Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

07.10.1955

Geschäftszahl

3206/53

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Schirmer und Dr. Schimetschek als Richter, im Beisein des Ministerialsekretärs Dr. Heinzl als Schriftführer, über die Beschwerde der B in K, Schweden, gegen die Berufungs- und Beschwerdeentscheidung der Berufungskommission für Wien bei der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 26. September 1953, Zl. VI-2447/2-1953, betreffend Umsatzsteuer für 1949 bis 1951 und Festsetzung von Umsatzsteuer für 1949 bis 1951 für 1952, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird, soweit mit ihm über eine Beschwerde gegen den Bescheid des Finanzamtes über die Festsetzung von Umsatzsteuervorauszahlungen für 1952 entschieden wurde, wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufgehoben. Im übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die Beschwerdeführerin, eine Aktiengesellschaft mit dem Sitz in Schweden, hatte einem inländischen Industrieunternehmen eine Lizenz auf ihr gehörige Patente eingeräumt und dafür Lizenzgebühren eingehoben. Das Finanzamt hatte diese Lizenzgebühren der Umsatzsteuer unterworfen und für die Jahre 1949 bis 1951 Umsatzsteuerbescheide sowie für die ersten 5 Monate des Jahres 1952 einen Bescheid über die Festsetzung der Vorauszahlungen auf die Umsatzsteuer erlassen.

Die Beschwerdeführerin berief gegen die Umsatzsteuerbescheide und erhob Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid. Sie könne einer Umsatzsteuer nicht unterliegen, weil sie in Österreich keine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübe und daher keine inländische Unternehmerin sei. Die Einräumung einer Lizenz für ein gewerbliches Schutzrecht sei keine nachhaltige Tätigkeit.

Paragraph eins, des Umsatzsteuergesetzes (vom 16. Oktober 1934, DRGBl. römisch eins S. 942 UStG) unterscheide zwischen den Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens ausführt (P. 1) und der Einfuhr von Gegenständen in das Inland (P. 3). Der inländische Unternehmer sei für seine Leistungen und Lieferungen umsatzsteuerpflichtig, der ausländische Unternehmer aber nur für die Einfuhr von Gegenständen. Nachdem das Finanzamt unter Hinweis auf Paragraph 7, Absatz 2, der Umsatzsteuer-Durchführungsbestimmungen (vom 23. Dezember 1938, DRGBl. römisch eins S. 1935, UStDB) einen abweisenden Einspruchsbescheid erlassen hatte, beantragte die Beschwerdeführerin die Entscheidung durch den Berufungssenat oder, falls dieser nicht zuständig sein sollte, durch die zuständige Rechtsmittelbehörde. Sie vertrat dabei die Ansicht, dass durch Paragraph eins, des sogenannten steuerlichen Weitergeltungsgesetzes, StGBl. Nr. 12/1945, nur Gesetze, nicht auch Verordnungen aus der Zeit der Herrschaft des Deutschen Reiches weiterhin in Geltung gesetzt worden seien.

Die Berufungskommission wies die Berufungen und die Beschwerde als unbegründet ab. Der Umsatzsteuer seien nach Paragraph eins, UStG u. a. sonstige Leistungen unterworfen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Betriebes ausführt. Dabei sei gemäß Paragraph 2, UStG derjenige als Unternehmer anzusehen, der selbständig eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt. Ein Dulden sei zwar keine Tätigkeit und könne daher die Unternehmereigenschaft nicht begründen, es sei aber nicht zweifelhaft, dass die Beschwerdeführerin ein gewerbliches Unternehmen, wenn auch im Auslande, betreibt, und dass sie die in Frage stehenden Urheberrechte im Rahmen dieses Unternehmens "verpachtet" habe. Ebensowenig könne bestritten werden, dass die Verpachtung im Inlande stattgefunden habe. In dieser Beziehung komme es nicht darauf an, ob der Vertrag etwa im Ausland unterzeichnet wurde; denn die fortwährenden Eingriffe in die Rechte der Beschwerdeführerin geschähen im Inland. Der Vorgang der Lizenzvergebung bzw. das Dulden der Eingriffe sei daher ebenfalls im Inland geschehen.

Diesen Bescheid hat die Beschwerdeführerin beim Verwaltungsgerichtshof angefochten. Der Gerichtshof hat darüber erwogen:

Die Beschwerdeführerin hat gegen drei Steuerbescheide Berufung und gegen einen Bescheid, der die Festsetzung von Vorauszahlungen auf die Umsatzsteuer betraf, Beschwerde erhoben. Dass sie dabei zwischen dem Rechtsmittel der Berufung und dem der Beschwerde unterschieden hat, entspricht den Vorschriften der Paragraphen 4, Absatz eins und 5 des Abgabenrechtsmittelgesetzes Bundesgesetzblatt Nr. 60 aus 1949,, AbgRG). Zur Entscheidung über die Berufungen gegen die Umsatzsteuerbescheide ist gemäß Paragraph 6, Ziffer eins, Litera a, dieses Gesetzes die Berufungskommission, zur Entscheidung über die Beschwerde gegen einen Vorauszahlungsbescheid nach Paragraph 6, Ziffer eins, Litera b, dieses Gesetzes die Finanzlandesdirektion zuständig. Von dieser Regelung der Zuständigkeiten schafft zwar Paragraph 7, Absatz eins, AbgRG insofern eine Ausnahme, als er die Entscheidung über eine Berufung und eine Beschwerde, die gleichzeitig gegen denselben Bescheid erhoben werden, der zur Entscheidung über die Berufung zuständigen Behörde überträgt. Diese Ausnahmsbestimmung ist aber auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, weil sich in diesem Falle die Berufung und die Beschwerde gegen verschiedene Bescheide richten. Da somit über die Beschwerde gegen den Vorauszahlungsbescheid die Finanzlandesdirektion zu entscheiden gehabt hätte, war die Beschwerdeentscheidung der Berufungskommission wegen Rechtswidrigkeit infolge Unzuständigkeit der belangten Behörde aufzuheben. Dagegen war die Zuständigkeit der Berufungskommission zur Entscheidung über die Berufungen gegen die Steuerbescheide gegeben.

Nach Paragraph eins, UStG unterliegen der Umsatzsteuer die folgenden Umsätze: "1.) die Lieferungen und sonstigen Leistungen, die ein Unternehmer im Inland gegen Entgelt im Rahmen seines Unternehmens

ausführt... 2.) der Eigenverbrauch ... 3.) die Einfuhr von

Gegenständen in das Inland." Nach Paragraph 2, Absatz eins, UStG ist Unternehmer, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Das Unternehmen umfasst die gesamte gewerbliche oder berufliche Tätigkeit des Unternehmers. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen.

Steuerpflichtig, also Steuersubjekte sind also nicht bloss Unternehmer, deren Unternehmereigenschaft durch eine inländische nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen begründet ist, die Steuerpflicht trifft vielmehr alle Unternehmer, die im Inland gegen Entgelt im Rahmen ihres Unternehmens Lieferungen oder sonstige Leistungen erbringen, auch wenn sich ihre Unternehmereigenschaft auf eine im Ausland ausgeübte nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen gründet. (Steuerbar, also Gegenstand der Besteuerung, sind allerdings, abgesehen von der Einfuhr von Gegenständen, nur die im Inland ausgeführten Lieferungen oder Leistungen oder der inländische Eigenverbrauch.)

Dass die Beschwerdeführerin eine nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen ausübt, also eine Unternehmerin ist, bestreitet sie selbst nicht. Den Begriff der "sonstigen Leistungen" umschreibt Paragraph 7, UStDB. Diese Verordnung ist auf Grund des Paragraph 18, UStG und der Paragraphen 12 und 13 der Abgabenordnung (AO) erlassen worden. Paragraph 18, UStG hat den Reichsminister der Finanzen ermächtigt, die in diesem Gesetze verwendeten Begriffe näher zu bestimmen und Paragraph 12, AO hat ihn ermächtigt, zur Durchführung und Ergänzung der Steuergesetze Rechtsverordnungen zu erlassen. Von diesen Ermächtigungen hat der Reichsminister der Finanzen Gebrauch gemacht, indem er die UStDB erlassen hat, deren Charakter als allgemein verbindliche Rechtsnorm in Anbetracht ihrer Kundmachung im Deutschen Reichsgesetzblatt nicht bestritten werden kann. Diese Durchführungsbestimmungen sind daher durch Paragraph 2, des Rechtsüberleitungsgesetzes, StGBl. Nr. 6/1945, der ausdrücklich nicht nur von Gesetzen, sondern auch von Verordnungen spricht, in den österreichischen Rechtsbestand übernommen worden. Nach deren Paragraph 7, Absatz eins, umfasst der Begriff der "Leistung" auch das Unterlassen oder Dulden einer Handlung oder eines Zustandes, mithin auch die Duldung der Ausübung von Patentrechten. Nach Absatz 2, dieser Verordnungsstelle wird eine sonstige Leistung u. a. auch dann im Inland ausgeführt, wenn der Unternehmer eine Handlung im Inland oder einen Zustand im Inland duldet. Auch das ist hier der Fall. Schließlich kann aber auch nicht bestritten werden - und wird auch von der Beschwerdeführerin nicht bestritten - dass die Überlassung der Nutzung ihrer Patentrechte an das inländische Unternehmen im Rahmen ihrer eigenen gesamten Unternehmertätigkeit liegt.

Bei dieser Sach- und Rechtslage sind also alle rechtlichen Voraussetzungen für die Einhebung der Umsatzsteuer von den der Beschwerdeführerin zufließenden Lizenzgebühren erfüllt. Daran vermag auch der Hinweis auf die Erkenntnisse des Verwaltungsgerichtshofes vom 12. Jänner 1951, Slg. 316 (F), vom l8. Jänner 1952, Slg. 525 (F), und vom 29. Mai 1953, Slg. 772 (F), nichts zu ändern, denn in den Fällen dieser drei Erkenntnisse hat der Verwaltungsgerichtshof die Umsatzsteuerpflicht nur deshalb verneint, weil die zur Steuer herangezogenen Personen überhaupt nicht Unternehmer im Sinne des UStG, nicht aber deshalb, weil sie nicht inländische Unternehmer waren.

Die Beschwerde erweist sich somit, soweit sie gegen die Entscheidung der Berufungskommission über die Berufung gegen die Umsatzsteuerbescheide für 1949 bis 1951 gerichtet ist, als unbegründet und musste demgemäß abgewiesen werden.

Wien, am 7. Oktober 1955