Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

12.12.2016

Geschäftszahl

G650/2015 ua

Sammlungsnummer

20121

Leitsatz

Keine Gleichheitswidrigkeit der Bestimmung über eine Glücksspielabgabe auf Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistungen; festgelegter Besteuerungsgegenstand und Steuersatz nicht unsachlich

Spruch

Die Anträge werden abgewiesen.

Begründung

Entscheidungsgründe

römisch eins.           Anträge

Der Verwaltungsgerichtshof stellt in den beim Verfassungsgerichtshof zu G650/2015 und G35/2016 und das Bundesfinanzgericht in dem zu G20/2016 protokollierten Verfahren jeweils den auf Art140 Abs1 Z1 lita B-VG gestützten Antrag, "§58 Abs3 des Glücksspielgesetzes, Bundesgesetzblatt Nr 620 aus 1989,, in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2011, Bundesgesetzblatt römisch eins Nr 76, zur Gänze, in eventu in §58 Abs3 leg.cit. in der genannten Fassung den Klammerbegriff '(auch)' als verfassungswidrig aufzuheben".

römisch II.         Rechtslage

1.           §1 Glücksspielgesetz – GSpG, Bundesgesetzblatt 620 aus 1989,, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 13 aus 2014,, §57 GSpG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 111 aus 2010,, und §58 GSpG, in der Fassung Bundesgesetzblatt Teil eins, 76 aus 2011,, lauten (die angefochtene Bestimmung ist hervorgehoben):

"Abschnitt I

Glücksspielgesetz

Allgemeiner Teil

Glücksspiele

§1. (1) Ein Glücksspiel im Sinne dieses Bundesgesetzes ist ein Spiel, bei dem die Entscheidung über das Spielergebnis ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt.

(2) Glücksspiele im Sinne dieses Bundesgesetzes sind insbesondere die Spiele Roulette, Beobachtungsroulette, Poker, Black Jack, Two Aces, Bingo, Keno, Baccarat und Baccarat chemin de fer und deren Spielvarianten. Der Bundesminister für Finanzen ist ermächtigt, aus Gründen der Rechtssicherheit durch Verordnung weitere Spiele als Glücksspiele im Sinne des Abs1 zu bezeichnen.

(3) In Angelegenheiten des Glücksspiels kann der Bundesminister für Finanzen Amtssachverständige bestellen.

(4) Der Bundesminister für Finanzen hat eine Stelle für Spielerschutz einzurichten, deren Aufgabe die inhaltliche, wissenschaftliche und finanzielle Unterstützung des Spielerschutzes ist. Zur Finanzierung der Arbeit dieser Stelle wird ab 1. Jänner 2011 ein Finanzierungsbeitrag von 1 vT der jeweiligen Bemessungsgrundlage nach §28 sowie nach §57 Abs4 gemeinsam mit den jeweiligen Abgaben erhoben.

[...]

GLÜCKSSPIELABGABEN

Glücksspielabgaben

§57. (1) Ausspielungen, an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt, unterliegen – vorbehaltlich der folgenden Absätze – einer Glücksspielabgabe von 16 vH vom Einsatz. Bei turnierförmiger Ausspielung treten außerhalb des Anwendungsbereiches von §17 Abs2 an Stelle der Einsätze die in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinne in Geld, Waren oder geldwerten Leistungen) des Turniers.

(2) Für Ausspielungen gemäß §12a (elektronische Lotterien), an denen die Teilnahme vom Inland aus erfolgt und die nicht über Video-Lotterie-Terminals im Sinne des §12a Abs2 durchgeführt werden, beträgt die Glücksspielabgabe 40 vH der Jahresbruttospieleinnahmen. Besteht eine Abgabenpflicht nach §17 Abs3, sind Ausspielungen gemäß §12a von der Glücksspielabgabe befreit.

(3) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe – vorbehaltlich Abs4 – 30 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen.

(4) Für Ausspielungen mit Glücksspielautomaten und für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals beträgt die Glücksspielabgabe 10 vH der um die gesetzliche Umsatzsteuer verminderten Jahresbruttospieleinnahmen (Bundes-automaten- und VLT-Abgabe), wenn sie

– im Falle von Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung nach §5 oder

– im Falle von Video-Lotterie-Terminals auf Basis einer Konzession des Bundesministers für Finanzen nach §14 durchgeführt werden.

Die Regelung von Zuschlägen der Länder (Gemeinden) zur Bundesautomaten- und VLT-Abgabe bleibt den jeweiligen Finanzausgleichsgesetzen vorbehalten.

(5) Jahresbruttospieleinnahmen sind die Einsätze abzüglich der ausgezahlten Gewinne eines Kalenderjahres.

(6) Von der Glücksspielabgabe befreit sind

1. Ausspielungen in vom Bundesminister für Finanzen konzessionierten Spielbanken im Sinne des §21,

2. Ausspielungen mit Glücksspielautomaten auf Basis einer landesrechtlichen Bewilligung unter Einhaltung der Vorgabe des §4 Abs2 in der Fassung vor dem Bundesgesetz Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 73 aus 2010,,

3. die Ausnahmen aus dem Glücksspielmonopol des §4 Abs3 bis 6.

(7) Abweichend von Abs4 gilt für die Glückspielabgabe für elektronische Lotterien über Video-Lotterie-Terminals in den Ländern Kärnten, Niederösterreich, Steiermark und Wien auf Basis einer Konzession des Bundesministers für Finanzen nach §14 bis zum Ablauf des 31. Dezember 2014 bzw. 31. Dezember 2015 (§60 Abs25 Z2) Folgendes:

1. Wenn das Land keine Bewilligungen gemäß §5 vergeben hat, beträgt der Steuersatz 25 vH.

2. Wenn das Land die höchstzulässige Anzahl von Bewilligungen gemäß §5 vergeben hat, beträgt der Steuersatz 10 vH.

3. Wenn das Land nur einen Teil der gemäß §5 möglichen Bewilligungen vergeben hat, wird der Hundertsatz für den Steuersatz entsprechend dem Anteil der vergebenen möglichen Bewilligungen zwischen 10 und 25 eingeschliffen und halbjährlich nach folgender Formel berechnet: 25 – (15 x vergebene Bewilligungen / Höchstzahl der Bewilligungen).

Der Bundesminister für Finanzen hat die Höhe des aktuellen Steuersatzes dem Konzessionär für das jeweilige Halbjahr bis 1. Februar und 1. August verbindlich mitzuteilen.

Ermäßigte Glücksspielabgabe

§58. (1) Verlosungen von Vermögensgegenständen gegen Entgelt, die keine Ausspielungen sind und sich an die Öffentlichkeit wenden, und Lotterien ohne Erwerbszweck nach §§32 bis 35 unterliegen einer Glücksspielabgabe von 12 vH aller erzielbaren Einsätze.

(2) Die Glücksspielabgabe nach Abs1 ermäßigt sich für Lotterien ohne Erwerbszweck nach §§32 bis 35 auf 5 vH, wenn das gesamte Reinerträgnis der Veranstaltung ausschließlich für gemeinnützige, mildtätige oder kirchliche Zwecke verwendet wird. Die widmungsgemäße Verwendung des Reinerträgnisses ist dem Finanzamt für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel über dessen Aufforderung nachzuweisen.

(3) Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung gemäß §2 Abs1 Z2 (Einsatz) unterliegen einer Glücksspielabgabe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinn), wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet. Die Steuerpflicht entfällt, wenn die Steuer den Betrag von 500 Euro im Kalenderjahr nicht überschreitet."

römisch III.       Anlassverfahren, Antragsvorbringen und Vorverfahren

1.           G 650/2015

1.1.       Beim Verwaltungsgerichtshof ist eine Amtsrevision des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 17. Juli 2015 anhängig. Mit diesem Erkenntnis gab das Bundesfinanzgericht der als Beschwerde behandelten Berufung der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei statt und setzte die im angefochtenen Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 4. Februar 2013 festgelegte ermäßigte Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG – ausgehend von einer geringeren als von der Behörde angenommenen Bemessungsgrundlage – mit einem entsprechend niedrigeren Betrag fest.

Die im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligte Partei hatte im Zeitraum vom 27. August bis 17. November 2011 in Deutschland und Österreich ein "Preisausschreiben" durchgeführt, in dessen Rahmen Kunden durch Einsendung des Einkaufsbelegs von erworbenen Produkten der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren mitbeteiligten Partei Einkaufsgutscheine im Wert von € 1.000,– gewinnen konnten. An diesem Gewinnspiel beteiligten sich auch Kunden aus Österreich, die Gewinne von insgesamt € 28.000,– erzielten. Den Teilnahmebedingungen zufolge war die Teilnahme an dem Glücksspiel auf Deutschland und Österreich beschränkt und es wurden Gewinne im Gesamtwert von € 220.000,– in Aussicht gestellt.

1.2.       Der Verwaltungsgerichtshof führt zunächst in seinem Antrag an den Verfassungsgerichtshof aus, dass der Verwaltungsgerichtshof den Ansatz des Bundesfinanzgerichtes teile, dass §57 und §58 GSpG in einem systematischen Verhältnis zueinander stehen; es könne dahingestellt bleiben, ob sich unter Heranziehung des §57 Abs1 GSpG ein weiterer Inlandsbezug für §58 Abs3 GSpG ergebe und ob §57 Abs1 GSpG die Bedeutung eines Grundtatbestandes gegenüber §58 Abs3 GSpG zukomme. §58 Abs3 GSpG in der Fassung des AbgÄG 2011 stelle einen Inlandsbezug dadurch her, dass sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet. Ausgehend vom möglichen Wortsinn des Tatbestandes des §58 Abs3 GSpG, der die Grenze jeder Interpretation ziehe, sei der vom Bundesfinanzgericht vertretene Lösungsansatz, bei grenzüberschreitenden Glücksspielen die Abgabe in Relation zu den (schätzungsweise) auf das Inland entfallenden Teilnahmen zu bemessen, verwehrt, weil der Tatbestand des §58 Abs3 GSpG eine solche verhältnismäßige Bemessung oder Reduzierung der Glücksspielabgabe schlicht nicht vorsehe. Der dem Einzelnen in Aussicht gestellte Gewinn sei bei Preisausschreiben iSd §58 Abs3 GSpG weder von der Gesamtzahl der Teilnehmer noch von der Anzahl oder dem Anteil der Teilnehmer aus dem Inland abhängig, bilde jedoch die Bemessungsgrundlage der Abgabe. Daran anschließend legt der Verwaltungsgerichtshof die Bedenken, die ihn zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"Andererseits erhebt sich bei einem Verständnis des §58 Abs3 GSpG, wonach auch bei grenzüberschreitenden Glücksspielen die (österreichische) Glücksspielabgabe nach §58 Abs3 GSpG anhand der gesamten in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinn) bemisst, das Bedenken, dass damit lediglich vorausgesetzt ist, dass sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit 'richtet': irgend ein Umfang der Teilnahme vom Inland aus ist damit nicht vorausgesetzt, als hinreichender Sachverhalt mit Inlandsbezug, der allein die Abgabenpflicht auslöst, verbleibt die 'Auslobung' im Inland. Damit entfernt sich der Begriff des Glücksspiels nach §58 Abs3 GSpG von der grundsätzlichen Definition in §1 Abs1 GSpG und dem Begriff des 'Spiels', bei dem es sich um einen Glücksvertrag handelt, der eine aktive Teilnahme voraussetzt, wie es etwa auch bei der Bemessungsgrundlage 'Einsatz' bei Ausspielungen (§2 Abs1 GSpG) in §57 Abs1 GSpG zum Ausdruck kommt.

Auch wenn man davon ausginge, dass die Glücksspielabgabe nach §58 Abs3 GSpG eine – dem Gesetz nicht erschließbare – Mindestbeteiligung 'aus dem Inland' voraussetzt, stünde einem solchen Verständnis immer noch das Bedenken entgegen, dass die Besteuerung unter unsachlicher Entfernung vom System des Glücksspielgesetzes und damit in exzessiver Weise an Sachverhalte anknüpfen würde.

Wohl kommt nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts dem Gesetzgeber ein rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Allerdings verlangt der auch den Gesetzgeber bindende Gleichheitsgrundsatz Regelungen, die sachlich gerechtfertigt werden können, und normiert ein umfassendes Sachlichkeitsgebot, wobei unverhältnismäßige Regelungen zur Unsachlichkeit führen können vergleiche etwa VfSlg 14.503/1996 sowie VfSlg 15.771/2000).

Ausgehend von der Zielrichtung der Neufassung des §58 Abs3 GSpG durch das AbgÄG 2011, einen – wohl nicht nur grundsätzlichen – Inlandsbezug für die Besteuerung von Preisausschreiben zu schaffen, verfehlt das Tatbestandselement 'wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet' eine sachlich differenzierte Anknüpfung der Besteuerung, namentlich der Höhe der Glücksspielabgabe, an einen konkreten (inländischen) Sachverhalt.

Mit diesem Ergebnis hegt der Verwaltungsgerichtshof auch Bedenken, dass die Erwerbsfreiheit der Mitbeteiligten nach Art6 StGG und ihre unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit nach Art15 EU-GRC in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt wird vergleiche Doralt, Preisausschreiben: Weltweiter Geltungsbereich der Glücksspielabgabe? in RdW 2014, S 309-311; zum unionsrechtlichen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle vergleiche etwa VfSlg 19.632/2012)."

2.           G 35/2016

2.1.       Beim Verwaltungsgerichtshof sind die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof verbundenen Revisionen des Finanzamtes für Gebühren, Verkehr-steuern und Glücksspiel und der Veranstalterin eines der ermäßigten Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG unterliegenden Gewinnspiels (Zweitrevisionswerberin) gegen das Erkenntnis des Bundesfinanzgerichtes vom 31. Juli 2015 anhängig, mit welchem das Bundesfinanzgericht der Beschwerde der Veranstalterin gegen den Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 4. April 2014 teilweise stattgab und die darin festgelegte ermäßigte Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG ausgehend von einer – durch Ausscheidung von auf Grund der Spielbedingungen nur in Deutschland erhältlichen Gewinne und Abstellen auf die von der Veranstalterin für Teilnehmer aus Österreich intendierten Gewinne – niedrigeren als von der Behörde angenommenen Bemessungsgrundlage mit einem entsprechend geringeren Betrag festsetzte.

Die Zweitrevisionswerberin hatte in der Zeit vom 15. November bis 19. Dezember 2012 in Deutschland, Luxemburg und Österreich ein Gewinnspiel veranstaltet, in dessen Rahmen auf Verpackungen von Produkten angebrachte Spielsticker in Form von Sofortgewinnen oder durch Zusammenfügung ergänzender Sticker auf einem einzusendenden Flyer in Form von Sammelgewinnen eingelöst werden konnten.

2.2.       Der Verwaltungsgerichtshof äußert im Wesentlichen dieselben Bedenken wie in seinem Antrag in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G650/2015 protokollierten Verfahren.

3.           G 20/2016

3.1.       Beim Bundesfinanzgericht ist eine Beschwerde der unter Punkt römisch III.2. genannten Veranstalterin von Gewinnspielen gegen einen Bescheid des Finanzamtes für Gebühren, Verkehrsteuern und Glücksspiel vom 19. Jänner 2015 anhängig, in dem die Behörde – entgegen der von der Veranstalterin im Wege der Selbstberechnung auf Basis des für Österreich festgelegten Preispools (einer begrenzten Anzahl sämtlicher in Aussicht gestellter Gewinne) ermittelten Abgabenschuld – die ermäßigte Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG für im Zeitraum von 21. März bis 24. April 2012 von der Veranstalterin in Deutschland, Österreich und Luxemburg in der unter Punkt römisch III.2. genannten Form abgehaltenen Gewinnspiele auf Basis sämtlicher in Aussicht gestellter Gewinne festsetzte.

3.2.       Das Bundesfinanzgericht legt die Bedenken, die es zur Antragstellung beim Verfassungsgerichtshof bestimmt haben, wie folgt dar:

"[…]

Bedenken hinsichtlich der Verfassungskonformität

In seinem o.a. Beschluss vom 25.11.201[5] stellt der VwGH fest, dass in §58 Abs3 GSpG der Inlandsbezug nur dadurch hergestellt wird, dass sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet, und dass der Wortsinn dieser Bestimmung die Grenze jeder Interpretation zieht. Somit verbleibt, als die Abgabenpflicht auslösender Sachverhalt mit Inlandsbezug, einzig die Auslobung im Inland[.]

Bezogen auf den gegenständlichen Fall bedeutet dies, dass sich bei den zu beurteilenden grenzüberschreitenden Glücksspielen die (österreichische) Glücksspielabgabe nach §58 Absatz , GSpG anhand der gesamten in Aussicht gestellten Leistungen (Gewinn) bemisst, da sich diese Gewinnspiele (auch) an die inländische Öffentlichkeit richten.

Damit entfernt sich der Glücksspielbegriff des §58 Abs3 GSpG von der grundsätzlichen Definition in §1 Abs1 GSpG und dem Begriff des 'Spiels', bei dem es sich um einen Glücksvertrag handelt, der eine aktive Teilnahme voraussetzt, wie es etwa auch bei der Bemessungsgrundlage 'Einsatz' vergleiche §2 Abs1 Z1 leg cit) des §57 Abs1 leg.cit zum Ausdruck kommt. Somit knüpft die Besteuerung nach §58 Abs3 GSpG unter unsachlicher Entfernung vom System des Glücksspielgesetzes in exzessiver Weise an Sachverhalte an.

Unbeschadet dessen, dass die Gerichtshöfe des öffentlichen Rechtes dem Gesetzgeber einen rechtspolitischen Gestaltungsraum zubilligen, ist dieser an den Gleichheitsgrundsatz gebunden. Damit werden von ihm Regelungen verlangt, die sachlich gerechtfertigt werden können. vergleiche VfSlg 14.503/1996; 15.771/2000) Diese Forderung ist bei §58 Abs3 GSpG nicht erfüllt.

In Fällen, in welche[n] die wirtschaftliche Relevanz länderübergreifender Gewinnspiele, bei welchen die Auslobung auch in Österreich stattfindet, für das Inland von geringer Bedeutung ist, kann die österreichische Besteuerung aller Gewinne, die im Rahmen eines derartigen Gewinnspiels insgesamt in Aussicht gestellt worden sind, dazu führen, dass die den inländischen Steuerschuldnern abverlangten Steuerbeträge, die auf die Teilnahme an den Gewinnspielen bezogene österreichische Unternehmensgewinne bei weitem übersteigen. Es käme somit zu einer unverhältnismäßig hohen und exzessiven Steuerbelastung, wodurch das Eigentumsrecht verletzt wird. (VfGH 16.03.1987, B466/86).

Die Einbeziehung sämtlicher in Aussicht gestellte[r] Gewinne – d.h. auch der für das Ausland bestimmten bzw. nur ebendort erhältlichen Gewinne – würde letztlich zum Ausschluss des Inlandes bei länderübergreifenden Gewinnspielen führen, was nicht den steuerpolitischen Anforderungen der Glücksspielabgabe entspricht. Ausgehend von der Zielrichtung der Neufassung des §58 Absatz , GSpG durch das AbgÄG 2011, einen – wohl nicht nur grundsätzlichen – lnlandsbezug für die Besteuerung von Gewinnsielen zu schaffen, lässt das Tatbestandselement des §58 Absatz , GSpG 'wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet' eine sachlich differenzierte Anknüpfung der Höhe der Glücksspielabgabe –also der Besteuerung – an einen (konkreten) inländischen Sachverhalt vermissen.

Aus diesem Verständnis heraus hegt das BFG auch Bedenken, dass die Erwerbsfreiheit der Bf. nach Art6 StGG und ihre unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit nach Art15 EU-GRC in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt wird (vergleiche Doralt, Preisausschreiben: Weltweiter [Geltungsbereich] der Glücksspielabgabe? in RdW 2014, S 309-311; zum unionsrechtlichen Prüfungsmaßstab in Verfahren der generellen Normenkontrolle vergleiche etwa VfSlg 19.632/2012)."

4.           Die Bundesregierung erstattete in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G650/2015 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie von der Zulässigkeit des Antrags ausgeht und den im Antrag erhobenen Bedenken wie folgt entgegentritt:

"[…]

römisch II.

Zu den verfassungsrechtlichen Bedenken

Die Bundesregierung verweist einleitend auf die ständige Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes, wonach dieser in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen beschränkt ist und ausschließlich beurteilt, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist vergleiche zB VfSlg 19.160/2010, 19.281/2010, 19.532/2011, 19.653/2012). Die Bundesregierung beschränkt sich daher im Folgenden auf die Erörterung der im Antrag dargelegten Bedenken.

Der Verwaltungsgerichtshof hegt die Bedenken, dass die angefochtene Bestimmung den Gleichheitssatz (Art7 Abs1 B-VG in Verbindung mit Art2 StGG), das Grundrecht auf Erwerbsfreiheit (Art6 StGG) sowie die Dienstleistungsfreiheit nach Art15 GRC verletze. Die Bundesregierung teilt diese Bedenken nicht, wie im Folgenden näher dargestellt wird.

1. Zu den Bedenken im Hinblick auf den Gleichheitssatz

Die gleichheitsrechtlichen Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes gehen im Wesentlichen dahin, dass die Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG, die sich anhand der gesamten in Aussicht gestellten Gewinne bemisst, bei grenzüberschreitenden Glücksspielen nicht sachlich differenziert an einen konkreten (inländischen) Sachverhalt anknüpfe.

Nach Ansicht der Bundesregierung ist dieses Vorbringen nicht geeignet, eine Verfassungswidrigkeit der Bestimmung aufzuzeigen.

Gemäß Art7 B-VG bzw. Art2 StGG sind alle Staatsbürger vor dem Gesetz gleich. Für den Gesetzgeber folgt hieraus, dass eine Person so wie eine andere zu behandeln ist, sofern nicht besondere Gründe dagegen sprechen. MaW verbietet der sich aus Art7 B-VG bzw. Art2 StGG ergebende Gleichheitssatz, andere als sachlich begründbare Differenzierungen zwischen den Normadressaten zu schaffen vergleiche etwa VfSlg 8169/1977 uva). Nur dann, wenn gesetzliche Differenzierungen aus entsprechenden Unterschieden im Tatsächlichen ableitbar sind, entspricht das Gesetz dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz vergleiche VfSlg 4392/1963 uva). Innerhalb dieser aufgezeigten Schranken kann der Gesetzgeber seine Zielvorstellungen auf die ihm geeignet erscheinende Art verfolgen: Dabei ist die Frage der Zweckmäßigkeit einer Regelung oder der optimalen Zielerreichung durch eine Regelung kein Maßstab einer Gleichheitsprüfung vergleiche VfSlg 12.416/1990). Das eingesetzte Mittel darf aber zur Zielerreichung nicht völlig untauglich sein vergleiche Hengstschläger/Leeb, Grundrechte (2013), Rz 7/21).

Mit §58 Abs3 GSpG hat der Gesetzgeber Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerten Einsatz einer Glücksspielabgabe in Höhe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinn) unterworfen. Derartige unentgeltliche Preisausschreiben unterliegen einer Glücksspielabgabe, wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet. Eine aktive Teilnahme wird nicht verlangt; vielmehr genügt es, dass das Preisausschreiben im Sinne des §1 Abs1 GSpG so ausgestaltet ist, dass dessen (Spiel)Ergebnis 'ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt'.

Nach Ansicht der Bundesregierung verschlägt es dabei nichts, wenn sich der Glücksspielbegriff des §58 Abs3 GSpG insoweit 'von der grundsätzlichen Definition in §1 Abs1 GSpG und dem Begriff des 'Spieles', bei dem es sich um einen Glücksvertrags handelt, der eine aktive Teilnahme voraussetzt' entfernen sollte (VwGH-Antrag Seite 7). Der Abgabengesetzgeber hat seine Belastungsentscheidung zulässigerweise auf bestimmte Preisausschreiben ausgedehnt, die sich an die inländische Öffentlichkeit richten. Dass die Besteuerung 'unter unsachlicher Entfernung vom System des Glücksspielgesetzes und damit in exzessiver Weise an Sachverhalte' anknüpfe (VwGH-Antrag Seite 7), ist für die Bundesregierung nicht zu erkennen. Die Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG verfolgt neben dem Fiskalzweck auch einen Lenkungszweck. Durch das Abgabenänderungsgesetz 2011 und zahlreiche andere Novellierungen des GSpG verfolgt der Gesetzgeber das Ziel, eine Verringerung der Möglichkeit zum Glücksspiel herbeizuführen. Preisausschreiben werden in diesem Zusammenhang als zunehmendes Problem wahrgenommen: Zwar resultieren aus ihnen grundsätzlich keine den entgeltlichen Glücksspielen vergleichbaren (vermehrten) finanziellen Ausgaben für die Teilnehmer und gehen sie auch nicht mit dem Risiko des wirtschaftlichen Ruins (wie im Fall anderer entgeltlicher Glücksspiele) einher, dennoch sind sie geeignet, die Spielleidenschaft anzuregen. Die gesteigerte Spielleidenschaft birgt in sich wiederum auch die Gefahr, Anreize für die Teilnahme an konventionellem Glücksspiel zu bewirken.

Der Gesetzgeber hat sich daher entschieden, dem Phänomen der steigenden Anzahl an Preisausschreiben und der dabei steigenden Anzahl und Höhe der zu gewinnenden Preise mit einer Abgabe steuernd entgegen zu wirken. Mit Einführung des §58 Abs3 GSpG hat der Gesetzgeber seinen rechtspolitischen Gestaltungsspielraum genutzt, um Preisausschreiben zu besteuern und damit einen Anreiz zur Nichtdurchführung oder aber zumindest zur Begrenzung der Anzahl und Höhe zu gewinnender Preise von Preisausschreiben zu bewirken. Eine derartige Zielsetzung erscheint der Bundesregierung auch nicht unsachlich vergleiche zB VfSlg 12.011/1989, zu Spielautomaten). Der Eingriff durch die Besteuerung erweist sich dabei jedenfalls auch geringer als (verwaltungsrechtliche) Verbote vergleiche in diesem Sinne auch VfGH vom 9. Dezember 2014, G136/2014 ua., zur steuerlichen Abzugsfähigkeit von sog. 'Managergehältern'). Im Übrigen sind gerade Preisausschreiben mit übermäßig hohen Gewinnsummen (wie auch bei grenzüberschreitenden Preisausschreiben erzielbar) in besonderem Maße geeignet die Spielleidenschaft zu wecken und auch geeignet eine ArtWettlauf der Veranstalter nach immer höheren Gewinnmöglichkeiten zur Aufrechterhaltung oder Erhöhung der Attraktivität zukünftiger Preisausschreiben auszulösen. Dies steht dem Ziel des GSpG entgegen, lediglich die bereits vorhandene Spielleidenschaft in regulierte und streng beaufsichtigte Bahnen zu lenken; diese aber nicht zusätzlich durch omnipräsentes Angebot an unentgeltlichen Glücksspielen zu fördern.

Bei grenzüberschreitenden Preisausschreiben erfolgt die Anknüpfung der Glücksspielabgabe an das Inland – wie auch der Verwaltungsgerichtshof im Antrag vergleiche Seite 7 des Antrags) festhält – über die Auslobung im Inland. Völkerrechtliche Bedenken an dieser Anknüpfung bestehen nach Ansicht der Bundesregierung nicht und werden auch vom Verwaltungsgerichtshof nicht geäußert: Wenn eine Auslobung eines Preisausschreibens im Inland erfolgt – bei grenzüberschreitenden Preisausschreiben wie im Anlassfall genügt, dass sich diese an die Öffentlichkeit in Österreich richtet – so liegt eine ausreichende Anknüpfung der Besteuerung an eine[n] konkreten (inländischen) Sachverhalt vor, ist doch auch der theoretische Fall vorstellbar, dass alle im Inland ausgelobten Preise ausschließlich in Österreich gewonnen werden, da auf Grund des Zufallselementes nicht vorhergesagt werden kann, ob sich Gewinne oder Nieten – in einem Fall wie im Anlassfall – in Österreich oder in Deutschland realisieren. Darüber hinaus ist allgemein anerkannt, dass bereits eine geringfügige (persönliche oder sachliche) Nahebeziehung – ein sogenannter 'genuine Link', wie er im Anlassfall durch die Ausrichtung des Gewinnspiels auf das Inland auch tatsächlich vorliegt – ausreicht, um einem Staat ein Besteuerungsrecht zuzuerkennen vergleiche in diesem Sinne Web-Fas, Völkerrecht und Steuerhoheit, RIW 1979, 586; M. Lang, Einführung in das Recht der Doppelbesteuerungsabkommen (1997) Rz. 1).

Im Hinblick auf die Bedenken des Verwaltungsgerichtshofes zur Höhe der österreichischen Abgabe bei grenzüberschreitenden Preisausschreiben ist darauf hinzuweisen, dass die Höhe des Steuersatzes (5 vH) an sich vergleichsweise gering ist und es die Veranstalter in der Hand haben, grenzüberschreitende Preisausschreiben mit eigenen Gewinnpools für Österreich vorzusehen. Sie können daher den Steueranfall beeinflussen, etwa indem sie die in Aussicht gestellten Preise in Österreich dem Absatz bzw. Umsatz in Österreich anpassen. Gleichzeitig würde in einem solchen Fall das Ziel des Gesetzgebers, besonders große (und damit übermäßig verlockende) Preisausschreiben zurückzudrängen, erreicht, und ein Gleichgewicht zwischen der Bedeutung des Preisausschreibens und der damit ausgelobten Preise im Inland auf der einen Seite und dem Absatz bzw. Umsatz von Waren bzw. Dienstleistungen in Österreich auf der anderen Seite hergestellt.

Im Übrigen entspricht es verwaltungsökonomischen Erwägungen, auf die der inländischen Öffentlichkeit in Aussicht gestellten Gewinne abzustellen, da die Bemessungsgrundlage auf Grund der Spielbedingungen eines Preisausschreibens (sowohl für den Abgabepflichtigen als auch für die Finanzverwaltung) einfach und sicher festgestellt werden können. Der Abgabenpflichtige hat es dabei noch vor Durchführung des Preisausschreibens in der Hand, die zu erwartende Abgabenlast einfach und sicher zu errechnen, und hat damit auch die Möglichkeit eine Anpassung des Preisausschreibens noch vorzunehmen. Eine Beurteilung nach Umsatz- oder Absatzzahlen, nach Bevölkerungsschlüssel oder im Einzelfall zu ermittelnder Anzahl der tatsächlich am Preisausschreiben teilnehmender Käufer würde zu großen Unsicherheiten bei der Abgabenerklärung führen, da dies nicht immer einfach und eindeutig feststellbar ist. Ferner würden diese Feststellungen auch mit enormem Verwaltungsaufwand sowohl auf Seiten der Veranstalter eines Preisausschreibens als auch auf Seiten der Finanzverwaltung (im Zuge der Prüfung) einhergehen.

Zusammenfassend ist die Bundesregierung sohin der Auffassung, dass hinsichtlich der Ausgestaltung der in §58 Abs3 GSpG vorgesehenen Glückspielabgabe der dem Gesetzgeber zukommende rechtspolitische Gestaltungsspielraum so gewählt wurde, dass die verfassungsrechtlichen Grenzen des Sachlichkeitsgebots des Gleichheitsgrundsatzes, nicht verletzt wurden.

2. Zu den Bedenken im Hinblick auf das Grundrecht auf Freiheit der Erwerbstätigkeit

Der Verwaltungsgerichtshof hegt Bedenken, dass die Erwerbsfreiheit der Mitbeteiligten nach Art6 StGG in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt wird. Diese Bedenken erweisen sich nach Ansicht der Bundesregierung als unbegründet:

Nach ständiger Rechtsprechung erlaubt es der Gesetzesvorbehalt des Art6 StGG, Beschränkungen im öffentlichen Interesse vorzusehen, die zur Verwirklichung dieses öffentlichen Interesses geeignet, adäquat und auch sonst sachlich rechtfertigbar sind. Im vorliegenden Fall kann zur Rechtfertigung der Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG zur Vermeidung von Wiederholungen iW auf die obigen Ausführungen zu Punkt römisch II.1 verw[ie]sen werden.

3. Zu den Bedenken im Hinblick auf die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit nach Art15 GRC

Der Verwaltungsgerichtshof hegt schließlich Bedenken, dass die unionsrechtlich garantierte Dienstleistungsfreiheit der Mitbeteiligten nach Art15 GRC in unverhältnismäßiger Weise eingeschränkt wird, führt diese Bedenken aber nicht weiter aus.

Durch die Verwendung des Begriffs 'Dienstleistungsfreiheit' im Beschluss des Verwaltungsgerichtshofes ist davon auszugehen, dass dieser iW auf eine Verletzung des Art15 Abs2 GRC abstellt. Laut hL wiederholt Art15 Abs2 GRC die Rechte der Unionsbürger aus den Grundfreiheiten – so insbesondere auch die in Art56 AEUV festgelegte Dienstleistungsfreiheit – und hat dementsprechend keinen eigenständigen rechtlichen Gehalt vergleiche Streinz, EUV/AEUV Kommentar, Art15 GRC, Rn. 15; Bezemek in Holoubek/Lienbacher, GRC Kommentar (2014), Art15 GRC, Rn.16). Unabhängig davon, dass somit fraglich sein könnte, ob auch die Dienstleistungsfreiheit des Art15 GRC einen Prüfungsmaßstab eines verfassungsrechtlichen Normprüfungsverfahrens bildet, kann zur Begründung der Verhältnismäßigkeit der Abgabe auf die obigen Ausführungen verweisen werden.

Zusammenfassend wird daher festgehalten, dass §58 Abs3 des Glücksspielgesetzes, Bundesgesetzblatt Nr 620 aus 1989,, in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 2011, Bundesgesetzblatt Teil eins, Nr 76 aus 2011,, nach Ansicht der Bundesregierung nicht verfassungswidrig ist."

5.           Die Bundesregierung verweist in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G20/2016 protokollierten Verfahren auf ihre im beim Verfassungsgerichtshof zu G650/2015 protokollierten Verfahren erstattete Äußerung.

6.           Die beim Bundesfinanzgericht beschwerdeführende Partei erstattete in dem beim Verfassungsgerichtshof zu G20/2016 protokollierten Verfahren eine Äußerung, in der sie von einer einschränkenden Auslegung des §58 Abs3 GSpG und der Notwendigkeit eines Inlandsbezuges in Bezug auf die Festsetzung der der ermäßigten Glücksspielabgabe gemäß §58 Abs3 GSpG zugrunde liegenden Bemessungsgrundlage ausgeht.

römisch IV.         Erwägungen

Der Verfassungsgerichtshof hat über die in sinngemäßer Anwendung der §§187 und 404 ZPO in Verbindung mit §35 Abs1 VfGG zur gemeinsamen Verhandlung, Beratung und Entscheidung verbundenen Anträge erwogen:

1.           Zur Zulässigkeit der Anträge

1.1.       Der Verfassungsgerichtshof ist nicht berechtigt, durch seine Präjudizialitätsentscheidung das antragstellende Gericht an eine bestimmte Rechtsauslegung zu binden, weil er damit indirekt der Entscheidung dieses Gerichtes in der Hauptsache vorgreifen würde. Gemäß der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes darf daher ein Antrag iSd Art140 Abs1 Z1 lita B-VG nur dann wegen mangelnder Präjudizialität zurückgewiesen werden, wenn es offenkundig unrichtig (denkunmöglich) ist, dass die – angefochtene – generelle Norm eine Voraussetzung der Entscheidung des antragstellenden Gerichtes im Anlassfall bildet vergleiche etwa VfSlg 10.640/1985, 12.189/1989, 15.237/1998, 16.245/2001 und 16.927/2003).

1.2.       Der Verfassungsgerichtshof hat keinen Zweifel, dass die angefochtene Bestimmung in den beiden Anlassverfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof und im Anlassverfahren vor dem Bundesfinanzgericht anzuwenden ist.

1.3.       Da auch sonst keine Prozesshindernisse hervorgekommen sind, erweisen sich die Anträge daher als zulässig.

2.           In der Sache

Der Verfassungsgerichtshof hat sich in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit eines Gesetzes gemäß Art140 B-VG auf die Erörterung der aufgeworfenen Fragen zu beschränken vergleiche VfSlg 12.691/1991, 13.471/1993, 14.895/1997, 16.824/2003). Er hat sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Bestimmung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen verfassungswidrig ist (VfSlg 15.193/1998, 16.374/2001, 16.538/2002, 16.929/2003).

Die Anträge sind nicht begründet.

2.1.       Zu den gleichheitsrechtlichen Bedenken

2.1.1.   Der Verfassungsgerichtshof stimmt der Auslegung des Verwaltungsgerichtshofes zu, dass §58 Abs3 GSpG eine Bemessung im Verhältnis zu den schätzungsweise auf das Inland entfallenden Teilnahmen bei grenzüberschreitenden Glücksspielen im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) nicht vorsieht. Der dem Einzelnen in Aussicht gestellte Gewinn bildet in seiner Gesamtheit die Bemessungsgrundlage für die Abgabe.

2.1.2.   Der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesfinanzgericht erachten in ihren Anträgen die angefochtene Bestimmung als gleichheitswidrig, weil die Abgabenpflicht nur durch die "Auslobung" im Inland ausgelöst werde. Damit entferne sich der Begriff des Glücksspiels nach §58 Abs3 GSpG von der grundsätzlichen Definition in §1 Abs1 GSpG und dem Begriff des "Spiels", bei dem es sich um einen Glücksvertrag handle, der eine aktive Teilnahme voraussetze, wie es etwa auch bei der Bemessungsgrundlage "Einsatz" bei Ausspielungen (§2 Abs1 GSpG) in §57 Abs1 GSpG zum Ausdruck komme. Auch wenn man davon ausginge, dass die Glücksspielabgabe nach §58 Abs3 GSpG eine – aus dem Gesetz nicht erschließbare – Mindestbeteiligung "aus dem Inland" voraussetze, stünde einem solchen Verständnis immer noch das Bedenken entgegen, dass die Besteuerung unter unsachlicher Entfernung vom System des Glücksspielgesetzes und damit "in exzessiver Weise an Sachverhalte" anknüpfte. Ausgehend von der Zielrichtung der Neufassung des §58 Abs3 GSpG durch das AbgÄG 2011 (ErlRV 1212 BlgNR, 24. GP, 31), einen – wohl nicht nur grundsätzlichen – Inlandsbezug für die Besteuerung von Preisausschreiben zu schaffen, verfehle das Tatbestandselement "wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet" eine sachlich differenzierte Anknüpfung der Besteuerung, namentlich der Höhe der Glücksspielabgabe, an einen konkreten (inländischen) Sachverhalt.

2.1.3.   Gemäß §58 Abs3 GSpG unterliegen "Glücksspiele im Rahmen von Gewinnspielen (Preisausschreiben) ohne vermögenswerte Leistung gemäß §2 Abs1 Z2 (Einsatz) einer Glücksspielabgabe von 5 vH der in Aussicht gestellten vermögenswerten Leistungen (Gewinn), wenn sich das Gewinnspiel (auch) an die inländische Öffentlichkeit richtet". Nach der angefochtenen Abgabenbestimmung genügt es sohin, dass das Preisausschreiben so ausgestaltet ist, dass dessen Ergebnis "ausschließlich oder vorwiegend vom Zufall abhängt" (§1 Abs1 GSpG). Eine (tatsächliche) aktive Teilnahme (Preisausschreibung) wird nicht verlangt.

Nach Auffassung des Verfassungsgerichtshofes ist im Lichte der geltend gemachten gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht entscheidend, ob und inwieweit sich der Begriff des Glücksspiels gemäß §58 Abs3 GSpG mit jenem in §1 GSpG deckt; entscheidend ist vielmehr, ob der Gesetzgeber den Besteuerungsgegenstand und den Steuersatz gemäß §58 Abs3 GSpG in unsachlicher Weise festgelegt hat. Eine solche Unsachlichkeit kann der Verfassungsgerichtshof nicht finden:

Preisausschreiben iSd §58 Abs3 GSpG unterscheiden sich zwar von herkömmlichen Glücksspielen darin, dass sie ohne vermögenswerte Leistung des Teilnehmers erfolgen. Ungeachtet dessen bestehen Gemeinsamkeiten, weil auch Preisausschreiben den Charakter eines Spiels aufweisen und damit in einem weiten Sinn als Ausspielung betrachtet werden können vergleiche auch – den nicht mehr geltenden – §15 Abs1 Z6 ErbStG, wonach Preisausschreiben als unentgeltliche Ausspielungen gegolten haben). Nicht zuletzt dies rechtfertigt, dass der Gesetzgeber die Belastungsentscheidung im Glücksspielgesetz auf Preisausschreiben ausdehnt, zumal – worauf die Bundesregierung zutreffend verweist – Lenkungsaspekte, die der Besteuerung von Glücksspielen zugrunde liegen, auch für Preisausschreiben von Bedeutung sein können.

Hiebei sieht das Gesetz seit dem Abgabenänderungsgesetz 2011, BGBl römisch eins Nr 76, auch eine hinreichende Anknüpfung an das Inland vor, wenn der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesfinanzgericht davon ausgehen, dass die Auslobung im Inland die Abgabenpflicht auslöst. Angesichts der bestehenden Unterschiede im Tatsächlichen gebietet der Gleichheitssatz auch nicht, dass die Ausgestaltung der Bemessungsgrundlage von Preisausschreiben notwendigerweise jener der Glücksspielabgaben entsprechen müsste. Auch der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesfinanzgericht führen in ihren Anträgen keine Argumente ins Treffen, die eine Gleichbehandlung als sachlich geboten erscheinen ließen vergleiche im Übrigen auch VfSlg 16.454/2002 zum Spielraum des Gesetzgebers bei steuerpolitischen Belastungsentscheidungen).

2.2.       Zu den Bedenken in Hinblick auf Art6 StGG und Art15 GRC

2.2.1.   Der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesfinanzgericht meinen, "mit diesem Ergebnis" würden sie auch Bedenken hegen, dass die angefochtene Bestimmung gegen die Erwerbsfreiheit gemäß Art6 StGG und die Dienstleistungsfreiheit gemäß Art15 GRC verstoße.

2.2.2.   Wie unter Punkt 2.1. dargestellt, teilt der Verfassungsgerichtshof die vom Verwaltungsgerichtshof und vom Bundesfinanzgericht ausgeführten gleichheitsrechtlichen Bedenken nicht. Da der Verwaltungsgerichtshof und das Bundesfinanzgericht ihre Bedenken im Lichte des Art6 StGG und des Art15 GRC ausschließlich "mit dem Ergebnis" der gleichheitsrechtlichen Beurteilung der angefochtenen Bestimmung begründen, erübrigt sich ein weiteres Eingehen auf diese Bedenken. Es kann vielmehr auf die Ausführungen des Verfassungsgerichtshofes unter Punkt 2.1. verwiesen werden.

römisch fünf.           Ergebnis

1.           Die Anträge auf Aufhebung des §58 Abs3 GSpG bzw. der Wort- und Zeichenfolge "(auch)" in §58 Abs3 GSpG sind abzuweisen.

2.           Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G650.2015