Gericht

Verwaltungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

05.10.1951

Geschäftszahl

1155/49

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsidenten Dr. Putz und die Räte Dr. Ondraczek, Dr. Wasniczek, Dr. Vejborny und Dr. Schirmer als Richter, im Beisein des Finanzkommissärs Dr. Hückel als Schriftführer, über die Beschwerde der M Gesellschaft m.b.H. in B, gegen den Bescheid der Finanzlandesdirektion für Steiermark vom 6. April 1949, S 29 - 382 - römisch eins -1949, betreffend Haftung für Lohnsteuer, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführende Gesellschaft wurde im Jahre 1945 zur Herausgabe der Zeitschrift: „XY“ und anderer Zeitschriften gegründet. Gesellschafter waren die drei damals anerkannten politischen Parteien. Am 19. Februar 1948 fand bei der Beschwerdeführerin eine Lohnsteuer-Aussenprüfung statt. Dabei stellte der Prüfer fest, dass von den Bezügen des Schriftleiters und Geschäftsführers der Firma HB in der Zeit vom 9. Mai 1945 bis 31. August 1947 keine Lohnsteuer abgeführt worden war, obwohl der Genannte weder am Gewinn noch sonst in irgendeiner Form an der Gesellschaft beteiligt war und seine Entlohnung in der gleichen Weise wie die übrigen Angestellten bezog. Da HB auch nicht zur Einkommensteuer veranlagt worden war, sah der Prüfer dessen Lohnsteuerpflicht als gegeben an und, da Aufschreibungen über dessen Bezüge aus der Zeit vor dem 1. Oktober 1945 nicht vorlagen, schätzte er dessen monatliche Bezüge bis einschliesslich 30. September 1945 auf je S 600,--. Diesem Monatsbezug schlug der Prüfer mit Rückschicht darauf, dass eine Lohnsteuerkarte nicht vorlag, einen Betrag von S 52,-- hinzu und davon berechnete er unter Einbeziehung einmaliger Bezüge (Weihnachtszuwendungen, Bilanzgeld, Abfertigung u.dgl.), die HB erhalten hatte, die Steuer nach Steuergruppe römisch eins. So gelangte der Prüfer zu einem Betrag von 12.350,-- S an nicht abgeführter Lohnsteuer und das Finanzamt schrieb diesen Betrag, zuzüglich eines Säumniszuschlages von S 617,50, der Beschwerdeführerin mit Haftungsbescheid vom 30. März 1948 vor.

Die Beschwerdeführerin legte gegen diesen Bescheid Anfechtung ein und führte aus, dass HB schon vor Beginn seiner Tätigkeit dem „Rechnungsbeamten“ der Beschwerdeführerin VN mitgeteilt habe, er sie nicht lohnsteuerpflichtig, sondern einkommensteuerpflichtig. HB habe sich auf den Standpunkt gestellt, dass er von jeder erscheinenden Zeitungsnummer einen Gewinnanteil von S 120,-- zugesagt erhalten habe. Auch das Finanzamt habe VN gegenüber bestätigt, dass HB „einkommensteuer- nicht lohnsteuerpflichtig“ sei. Ebenso habe bei einer Lohnsteuerprüfung im Jahre 1946 der Prüfungsbeamte S festgestellt, dass HB nicht lohnsteuerpflichtig sei. Es sei auch weiterhin bis zu der Prüfung im Februar 1948 für HB keine Lohnsteuer angefordert worden. Es gehe nicht an, nunmehr, da HB sich nicht mehr in Österreich befinde, plötzlich eine Lohnsteuerpflicht festzustellen. Wenn das Finanzamt es versäumt habe, HB eine Einkommensteuer vorzuschreiben, sei das nicht die Schuld der Beschwerdeführerin. Überdies habe HB vom Finanzamt niemals eine Lohnsteuerkarte erhalten. Auf einen Vorhalt der Finanzlandesdirektion hat die Beschwerdeführerin in einer späteren Eingabe noch ausgeführt, dass die Frage der Lohnsteuerpflicht des HB bei der Prüfung im Juli 1946 zur Sprache gekommen sei. Wenn S, wie es das Finanzamt in einem Vorhalt behauptet habe, prüfungslos über die Mitteilung des Buchhalters VN hinweggegangen sei, dann müsse er seine Pflicht gröblich verletzt haben. Die Beschwerdeführerin habe sich voll auf die Auskünfte des Finanzamtes verlassen müssen. Es verstosse wider Treu und Glauben, wenn nunmehr eine Lohnsteuer abverlangt werde.

Daraufhin liess die Finanzlandesdirektion den Buchhalter VN vernehmen. Dieser erklärte, er könne nicht mehr angeben, welcher Beamte des Finanzamtes ihm seinerzeit die Auskunft über die Einkommensteuerpflicht des HB gegeben habe. Der seinerzeitige Lohnsteuerprüfer S wurde gleichfalls vernommen und gab an, dass ihm bei der seinerzeitigen Prüfung vom 18. Juli 1946 der Buchhalter VN erklärt habe, die Tätigkeit des HB bei der Beschwerdeführerin sei als freier Beruf anzusehen und seine Bezüge daher als Einkünfte aus selbständiger Arbeit zu veranlagen. Die erforderlichen Schritte zur Einleitung der Veranlagung seien laut Auskunft des VN damals bereit eingeleitet worden. An weitere Einzelheiten könne sich der Prüfer nicht mehr erinnern.

Die Finanzlandesdirektion forderte ferner die Beschwerdeführerin auf, zur Klärung der Frage des Dienstverhältnisses mit HB den seinerzeit abgeschlossenen Vertrag bezw. die entsprechenden schriftlichen Vereinbarungen zur Einsicht vorzulegen. Darauf antwortete die Beschwerdeführerin, ein Dienstvertrag bezw. schriftliche Vereinbarungen können nicht vorgelegt werden, da diese Schriftstücke durch HB offenbar entweder vernichtet oder mitgenommen worden seien. HB habe für jede erscheinende Zeitungsnummer einen Anteil von S 125,-- (nicht S 120,-- wie früher offenbar irrig angegeben worden sei) erhalten. Die Zeitung erscheine wöchentlich zweimal.

Auf Grund dieses Sachverhaltes hat die Finanzlandesdirektion die Anfechtung mit der nunmehr angefochtenen Entscheidung vom 6. April 1949 abgewiesen. In der Begründung hat sie ausgeführt, dass HB in der fraglichen Zeit nach dem Ergebnis der Lohnsteuerprüfung zur Beschwerdeführerin in einem Dienstverhältnis gestanden sei. Dies ergebe sich aus Paragraph eins, der Lohnsteuer-Durchführungsbestimmungen (LStDB vom 10. März 1939, DRGBl. römisch eins Sitzung 449). Nach Paragraph 46, dieser Vorschrift hafte der Dienstgeber für die Einbehaltung und Abfuhr der vom Arbeitslohn einbehaltenen Lohnsteuer. Die Beschwerdeführerin sei daher zu Recht in Anspruch genommen worden. Ein Steuerpflichtiger habe kein Wahlrecht zwischen Lohnsteuer und Veranlagung. Eine Abmachung, dass jemand seinen Dienstbezug zur Veranlagung erklären werde und daher kein Steuerabzug vorzunehmen sei, sei ungültig und strafbar. Alle lohnsteuerpflichtigen Bezüge seien der Lohnsteuerpflicht zu unterziehen und zwar auch dann, wenn sie so hoch sind, dass es schon von vornherein feststeht, dass sie auch zu veranlagen sind. Es sei Pflicht des Dienstnehmers, sich eine Lohnsteuerkarte zu verschaffen und dem Dienstgeber vorzulegen. Wenn er dies unterlasse, dann habe der Dienstgeber gemäss Paragraph 37, LStDB vor Anwendung der Lohnsteuertabelle dem tatsächlichen Arbeitslohn monatlich S 52,-- hinzuzurechnen und die Lohnsteuer nach Steuergruppe römisch eins einzubehalten. Dass die von der Beschwerdeführerin mit HB getroffenen Abmachungen nicht vorgelegt werden könnten, sei unglaubwürdig, die Behauptung der Beschwerdeführerin, ein Finanzorgan habe die Auskunft erteilt, dass im vorliegenden Falle keine Lohnsteuerpflicht gegeben sei, sei nicht erwiesen. Die Beschwerdeführerin habe den Angestellten des Finanzamtes, der diese Auskunft erteilt haben solle, nicht namhaft machen können. Der Prüfungsbeamte, der die Prüfung im Jahre 1946 durchgeführt habe, habe aber lediglich die Äusserung des Buchhalters VN zur Kenntnis genommen. Jedenfalls habe es die Beschwerdeführerin unterlassen, eine schriftliche Anfrage über die Lohnsteuerpflicht der Bezüge des HB an das Finanzamt zu richten. Dieses sei jedenfalls grundsätzlich berechtigt, die Lohnsteuer innerhalb der Verjährungsfrist, ohne Rücksicht auf eine etwa entgegenstehende Auskunft, nachzufordern.

Die vorliegende Beschwerde wiederholt im wesentlichen die Ausführungen im Anfechtungsverfahren. Sie bestreitet in eingehender Darstellung, dass HB ein Arbeitnehmer im Sinne des Paragraph eins, LStDB gewesen sei. Er sei ein „dem freien Berufe gleichgestellter Schriftleiter“ und zugleich Geschäftsführer der Beschwerdeführerin gewesen. Als solcher habe er keinesfalls seine Arbeitskraft der Beschwerdeführerin geschuldet und habe in seiner Tätigkeit als Schriftleiter vollkommen freie Hand gehabt. Er habe auch seine Entlohnung nicht in der gleichen Form wie die übrigen Angestellten der Beschwerdeführerin erhalten, er habe keinen festen Bruttogehalt bezogen, sondern einen Gewinnanteil für jede erscheinende Zeitungnummer. Überdies habe HB schon als Geschäftsführer der Beschwerdeführerin, einer Gesellschaft m.b.H., nicht lohnsteuerpflichtig sein können.

Über die Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:

Gemäss Paragraph 38, des Einkommensteuergesetzes (EStG) wird die Einkommensteuer bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch Abzug vom Arbeitslohn erhoben. Der Arbeitgeber hat die Lohnsteuer für den Arbeitnehmer bei jeder Lohnzahlung einzubehalten und an das Finanzamt abzuführen. Insbesondere hat es der Arbeitgeber nicht darauf ankommen zu lassen, dass ihm der Arbeitnehmer eine Lohnsteuerkarte vorlegt, sondern er hat die Lohnsteuer auch dann einzubehalten und abzuführen, wenn ihm eine Lohnsteuerkarte vom Arbeitnehmer nicht vorgelegt wird (vergleiche Paragraph 37, LStDB).

Die Einwendungen der Beschwerdeführerin gegen den angefochtenen Bescheid gehen zunächst dahin, dass eine Lohnsteuerpflicht nicht bestanden habe, weil HB zu der Beschwerdeführerin in keinem Dienstverhältnis gestanden sei.

Ein Dienstverhältnis liegt nach Paragraph eins, Absatz 3, LStDB vor, wenn der Angestellte dem Arbeitgeber seine Arbeitskraft schuldet. Das ist der Fall, wenn die tätige Person in der Betätigung ihres geschäftlichen Willens unter der Leitung des Arbeitgebers steht oder im geschäftlichen Organismus des Arbeitgebers dessen Weisungen zu folgen verpflichtet ist. Nun ist unbestritten, dass HB Chefredakteur der Beschwerdeführerin ist und Chefredakteure sind in der Regel Arbeitnehmer des betreffenden Zeitungsunternehmens. Der Umstand, dass einem Hauptschriftleiter die Gestaltung des redaktionellen Teiles der Zeitung vom Zeitungsunternehmen nicht in allen Einzelheiten vorgeschrieben werden kann, sondern dass er innerhalb gewisser Grenzen, die durch die politische oder sonstige Einstellung des Zeitungsunternehmens bedingt sind, freie Hand in der Auswahl bezw. Abfassung der Beiträge hat, vermag an seiner Dienstnehmereigenschaft ebensowenig etwas zu ändern, wie etwa bei einem staatlich bestellten und besoldeten Hochschullehrer der Umstand, dass ihm in Staaten, in denen der Grundsatz der akademischen Lehrfreiheit gilt, Beschränkungen in der Auswahl der vorzutragenden Lehrmeinungen nicht auferlegt werden. Unter diesen Umständen wäre es Sache der beschwerdeführenden Gesellschaft gewesen, darzutun, dass die Stellung des HB in ihrem Unternehmen eine andere gewesen wäre als die des Hauptschriftleiters bei anderen Zeitungen. Zu diesem Zweck hat die Behörde sie zur Vorlage des Vertrages über die Bestellung des HB aufgefordert. Die beschwerdeführende Gesellschaft hat erklärt, hiezu nicht in der Lage zu sein. Statt dessen hat sie sich darauf berufen, dass HB für seine Tätigkeit keine feste Entlohnung, sondern einen „Gewinnanteil“ für jede erscheinende Zeitungsnummer erhalten habe. Dazu komme, dass HB als Geschäftsführer der Gesellschaften m.b.H. nicht zugleich deren Angestellter habe sein können. Allein die Form, in der die geleistete Tätigkeit entlohnt wird, ist für die Lohnsteuerpflicht gleichgültig. Gemäss Paragraph 19, Absatz eins, Ziffer eins, EStG gehören zu den Einkünften aus nichtselbständiger Arbeit Gehälter, Löhne, Gratifikationen, Tantiemen und andere Bezüge und Vorteile, die für eine Beschäftigung im öffentlichen oder privaten Dienst gewährt werden. Paragraph 2, LStDB bezeichnet dementsprechend als Arbeitslohn alle Einnahmen, die dem Arbeitnehmer aus dem Dienstverhältnis zufliessen, wobei es gleichgültig ist, ob ein Rechtsanspruch besteht und unter welcher Bezeichnung oder Form sie gewährt werden. Paragraph 2, Absatz 2, LStDB zählt daher auch neben den Gratifikationen und Tantiemen die Provisionen zum Arbeitslohn. Daher schliesst der Umstand, dass HB für seine Tätigkeit „Gewinnanteile“ für jede erscheinende Zeitungsnummer erhalten hat, das Vorliegen eines Dienstverhältnisses im Sinne der LStDB nicht aus. Es ist für die Beurteilung der Lohnsteuerpflicht aber auch gleichgültig, welche arbeitsrechtlichen Vorschriften auf das betreffende Arbeitsverhältnis anzuwenden sind. Demnach kann selbst ein Gesellschafter einer Gesellschaft m.b.H., wenn er als Geschäftsführer der Gesellschaft tätig ist, zur Gesellschaft in einem lohnsteuerpflichtigen Arbeitsverhältnis stehen. Umsomehr muss das für einen Geschäftsführer gelten, der - wie das für HB feststeht - der Gesellschaft nicht angehört. Übrigens wird auch im Schrifttum des Privatrechtes (z.B. Pisko, Lehrbuch des österreichischen Handelsrechtes Sitzung 431) die Auffassung vertreten, dass die Geschäftsführer durch die Annahme ihres Amtes zur Gesellschaft in ein Dienstverhältnis treten.

Die grundsätzlichen Einwendungen gegen den Bestand einer Lohnsteuerpflicht erweisen sich somit im vorliegenden Falle als hinfällig. Nun hat die beschwerdeführende Gesellschaft zwar behauptet, dass sowohl der Prüfungsbeamte S als auch ein Beamter im Finanzamt selbst die Lohnsteuerpflicht des HB verneint hätten. Allein auch wenn die Äusserungen gefallen sein sollten, so könnten sie die Haftung nur dann ausschliessen, wenn sie in der Gestaltung von rechtskräftigen Bescheiden ergangen wären. Das Vorliegen solcher Bescheide hat aber die Beschwerdeführerin selbst nicht behauptet. Blosse Auskünfte aber, wie sie allerdings im Paragraph 56, LStDB vorgesehen sind, vermögen einen rechtsverbindlichen Bescheid nicht zu ersetzen. Dazu kommt, dass die Auskunft eines Prüfungsbeamten überhaupt niemals als Bescheid gewertet werden kann und die Beschwerdeführerin den Veranlagungsbeamten, der ihr die mündliche Auskunft erteilt haben soll, nicht nennen konnte, so dass die belangte Behörde das Vorliegen einer solchen Äusserung, der allenfalls Bescheidcharakter hätte zukommen können, schon aus diesem Grund als nicht erwiesen ansehen durfte.

Gegen die Höhe des Haftungsbetrages sind in der Beschwerde Einwendungen nicht erhoben worden.

Die Beschwerde musste somit als unbegründet abgewiesen werden.

Wien, am 5. Oktober 1951

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VWGH:1951:1949001155.X00