Verfassungsgerichtshof
11.12.2024
G110/2024 (G110/2024-10)
Verfassungswidrigkeit einer Bestimmung des Krnt VeranstaltungsG betreffend ein absolutes – wenn auch zeitlich eng begrenztes – Veranstaltungsverbot am Karfreitag; keine "Vorrangstellung" des Schutzes religiöser Gefühle und des religiösen Friedens vor anderen Grundrechten; Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz durch das absolute Veranstaltungsverbot mangels angemessenen Ausgleichs mit widerstreitenden Grundrechten, wie der Freiheit der Kunst oder der Erwerbsfreiheit
I. Die Wortfolge "Karfreitag und am" in §8 Abs3 des Gesetzes vom 16. Dezember 2010 über die Regelung des Veranstaltungswesens (Kärntner Veranstaltungsgesetz 2010 – K-VAG 2010), LGBl Nr 27/2011, idF LGBl Nr 110/2012 wird als verfassungswidrig aufgehoben.
II. Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 2025 in Kraft.
III. Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Kraft.
IV. Der Landeshauptmann von Kärnten ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Landesgesetzblatt für Kärnten verpflichtet.
Entscheidungsgründe
römisch eins. Anlassverfahren, Prüfungsbeschluss und Vorverfahren
1. Beim Verfassungsgerichtshof ist zur Zahl E3608/2023 eine auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde anhängig, der folgender Sachverhalt zugrunde liegt:
Mit Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Villach vom 15. Mai 2023 wurde über den Beschwerdeführer als Obmann eines Vereines, welcher am Karfreitag, dem 7. April 2023, ein Konzert mit zwei Musikgruppen in einer Veranstaltungsstätte in Villach veranstaltete, eine Geldstrafe iHv € 400,– verhängt, weil gemäß §8 Abs3 des K-VAGVeranstaltungen iSd §2 Abs1 lita leg. cit. am Karfreitag verboten sind. Die gegen dieses Straferkenntnis erhobene Beschwerde wies das Landesverwaltungsgericht Kärnten mit Erkenntnis vom 29. September 2023 als unbegründet ab.
2. Bei der Behandlung der gegen diese Entscheidung gerichteten Beschwerde sind im Verfassungsgerichtshof Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §8 Abs3 K-VAG entstanden. Der Verfassungsgerichtshof hat daher am 25. Juni 2024 beschlossen, diese Gesetzesbestimmung von Amts wegen auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfen.
Der Verfassungsgerichtshof legt seine Bedenken, die ihn zur Einleitung des Gesetzesprüfungsverfahrens bestimmt haben, in seinem Prüfungsbeschluss wie folgt dar:
"Der Verfassungsgerichtshof geht vorläufig davon aus, dass die Beschwerde zulässig ist und die in Prüfung gezogene Bestimmung, soweit sie sich auf den Karfreitag bezieht, präjudiziell ist und die präjudiziellen Teile der Bestimmung eine untrennbare Einheit mit dem restlichen Teil der Rechtsvorschrift bilden.
[…] Der Verfassungsgerichtshof geht zunächst davon aus, dass §8 Abs3 K-VAG für den 24. Dezember und für den Karfreitag sowie für einen Teil des Karsamstags ein ausnahmsloses Veranstaltungsverbot vorschreibt, welches jede Art von öffentlicher Veranstaltung im Sinne des §2 Abs1 und 2 leg. cit. verbietet. So sind ua etwa Theatervorstellungen, Ausstellungen, sportliche Wettkämpfe und Vorführungen, Public-Viewing, Tanzveranstaltungen und eben auch Konzerte – ohne Bedachtnahme auf Ort und Ausgestaltung der Veranstaltung und ohne Rücksicht auf ihre Wirkung in der Öffentlichkeit – ausnahmslos untersagt.
Ein absolutes Veranstaltungsverbot im dargestellten Sinn könne – so die vorläufige Ansicht des Verfassungsgerichtshofes – allenfalls (und nur dann) gerechtfertigt werden, wenn die Abhaltung von jedweden öffentlichen Veranstaltungen in ein anderes Grundrecht in unverhältnismäßiger Weise derart eingreife, dass – wie anscheinend im vorliegenden Fall – eine Verletzung des nach Art9 EMRK garantierten Schutzes der Religionsausübung vorläge, also letztlich der 'religiöse Frieden' insgesamt gefährdet bzw die Ausübung des Glaubens behindert oder erheblich gestört werden würde vergleiche VfSlg 19.961/2015 zum – diese Schwelle nicht erreichenden – 'Tierkreuzzug' am Karsamstag).
Religion wie Kunst gehören – unabhängig voneinander, vielfach aber auch miteinander verschränkt – zu den Grundbedürfnissen einer zivilisierten Gesellschaft (VfSlg 20.558/2022). Selbst gegenüber der Kunstfreiheit nach Art17a StGG genießt – ungeachtet der Tatsache, dass die in Art17a StGG garantierte Freiheit der Kunst ohne Gesetzesvorbehalt gewährleistet ist und dennoch auch ein Künstler, wie der Verfassungsgerichtshof bereits in VfSlg 10.401/1985 dargetan hat, grundsätzlich in seinem Schaffen an die allgemeinen Gesetze gebunden bleibt (sog immanente Schranken der Kunstfreiheit; vergleiche dazu auch VfSlg 20.502/2021) – nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes weder das Grundrecht gemäß Art9 EMRK noch jenes der Versammlungsfreiheit gemäß Art11 EMRK eine 'Vorrangstellung', wonach der jeweils grundrechtlich geschützte Bereich als solcher mehr oder weniger zu schützen wäre.
[…] Vor diesem Hintergrund hegt der Verfassungsgerichtshof vorläufig das Bedenken, dass §8 Abs3 K-VAG – mag diese Bestimmung zur Gewährleistung der 'störungsfreien' Ausübung des Grundrechtes auf Religionsfreiheit bestehen – dadurch, dass er ein ausnahmsloses Veranstaltungsverbot für Veranstaltungen nach §2 Abs1 und 2 K-VAG normiert, in unsachlich generalisierender Weise versucht, dem Grundrecht auf Religionsfreiheit jedenfalls den Vorrang zu geben.
Bei dieser Beurteilung scheint auch zu bedenken zu sein, dass gemäß §1 Abs2 des Feiertagsruhegesetzes 1957, BGBl 153, in der Fassung Bundesgesetzblatt 264 aus 1967,, bis zum Jahr 2019 der Karfreitag als Feiertag 'für die Angehörigen der evangelischen Kirchen Ausschussbericht und HB, der Altkatholischen Kirche und der Methodistenkirche' galt; mit der Novelle Bundesgesetzblatt Teil eins, 22 aus 2019, wurde der Karfreitag als gesetzlicher Feiertag jedoch abgeschafft und blieb als (bloß) kirchlicher Feiertag bestehen.
Selbst wenn der Karfreitag ein Tag ist, der seine historischen Wurzeln in der Religion hat (VfSlg 20.379/2020), ist er vermutlich – so die vorläufige Auffassung des Verfassungsgerichtshofes – für viele Menschen in Österreich traditionell auch ein Tag der persönlichen Ruhefindung und Erholung; ob und inwieweit dieser Umstand eine Rechtfertigung für das absolute Veranstaltungsverbot am Karfreitag sein könnte, wird auch bei der Gesetzesprüfung (mit)abzuwägen sein.
[…] Darüber hinaus erschließt sich dem Verfassungsgerichtshof vorläufig nicht, dass es – stets die Wertung des Landesgesetzgebers zugrunde gelegt – durch die Abhaltung jedweder Veranstaltung jedenfalls zu einer Störung des 'religiösen Empfindens' kommen könnte, wenngleich andere 'Belustigungen' von vornherein nicht unter das Verbot zu fallen scheinen vergleiche die Ausnahmeregelungen in §1 Abs2 K-VAG).
[…] Im Gesetzesprüfungsverfahren wird zu prüfen sein, ob es aus Gründen des Schutzes des Karfreitags erforderlich ist, Veranstaltungen im Sinne des §2 Abs1 und 2 K-VAG schlechthin, also ausnahmslos, zu verbieten.
[…] Der Verfassungsgerichtshof hegt daher gegen §8 Abs3 K-VAG vorläufig das Bedenken, dass die Bestimmung gegen die Freiheit der Kunst (Art17a StGG), die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG und den Gleichheitsgrundsatz gemäß Art7 B-VG verstoßen könnte. Ein absolutes und strafbewehrtes Veranstaltungsverbot dürfte – so die vorläufige Einschätzung – überschießend und daher weder geeignet noch erforderlich sein, das (legitime) Ziel der ungestörten Religionsausübung zu erreichen. Eine verfassungskonforme Interpretation des §8 Abs3 K-VAG scheint angesichts des Wortlautes der Bestimmung ausgeschlossen."
3. Die Kärntner Landesregierung hat eine Äußerung erstattet, in der den im Prüfungsbeschluss dargelegten Bedenken wie folgt entgegengetreten wird (ohne die Hervorhebungen im Original):
"Zur Zulässigkeit
Die Grenzen der Aufhebung einer auf ihre Verfassungsmäßigkeit zu prüfenden Gesetzesbestimmung sind, wie der Verfassungsgerichtshof sowohl für von Amts wegen als auch für auf Antrag eingeleitete Gesetzesprüfungsverfahren wiederholt dargelegt hat (VfSlg 13.965/1994 mwN, 16.542/2002, 16.911/2003), notwendig so zu ziehen, dass einerseits der verbleibende Gesetzesteil nicht einen völlig veränderten Inhalt bekommt und dass andererseits die mit der aufzuhebenden Gesetzesstelle untrennbar zusammenhängenden Bestimmungen (mit)erfasst werden.
Seitens der Kärntner Landesregierung wird nicht in Abrede gestellt, dass in dem dem Gesetzesprüfungsverfahren zu Grunde liegenden Beschwerdeverfahren nach Art144 B-VG die Bestimmung des §8 Abs3 Kärntner Veranstaltungsgesetzes 2010 – K-VAG 2010 zur Anwendung gelangt.
In der Sache
[…] Der Karfreitag ist in der christlichen Theologie der Tag der Kreuzigung und des Todes Jesu Christi. Als solcher nimmt dieser Tag in der christlichen Theologie eine besondere Stellung ein. Anhängern protestantischer Kirchen gilt der Karfreitag vielfach als höchster Feiertag des Kirchenjahres (siehe hierzu Bieritz, Das Kirchenjahr, 20016, 125 f). Nach christlichem Glauben wurde Jesus Christus an diesem Tag nach Golgota geführt, gekreuzigt und verstarb schließlich um die neunte Stunde (Mt 27, 31-56; vergleiche Bieritz, Kirchenjahr6, 123). Während in den ersten Jahrhunderten der Karfreitag nicht gottesdienstlich begangen wurde, ist bereits zu dieser frühen Zeit der Brauch bezeugt, am Karfreitag und Karsamstag zum Gedenken an den Tod und die Grabesruhe Jesu zu fasten ('Trauerfasten', näher hierzu Bieritz, Kirchenjahr6, 124). Ab dem 4. Jahrhundert finden sich dann Hinweise auf gottesdienstliche Feiern in der Karwoche und am Karfreitag, welche ab dem 7. Jahrhundert einen Wortgottesdienst, die Kreuzverehrung und die Kommunion umfassten (Bieritz, Kirchenjahr6, 124 f).
Seit dem 9. Jahrhundert ist der Brauch bekannt, ein verhülltes Kreuz in die Kirche zu tragen, wo es enthüllt und verehrt wurde (Bieritz, Kirchenjahr6, 125). Der Zeitpunkt der gottesdienstlichen Feier orientierte sich ursprünglich an der Todesstunde Jesu (die neunte Stunde), wurde im Mittelalter später auf den Vormittag verlegt, bis die Feier im Zug der Neuordnung der Karwochenliturgie 1955/1956 in der katholischen Kirche schließlich wieder am Nachmittag, in der Regel gegen 15 Uhr, zelebriert wurde bzw wird (Bieritz, Kirchenjahr6, 125 f). In der evangelischen Kirche findet hingegen der Hauptgottesdienst am Vormittag des Karfreitages statt (Bieritz, Das Kirchenjahr, 20016, 126). Der Karsamstag ist der Tag der Grabesruhe. Nach christlicher Lehre sind die Gläubigen am Karfreitag zu Fasten und Abstinenz angehalten, wobei diese Zurückhaltung auch am Karsamstag fortgesetzt werden soll (siehe etwa Die Messfeier – Dokumentensammlung. Auswahl für die Praxis, 201512, 267, 270). Der Karfreitag und der Karsamstag (bis zum Auferstehungsgottesdienst) waren daher aufgrund ihrer Entstehungsgeschichte vor allem Tage der Stille und der Abstinenz, an denen Zurückhaltung von öffentlichen Belustigungen und Vergnügungen geboten war.
Am 24. Dezember wird wiederum der Geburt Jesu Christi gedacht. Die gottesdienstliche Feier von Weihnachten beginnt nach katholischer Praxis mit der Vigilmesse vom Vorabend, dh am Heiligen Abend (Bieritz, Kirchenjahr6, 196). In der evangelischen Kirche beginnt die Feier des Weihnachtsfestes in der Regel mit der Christvesper am Heiligen Abend (Bieritz, Kirchenjahr6, 197). Der Heilige Abend leitet die Heilige Nacht (Christnacht) ein. Anzumerken ist, dass bereits beginnend mit dem 4. Jahrhundert in Rom der Brauch feststellbar war, den 25. Dezember als Geburtsfest Jesu Christi zu feiern (Bieritz, Kirchenjahr6, 187). Ähnlich wie dem Osterfest wurde im Lauf der frühchristlichen Geschichte auch dem Weihnachtsfest eine eigene Vorbereitungszeit (Advent) vorangestellt und es erhielt eine eigene Festwoche (Oktav) sowie eine darüber hinaus reichende Festzeit (Weihnachtszeit; näher hierzu Bieritz, Kirchenjahr6, 187).
[…] Von der religiösen und kulturanthropologischen Bedeutung des Karfreitages, des Karsamstages und des 24. Dezembers ist allerdings die rechtliche Stellung dieser Tage zu unterscheiden: Sowohl dem Karfreitag als auch dem Karsamstag kamen – möglicherweise aufgrund der katholischen Prägung Österreichs – lange Zeit kein feiertagsgesetzlicher Schutz zu, an denen die Arbeit zu ruhen hatte. Aus Sicht der Kärntner Landesregierung kann daher aus dem Umstand, dass mit der Novelle Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 22 aus 2019, dem Karfreitag der Schutz als gesetzlicher Feiertag für die Angehörigen der evangelischen Kirchen Ausschussbericht und HB, der Altkatholischen Kirche und der Methodistenkirche entzogen wurde, nicht der Schluss gezogen werden, dass die Abschaffung des Karfreitages als gesetzlicher Feiertag gegen die Verfassungsmäßigkeit der Regelung des §8 Abs3 K-VAG 2010 spricht, da der feiertagsgesetzliche Schutz des Karfreitages und des Karsamstages mit den veranstaltungspolizeilichen Einschränkungen an diesen Tagen historisch betrachtet ohnehin nur phasenweise miteinander korrelierte. So zählten weder der Karfreitag noch der Karsamstag noch der 24. Dezember nach der Apostolischen Konstitution Universa per Orbem vom 13. September 1642 zu jenen Tagen, die als kirchliche Feiertage geboten waren (näher hierzu Wieshaider, Aller heilige Zeiten und das staatliche Recht, öarr 2019, 339 ff). Auch in der von Maria Theresia mit 6. Oktober 1771 verordneten Liste an Feiertagen, an welchen 'dem alten Gesetze der katholischen Kirche zu Folge alle Schriftgläubige dem heiligen Meßopfere beizuwohnen, von knechtlichen Arbeiten sich zu enthalten, und an derselben Vorabenden auferlegtermaßen zu fasten schuldig, und hierzu verhalten waren', fanden sich die besagten Tage nicht (Theresanisches Gesetzbuch VI/1344, S 407 ff; siehe hierzu auch Wieshaider, öarr 2019, 339 ff). Auch nach dem ersten allgemeinen staatlichen Feiertagsgesetz, dem Bundesgesetz vom 27. Jänner 1933 über die Regelung der Feiertagsruhe, Bundesgesetzblatt Nr 31 aus 1933,, kam weder dem Karfreitag noch dem Karsamstag noch dem 24. Dezember ein Schutz im Sinne einer angeordneten Arbeitsruhe zu. Auch völkerrechtlich verpflichtete sich die Republik Österreich in dem Konkordat mit dem Heiligen Stuhl nicht zu einem entsprechenden Schutz dieser Tage vergleiche ArtIX des Konkordats zwischen dem Heiligen Stuhle und der Republik Österreich samt Zusatzprotokoll, Bundesgesetzblatt Teil 2, Nr 2 aus 1943,, und die hierin enthaltene Aufzählung der von der Republik Österreich anerkannten von der Kirche festgesetzten Feiertage). 1955 kam es zu einer Erweiterung der staatlichen Feiertage, indem der 8. Dezember wieder in die Liste der staatlichen Feiertage aufgenommen wurde und zusätzlich der Karfreitag zum Feiertag für die Angehörigen der Evangelischen Kirchen Ausschussbericht und HB, der Altkatholischen Kirche und der Methodistenkirche erklärt wurde (Bundesgesetz vom 18. November 1955, womit das Feiertagsruhegesetz, StGBl. Nr 116/1945, neuerlich ergänzt wird, BGBl Nr 228/1955; vergleiche Wieshaider, öarr 2019. 339 ff). Mit dem bereits zitierten Bundesgesetz, mit dem das Arbeitsruhegesetz, das Bäckereiarbeiter/innengesetz 1996, das Feiertagsruhegesetz 1957, das Landarbeitsgesetz 1984 und das Land- und Forstarbeiter-Dienstrechtsgesetz geändert werden, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 22 aus 2019,, entfiel für die Angehörigen der genannten Konfessionen der Schutz des Karfreitages als gesetzlicher Feiertag. Hintergrund der Gesetzesänderung waren Bedenken des EuGH gegen die bis dato geltende Rechtslage aufgrund ihrer Wirkung als unmittelbare Diskriminierung aufgrund der Religion (EuGH 25.7.2018, Cresco Investigation GmbH/Markus Achatzi, Rs C-193/17).
Für den 24. Dezember bestand hingegen weder in der Vergangenheit ein feiertagsgesetzlicher Schutz noch zählt er derzeit zu den nach §7 Abs2 Arbeitsruhegesetz bzw §1 Abs1 Feiertagsruhegesetz 1957 festgelegten gesetzlichen Feiertagen, wobei kollektivvertraglich hiervon teilweise Abweichendes bestimmt wird vergleiche hierzu etwa im Allgemeinen Wiesinger, Rechtsfragen zur Arbeitsfreistellung durch Kollektivvertrag. Der sogenannte kollektivvertragliche Feiertag, ASoK 2020, 221 ff; vergleiche im gegenständlichen Zusammenhang etwa auch §15 des Kollektivvertrages für Musiker in Konzertlokal-, Musik- und Tanzbetrieben, Angestellte, gültig ab 1.5.2023, in Bezug auf den Gehaltsanspruch an 'Normatagen', wozu der 24. Dezember und der Karfreitag zählen; siehe dazu näher unter Punkt 4.3).
[…] Das zeitliche Veranstaltungsverbot, wie es in Kärnten in §8 Abs3 K-VAG 2010 im Wesentlichen inhaltlich unverändert seit dem Gesetz vom 7. Juli 1955, LGBl Nr 26, betreffend das Verbot öffentlicher Tanzunterhaltungen, anderer öffentlicher Belustigungen und Theatervorstellungen an bestimmten Tagen statuiert ist, bildet einen Teil der (präventiven) Veranstaltungspolizei und als solche einen Teil der Verwaltungspolizei (siehe zum Begriff der präventiven Veranstaltungspolizei Lebitsch, Probleme präventiver Veranstaltungspolizei im Lichte der Kunstfreiheit, ÖJZ1984, 477 ff). Während die allgemeine Sicherheitspolizei in Gesetzgebung und Vollziehung Bundessache ist (Art10 Abs1 Z7 B-VG, Art102 Abs2 B-VG), folgt die Kompetenz zur Regelung und Vollziehung der Verwaltungspolizei, soweit es sich nicht um Angelegenheiten der Sicherheitsverwaltung (Art10 Abs1 Z3 und 7 B-VG, Art102 Abs2 B-VG, §3 SPG) handelt, der jeweiligen Regelungskompetenz der Materie. Im Falle des Veranstaltungswesens kommt daher gem. Art15 Abs1 B-VG den Ländern die Gesetzgebungs- und Vollziehungskompetenz zu, wobei sich aus Art15 Abs3 B-VG und Art118 Abs3 Z3 BVG hinsichtlich der Vollziehung von diesem Grundsatz gewisse Einschränkungen ergeben (siehe hierzu auch die Ausführungen in den Erläuterungen zum K-VAG 2010, ErlRV -2V-LG-1315/37-2010, S 10 f). Die Verwaltungspolizei ist nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes als besondere Polizei einzelner Verwaltungsgebiete zu verstehen, 'die nicht ausschließlich polizeilichen Charakter haben, sondern darüber hinaus und sogar vorzugsweise den Zweck der Förderung des Wohles des einzelnen und des Gemeinschaftslebens verfolgen, mögen sie auch vielfach geeignet sein, sonst allenfalls zu befürchtende Störungen der öffentlichen Ruhe, Ordnung und Sicherheit hintanzuhalten' (VfSlg 3201/1957; 5910/1969; ähnlich auch VfSlg 8155/1977). Besonders ist eine Gefahr dann, wenn sie einer konkreten Verwaltungsmaterie zuzuordnen ist, dh ausschließlich oder doch überwiegend materienimmanent auftritt (Wiederin, Einführung in das Sicherheitspolizeirecht,1998, Rz 92 f). Konstitutiv ist nun allen veranstaltungsrechtlichen Regelungen, dass sie das Ziel verfolgen, Gefährdungen aller Art, welche durch Veranstaltungen hervorgerufen werden können, oder unzumutbare Beeinträchtigungen Dritter, sei es durch die Veranstaltung selbst, sei es durch die dafür nötigen Ausstattungen, wie zB durch Veranstaltungsstätten udgl., zu vermeiden (Lienbacher, Veranstaltungsrecht, in Bachmann ua (Hrsg.), Besonderes Verwaltungsrecht, 201611, 595 [599]). Bereits die theaterpolizeilichen Regelungen in der Monarchie bezweckten sowohl den Schutz der Bevölkerung als auch der Veranstalter (Lebitsch, ÖJZ1984, 478).
Im Zusammenhang mit dieser Gefahrenabwehr geht der jeweilige Landesgesetzgeber im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsspielraumes durchaus unterschiedlich vor, was sich sowohl in einer unterschiedlichen Wertung der von einzelnen Veranstaltungen ausgehenden Gefahren (und der darin anknüpfenden Bewilligungs-, Mitteilungs- oder Anzeigeverpflichtungen) als auch in der unterschiedlichen Herangehensweise an das Verbot von Veranstaltungen manifestiert. Diese verschiedenen, vom Landesgesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums vorgenommenen Wertungen spiegeln sich auch in einer unterschiedlichen Herangehensweise wider, ob an bestimmten Tagen aufgrund ihrer christlichen Bedeutung eine 'Veranstaltungsruhe' gelten soll. Eine solche Veranstaltungsruhe hat der Kärntner Landesgesetzgeber aufbauend auf den veranstaltungspolizeilichen Regelungen der Monarchie bereits 1955 (siehe Landesgesetzblatt Nr 26 aus 1955,) angeordnet. In Bezug auf letztere ist insbesondere auf die Vorschrift in Ansehung der Lustbarkeiten zu heiligen Zeiten, Pol. G.S. Nr 58/1826, auf die Vorschriften zur Sicherung der genauen Beobachtung der, hinsichtlich der Tanzmusiken, und gemachten höchsten Entschließung, Pol. G.S. Nr 60/1827, sowie auf die Verordnung des Ministeriums für Landesverteidigung und öffentliche Sicherheit, des Ministeriums für Kultus und Unterricht und des Ministeriums des Inneren vom 1. Juli 1868 betreffend eine Änderung des Verbotes von Theater-Vorstellungen an bestimmten Tagen, RGBl. Nr 81/1868, hinzuweisen. Der Karfreitag, der Karsamstag und der 24. Dezember waren von diesen sog 'Norma-Tagen' stets umfasst (siehe hierzu etwa Mayrhofer/Pace, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst römisch IV [1901], 491, 1372). Das in Frage stehende Veranstaltungsverbot nach §8 Abs3 K-VAG 2010 ist von dem Gedanken des besonderen Schutzes des Karfreitages und des Karsamstages im Andenken an die Kreuzigung Jesu Christi und der Grabesruhe sowie dem Andenken an die Geburt Jesu Christi getragen und verfügt, wie aufgezeigt, über eine lange historische Tradition. Die von §8 Abs3 K-VAG 2010 verfolgte Gefahrenabwehr dient damit zweifelsohne – freilich nicht als ausschließlicher Zweck – dem Schutz religiöser Gefühle der Gläubigen und damit letztlich dem Schutz des religiösen Friedens (näher hierzu unter Punkt 4.7). Durch das in §8 Abs3 K-VAG 2010 statuierte Veranstaltungsverbot soll der ernste Charakter dieser Tage nach christlicher Tradition geschützt werden. Es soll damit die Möglichkeit eingeräumt werden, diese in der christlichen Tradition wichtigen Tage als 'Tag der besonderen Stille' zu begehen (siehe hierzu BVerfG 27.10.2016, 1BvR 458/10 in Bezug auf den Karfreitag), auch wenn ihnen kein feiertagsgesetzlicher Schutz zukommt. Als zeitliche Beschränkung wirkt das in §8 Abs3 K-VAG 2010 konstituierte Verbot zudem insoweit 'relativ', als es nur an bestimmten Tagen bzw zu bestimmten Zeiten eine an sich erlaubte Veranstaltung verbietet (zu dieser Unterscheidung Lebitsch, ÖJZ1984, 480).
[…] Anknüpfend an die im Prüfungsbeschluss geäußerten Bedenken, dass aus Sicht des Verfassungsgerichtshofes nicht ersichtlich ist, dass es durch die Abhaltung jedweder Veranstaltungen zu einer Störung des 'religiösen Empfinden' kommen kann, wenngleich andere 'Belustigungen' mit Blick auf die Ausnahmeregelungen in §1 Abs2 K-VAG 2010 von vornherein nicht unter das Verbot zu fallen scheinen, wird seitens der Kärntner Landesregierung darauf hingewiesen, dass Regelungsgegenstand des Veranstaltungswesens grundsätzlich öffentliche Schaustellungen bzw Darbietungen sind, die der Belustigung, Unterhaltung bzw der persönlichen Erbauung oder Information der Teilnehmer dienen, unabhängig davon, ob diese entgeltlich oder unentgeltlich durchgeführt werden (Lienbacher, Veranstaltungsrecht, in Bachmann, Besonderes Verwaltungsrecht11, 599). Die in §1 K-VAG 2010 vorgenommene Definition des Anwendungsbereiches des Gesetzes erklärt sich zum einen aus kompetenzrechtlichen Gründen (siehe hierzu etwa die Ausnahmebestimmung des §1 Abs2 lita K-VAG 2010 sowie insbesondere VfSlg 18.096/2007), zum anderen ist sie vor dem Hintergrund der Notwendigkeit der veranstaltungspolizeilichen Überwachung zu verstehen, da die Überwachung bzw ordnungsgemäße Durchführung dieser Veranstaltungen entweder aufgrund anderer Regelungsregime gesichert ist (so zB in Bezug auf Betriebsstätten gewerberechtlich bewilligter Gastgewerbebetriebe, soweit die in diesen stattfindenden Veranstaltungen vom Umfang der erteilten gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung umfasst sind; Landesausspielungen mit Glücksspielautomaten; die Durchführung von Peep-Shows, Stripteasevorführungen, Table-Dance und ähnlichen erotischen Tanzvorführungen oder Darbietungen, soweit darauf das Kärntner Prostitutionsgesetz anzuwenden ist) oder eine solche Überwachung erfahrungsgemäß entbehrlich erscheint (so etwa in Bezug auf Aussteillungen in und von Museen und Archiven oder Veranstaltungen, die nach ihrer Art historisch im Volksbrauchtum begründet sind [VfSlg 18.096/2007], sowie die Erteilung von Tanzunterricht). Die Tatsache, dass das in §8 Abs3 K-VAG 2010 statuierte zeitliche Veranstaltungsverbot nur für Veranstaltungen gilt, die nach §1 leg. cit. in den Anwendungsbereich des Gesetzes fallen, spricht daher aus Sicht der Kärntner Landesregierung nicht gegen die sachliche Rechtfertigung dieses Verbotes.
[…] Ein Blick in die einfachgesetzliche Rechtsordnung zeigt zudem, dass zumindest der Karfreitag in der Rechtsordnung eine besondere Stellung einnimmt, und dies unabhängig von einem zeitweise eingeräumten feiertagsgesetzlichen Schutz für die Angehörigen bestimmter gesetzlich anerkannter protestantischer Kirchen. So nimmt etwa eine Vielzahl wahl- und verfahrensgesetzlicher Bestimmungen auf den Karfreitag Rücksicht bzw hebt diesen gesondert neben den gesetzlichen Feiertagen hervor vergleiche etwa §33 Abs2 AVG, wonach in jenen Fällen, in denen das Ende einer Frist auf einen Samstag, Sonntag, gesetzlichen Feiertag, den Karfreitag oder den 24. Dezember fällt, der nächste Tag, der nicht einer der genannten Tage ist, als letzter Tag der Frist anzusehen ist; ähnlich etwa auch §126 Abs2 ZPO; siehe etwa §123 Abs1 Nationalrats-Wahlordnung 1992, wonach der Beginn und der Lauf einer in diesem Bundesgesetz vorgesehenen Frist durch Sonntage oder gesetzliche Feiertage nicht behindert wird, wobei dasselbe für Samstage und den Karfreitag gilt). Auch dem 24. Dezember kommt – neben den bereits erwähnten verfahrensrechtlichen Bestimmungen – in der einfachgesetzlichen Rechtsordnung zur Wahrung des besonderen Charakters dieses Tages teilweise ebenso eine besondere Bedeutung zu: So dürfen etwa an diesem Tag, sofern er auf einen Werktag fällt, Verkaufsstellen nur von 6.00 Uhr bis 14.00 Uhr offengehalten werden (siehe §6 Abs1 Öffnungszeitengesetz 2003, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 48 aus 2003, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 62 aus 2007,, wobei für Süßwaren, Naturblumen und Christbäume Sonderregelungen bestehen). Im gegenständlichen Zusammenhang nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben sollte zudem, dass auch nach §14 Abs3 des ORF-Gesetzes Sendezeiten für Werbung am Karfreitag sowie am 1. November und am 24. Dezember nicht vergeben werden dürfen. Auch dies spricht für den Schutz dieser Tage als 'Tag der besonderen Stille' (BVerfG 27.10.2016, BvR 458/10, Rz 72; siehe hierzu näher im Folgenden).
[…] Wie das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) mit Beschluss vom 27. Oktober 2016, 1 BvR 458/10 (Rz 72), in einem ähnlichen Zusammenhang konstatierte, bezweckt der Gesetzgeber mit den besonderen Vorschriften zum Karfreitagsschutz und ihren Unterlassungspflichten, der christlichen Bevölkerung die äußeren Bedingungen zu schaffen, um den Tag bedeutungsgerecht zu begehen. Diese würden darüber hinaus 'einen Tag der besonderen Stille mit Wirkung gegenüber allen und damit auch dem nicht religiös-christlichen Teil der Bevölkerung' schaffen. Aus Sicht des BVerfG sei es 'im Sinne der synchronen Taktung des sozialen Lebens' daher nicht zu beanstanden, wenn der Gesetzgeber einen Tag auf besondere Weise ausgestalte. Wenngleich der Karfreitag in Österreich keinen gesetzlichen Feiertag (mehr) darstellt, gestaltet ihn die einfachgesetzliche Rechtsordnung doch teilweise als Tag mit einem 'besonderen Ruheschutz' aus. Der Kärntner Landesgesetzgeber hat aufbauend auf den veranstaltungspolizeilichen Regelungen der Monarchie (siehe insbesondere RGBl. Nr 81/1868) beginnend mit 1955 für den Karfreitag, den 24. Dezember und teilweise für den Karsamstag einen besonderen Ruheschutz angeordnet, indem er Veranstaltungen im Geltungsbereich des Veranstaltungsgesetzes, welche im Kern öffentliche Darbietungen, Belustigungen und Unterhaltungen beinhalten, verbietet. Er schafft damit im Rahmen des ihm zukommenden Gestaltungsfreiraumes bezogen auf diesen Regelungsbereich einen äußeren Rahmen, um 'an kulturelle, geschichtliche und religiöse Grundlagen zu erinnern' (siehe hierzu BVerfG 27.10.2016, BvR 458/10, Rz 75 mit Verweis auf die Gesetzesmaterialien). Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss selbst konstatiert, sei der Karfreitag trotz seiner religiösen Wurzeln (vermutlich) für viele Menschen in Österreich traditionell auch ein Tag der persönlichen Ruhefindung und Erholung. Feiertage verfolgen heute überwiegend profane Ziele der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung, mag die konkrete Auswahl der Feiertage auch ursprünglich religiös begründet gewesen sein, da die damit verfolgten Ziele allen Menschen, unbeschadet einer religiösen Bindung, zuteilwerden können sollen (VfSlg 20.379/2020). Diese Überlegung kann aus Sicht der Kärntner Landesregierung auch auf den Karfreitag übertragen werden, auch wenn ihm ungeachtet seiner religiösen und kulturanthropologischen Bedeutung im christlichen Glauben in der Vergangenheit nur ein partieller feiertagsgesetzlicher Schutz zugekommen ist, welcher mit der Novelle Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 22 aus 2019, zur Gänze entfiel. Ähnliches ist für den Karsamstag (siehe hierzu auch VfSlg 19.961/2015) und den 24. Dezember anzunehmen.
[…] Das in §8 Abs3 K-VAG 2010 verankerte Veranstaltungsverbot am Karfreitag, an Teilen des Karsamstages sowie am 24. Dezember dient auch dem Schutz der religiösen Gefühle der Gläubigen und damit letztlich dem Schutz des religiösen Friedens. Eine Schutzpflicht des Staates zu Gunsten des religiösen Friedens kann auf Art9 EMRK gestützt werden (näher hierzu Grabenwarter, Kommentierung zu Artikel 9 EMRK, in Korinek/Holoubek/Bezemek/Fuchs/Martin/Zellenberg [Hrsg.], Österreichisches Bundesverfassungsrecht, 2003, 6. Lfg, Art9 EMRK Rz 48). Nach der Rechtsprechung des EGMR können aus Art9 EMRK in bestimmten Fällen staatliche Gewährleistungspflichten resultieren (Grabenwarter/Pabel, Europäische Menschenrechtskonvention, 20217, §22 Rz 135). Der Staat hat hiernach im Hinblick auf die Gewährleistung einer Pluralität der Religionen und Weltanschauungen für den religiösen Frieden zu sorgen, um in einem Klima von gesellschaftlicher Toleranz dem Einzelnen die ungestörte Religionsausübung zu gewährleisten (Grabenwarter/Pabel, EMRK7, §22 Rz 137). Nach Ansicht des EGMR sind die Staaten dafür verantwortlich, in neutraler und unparteiischer Weise sicherzustellen, dass verschiedene Religionen, Glaubensrichtungen und Überzeugungen ausgeübt werden können, und sie haben dazu beizutragen, dass die öffentliche Ordnung sowie religiöser Friede und Toleranz in einer demokratischen Gesellschaft, insbesondere zwischen gegnerischen Gruppen erhalten bleiben. Dies betrifft nach Ansicht des EGMR gleichermaßen die Beziehungen zwischen Gläubigen und Nicht-Gläubigen wie auch diejenigen zwischen den Anhängern verschiedener Religionen, Glaubensrichtungen und Überzeugungen (EGMR, 18.3.2011, Lautsi, Große Kammer, ApplNr 30.814/06, Rz 60). Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Erkenntnis VfSlg 19.961/2015 selbst betonte, ist nach der Judikatur des EGMR zu Art9 EMRK unter dem Titel 'Religionsausübungsfreiheit' auch der Schutz religiöser Gefühle vor Beleidigung durch Dritte zu verstehen. Bereits zuvor hatte der EGMR in der Rs Otto Preminger Institut anerkannt, dass die in Frage stehende Beschlagnahme und Einziehung eines Films ('Liebeskonzil' von Werner Schroeter), die einen Eingriff in die Meinungsäußerungsfreiheit nach Art10 EMRK zugunsten der Religionsfreiheit nach Art9 EMRK darstellte, auf den 'Schutz der Rechte anderer' in Form der Achtung der religiösen Gefühle von Gläubigen abzielten (EGMR, 20.9.1994, Otto Preminger Institut, ApplNr 13470/87, Rz 48). Aus Sicht des EGMR kann ein Staat es berechtigterweise als notwendig erachten, Maßnahmen zu ergreifen, die darauf abzielen, bestimmte Verhaltensformen zu unterdrücken, einschließlich der Weitergabe von Nachrichten und Ideen, die mit der Achtung der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit anderer für unvereinbar gehalten werden (EGMR, 20.9.1994, Otto Preminger Institut, ApplNr 13470/87, Rz 47). Die Achtung religiöser Gefühle von Gläubigen, wie sie in Art9 EMRK garantiert werde, könne durch provokante Darstellung von Objekten religiöser Verehrung berechtigterweise als verletzt angesehen werden; solche Darstellungen können als böswillige Verletzung des Geistes der Toleranz angesehen werden, der ebenfalls einen Wesenszug einer demokratischen Gesellschaft darstellen muss (EGMR, 20.9.1994, Otto Preminger Institut, ApplNr 13470/87, Rz 47). Der Gerichtshof führt an anderer Stelle aus, dass es ähnlich wie im Fall der 'Moral' nicht möglich sei, ein für ganz Europa gültiges Konzept für die Bedeutung der Religion in der Gesellschaft zu entwickeln; solche Konzepte könnten selbst innerhalb eines einzigen Landes variieren (EGMR, 20.9.1994, Otto Preminger Institut, ApplNr 13470/87, Rz 50). Aus diesem Grunde sei den innerstaatlichen Behörden ein gewisser Ermessensspielraum einzuräumen, wenn sie das Vorliegen und das Ausmaß der Notwendigkeit eines solchen Eingriffs zu beurteilen hätten (EGMR, 20.9.1994, Otto Preminger Institut, ApplNr 13470/87, Rz 50). Aus Sicht des EGMR waren die österreichischen Behörden in der Rs Otto Preminger Institut, als sie den betreffenden Film beschlagnahmten, folglich zur Gewährleistung des religiösen Friedens tätig geworden sowie um zu verhindern, dass sich Einzelne in ihren religiösen Anschauungen in einer unverantwortlichen und beleidigenden Weise angegriffen fühlten (EGMR, 20.9.1994, Otto Preminger Institut, ApplNr 13470/87, Rz 56). Grabenwarter geht im Zusammenhang mit dem Urteil des EGMR in der Rs Otto Preminger Institut der Frage nach, inwieweit der 'Schutz der religiösen Gefühle' und in weiterer Folge der 'religiöse Friede' vom Grundrecht des Art9 EMRK erfasst ist. In Bezug auf den Schutz religiöser Gefühle betont Grabenwarter, dass dieser auf die Herstellung eines Klimas von gesellschaftlicher Toleranz und Frieden in Glaubensfragen gerichtet sei, welches die ungestörte Ausübung der Religionsfreiheit gewährleiste (Grabenwarter, Filmkunst im Spannungsfeld zwischen Freiheit der Meinungsäußerung und Religionsfreiheit, ZaöRV 1995, 128 [147]). Der 'religiöse Friede' wiederum sei einerseits Voraussetzung für die Erfüllung der Schutzpflicht zugunsten der Rechte der einzelnen Gläubigen (nach Art9 EMRK) und andererseits gleichzeitig deren Begrenzung (Grabenwarter, ZaöRV 1995, 147). Die Sicherung des religiösen Friedens sei zwar zunächst eine besondere Ausprägung der Aufrechterhaltung der Ordnung, letztlich sei die Aufrechterhaltung des religiösen Friedens aber auf den Schutz der Rechte des individuellen Gläubigen bezogen (Grabenwarter, ZaöRV 1995, 147). Geschützt werde nicht eine bestimmte Religion als solche oder der Inhalt einer bestimmten Glaubenslehre, sondern öffentlicher Friede und Toleranz in der religiösen Auseinandersetzung (Grabenwarter, ZaöRV 1995, 148).
Aus Sicht der Kärntner Landesregierung lässt sich der Judikatur des EGMR deutlich entnehmen, dass den Mitgliedstaaten bei der Ausgestaltung dessen, wie der religiöse Friede in einer Gesellschaft gewahrt werden soll, ein entsprechender Ermessensspielraum zukommt, der auch innerhalb eines Staates variieren kann. Die Kärntner Landesregierung verkennt hierbei nicht, dass die anderen Bundesländer im Rahmen ihrer Veranstaltungsgesetze einen anderen Weg eingeschlagen haben, indem sie einen besonderen Schutz des Karfreitages, des 24. Dezembers und von Teilen des Karsamstages nicht bzw nicht mehr oder in Form einer 'qualitativen Zulässigkeitsschranke' vorsehen vergleiche etwa §2 Abs1 Z3 Niederösterreichisches Veranstaltungsgesetz ['geeignet sind, den Charakter dieser Tage zu stören oder religiöse Gefühle der Bevölkerung zu verletzen'], §22 Abs1 Salzburger Veranstaltungsgesetz 1997 ['die den Charakter dieser Tage stören oder die religiösen Gefühle der Bevölkerung zu verletzen geeignet sind'], §16 Abs1 Burgenländisches Veranstaltungsgesetz in Bezug auf den Karfreitag und den 24. Dezember ['die den Charakter dieser Tage stören oder die religiösen Gefühle der Bevölkerung zu verletzen geeignet sind']). Dieser Umstand hindert aus Sicht der Kärntner Landesregierung jedoch nicht, die betreffenden Tage landesgesetzlich als Tage der besonderen Stille auszugestalten, an welchen Veranstaltungen zu ruhen haben.
Auch der Verfassungsgerichtshof hat in seiner Rechtsprechung unter Rückgriff auf die Judikatur des EGMR eine aus Art9 EMRK erfließende Notwendigkeit des Schutzes des religiösen Friedens anerkannt. Nach Ansicht des Verfassungsgerichtshofes verfolgt der EGMR in seiner Rechtsprechung das Ziel, nicht nur subjektive Empfindungen einzelner Personen zu schützen, sondern er prüfe vielmehr, ob der 'religiöse Friede' insgesamt gefährdet werde. Eine Gefährdung des 'religiösen Friedens' verstünde der EGMR, so der Verfassungsgerichtshof weiter, jedoch in einem weiten Sinn, nämlich der Gefährdung der Aufrechterhaltung der Ordnung des Gemeinschaftslebens (VfSlg 19.961/2015 unter Hinweis auf Grabenwarter, ZaöRV 1995, 149). Der Schutz religiöser Gefühle iSd Art9 EMRK liegt somit nicht allein im Interesse einzelner Gläubiger, sondern ist letztlich auf die Herstellung des religiösen Friedens insgesamt gerichtet (Schmoll/Vašek, Rechtlicher Schutz religiöser Empfindungen? JAP 2008/2009, 23 ff).
Eine zentrale Stellung zum Schutz des religiösen Friedens nimmt in der einfachgesetzlichen Rechtsordnung der 8. Abschnitt des StGB ein, der in seinen §§188 bis 191 strafbare Handlungen gegen den religiösen Frieden und die Ruhe der Toten unter gerichtliche Strafe stellt. Der religiöse Friede ist hierbei als Teil des öffentlichen Friedens im Sinne eines friedlichen Nebeneinanders verschiedener Kirchen und Religionsgemeinschaften untereinander und mit denjenigen, die keiner solchen angehören, zu verstehen (OGH, 11.12.2013, 15 Os 52/12d; Sadoghi, in Höpfel/Ratz [Hrsg.], Wiener Kommentar zum Strafgesetzbuch, 2. Aufl., Vor §§188-191 Rz 2 mwN [Stand 1.3.2020, rdb.at]). Nach den Erläuterungen zur Stammfassung dieser Bestimmungen liegt sowohl den Vorschriften gegen die Störung des religiösen Friedens als auch den ebenfalls in diesem Abschnitt enthaltenen Bestimmungen zum Schutz der Totenruhe der Gedanke des Schutzes der Pietät zugrunde vergleiche ErlRV 30 BlgNR römisch XIII. GP, S 328). Intention der Bestimmungen zum Schutz des religiösen Friedens war somit von Beginn an auch ein Schutz der Frömmigkeit (siehe Mayer-Vidovic/Tipold, in Hinterhofer [Hrsg.], Salzburger Kommentar zum Strafgesetzbuch, Vorbem §§188-181 StGB, 24. Lfg. Mai 2011, Rz 6). Wie bereits dargelegt, liegt auch §8 Abs3 K-VAG 2010 durchaus ein vergleichbarer Schutzzweck zu Grunde, denn auch diese Bestimmung dient dem Schutz der religiösen Gefühle der Gläubigen und dem religiösen Frieden.
[…] Seitens der Kärntner Landesregierung wird nicht in Abrede gestellt, dass die in Prüfung gezogene Bestimmung des §8 Abs3 K-VAG 2010, wie im Prüfungsbeschluss dargelegt, geeignet ist, in die Freiheit der Kunst nach Art17a StGG, die Erwerbsausübungsfreiheit gemäß Art6 StGG und den Gleichheitssatz gemäß Art7 B-VG einzugreifen. Das mit §8 Abs3 K-VAG 2010 verfolgte Ziel der Beschränkung von (öffentlichen) Veranstaltungen, die dem Regelungsregime des K-VAG 2010 unterliegen, den Karfreitag, den Karsamstag und den 24. Dezember im Hinblick auf deren ernsten Charakter nach christlicher Tradition als stille, veranstaltungsfreie Tage zu gestalten, ist aus Sicht der Kärntner Landesregierung geeignet, die damit bezweckten Ziele, nämlich den Schutz der religiösen Gefühle der Gläubigen und des religiösen Friedens zu erreichen. Wie der Verfassungsgerichtshof in seinem Prüfungsbeschluss selbst annimmt, ist der Karfreitag trotz seiner religiösen Wurzeln für viele Menschen in Österreich traditionell auch ein Tag der persönlichen Ruhefindung und Erholung. Für den Karsamstag und den 24. Dezember ist Vergleichbares anzunehmen. Feiertage verfolgen heute überwiegend profane Ziele der persönlichen Ruhe, Besinnung, Erholung und Zerstreuung, mag die konkrete Auswahl der Feiertage auch ursprünglich religiös begründet gewesen sein, da die damit verfolgten Ziele allen Menschen, unbeschadet einer religiösen Bindung, zuteilwerden können sollen (VfSlg 20.379/2020). Wie zuvor dargelegt, genießen der Karfreitag und der 24. Dezember angesichts ihrer religiösen und kulturanthropologischen Bedeutung in der einfachgesetzlichen Rechtsordnung mehrfach eine Sonderstellung, auch wenn ihnen kein formeller feiertagsgesetzlicher Schutz (mehr) zukommt.
Aus Sicht der Kärntner Landesregierung erscheint das in Prüfung gezogene Veranstaltungsverbot nach §8 Abs3 K-VAG 2010 auch zur Zielerreichung geeignet, weil es durch das zeitlich begrenzte Verbot von öffentlichen Veranstaltungen, die dem Regelungsregime des K-VAG 2010 unterliegen, die äußeren Bedingungen schafft, dass diese Tage angesichts ihrer religiösen Wurzeln und Bedeutung in besonderer Stille mit Wirkung gegenüber allen und damit auch von dem nicht religiös-christlichen Teil der Bevölkerung begangen werden können vergleiche BVerfG 27.10.2016, BvR 458/10, Rz 72 in Bezug auf den Karfreitag). Dieser besondere Ruheschutz wahrt aus Sicht der Kärntner Landesregierung den ernsten Charakter der fraglichen Tage. In Bezug auf den 24. Dezember kommt hinzu, dass an diesem Tag auch Verkaufsstellen grundsätzlich nur bis 14.00 Uhr offenhalten dürfen vergleiche §6 Abs1 Öffnungszeitengesetz 2003), und es damit zu einer weitgehenden Synchronisation handelsrechtlicher und veranstaltungsrechtlicher Einschränkungen kommt. Auch der Verwaltungsgerichtshof gelangte jüngst im Zusammenhang mit dem Veranstaltungsverbot nach §8 Abs3 K-VAG 2010 und der Übergangsbestimmung des §33 Abs7 K-VAG 2010 mit Blick auf rechtskräftige Bewilligungen nach dem Kärntner Kinogesetz, Landesgesetzblatt Nr 2 aus 1963,, zu dem Ergebnis, dass der Gesetzgeber durch die hierdurch getroffenen Regelungen nicht in grundrechtlich geschützte Rechtspositionen unzulässig und unverhältnismäßig eingegriffen habe (VwGH 13.2.2024, Ra 2024/02/0025).
In Bezug auf den Vorwurf, die in Prüfung gezogene Regelung sei überschießend, wird seitens der Kärntner Landesregierung zu bedenken gegeben, dass das Veranstaltungsverbot nach §8 Abs3 K-VAG 2010 nur für einen kurzen Zeitraum gilt. Zudem bezieht sich das Veranstaltungsverbot ausschließlich auf Veranstaltungen iSd §2 Abs1 in Verbindung mit Abs2 K-VAG 2010, die in den Anwendungsbereich des K-VAG 2010 fallen. Nicht-öffentliche, also im privaten Bereich stattfindende Veranstaltungen sind hiervon etwa zur Gänze nicht erfasst, ebenso wie jene 'Veranstaltungen' nach §1 Abs2 K-VAG 2010, hinsichtlich derer dem Landesgesetzgeber entweder keine Regelungskompetenz zukommt vergleiche insbesondere §1 Abs2 lita K-VAG 2010) oder hinsichtlich derer aus veranstaltungspolizeilicher Sicht eine Bewilligung und Überwachung entbehrlich erscheint, weil deren Überwachung bzw ordnungsgemäße Durchführung aufgrund anderer Regelungsregime gesichert ist vergleiche etwa §1 Abs2 litq K-VAG 2010) oder aufgrund ihres geringen Gefährdungspotentials seitens des Landesgesetzgebers auf eine Regelung verzichtet wird vergleiche etwa §1 Abs2 litg und j K-VAG 2010). Der Landesgesetzgeber gibt im Rahmen des ihm zukommenden rechtspolitischen Gestaltungsspielraumes in §8 Abs3 K-VAG 2010 einen einheitlichen Rahmen für alle Veranstaltungen, die dem Regelungsregime des K-VAG 2010 unterfallen, vor. Zwar bewirkt der Verzicht auf eine Einschränkung des Verbotes auf bestimmte Veranstaltungen, wie sie teilweise in anderen Bundesländern vorgesehen ist, dass alle Veranstaltungen unter das zeitliche Verbot fallen, gleichzeitig garantiert dieser Verzicht jedoch auch im Lichte gleichheitsrechtlicher Überlegungen eine gleichartige Vollziehung, da auf eine inhaltliche Bewertung von Veranstaltungen, die in der Regel erst Recht in einem intentionalen Eingriff in die Kunstfreiheit münden würden, verzichtet wird. Statt punktueller Verbote, die eine effektive Gewährleistung des bezweckten Ruheschutzes nicht bewerkstelligen würden, wird in §8 Abs3 K-VAG 2010 eine einheitliche Regelung für alle Veranstaltungen statuiert. Aufgrund der gleichartigen Auswirkungen, die von Veranstaltungen im Lichte der Wahrung eines besonderen veranstaltungsrechtlichen Ruheschutzes ausgehen, erscheint die vom Landesgesetzgeber in §8 Abs3 K-VAG 2010 getroffene Regelung sachlich gerechtfertigt und im Hinblick auf deren kurze zeitliche Dauer im Ergebnis auch verhältnismäßig."
römisch II. Rechtslage
Die maßgeblichen Bestimmungen des Gesetzes vom 16. Dezember 2010 über die Regelung des Veranstaltungswesens (Kärntner Veranstaltungsgesetz 2010 – K-VAG 2010), Landesgesetzblatt 27 aus 2011,, in der Fassung Landesgesetzblatt 36 aus 2022, lauten (die in Prüfung gezogene Bestimmung in der Fassung Landesgesetzblatt 110 aus 2012, ist hervorgehoben):
"§1
Anwendungsbereich
(1) Dieses Gesetz gilt für alle öffentlichen Veranstaltungen (§2 Abs2), soweit Abs2 nicht anderes bestimmt.
(2) Dieses Gesetz findet keine Anwendung auf:
a) Veranstaltungen, die in die ausschließliche Zuständigkeit des Bundes zur Gesetzgebung fallen, wie etwa künstlerische und wissenschaftliche Sammlungen und Einrichtungen des Bundes, Veranstaltungen des Bundesheeres in Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben, Veranstaltungen der Bundespolizei und der Sicherheitsbehörden in Erfüllung ihres gesetzlichen Auftrages, Veranstaltungen, die dem Glücksspielmonopol des Bundes unterliegen, Versammlungen im Sinne des Versammlungsgesetzes, Veranstaltungen, die Ausübung eines Glaubens, einer Religion oder einer Weltanschauung sind, das Halten von Spielen nach §111 Abs4 Z2 der Gewerbeordnung 1994 oder das Aufstellen von Mustern oder Waren durch befugte Gewerbetreibende im Rahmen ihres Gewerbes;
b) Veranstaltungen von Schulen, Musikschulen, Heimen, Kindergärten und Horten oder von Schülern, Heimbewohnern und Kindern im Rahmen der genannten Einrichtungen und von Volksbildungseinrichtungen öffentlich-rechtlicher Körperschaften, sofern die Veranstaltungen Bildungszwecken dienen;
c) Musikautomaten in gewerbebehördlich genehmigten Gastgewerbebetrieben in dem dafür vorgesehenen und genehmigten Umfang;
d) die Ausstellung von land- und forstwirtschaftlichen Erzeugnissen sowie Leistungsbewerbe in land- und forstwirtschaftlichen Tätigkeiten;
e) die Erteilung von Tanzunterricht;
f) die gewerbsmäßige Vermittlung und den gewerbsmäßigen Abschluss von Wetten aus Anlass sportlicher Veranstaltungen (Totalisateur- und Buchmacherwettengesetz, Landesgesetzblatt Nr 68 aus 1996,);
g) Veranstaltungen, die nach ihrer Art historisch im Volksbrauchtum begründet sind, insbesondere die in den Verzeichnissen über immaterielles Kulturerbe enthaltenen Veranstaltungen;
h) Veranstaltungen, die ausschließlich auf Straßen oder Plätzen mit öffentlichem Verkehr abgehalten werden, und die nach straßenpolizeilichen Bestimmungen anzeigepflichtig oder bewilligungspflichtig sind, es sei denn, dass hierfür entweder Gebäude nach der Kärntner Bauordnung 1996, Landesgesetzblatt Nr 62 aus 1996,, errichtet werden sollen oder es sich um Musikdarbietungen handelt, die nach §6 Abs1 bewilligungspflichtig sind;
i) die Durchführung von Peep-Shows, Stripteasevorführungen, Table-Dance und ähnliche erotische Tanzvorführungen oder Darbietungen soweit darauf das Kärntner Prostitutionsgesetz, Landesgesetzblatt Nr 58 aus 1990,, anzuwenden ist;
j) den Betrieb von Sportstätten im Freien, für die keine baulichen oder technischen Einrichtungen erforderlich sind, wie insbesondere Naturrodelbahnen, Natureisbahnen auf natürlichen Gewässern, Loipen oder Golfplätze, soweit es sich nicht um Veranstaltungen nach §6 Abs1 litc handelt;
k) Schipisten und deren Nebenanlagen;
l) die Aufstellung und den Betrieb von Spielautomaten (Spielapparaten), sofern es sich nicht um pratermäßige Veranstaltungen oder Veranstaltungen im Tourneebetrieb handelt;
m) die Aufstellung und den Betrieb von Geldspielapparaten, Glücksspielautomaten und dergleichen;
n) Glücksspiele nach §4 Abs1 des Glücksspielgesetzes;
o) Spielplätze;
p) Ausstellungen in und von Museen sowie Archiven;
q) die Betriebstätten gewerberechtlich bewilligter Gastgewerbebetriebe, soweit die in diesen stattfindenden Veranstaltungen vom Umfang der erteilten gewerberechtlichen Betriebsanlagengenehmigung umfasst sind.
(3)-(4) […]
§2
Begriffsbestimmungen
(1) Veranstaltungen im Sinne dieses Gesetzes sind:
a) alle Unternehmungen und Darbietungen, die zum Vergnügen oder zur Erbauung der Besucher und Teilnehmer bestimmt sind; hierzu gehören insbesondere Theatervorstellungen, Konzerte, Ausstellungen, sportliche Wettkämpfe und Vorführungen, Public-Viewing, Vorträge, Rezitationen, Vorlesungen, Tierschauen, Schaustellungen, Belustigungen, Tanzveranstaltungen und dergleichen;
b) Filmvorführungen, Video- und DVD-Projektionen.
(2) Öffentlich im Sinne dieses Gesetzes sind alle Veranstaltungen, die allgemein zugänglich sind. Allgemein zugänglich sind insbesondere Veranstaltungen, die an öffentlichen Orten, wie beispielsweise Gastgewerbebetrieben oder Vereins- und Klublokalen, stattfinden. Nicht allgemein zugänglich sind Veranstaltungen, die ausschließlich für persönlich geladene Gäste in einem privaten Haushalt, im Rahmen von Feiern familiären Charakters oder im Rahmen von Betriebsfeiern und dergleichen, stattfinden. Eine Veranstaltung, die von einer Vereinigung für ihre Mitglieder durchgeführt wird, gilt als öffentlich, wenn die Mitgliedschaft nur zum Zweck der Teilnahme an der Veranstaltung, allenfalls verbunden mit der Leistung eines Beitrages, erworben wird.
(3) Veranstalter ist jede natürliche oder juristische Person oder eingetragene Personengesellschaft, die Veranstaltungen vorbereitet oder durchführt oder der Behörde gegenüber als Veranstalter auftritt oder sich als solcher öffentlich ankündigt. Im Zweifel gilt als Veranstalter, wer über die Veranstaltungsstätte verfügungsberechtigt ist und die Durchführung der Veranstaltung duldet.
(4)-(16) […]
[…]
§8
Verbotene Veranstaltungen
(1) Verboten sind
a) Veranstaltungen, die den Strafgesetzen zuwiderlaufen;
b) Experimente, durch welche die Besucher der Veranstaltung gefährdet werden können, insbesondere Experimente auf dem Gebiet der Hypnose oder der Suggestion, bei denen sich der Veranstalter aus dem Kreis der Besucher der Veranstaltung bedient;
c) Veranstaltungen, bei welchen die Besucher durch spielerische Tätigkeiten oder Wettbewerbe zur Konsumation beträchtlicher Mengen an Alkohol, die geeignet sind schwere alkoholische Rauschzustände herbeizuführen, angeregt werden.
(2) Das Aufstellen und der Betrieb eines Spielautomaten,
a) dessen Spielinhalt aggressive, gewalttätige, kriminelle, rassistische oder pornographische Darstellungen aufweist,
b) dessen Spielgeschehen die Tötung oder Verletzung von Menschen oder Tieren in natürlicher Weise darstellt, soweit ein derartiger Spielinhalt nicht bereits von lita erfasst ist, oder
c) dessen Spielinhalt nach allgemeinem sittlichen Empfinden die Menschenwürde grob verletzt, soweit ein derartiger Spielinhalt nicht bereits von lita oder b erfasst ist,
ist untersagt.
(2a) Weiters sind das Aufstellen und der Betrieb von Spielautomaten, die Vermögenswerte auszahlen oder ausfolgen, untersagt. […]
(3) Am Karfreitag und am 24. Dezember sind Veranstaltungen verboten. Am Karsamstag dürfen Veranstaltungen nicht vor 14 Uhr begonnen werden.
[…]
§30
Strafbestimmungen
(1) Sofern die Tat nicht den Tatbestand einer in die Zuständigkeit der Gerichte fallenden strafbaren Handlung bildet oder nach anderen Verwaltungsstrafbestimmungen mit strengerer Strafe bedroht ist, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer
a)-c) […]
d) soweit eine behördliche Untersagung einer Veranstaltung erfolgt ist, diese trotz der Untersagung durchführt, oder die Bestimmungen der §§3, 5, 8, 9 Abs1, 10 Abs1 und Abs1a, 12 Abs1 bis Abs4, 13 oder 23 Abs5 dritter Satz übertritt;
e)-n) […]
(2) Verwaltungsübertretungen sind von der Bezirksverwaltungsbehörde mit Geldstrafe bis zu 7260 Euro zu bestrafen.
(3) Der Versuch ist strafbar."
römisch III. Erwägungen
1. Zur Zulässigkeit des Verfahrens
1.1. Die Kärntner Landesregierung zieht die Zulässigkeit des Gesetzesprüfungsverfahrens nicht in Zweifel.
1.2. Im Verfahren hat sich auch sonst nichts ergeben, was an der Präjudizialität der in Prüfung gezogenen Bestimmungen zweifeln ließe. Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweist sich das Gesetzesprüfungsverfahren insgesamt als zulässig.
2. In der Sache
2.1. Der Gleichheitsgrundsatz gebietet dem Gesetzgeber, Gleiches gleich und Ungleiches ungleich zu behandeln, und setzt ihm insofern inhaltliche Schranken, als er es verbietet, sachlich nicht begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen vergleiche VfSlg 17.315/2004, 17.500/2005, 20.244/2018, 20.270/2018). Innerhalb dieser Schranken ist es dem Gesetzgeber jedoch von Verfassungs wegen durch den Gleichheitsgrundsatz nicht verwehrt, seine politischen Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art zu verfolgen (s etwa VfSlg 16.176/2001, 16.504/2002).
2.2. Vor diesem Hintergrund hegte der Verfassungsgerichtshof im Prüfungsbeschluss das Bedenken, das ausnahmslose Veranstaltungsverbot gebe der Religionsfreiheit in unsachlich generalisierender Weise den Vorrang:
2.2.1. Der Verfassungsgerichtshof vermag zunächst nicht zu erkennen, dass das Veranstaltungsverbot – wie von der Kärntner Landesregierung in ihrer Äußerung unter Verweis auf dessen zeitliche Einschränkung auf einzelne (besondere) Tage – bloß "relativ" sei. Vielmehr schreibt §8 Abs3 K-VAG – wie im Prüfungsbeschluss angenommen und von der Kärntner Landesregierung auch nicht bestritten – für den 24. Dezember, den Karfreitag und einen Teil des Karsamstags ein absolutes Veranstaltungsverbot vor. Veranstaltungen iSd §2 Abs1 K-VAG dürfen sohin ausnahmslos, unabhängig von ihrer konkreten (Aus-)Gestaltung, schon von Gesetzes wegen unter anderem am Karfreitag nicht stattfinden und zwar ohne dass im Einzelfall eine Beurteilung zu erfolgen hätte.
2.2.2. Wenn die Kärntner Landesregierung in ihren Ausführungen – anknüpfend an die lange historische Tradition des besonderen Schutzes des Karfreitages – argumentiert, dass §8 Abs3 K-VAG das Ziel verfolge, die religiösen Gefühle von Gläubigen und den religiösen Frieden zu schützen, sucht sie das absolute Verbot allein mit durch Art9 EMRK geschützten Rechten zu rechtfertigen. Dabei bedenkt sie jedoch nicht hinreichend, dass das absolute Veranstaltungsverbot – wie vom Verfassungsgerichtshof bereits im Prüfungsbeschluss dargelegt und auch von der Kärntner Landesregierung in ihrer Äußerung nicht in Abrede gestellt – in andere Grundrechte, wie etwa die Freiheit der Kunst nach Art17a StGG oder die Erwerbsfreiheit nach Art6 StGG, eingreift.
2.2.3. Wie bereits im Prüfungsbeschluss betont besteht keine "Vorrangstellung", wonach einer der jeweils grundrechtlich geschützten Bereiche als solcher mehr oder weniger zu schützen wäre. Daraus ergibt sich, dass ein unbedingter Vorrang des Schutzes des Karfreitages aus der religiösen Bedeutung dieses Tages oder der traditionellen persönlichen Ruhefindung und Erholung an diesem Tag nicht quasi automatisch abgeleitet werden kann. Vielmehr müssen die kollidierenden Grundrechtspositionen in solchen Konstellationen im Rahmen einer Interessenabwägung in einen angemessenen Ausgleich gebracht werden vergleiche zB VfSlg 20.446/2021, 20.502/2021).
2.2.4. Das Veranstaltungsverbot des §8 Abs3 K-VAG gilt, unabhängig davon, ob im konkreten Fall Grundrechtspositionen kollidieren, ausnahmslos. Der absolute Charakter des Verbotes gemäß §8 Abs3 K-VAG steht der Durchführung einer Abwägung der Interessen im Einzelfall entgegen. Die Regelung erzielt weder selbst einen angemessenen Ausgleich zwischen den gegenläufigen – jeweils verfassungsrechtlich geschützten – Interessen noch ermöglicht sie es, einen solchen im jeweiligen Einzelfall zu erzielen. Anders als die Kärntner Landesregierung vorbringt, spielt es insofern keine Rolle, dass das Verbot zeitlich eng begrenzt ist. Für den Karfreitag – und nur dieser Tag ist im zugrunde liegenden Verfahren relevant – besteht keine "Vorrangstellung", die sich aus der besonderen (religiösen und traditionellen) Bedeutung dieses Tages ergibt, und die es daher rechtfertigt, von einer Interessenabwägung schlechthin abzusehen. Vielmehr muss – auch angesichts der Vielfalt und der Unterschiedlichkeit der von §2 Abs1 K-VAG erfassten Veranstaltungen – eine Interessenabwägung stattfinden, in die unter anderem umfassend alle von einer derartigen gesetzlichen Regelung berührten Aspekte bei der Gewichtung der Interessen einzufließen haben vergleiche dahingehend auch BVerfG 27.10.2016, 1 BvR 458/10, Rz 81 ff.).
2.2.5. Die Kärntner Landesregierung hat dem Bedenken, dass das absolute Verbot auch deshalb unsachlich sei, weil es zwar alle Veranstaltungen iSd §2 K-VAG erfasse, aber andere "Belustigungen" durch die Ausnahmeregelung in §1 Abs2 K-VAG davon ausgenommen seien, lediglich kompetenzrechtliche Überlegungen und den Bedarf einer veranstaltungspolizeilichen Überwachung entgegengehalten. Damit gelingt es ihr allerdings nicht zu begründen, dass in jedweder Veranstaltung iSd §2 K-VAG am Karfreitag eine Störung des "religiösen Empfindens" zu sehen wäre, während andere landesgesetzlich geregelte "Belustigungen", wie beispielsweise die Durchführung von Peep-Shows, Table Dance und Glücksspiel, an diesem Tag nicht gleichermaßen allgemein verboten sind.
2.3. Insgesamt verstößt §8 Abs3 K-VAG daher gegen den Gleichheitsgrundsatz, weil diese Bestimmung Veranstaltungen, soweit sie von §2 K-VAG erfasst sind, am Karfreitag ganztägig schlechthin ausnahmslos verbietet, ohne sicherzustellen, dass ein angemessener Ausgleich mit widerstreitenden Grundrechten, wie etwa der Freiheit der Kunst nach Art17a StGG oder der Erwerbsfreiheit nach Art6 StGG, stattfindet.
2.4. In von Amts wegen eingeleiteten Normenprüfungsverfahren hat der Verfassungsgerichtshof den Umfang der zu prüfenden und allenfalls aufzuhebenden Bestimmungen derart abzugrenzen, dass einerseits nicht mehr aus dem Rechtsbestand ausgeschieden wird, als Voraussetzung für den Anlassfall ist, dass aber andererseits der verbleibende Teil keine Veränderung seiner Bedeutung erfährt; da beide Ziele gleichzeitig niemals vollständig erreicht werden können, ist in jedem Einzelfall abzuwägen, ob und inwieweit diesem oder jenem Ziel der Vorrang vor dem anderen gebührt (VfSlg 7376/1974, 9374/1982, 11.506/1987, 15.599/1999, 16.195/2001).
Zur Beseitigung der Verfassungswidrigkeit im Anlassfall, der eine am Karfreitag abgehaltene Veranstaltung betrifft, reicht es aus, die Wortfolge "Karfreitag und am" aufzuheben. Daher ist nur diese Wortfolge aus dem Rechtsbestand auszuscheiden.
römisch IV. Ergebnis
1. Die Wortfolge "Karfreitag und am" in §8 Abs3 des Kärntner Veranstaltungsgesetzes, Landesgesetzblatt 27 aus 2011,, in der Fassung Landesgesetzblatt 110 aus 2012, ist daher wegen Verstoßes gegen den auch den Gesetzgeber bindenden Gleichheitsgrundsatz (Art7 B-VG) als verfassungswidrig aufzuheben.
2. Die Bestimmung einer Frist für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle gründet sich auf Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG.
3. Der Ausspruch, dass frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Kraft treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.
Die Verpflichtung des Landeshauptmannes von Kärnten zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung und der damit im Zusammenhang stehenden sonstigen Aussprüche erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VfGG in Verbindung mit §2 Abs1 Z7 Ktn. KundmachungsG.
4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
ECLI:AT:VFGH:2024:G110.2024