Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

29.11.2017

Geschäftszahl

G282/2016, V54/2016

Leitsatz

Zurückweisung der Individualanträge einer Verwertungsgesellschaft auf Aufhebung von Bestimmungen einer - als Verordnung zu qualifizierenden - Satzung des Urheberrechtssenates wegen Zumutbarkeit der Anrufung eines ordentlichen Gerichtes sowie von Bestimmungen des UrheberrechtsG mangels Darlegung eines unmittelbaren Eingriffs in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft

Spruch

Die Anträge werden zurückgewiesen.

Begründung

Begründung

römisch eins.           Sachverhalt, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.           Mit auf Art139 und 140 B-VG gestützten Anträgen macht die antragstellende Gesellschaft Bedenken gegen generelle Normen geltend, die unmittelbar oder mittelbar das "zu zahlende Entgelt für das Wahrnehmbarmachen von Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte mit Hilfe von Leitungen im Inland, die durch Rundfunk (Hörrundfunk und Fernsehen, einschließlich Rundfunksendungen über Satellit) gesendet worden sind" (integrale Kabelweiterleitung), betreffen.

2.           Von dem der Antragstellung zugrunde liegenden Rechtsstreit sind insbesondere folgende juristische Personen betroffen:

a) Die antragstellende Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden reg. GenmbH (im Folgenden: VdFS). Sie ist eine Verwertungsgesellschaft gemäß §2 Z1 Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 – VerwGesG 2016, Bundesgesetzblatt römisch eins 27, und nimmt Urheberrechte von Filmurhebern (Regie, Kamera, Filmschnitt, Kostüm- und Szenenbild) sowie Leistungsschutzrechte von Filmschauspielern wahr.

b) Die Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH (im Folgenden: VAM). Sie ist ebenfalls eine Verwertungsgesellschaft gemäß §2 Z1 VerwGesG 2016 und nimmt Rechte und Vergütungsansprüche der Filmhersteller wahr.

c) Der Fachverband der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen der Wirtschaftskammer Österreich (im Folgenden: Fachverband). Er ist die gesetzliche Interessenvertretung der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen in Österreich und eine Nutzerorganisation iSd §2 Z13 VerwGesG 2016.

3.           Die VdFS bestreitet die Rechtmäßigkeit der Höhe des ihr vom Fachverband zu bezahlenden Entgelts. Dieses besteht aus zwei Komponenten:

a) Einerseits aus dem Entgelt für die Verwertung der Kabelweiterleitungsrechte, die Filmurheber und Filmschaffende der VdFS zur treuhändigen kollektiven Wahrnehmung einräumen. Die Verwertung dieser Kabelweiterleitungsrechte ist in einer Satzung der Schiedskommission vom 3. November 1998 geregelt, die von dem Gesamtvertrag vom 12. März 2008 (Pkt. römisch eins.4) und von der Satzung vom 30. Juni 2016 (Pkt. römisch eins.9.) unberührt blieb.

b) Andererseits aus in ArtVI Abs3 Urheberrechtsgesetz-Novelle 1996, BGBl 151, bzw. §38 Abs1a Urheberrechtsgesetz, Bundesgesetzblatt 111 aus 1936, idgF, (im Folgenden: UrhG) geregelten Beteiligungsansprüchen der Filmurheber an dem Entgelt, das der Filmhersteller oder ein Werknutzungsberechtigter – hier vertreten durch die VAM – aus der Verwertung des Kabelweitersenderechts des Urhebers – hier vertreten durch die VdFS – erzielt (im Folgenden: Beteiligungsansprüche). Der Anspruch beträgt ein Drittel, soweit der Filmhersteller mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat, und kann (nur) durch Verwertungsgesellschaften – hier die VdFS – unmittelbar gegenüber demjenigen geltend gemacht werden, der zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist – hier der Fachverband.

4.           Mit Bescheid des Urheberrechtssenats vom 26. Juli 2007 wurden die Beteiligungsansprüche der VdFS an den Erlösen der VAM aus der integralen Kabelweiterleitung für die Jahre 2001 bis 2008 monoton steigend festgelegt. Für die Jahre 2007 und 2008 erreichte der Anteil 30,69 %. Nachdem der Verfassungsgerichtshof diese Entscheidung mit VfSlg 18.420/2008 bestätigte hatte, schlossen die VdFS und der Fachverband am 12. März 2008 einen Gesamtvertrag gemäß §20 VerwGesG 2006, der Vorgängerbestimmung des §47 VerwGesG 2016, in den der Anteil von 30,69 % übernommen wurde. Der Vertrag wurde auf unbestimmte Zeit geschlossen. In einem Sideletter erfolgte eine einvernehmliche Klarstellung, dass die "festgelegte Neuverteilung der Entgelte im Verhältnis VAM zu VDFS keine Auswirkung auf die Höhe des von den Kabelnetzbetreibern zu entrichtenden Gesamtentgelts (Kabelentgelt) für die Weitersendung im Sinne der §§17 Abs2, 59a UrhG hat". Es werde lediglich eine neue interne prozentuelle Verteilung zwischen VAM und VdFS festgelegt. Nur die VdFS und der Fachverband unterzeichneten diesen Sideletter, die VAM tat dies nicht.

5.           Seit dem Jahr 2010 bemühte sich die VdFS um eine Änderung dieses Gesamtvertrags, um so eine Neuaufteilung der Erträge aus der "integralen Kabelweiterleitung" zu erreichen.

6.            Im Februar 2012 entschied der Gerichtshof der Europäischen Union in der Rechtssache Luksan/Van der Let (EuGH 9.2.2012, Rs. C-277/10) betreffend ein Vorabentscheidungsersuchen des Handelsgerichts Wien u.a., dass das Unionsrecht innerstaatlichen Rechtsvorschriften entgegenstünde, die bestimmte Verwertungsrechte kraft Gesetzes ausschließlich dem Produzenten zuweisen würden (zur verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit dieser "cessio legis" vergleiche VfSlg 18.420/2008, 553 f.). Das Unionsrecht lasse aber den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, eine Vermutung der Abtretung von Verwertungsrechten an den Produzenten des Filmwerks aufzustellen. Eine solche Vermutung müsse aber widerlegbar sein.

7.           Im Jahr 2014 erzielten die VdFS und die VAM eine bilaterale Einigung über die Aufteilung der Erträge aus der Kabelweiterleitung für die Jahre 2008 bis 2020. Ausgehend von dem der VdFS zustehenden Anteil von 30,69 % im Jahr 2008 (s.o. Pkt. 4) wurde die Anhebung des Anteils der VdFS schrittweise auf 50 % im Jahr 2020 vereinbart (s. Pkt. römisch II.1. Anlage).

8.            Die Entscheidung Luksan/Van der Let relativierte zwar die Monopolstellung der Filmhersteller gegenüber den Filmurhebern, weitere Bemühungen der VdFS zur Änderung des Gesamtvertrags blieben dennoch erfolglos. Nachdem der Schlichtungsausschuss nach §36 VerwGesG 2006 angerufen worden war, dieser aber keinen Schlichtungsvorschlag erlassen hatte, beantragte die VdFS am 20. Februar 2015 die Erlassung einer Satzung. In dieser sollte nicht nur die obige Vereinbarung (Pkt. 7) umgesetzt werden, sondern insbesondere auch der Anteil der VdFS zu Lasten anderer Verwertungsgesellschaften (AKM, VGR, LSG und Literar-Mechana) erhöht werden. Den Satzungsantrag leitete die VdFS mit folgenden Worten ein:

"Aus all diesen Gründen beantragen wir die Festlegung des uns im Rahmen des sogenannten 'Fremdanteils-VAM' zustehende Entgelts für die 'integrale Kabelweiterleitung' im Vergleich zu dem bisher vereinbart gewesenen etwa in dreifacher Höhe. Etwa die Hälfte dieses Erhöhungsantrags lässt sich schon aus der — grundsätzlich mit der VAM bereits abgestimmten — Festlegung der Ansprüche der Filmproduzenten einerseits und der Filmurheber und Filmdarsteller anderseits in gleicher Höhe argumentieren und aus dieser Abstimmung ableiten, während der restliche Erhöhungsanteil zu Lasten anderer Verwertungsgesellschaften, insbesondere der AKM, der VGR, der LSG und gegebenenfalls auch der Literar-Mechana gehen müsste. In letzterem Zusammenhang sei nochmals erwähnt, dass wir auch den Anteil der Literar-Mechana im Vergleich zu dem uns zustehenden Anteil am 'Gesamtkuchen' für überhöht erachten, nicht allerdings bei einer Gesamtschau. Denn es kann nicht zweifelhaft sein, dass dem Drehbuch bzw den Dialogen eines Films ein wesentlicher Anteil am Gesamtkunstwerk 'Film' zukommt."

9.           Am 30. Juni 2016 erließ der Urheberrechtssenat nach §66 VerwGesG 2016 die angefochtene Satzung, Z UrhRS 1/15-29, (im Folgenden nur: Satzung; Pkt. römisch II.1.). In dieser wurde die obige Vereinbarung zwischen VdFS und VAM (Pkt. 7) für die Jahre ab 2016 umgesetzt, allerdings enthält Punkt 14 Satz 2 der Satzung dazu eine Art Haftungsregelung. Der Anteil der VdFS zu Lasten der anderen Verwertungsgesellschaften wurde nicht erhöht. Dies wird in den Punkten 5 und 6 der Erläuterungen (Pkt. römisch II.1.) vom Urheberrechtssenat näher begründet.

10.         Mit Schriftsatz vom 18. August 2016 stellt die VdFS gestützt auf "Art139 B-VG" und "Art140 Abs1 Z1 litc B-VG" folgende Anträge:

"Der Verfassungsgerichtshof wolle

römisch eins. die nachstehend wiedergegebene Wortfolge des Punkts 14 Satz 2 des Spruchs der angefochtene[n] Satzung (Verordnung) des Urheberrechtssenats vom 30. Juni 2016 UrhS 1/15-29

'Sollte die VAM Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH aufgrund bestehender Gesetzverträge oder Satzungen von Kabelnetzbetreibern höhere als ihr nach dieser Vereinbarung [richtig: Satzung] zustehende Entgelte verlangen, ist die VdFS verpflichtet, die jeweiligen Kabelnetzbetreiber insofern schad- und klaglos zu halten.'

sowie die Punkte 5 und 6 der Erläuterungen der angefochtenen Satzung (Verordnung) des Urheberrechtssenats vom 30. Juni 2016 UrhS 1/15-29, mit welchen die Anträge der VdFS auf Zuerkennung höherer Beträge als in Punkt 3 in Verbindung mit dem Anhang zur Satzung festgesetzt, mangels Innehabung entsprechender Wahrnehmungsrechte ohne Erlassung eines Bescheids inhaltlich zurück- bzw abgewiesen wurden,

als gesetz-, unionsrechts- und/oder verfassungswidrig bzw als auf Grund eines unionsrechts-und/oder verfassungswidrigen Gesetzes erlassen aufheben;

römisch II. im Hinblick auf die Maßgeblichkeit (Präjudizialität) der Vorschriften des §38 Abs1 Satz römisch eins und 2 UrhG sowie des §69 Abs1 UrhG, jeweils in der Fassung nach der UrhGNov 2015,

1. nach Art267 AEUV das Vorabentscheidungsverfahren beim Gerichtshof der Europäischen Union einleiten und dem EuGH folgende Fragen zur Entscheidung vorlegen:

[…]

2. und/oder das Gesetzesprüfungsverfahren nach Art140 B-VG einleiten und die Bestimmungen des §38 AbsI Satz 1 und/oder Satz 2 und/oder des §38 Abs1a sowie des §69 Abs1 UrhG als verfassungswidrig aufheben, und zwar insbes wegen Eingriffs in die verfassungsrechtlich gewährleisteten Grundrechte des Schutzes des (geistigen) Eigentums, des Gleichheitssatzes, des Rechts auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf einen wirksamen Rechtsbehelf in einem fairen, öffentlichen Verfahren vor einem unparteiischen Gericht innerhalb angemessener Frist und einen geordneten Instanzenzug, auf Vereinigungsfreiheit und Berufsfreiheit sowie auf freie Wahl des Geschäftspartners und Vertragsautonomie."

11.         Zur Antragslegitimation bringt die antragstellende VdFS vor:

"II. ZUR ANTRAGSLEGITIMATION

1. Die angefochtene Satzung betrifft die Antragstellerin im Umfang des Prüfungsgegenstands aktuell, unmittelbar und tatsächlich nachteilig in ihrer Rechtsposition (Rechtssphäre). Obwohl nach Überzeugung der Antragstellerin der Anteil der Filmgesellschaften und damit auch der Anteil der VdFS an den 'Kabelentgelten' iSd §59a UrhG aus den verschiedensten sachlichen Erwägungen zu gering ist, legt die angefochtene Satzung diesen Anteil in Punkt 3 der Satzung in Verbindung mit der Anlage hierzu) bloß mit den dort genannten Eurocent-Beträgen fest. Die VdFS kann deshalb von den österreichischen Kabelbetreibern keine höheren Entgelte begehren, da diese in der angefochtenen Satzung endgültig festgelegt sind und diese infolge ihrer normativen Wirkung (§66 Abs1 in Verbindung mit §49 VerwGesG 2016) vom Tag ihres Inkrafttretens an als Bestandteil jedes von der Verwertungsgesellschaft mit einem Mitglied der Nutzerorganisation (hier: Fachverband) abgeschlossenen Einzelvertrags über die Nutzungsbewilligung (zur 'integralen Kabelweiterleitung') gilt. Selbst — praktisch freilich nicht erzielbare — abweichende Vereinbarungen wären nur gültig, wenn sie für den Nutzer günstiger sind, und die Nutzerorganisation dieser Begünstigung zustimmt.

2. Es besteht auch kein zumutbarer anderer Weg, die Gesetzwidrigkeit (Unionsrecht- bzw Verfassungswidrigkeit) der Verordnungsregelung an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Denn der Urheberechtssenat hat auch insoweit, als der Antragstellerin — freilich zu Unrecht — die Antragslegitimation aberkannt wird, im Verordnungsweg (auch dies nur in den Erläuterungen) und nicht durch Bescheid erkannt, weshalb insbes keine Bescheidbeschwerde an das Bundesverwaltungsgericht nach Art130 Abs1 Z1 B-VG möglich ist.

3. Unseres Erachtens ist aber auch ein 'Umweg' über die Einleitung eines Gerichtsverfahrens nicht zumutbar. In diesem Fall müsste die Antragstellerin entweder willkürlich einen bestimmten österreichischen Kabelbetreiber herausgreifen und gegen diesen — aus der Sicht der angefochtenen Satzung – überhöhte Forderungen stellen, um sodann anzuregen, dass das angerufene Gericht gemäß [Art] 89 B-VG seinerseits ein Verordnungsprüfungsverfahren einleitet, oder im Zug eines Rechtsmittels gegen ein — notgedrungen klagsabweisendes – Urteil im Weg der seit 1. Januar 2015 bestehenden Möglichkeit einer 'Gesetzesbeschwerde' nach Art139 AbsI Z4 (bzw Art140 Abs1 ZI litd) B-VG vorzugehen. Abgesehen von dem mit einem solchen Gerichtsverfahren verbundenen Zeit- und Kostenaufwand und dem Umstand, dass zur Unterbrechung der bloß dreijährigen) Verjährung sämtliche österreichischen Kabelbetreiber geklagt werden müssten, ist dieser 'Umweg' der Antragstellerin uE nicht zumutbar, zumal es sich vor dem Hintergrund der angefochtenen Satzung von vornherein um aussichtslose Prozesse handeln würde. Aus Gründen der Vollständigkeit halber sei hinzugefügt, dass ein solches Verfahren freilich auch nicht anhängig ist.

In Bezug auf die Bekämpfung des Spruchs der gegenständlichen Satzung in ihrem Punkt 14 Satz 2 läge ein Gerichtsverfahren auch nicht in den Händen der Antragstellerin. Vielmehr müsste diese zuwarten, ob — für den Fall eines Zuwiderhandelns der VAM gegen die vom Urheberrechtssenat angenommene Verpflichtung zur Reduzierung ihrer Ansprüche laut Satzung — ein österreichischer Kabelnetzbetreiber gegen diese erfolglos Ansprüche stellt, für welche die Antragstellerin diesen — einschließlich der entstandenen Kosten — sodann schad- und klaglos halten müsste.

In Bezug auf die 'Abweisung' der geltend gemachten höheren Beträge kommt noch die Überlegung hinzu, dass nicht im Spruch der gegenständlichen Satzung, sondern ausschließlich in den Erläuterungen hier zu erfolgt ist, sich ein Prüfungsantrag durch das Gericht oder eine 'Gesetzesbeschwerde' aber nur auf den Spruch beziehen könnte. Dagegen bezieht sich der gegenständliche Individualantrag gerade auch auf die Erläuterungen zur gegenständlichen Satzung und insbes auch auf den Umstand, dass die 'Abweisung' unseres 'Mehrbegehrens' nicht in der Form eines Bescheids, der bekämpft werden könnte, sondern in der Form von Erläuterungen zu einer allgemein verbindlichen Norm, nämlich der angefochtenen Satzung als Verordnung.

4. Am Rande sei auch auf die zweijährige Sperrfrist nach §27 Abs2 VerwGesG 2006 bzw §66 Abs2 VerwGesG 2016 verwiesen, wonach eine Abänderung von Satzungen vor Ablauf von zwei Jahren nur mit Zustimmung der Aufsichtsbehörde beantragt werden kann. Auch dieser zeitliche Aspekt ist uE zu berücksichtigen, zumal sich die Antragstellerin, wie schon ausgeführt seit vielen Jahren - vergeblich - um eine angemessene Neuverteilung der Einnahmen aus der 'integralen Kabelweiterleitung' bemüht. Auch im Hinblick hierauf haben wir oben unter Punkt A die gegebene Gesamtsituation und die nun schon mehr als fünfeinhalbjährige 'Verfahrensdauer' unserer Bemühungen etwas ausführlicher dargestellt. Ungeachtet dieser langen Zeitspanne verwehrt uns nun auch die angefochtene Satzung eine inhaltliche Entscheidung über unseren Erhöhungsantrag und verweist uns de facto auf allfällige — äußerst reduzierte — Beteiligungsansprüche gegen andere Verwertungsgesellschaften (VAM bzw VG-Rundfunk), die freilich im Verhältnis zu anderen beteiligten Verwertungsgesellschaften überhaupt nicht greifen können.

Im Zusammenhang mit diesem zeitlichen Aspekt sei am Rande schon hier auch auf das grundrechtlich verankerte Recht auf ein gerichtliches Verfahren innerhalb angemessener Frist (Anspruch auf ein Verfahren in angemessener Zeit) nach Art6 Abs1 EMRK bzw Art47 GRC verwiesen."

12.         Der Urheberrechtssenat legte die auf die angefochtene Verordnung bezughabenden Akten vor. Er verteidigt in seiner Äußerung die Satzung, enthält sich aber einer Stellungnahme zur behaupteten Verfassungswidrigkeit des UrhG.

13.          Die Bundesregierung äußert sich nur zu den Prozessvoraussetzungen des Gesetzesprüfungsverfahrens und stellt den Antrag, den Gesetzesprüfungsantrag als unzulässig zurückzuweisen, in eventu auszusprechen, dass die angefochtenen Bestimmungen nicht als verfassungswidrig aufgehoben werden.

14.         Der Bundesminister für Justiz tritt den Bedenken gegen die Satzung inhaltlich entgegen und stellt den Antrag, den Verordnungsprüfungsantrag abzuweisen.

15.          Der Fachverband ist der Ansicht, dass die Individualanträge zurück-, im Fall der Antragslegitimation abzuweisen wären, und stellt für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof der Argumentation der antragstellenden VdFS folgen sollte, den Antrag, die Satzung zur Gänze aufzuheben, da andernfalls ein gesetzwidriges Ergebnis zu Lasten der Mitglieder des Fachverbandes erreicht würde.

16.         Nach Ansicht der VAM sei die angefochtene Satzung zur Gänze aufzuheben, da sie keinen einer Regelung im Rahmen eines Gesamtvertrages nach §49 VerwGesG 2016 und damit auch nicht im Rahmen einer Satzung nach §66 VerwGesG 2016 zugänglichen Umstand bzw kein betreffendes Rechtsverhältnis regle. Eine Aufhebung der der angefochtenen Satzung zugrunde liegenden gesetzlichen Bestimmung des UrhG sei aber nicht geboten, da sämtliche dieser gesetzlichen Bestimmungen unionsrechts- und verfassungskonform seien.

17.         Mit einer Gegenäußerung replizierte die antragstellende Gesellschaft auf sämtliche Äußerungen (Pkte. 12.-16.). Die Gegenäußerung beantworteten der Fachverband und die VAM mit weiteren Stellungnahmen.

römisch II.         Rechtslage

1.           Die angefochtene Satzung des Urheberrechtssenats vom 30. Juni 2016, Z UrhRS 1/15-29, lautet (auszugsweise, der angefochtene Satz ist hervorgehoben):

"Der Urheberrechtssenat erlässt nach §66 VerwGesG 2016 folgende

Satzung:

1. Gegenstand dieser Satzung ist das von den Mitgliedern des Fachverbands der Telekommunikations- und Rundfunkunternehmungen (im Folgenden: Kabelnetzbetreiber) an die VdFS Verwertungsgesellschaft der Filmschaffenden (im Folgenden: VdFS) zu zahlende Entgelt für das Wahrnehmbarmachen von Werken und Gegenständen der verwandten Schutzrechte mit Hilfe von Leitungen im Inland, die durch Rundfunk (Hörrundfunk und Fernsehen, einschließlich Rundfunksendungen über Satellit) gesendet worden sind (Weitersendung im Sinn der §§17 Abs2 und 59a UrhG), soweit diese zum Repertoire der VdFS gehören. Dies umfasst auch einen allenfalls notwendigen Signaltransport, durch welches technische Mittel immer (also insbesondere auch durch eine Richtfunkstrecke).

2. Unberührt von dem im Punkt 3 geregelten Entgelt bleiben die Entgeltansprüche der VdFS aufgrund der Satzung der Schiedskommission vom 3. November 1998 nach dem VerwGesG 1936 und die Ansprüche der VdFS aufgrund des mit der Verwertungsgesellschaft-Rundfunk (VGR) geschlossenen Vergleichs aus dem Jahr 2006. Für den Fall einer Änderung der genannten Rechtsgrundlagen durch Vereinbarung der VdFS mit der VAM und/oder der VGR oder durch eine entsprechende Entscheidung (Satzung) der zuständigen Behörde ist der im Punkt 3 genannte Anteil der VdFS entsprechend anzupassen.

3. Das an die VdFS zu leistende Entgelt beläuft sich zu den nachfolgenden Stichtagen jeweils pro Teilnehmer und Kalendermonat auf folgende Beträge, und zwar zuzüglich Umsatzsteuer in ihrer jeweiligen gesetzlichen Höhe:

Jahr

Euro

2016

0,10408

2017

0,10928

2018

0,11449

2019

0,12229

2020

0,13010

Ab dem Jahr 2020 bleiben diese Beträge unverändert.

[…]

4.-12. [...]

13. Die Persönlichkeitsrechte (§§19 bis 21 UrhG) werden durch diese Satzung nicht berührt.

14. Grundlage der Neufestsetzung der Beträge in dieser Satzung ist die zwischen der VdFS und der VAM Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH getroffene Vereinbarung über die Aufteilung der Erträge aus der Integralen Weitersendung nach §59a UrhG, deren Punkt 3.3. eine Anlage zu dieser Satzung bildet. Sollte die VAM Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH aufgrund bestehender Gesamtverträge oder Satzungen von Kabelnetzbetreibern höhere als ihr nach dieser Vereinbarung zustehende Entgelte verlangen, ist die VdFS verpflichtet, die jeweiligen Kabelnetzbetreiber insofern schad- und klaglos zu halten.

15. Der Bundesminister für Justiz hat diese Satzung unverzüglich in der Ediktsdatei kundzumachen. Sie tritt mit dem auf die Kundmachung folgenden Tag in Kraft und gilt für unbestimmte Zeit.

Urheberrechtssenat

Schmerlingplatz 11, 1011 Wien

Wien, am 30. Juni 2016

Anlage:

Punkt 3.3. der Vereinbarung zwischen der VdFS und der VAM Verwertungsgesellschaft für audiovisuelle Medien GmbH [Tabelle soweit für diese Satzung relevant]:

Dagegen wird für die Erträge aus der Kabelweiterleitung folgende abweichende Übergangsregelung vereinbart, wonach die Beteiligungen der Vertragspartner für die nachfolgend angeführten Jahre bis zum Erreichen der Aufteilung im Verhältnis 50:50 im Jahr 2020 wie folgt geregelt werden:

Jahr

VdFS

VAM

2016

40

60

2017

42

58

2018

44

56

2019

47

53

2020

50

50

Erläuterungen:

1. Die vorliegende Satzung beruht auf §66 Abs1 VerwGesG 2016. Dieses Gesetz trat nach seinem §86 Abs1 mit 1. Juni 2016 in Kraft. Nach §87 Abs4 VerwGesG 2016 sind im Zeitpunkt dessen Inkrafttretens beim Urheberrechtssenat anhängige Verfahren nach den Bestimmungen dieses Bundesgesetzes weiter zu führen.

2. Die Satzung war in Form einer Verordnung zu erlassen. Dies war in §30 Abs2 VerwGesG 2006 ausdrücklich angeordnet. Das VerwGesG 2016 enthält zwar keine entsprechende Bestimmung. Aus den Erläuternden Bemerkungen zur Regierungsvorlage (1057 BlgNR 25. GP) ergibt sich jedoch, dass insofern keine Änderung der Rechtslage eintreten sollte. Vielmehr wird ausdrücklich ausgeführt, dass Gesamtverträge und Satzungen wegen ihrer normativen Wirkung für die Mitglieder und Bezugsberechtigten der Gesamtvertragsparteien als Verordnungen einzustufen seien. Auch sonst ist der Neuregelung nicht zu entnehmen, dass die Satzung in Form eines anderen Rechtsaktes — etwa eines Bescheids — zu erlassen wäre.

3. […]

4. Die mit der vorliegenden Satzung vorgenommene Erhöhung der Entgelte beruht auf der zwischen der VdFS und der VAM vereinbarten Neuverteilung des diesen Gesellschaften zusammen unstrittig zustehenden Entgelts.

[…] Allerdings ist aus der Vereinbarung zwischen VdFS und VAM abzuleiten, dass die VAM ihre Ansprüche gegen die Kabelnetzbetreiber aus dem eigenen Gesamtvertrag im Verhältnis der neu getroffenen Aufteilungsvereinbarung entsprechend zu vermindern hat, wobei dies (im Sinn eines Vertrags zugunsten Dritter) auch zugunsten der Mitglieder des Fachverbands wirkt. Sollte die VAM dennoch an den in ihrem Gesamtvertrag vorgesehenen Entgelten festhalten, hätten das Risiko allfälliger Streitigkeiten keinesfalls der Fachverband und seine Mitglieder zu tragen. Daher ist in der Satzung für diesen Fall eine Schad- und Klagloshaltung durch die VdFS vorzusehen. Handelt daher die VAM entgegen ihren Verpflichtungen aus der Aufteilungsvereinbarung, ist die VdFS verpflichtet, die entsprechenden Beträge herauszugeben oder von vornherein nicht zu fordern. Auch Kosten allfälliger Rechtsstreitigkeiten wären in diesem Fall von der VdFS zu tragen.

5. Eine weitere Erhöhung der Entgelte ist demgegenüber nicht möglich. Der Satzungsantrag scheitert insofern daran, dass aus den Tatsachenbehauptungen der VdFS nicht abgeleitet werden kann, dass eine relevante Zahl ihrer Bezugsberechtigten über originäre Ansprüche verfügten, die aufgrund von Wahrnehmungsverträgen von der VdFS geltend gemacht werden könnten.

5.1.-5.6. [In diesen Absätzen begründet der Urheberrechtssenat, warum er trotz der Entscheidung Luksan/Van der Let des EuGH und trotz der durch die Urheberrechts-Novelle 2015, Bundesgesetzblatt römisch eins 99, geänderten Fassung des §38 Abs1 UrhG, welche der Entscheidung des EuGH Rechnung trug, in der Satzung keine weitere Erhöhung der Entgelte verordnet hat.]

6. Insgesamt hält der Urheberrechtssenat daher an seiner bereits in der Verhandlung vom 26. August 2015 vertretenen Auffassung fest: Originäre Rechte der von der VdFS vertretenen Filmschaffenden, die über jene aus §38 Abs2 UrhG hinausgehen, sind im gegebenen Zusammenhang nicht zu erkennen. Sie könnten nur bestehen, wenn sich Filmschaffende im Vertrag mit dem jeweiligen Filmhersteller in relevantem Umfang entgegen der Vermutungsregel, die für Urheber in §38 Abs1 UrhG nun ausdrücklich angeordnet ist und ab einem gewissen Zeitpunkt bereits aufgrund unionsrechtskonformer Auslegung gegolten hat und für ausübende Künstler auf dieser Grundlage noch immer gilt, Verwertungsrechte vorbehalten hätten. Mangels solcher von der Antragstellerin konkret behaupteter Rechtsvorbehalte ist nicht von einer relevanten Zahl originärer Ansprüche der VdFS auszugehen, die – bei Zutreffen ihres übrigen, hier nicht geprüften Vorbringens – eine Erhöhung des Entgelts rechtfertigen könnte.

7. Aus diesen Gründen ist die Satzung in der vorliegenden Form zu erlassen. Das Inkrafttreten ergibt sich aus §68 Abs1 Satz 2 VerwGesG 2006.

Urheberrechtssenat

Schmerlingplatz 11, 1011 Wien

Wien, am 30. Juni 2016"

(Wiedergabe ohne die Hervorhebungen im Original)

2.           §66 Abs1 und 2 Verwertungsgesellschaftengesetz 2016 – VerwGesG 2016, Bundesgesetzblatt römisch eins 27, lauten:

"Satzungen

§66. (1) Bleiben Verhandlungen über einen Gesamtvertrag erfolglos, so kann sowohl die Verwertungsgesellschaft als auch die Nutzerorganisation verlangen, dass die Rechtsverhältnisse, die den Gegenstand des Gesamtvertrages bilden sollen, vom Urheberrechtssenat durch eine Satzung geregelt werden; diese Regelung muss sich innerhalb der durch die Anträge der Parteien bestimmten Grenzen halten. Die Satzung hat die Wirkung, die nach §49 einem Gesamtvertrag zukommt.

           (2) Satzungen können nur mit Wirkung für unbestimmte Zeit erlassen werden. Wird über einen durch die Satzung geregelten Gegenstand ein Gesamtvertrag geschlossen, so tritt die Satzung in diesem Umfang außer Kraft. Wird das Verlangen einer Partei, über einen durch Satzung geregelten Gegenstand einen abweichenden Gesamtvertrag zu schließen, abgelehnt, so kann sie die Erlassung einer Satzung beantragen; doch ist ein solcher Antrag vor dem Ablauf von zwei Jahren nach dem Inkrafttreten der Satzung nur mit Bewilligung der Aufsichtsbehörde zulässig."

3.            §38 Abs1 und 1a und §69 Urheberrechtsgesetz (UrhG), Bundesgesetzblatt 111 aus 1936, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 99 aus 2015,, lauten:

"Rechte am Filmwerk

§38. (1) Wer sich zur Mitwirkung bei der Herstellung eines Filmes verpflichtet, räumt damit für den Fall, dass er ein Urheberrecht am Filmwerk erwirbt, dem Filmhersteller im Zweifel das ausschließliche Recht ein, das Filmwerk sowie Übersetzungen und andere filmische Bearbeitungen oder Umgestaltungen des Filmwerkes auf alle Nutzungsarten zu nutzen. Hat der Urheber des Filmwerkes dieses Nutzungsrecht im Voraus einem Dritten eingeräumt, so behält er gleichwohl stets die Befugnis, dieses Recht beschränkt oder unbeschränkt dem Filmhersteller einzuräumen. Das Urheberrecht an den zur Herstellung des Filmwerkes benutzten Werken, wie Roman, Drehbuch und Filmmusik, bleibt unberührt. Dieser Absatz gilt für die Rechte zur filmischen Verwertung der bei der Herstellung eines Filmwerkes entstehenden Lichtbildwerke entsprechend. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche des Filmurhebers stehen dem Filmhersteller und dem Filmurheber je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind.

           (1a) Gestattet der nach Abs1 berechtigte Filmhersteller oder ein Werknutzungsberechtigter gegen Entgelt anderen die Benutzung eines Filmwerks zur gleichzeitigen, vollständigen und unveränderten Weitersendung mit Hilfe von Leitungen, so hat der Urheber Anspruch auf einen Anteil an diesem Entgelt; dieser Anteil beträgt ein Drittel, soweit der Filmhersteller mit dem Urheber nichts anderes vereinbart hat. Gestattet der Filmhersteller oder Werknutzungsberechtigte die Benutzung auch als Inhaber anderer Ausschließungsrechte und wird hiefür ein pauschales Entgelt vereinbart, so steht dem Urheber der Anspruch nach dieser Bestimmung nur an dem Teil des Entgelts zu, der auf die Abgeltung des Werknutzungsrechts am Filmwerk entfällt. Der Urheber kann den Anspruch nach dieser Bestimmung unmittelbar gegenüber demjenigen geltend machen, der zur Zahlung des Entgelts verpflichtet ist, wenn er diesem gegenüber nachweist, dass der Anspruch vom Filmhersteller beziehungsweise Werknutzungsberechtigten anerkannt oder gegen diesen gerichtlich festgestellt ist. Der Anspruch des Urhebers nach dieser Bestimmung kann nur durch Verwertungsgesellschaften geltend gemacht werden."

"Rechte an Darbietungen für ein Filmwerk

§69. Die Verwertungsrechte ausübender Künstler, die an den zum Zweck der Herstellung eines gewerbsmäßig hergestellten Filmwerkes oder anderen kinematographischen Erzeugnisses vorgenommenen Darbietungen in Kenntnis dieses Zwecks mitgewirkt haben, stehen dem Inhaber des Unternehmens (Filmhersteller oder Hersteller) zu. Die gesetzlichen Vergütungsansprüche stehen den ausübenden Künstlern und dem Filmhersteller oder Hersteller je zur Hälfte zu, soweit sie nicht unverzichtbar sind."

römisch III.       Erwägungen

1.           Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG

1.1.        Zur Rechtsqualität der Verwaltungsakte:

Es ist vorerst zu untersuchen, ob die vom Prüfungsantrag erfassten Verwaltungsakte Verordnungen iSd Art139 B-VG sind und dementsprechend Gegenstand eines Normenkontrollverfahrens sein können.

Der vorliegende Prüfungsantrag gemäß Art139 Abs1 Z3 B-VG richtet sich einerseits gegen den zweiten Satz des Punktes 14 der Satzung und andererseits gegen die Punkte 5 und 6 der Erläuterungen zur Satzung. Sowohl die Satzung als auch die Erläuterungen sind mit einer Fertigungsklausel versehen. Schon daraus ergibt sich, dass es sich bei der Satzung und den Erläuterungen um zwei getrennt zu beurteilende Verwaltungsakte handelt.

1.1.1.   Der Verfassungsgerichtshof hat schon in VfSlg 9873/1983 festgestellt, dass eine – der angefochtenen durchaus vergleichbare – Satzung der Schiedsstelle gemäß ArtIII §1 Abs3 Urheberrechtsgesetznovelle 1980, BGBl 321, angesichts ihrer Eigenschaft als von einer Verwaltungsbehörde erlassene Rechtsnorm mit generellem Adressatenkreis als Verordnung zu qualifizieren ist. In §30 Abs2 VerwGesG 2006 in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 190 aus 2013, wurde die Verordnungsqualität der Satzung explizit festgestellt ("Der Urheberrechtssenat ist zuständig für die Erlassung von Satzungen durch Verordnung."). Auch für den Gesetzgeber des VerwGesG 2016 bestand kein Zweifel, dass "Satzungen wegen ihrer normativen Wirkung für die Mitglieder und Bezugsberechtigten der Gesamtvertragsparteien als Verordnung einzustufen sind" (RV 1057 BlgNR 25. GP, 2). Der Verfassungsgerichtshof geht daher davon aus, dass die angefochtene Satzung eine Verordnung iSd Art139 B-VG ist.

1.1.2.   Nicht als Verordnung iSd Art139 B-VG einzustufen sind hingegen die Erläuterungen zur Satzung:

Nach der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg 8647/1979, 11.472/1987, 13.021/1992, 13.632/1993, 17.244/2004) ist für die Qualität als Verordnung nicht der formelle Adressatenkreis und die äußere Bezeichnung und auch nicht die Art der Verlautbarung, sondern der Inhalt des Verwaltungsaktes maßgebend. Voraussetzung für die Verordnungsqualität des Verwaltungsaktes wäre u.a., dass seine Formulierungen imperativ gehalten sind und für eine allgemein bestimmte Vielzahl von Personen unmittelbar Geltung beanspruchen (dazu zB VfSlg 4759/1964, 8649/1979, 8807/1980, 9416/1982, 10.170/1984, 10.518/1985, 11.467/1987, 13.021/1992, 13.632/1993).

In VfSlg 9598/1982 wurde ein mit "Erläuterungen" überschriebener Text als "imperative[r] Akt (mit Befolgungsanspruch), dem der Charakter einer generellen Norm iS des Art139 Abs1 B-VG nicht abgesprochen werden kann", eingestuft. Andererseits hat der Verfassungsgerichtshof in VfSlg 8858/1980 zum Ausdruck gebracht, dass keine Verordnung vorliegt, wenn die Behörde bloß ihre Rechtsansicht mitteilt vergleiche "Erläuterungen" betreffend VfSlg 5799/1968, 9108/1981).

Im vorliegenden Fall ergibt sich aus der Formulierung der Erläuterungen nicht, dass diese verbindlich sind. Der Urheberrechtssenat informiert mit diesen Erläuterungen bloß, warum er die Satzung so erlassen hat. Niemand ist an diese Erläuterungen gebunden, eine allgemeine Anordnung wird nicht getroffen. Die Erläuterungen der Satzung sind also in Ermangelung eines normativen Charakters keine Verordnung iSd Art139 B-VG. Aus diesem Grund ist der Verordnungsprüfungsantrag hinsichtlich der Punkte 5 und 6 der Erläuterungen zurückzuweisen.

1.2.       Zum zumutbaren Weg betreffend die Geltendmachung von Bedenken gegen die Gesetzmäßigkeit des zweiten Satzes des Punktes 14 der Satzung:

1.2.1.   Der Verfassungsgerichtshof hat seit dem Beschluss VfSlg 8058/1977 unter Hinweis auf VfSlg 8009/1977 in ständiger Rechtsprechung den Standpunkt vertreten, die Antragslegitimation nach Art139 Abs1 Z3 B-VG setze voraus, dass durch die bekämpfte Bestimmung die (rechtlich geschützten) Interessen des Antragstellers nicht bloß potentiell, sondern aktuell beeinträchtigt werden müssen und dass der durch Art139 Abs1 Z3 B-VG dem Einzelnen eingeräumte Rechtsbehelf dazu bestimmt ist, Rechtsschutz gegen rechtswidrige generelle Normen nur insoweit zu gewähren, als ein anderer zumutbarer Weg hiefür nicht zur Verfügung steht (zB VfSlg 11.684/1988, 14.297/1995, 15.349/1998, 16.345/2001, 16.836/2003).

1.2.2.   In der Möglichkeit, ein gerichtliches Verfahren anhängig zu machen, ist grundsätzlich ein zumutbarer Weg zur Geltendmachung von Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit von Gesetzen bzw. die Gesetzmäßigkeit von Verordnungen zu sehen (siehe nur VfSlg 8979/1980, 10.445/1985, 14.355/1995, 15.835/2000, 16.920/2003, 18.569/2008; VfGH 14.6.2014, G12/2014 ua. uvm.). Mit der zumutbaren Anrufung der ordentlichen Gerichte stünde es der antragstellenden Gesellschaft nämlich einerseits offen, ihre verfassungsrechtlichen Bedenken an das Gericht heranzutragen und die Einleitung eines Verfahrens nach Art139 Abs1 Z1 B-VG anzuregen (wozu jedes Gericht – sollte es die Bedenken teilen – gemäß Art89 Abs2 B-VG verpflichtet ist), sowie andererseits aus Anlass eines Rechtsmittels gegen die gerichtliche Entscheidung erster Instanz selbst einen Antrag nach Art139 Abs1 Z4 B-VG an den Verfassungsgerichtshof zu stellen. Soweit sich Anträge im vorliegenden Verfahren auf Bestimmungen beziehen, die in einem solchen zivilgerichtlichen Verfahren präjudiziell wären, bildet die zumutbare Einleitung eines solchen Verfahrens einen Weg, der der Zulässigkeit des Verordnungsprüfungsantrags im vorliegenden Verfahren vor dem Verfassungsgerichtshof entgegensteht.

1.2.3.   Mit Einführung der zweistufigen Verwaltungsgerichtsbarkeit, konkret durch Art13 Verwaltungsgerichtsbarkeits-Anpassungsgesetz – Justiz, Bundesgesetzblatt Teil eins, 190 aus 2013,, fielen die bis dahin dem Urheberrechtssenat zugewiesenen zivilrechtlichen Streitigkeiten in die Zuständigkeit der Zivilgerichte zurück. Dazu zählen 1. Streitigkeiten zwischen den Parteien aus einem Gesamtvertrag oder einer Satzung, 2. die Feststellung der Sätze, nach denen die Höhe des angemessenen Entgelts zu berechnen ist, das einer Verwertungsgesellschaft für die Erteilung einer Nutzungsbewilligung zusteht, 3. die Feststellung der Sätze, nach denen die Höhe des gesetzlichen Vergütungsanspruchs einer Verwertungsgesellschaft zu berechnen ist, und 4. die Feststellung des Anteils, der einer Verwertungsgesellschaft im Fall eines gesetzlichen Beteiligungsanspruchs zusteht (RV 2357 BlgNR 24. GP, 16 ff.). Sollte in einem derartigen zivilgerichtlichen Verfahren (der Kabelnetzbetreiber gegen die VdFS) der Sachverhalt eine Rolle spielen, dass die VAM von den Kabelnetzbetreibern höhere als ihr nach der Vereinbarung zwischen VdFS und VAM (s. Pkt. römisch eins.7.) zustehende Entgelte gefordert hat, sodass gegebenenfalls die (rechtlich geschützten) Interessen der VdFS aktuell beeinträchtigt sein könnten, dann stünde der VdFS ein Weg zur Verfügung, ihre Bedenken an den Verfassungsgerichtshof heranzutragen. Punkt 14 zweiter Satz der Satzung wäre in einem solchen gerichtlichen Verfahren jedenfalls anzuwenden, um das Bestehen der (Gegen-)Forderung der Kabelnetzbetreiber zu beurteilen.

1.2.4.   Weder mangelnde Erfolgsaussichten in einem solchen Verfahren noch das Prozessrisiko oder damit verbundene Kostenfolgen würden diesen Weg grundsätzlich unzumutbar machen (VfSlg 15.524/1999, 18.201/2007, 19.874/2014 mwN; vergleiche weiters VfSlg 10.445/1985, 16.664/2002, 16.708/2002, 18.777/2009).

1.2.5.   Besondere, außergewöhnliche Umstände, die die Zumutbarkeit der Anrufung eines ordentlichen Gerichtes im vorliegenden Fall in Frage stellen, sind nicht hervorgekommen. Die von der antragstellenden Gesellschaft ins Treffen geführte bloß dreijährige Verjährung stellt keinen solchen außergewöhnlichen Umstand dar.

1.2.6.   Am Charakter des Individualantrages als eines bloß subsidiären ("lückenschließenden") Rechtsbehelfes (VfSlg 10.251/1984, 11.344/1987, 11.823/1988) hat auch die mit Art139 Abs1 Z4 B-VG geschaffene Antragsmöglichkeit nichts geändert, tritt diese doch neben die bei entsprechenden Bedenken weiterhin bestehende Antragsverpflichtung der (ordentlichen) Gerichte nach Art139 Abs1 Z1 B-VG.

1.2.7.   Daher ist auch der Antrag auf Aufhebung des zweiten Satzes des Punktes 14 der Satzung zurückzuweisen.

1.3.       Der Verfassungsgerichtshof hat in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG ausschließlich zu beurteilen, ob die vom Antragsteller vorgebrachten Bedenken zu Recht bestehen. Auf die Bedenken der VAM (Pkt. römisch eins.16.) ist schon deswegen nicht einzugehen, weil sie nicht im Sinne der Antragsteller sind.

2.           Zur Zulässigkeit des Antrages gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG

2.1.       Nach §62 Abs1 VfGG hat ein Antrag auf Normenkontrolle, der von einer Person gestellt wurde, die unmittelbar durch die Rechtswidrigkeit einer Norm in ihren Rechten verletzt zu sein behauptet, demgemäß darzutun, inwieweit die Norm ohne Fällung einer gerichtlichen Entscheidung oder ohne Erlassung eines Bescheides für die Person wirksam geworden ist, inwiefern die Norm also in die Rechtssphäre des Antragstellers unmittelbar nachteilig eingreift. Das Fehlen dieser Darlegung stellt einen inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel und somit ein Prozesshindernis dar (VfSlg 12.797/1991, 13.717/1994, 17.111/2004, 18.187/2007, 19.505/2011; VfGH 5.3.2014, V62/2013).

Hiebei kommt es nach der Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ausschließlich auf die Behauptungen des Antragstellers an, in welcher Hinsicht das angefochtene Gesetz seine Rechtssphäre berührt und allenfalls verletzt. Es ist vom Antragsvorbringen auszugehen und lediglich zu prüfen, ob die vom Antragsteller ins Treffen geführten Wirkungen solche sind, wie sie Art140 Abs1 Z1 litc B-VG als Voraussetzung für die Antragslegitimation fordert vergleiche zB VfSlg 11.730/1988, 14.338/1995, 15.863/2000, 16.088/2001, 16.120/2001, 17.768/2006, 18.512/2008 uva); es braucht nicht untersucht zu werden, ob das Gesetz sonstige unmittelbare Wirkungen für den Antragsteller hat.

2.2.       Die antragstellende Gesellschaft beantragt die Aufhebung "des §38 Abs1 Satz 1 und/oder Satz 2 und/oder des §38 Abs1a sowie des §69 Abs1 UrhG". Sie tut aber nicht in der von §62 Abs1 VfGG geforderten Form dar, inwieweit sie durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar in ihrer Rechtssphäre betroffen ist. Da somit durch den Antrag nicht konkret dargetan wird, inwieweit durch das Gesetz ein unmittelbarer Eingriff in die Rechtssphäre der antragstellenden Gesellschaft erfolgt, leidet der Gesetzesprüfungsantrag an einem inhaltlichen, nicht verbesserungsfähigen Mangel vergleiche etwa VfSlg 14.338/1995, 18.187/2007, 18.512/2008; VfGH 7.10.2009, G142/09; 21.11.2013, G85/2013).

2.3.       Der Gesetzesprüfungsantrag ist schon allein aus diesem Grund zurückzuweisen, wobei nicht darauf einzugehen ist, ob überhaupt ein Individualantrag gemäß Art140 Abs1 Z1 litc B-VG – auf diese Bestimmung wird in der Überschrift des Antrags Bezug genommen – vorliegt oder ob die antragstellende Gesellschaft des Verordnungsprüfungsverfahrens nur eine amtswegige Prüfung des Urheberrechtsgesetzes gemäß Art140 Abs1 Z1 litb B-VG anregen wollte, worauf die Formulierung des Antrags (Pkt. römisch eins.10.) hindeutet.

römisch IV.         Ergebnis

1.           Die Anträge sind daher insgesamt als unzulässig zurückzuweisen.

2.           Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2017:V54.2016