Verwaltungsgerichtshof
13.09.2017
Ro 2017/13/0015
Die Befreiungsbestimmung des nationalen Rechts ist richtlinienkonform auszulegen, solange dies nicht zu einer Auslegung contra legem führt vergleiche im Zusammenhang mit der hier auszulegenden Befreiungsbestimmung des Paragraph 6, Absatz eins, Ziffer 19, UStG 1994 in der Fassung vor dem AbgÄG 2012, BGBl römisch eins Nr. 112, die Entscheidungen des VwGH vom 19. Juni 2002, 2000/15/0053, VwSlg 7726 F/2002, vom 30. Juli 2002, 98/14/0203, und vom 24. September 2008, 2006/15/0283; zu den Grenzen einer richtlinienkonformen Auslegung das Erkenntnis vom 22. August 2012, 2010/17/0228, VwSlg 8739 F/2012, m.w.N.). In diesem Sinn kann bis zu einem gewissen Grad auch der bis zum AbgÄG 2012 nicht umgesetzten Voraussetzung der Befreiungsbestimmung - Vorliegen einer "Heilbehandlung" - durch ein enges Verständnis der Voraussetzung "Tätigkeit als Arzt" Rechnung getragen werden. Die Ausklammerung etwa von anthropologisch-erbbiologischen Untersuchungen und von Gutachtenserstellungen scheint auf diese Weise möglich, auch wenn der Gesetzgeber des UStG 1994 sie noch nicht beabsichtigt haben sollte. In der Tätigkeit einer plastischen Chirurgin keine "Tätigkeit als Arzt" zu sehen, wenn der Leidensdruck des Patienten im Einzelfall nicht den Grad eines "Problems psychologischer Art" erreicht, würde den Auslegungsspielraum aber überschreiten und im Ergebnis die unmittelbare Anwendung der nicht umgesetzten zusätzlichen Voraussetzung des Artikel 13, Teil A Absatz eins, Litera c, der Sechsten Richtlinie 77/388/EWG bedeuten vergleiche den Hinweis auf die unmittelbare Anwendbarkeit und auf das EuGH-Urteil Dornier in der Entscheidung des UFS vom 8. Jänner 2010, RV/0506-L/07 u.a.). Ein solches Vorgehen kommt nur zugunsten des Abgabepflichtigen in Betracht vergleiche das Erkenntnis vom 5. September 2012, 2009/15/0213, VwSlg 8741 F/2012, m.w.N.). Dem lässt sich nicht entgegenhalten, dass eine Unterscheidung danach, ob eine Tätigkeit mehr oder weniger zentral oder typisch für den Arztberuf sei, vom EuGH in den Urteilen Unterpertinger und D'Ambrumenil und Dispute Resolution Services verworfen wurde vergleiche die gemeinsamen Schlussanträge der Generalanwältin, Rn. 35 ff, 47 ff und 63 ff, sowie Rn. 23 ff bzw. 28 ff der beiden Urteile). Dies geschah jeweils in Auslegung der im österreichischen Recht bis zum AbgÄG 2012 fehlenden Voraussetzung "Heilbehandlung", die eine Differenzierung nach dem Ziel der Behandlung nahelegte und nach Ansicht des EuGH erforderte.
ECLI:AT:VWGH:2017:RO2017130015.J02