

09.12.1955

Geschäftszahl

0953/55

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der Gemeinde N gegen den Bescheid der Berufungskommission bei der Finanzlandesdirektion für Vorarlberg vom 15. Februar 1955, Zl. 2744-2/1954, betreffend Umsatzsteuer 1952, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Anlässlich der Umsatzsteuererklärung für das Jahr 1952 nahm die Beschwerdeführerin für Jagdpachtschillinge, die sie aus der Verpachtung der Genossenschaftsjagd N sowie ihren Eigenjagden vereinnahmt hatte, die Umsatzsteuerfreiheit gemäß Paragraph 4, Ziffer 10, Umsatzsteuergesetz in Anspruch. Das Finanzamt unterwarf diese Umsätze jedoch der Umsatzsteuer.

Einer dagegen erhobenen Berufung gab die belangte Behörde keine Folge, weil das Jagdrecht kein grundstücksgleiches Recht im Sinne des Paragraph 4, Ziffer 10, UStG sei. Ein solches Recht sei beispielsweise das Baurecht, das als selbständiges dingliches Recht durch die Eintragung im Grundbuch begründet werde. Das Jagdrecht dagegen sei sowohl nach dem ABGB wie auch nach dem Jagdgesetz für das Land Vorarlberg unzertrennlich mit dem Eigentum an Grund und Boden verbunden und daher kein selbständiges dingliches Recht. Bei dessen Verpachtung liege auch keine Verpachtung oder Vermietung eines Grundstückes vor, sondern Gegenstand der Verpachtung sei vielmehr die Einräumung des Rechtes, auf fremdem Grund zu jagen, also eine Tätigkeit auszuüben, die durch den Verpächter geduldet werde.

Diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochten. Ihre Beschwerde führt unter Berufung auf den Wortlaut des Jagdgesetzes für das Landes Vorarlberg und die Bestimmung des Paragraph 298, ABGB aus, dass das Jagdrecht eine unbewegliche Sache und somit eine Berechtigung darstelle, auf die die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke Anwendung zu finden haben. Auch handle es sich bei der Jagdverpachtung um einen echten Pachtvertrag, da es für das Rechtsgeschäft der Verpachtung keineswegs Voraussetzung sei, dass sämtliche mit dem Eigentume verbundenen Rechte sowohl dem Inhalte als auch dem Umfange nach an den Pächter übertragen werden. Es sei daher rechtlich möglich, dass der Eigentümer nur jenen Teil seines Eigentumes an Grund und Boden, den das Jagdrecht darstelle, verpachte. Da es sich somit bei einem Jagdpachtvertrage um die echte Verpachtung eines grundstücksgleichen Rechtes handle, sei der Jagdpachtschilling gemäß Paragraph 4, Ziffer 10, UStG umsatzsteuerfrei.

Der Gerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

Gemäß Paragraph 4, Ziffer 10, UStG sind Umsätze aus Verpachtungen und Vermietungen von Grundstücken sowie von Berechtigungen, auf welche die Vorschriften des bürgerlichen Rechts über Grundstücke Anwendung finden, und von staatlichen Hoheitsrechten, die sich auf die Nutzungen von Grund und Boden beziehen, umsatzsteuerfrei.

Dass das Jagdrecht kein staatliches Hoheitsrecht ist, kann wohl nicht bezweifelt werden und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten. Es lässt sich aber auch nicht behaupten, dass es eine Berechtigung sei, auf die die Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke Anwendung finden.

Paragraph eins, des Jagdgesetzes für das Land Vorarlberg, Landesgesetzblatt Nr. 5 aus 1948,, lautet nämlich:

"Das Jagdrecht ist mit dem Eigentum an Grund Boden verbunden; es steht daher dem jeweiligen Grundeigentümer zu und kann als selbständiges dingliches Recht nicht begründet werden.

Das Jagdrecht besteht in der ausschließlichen Befugnis, im zustehenden Jagdgebiete die jagdbaren Tiere zu hegen, zu verfolgen, zu fangen, zu erlegen und sich anzueignen."

Ist das Jagdrecht aber sonach kein selbständiges dingliches Recht, so kann es auch nicht als "grundstücksähnlich" aufgefasst werden; denn zu den wesentlichen Vorschriften des bürgerlichen Rechtes über Grundstücke gehört es, dass diese den Gegenstand eines im Grundbuche einverleibungsfähigen Rechtes bilden können, bei einem Jagdrecht aber, "das als selbständiges dingliches Recht nicht begründet werden kann", ist eine solche Einverleibung nicht möglich. Übrigens bestimmt auch Paragraph 383, ABGB, dass "das Recht zu jagen, in den politischen Gesetzen festgesetzt ist", sich also nicht nach den Vorschriften des bürgerlichen Rechtes richtet.

Es ist daher nur noch zu untersuchen, ob in der Jagdverpachtung etwa eine Verpachtung von Grundstücken gelegen sei. Nun ist aber Gegenstand des Jagdpachtvertrages nicht der Grund und Boden, auf dem die Jagdbefugnis ausgeübt wird, sondern das Jagdrecht, d. i. die Befugnis, in einem bestimmten Gebiete jagdbare Tiere zu hegen usw. Bei der Jagdpacht handelt es sich also nicht, wie bei der von der Beschwerdeführerin zum Vergleich herangezogenen Verpachtung der Grasnutzung an einer Wiese oder dgl. um die Nutzung eines Grundstückes, sondern um die Nutzung eines Rechtes, das zwar bestimmten Grundeigentümern zusteht, aber doch vom Grundeigentum zu unterscheiden ist, eines Rechtes, das gemäß Paragraph 1093, ABGB ebenso wie eine bewegliche oder unbewegliche Sache in Bestand gegeben werden kann. Es kann daher im Falle einer Jagdverpachtung nicht gesagt werden, dass eine Verpachtung von Grundstücken vorliege.

Da somit im gegenständlichen Falle keine der in Paragraph 4, Ziffer 10, UStG aufgestellten Voraussetzungen zutrifft, musste die Beschwerde gemäß Paragraph 42, Absatz eins, VwGG 1952 als unbegründet abgewiesen werden. Wien, am 9. Dezember 1955