Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

26.02.1987

Geschäftszahl

B662/85

Sammlungsnummer

11209

Leitsatz

Abweisung eines Antrages auf Erteilung einer Bauplatzerklärung gem. §14 Abs1 lita Sbg. BebauungsgrundlagenG; keine Gleichheitsbedenken gegen §14 Abs1 Z10 Sbg. ROG (betreffend Schutzstreifen als Immissionsschutz); keine Bedenken dagegen, daß §14 Z10 in Verbindung mit §19 Abs1 Sbg. ROG durch das infolge der Widmung als Schutzstreifen bewirkte Bauverbot das Eigentumsrecht verletze - keine Enteignung, sondern eine im öffentlichen Interesse gelegene Eigentumsbeschränkung; kein Anhaltspunkt für eine Fehlerhaftigkeit des Zustandekommens des Flächenwidmungsplanes Kuchl; durch (Um-)Widmung von Grundflächen als "Grünland" mit der Nutzungsart "Schutzstreifen als Immissionsschutz" kein Überschreiten des durch das ROG eingeräumten Ermessens; Flächenwidmungspläne geben nicht nur die derzeitige Nutzung der von ihnen erfaßten Liegenschaften wider, sondern legen deren künftige Nutzung fest; keine denkunmögliche Annahme, daß sich bereits aus dem Ansuchen um Erteilung der Bauplatzerklärung ergibt, daß das Vorhaben dem Flächenwidmungsplan widerspreche - keine Verletzung im Eigentumsrecht

Spruch

Die Bf. sind durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.

Die Beschwerde wird abgewiesen

und dem VwGH zur Entscheidung darüber abgetreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1. Mit dem im Instanzenzug (Erstinstanz Bezirkshauptmannschaft Hallein auf Grund der Zuständigkeitsübertragungsverordnung, Landesgesetzblatt 97 aus 1968,) ergangenen Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 7. August 1985 wurde der Antrag der Bf. auf Erteilung einer Bauplatzerklärung zur Errichtung zweier Betriebshallen auf den Grundstücken Nr. ... sowie auf Teilflächen der Grundstücke Nr. ... und ... KG Jadorf bzw. KG Kuchl, gemäß §14 Abs1 lita des Salzburger Bebauungsgrundlagengesetzes, Landesgesetzblatt 69 aus 1968, (zuletzt geändert mit Nov. Landesgesetzblatt 79 aus 1985,), abgewiesen. Dies wird im wesentlichen damit begründet, daß der beantragten Erteilung der Bauplatzerklärung der rechtskräftige Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Kuchl entgegenstehe, in dem für die Grundstücke die Widmung "Grünland" mit der Nutzungsart "Schutzstreifen als Immissionsschutz" festgelegt sei.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Verfassungsgerichtshofbeschwerde. Die Bf. behaupten, durch den angefochtenen Bescheid in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz und auf Unverletzlichkeit des Eigentums verletzt worden zu sein, insbesondere wegen Anwendung rechtswidriger Normen.

3. Die Salzburger Landesregierung hat eine Gegenschrift erstattet und den Antrag gestellt, die Beschwerde abzuweisen.

römisch II. Der VfGH hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich neben §14 Abs1 des Bebauungsgrundlagengesetzes auf den am 6. September 1984 in Kraft getretenen Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde

Kuchl, soweit mit diesem die Grundstücke ... sowie Teilflächen

der Grundstücke ... und ... als "Grünland" mit der Nutzungsart

"Schutzstreifen als Immissionsschutz" gewidmet wurden. Die Festlegung des "Immissionsschutzstreifens" findet ihre gesetzliche Grundlage in §14 Z10 des Salzburger Raumordnungsgesetzes 1977, Landesgesetzblatt 26 aus 1977, (letztmals novelliert mit LGBl. 52/1984; im folgenden ROG 1977).

2. a) §14 Z10 ROG 1977 lautet:

"Zum Grünland gehören und können besonders ausgewiesen werden:

         . . .

         10. Schutzstreifen als Immissionsschutz und

Abstandsflächen zwischen Gebieten unterschiedlicher Widmung;

         . . ."

b) Die Bf. erachten §14 Z10 ROG 1977 unter anderem für gleichheitswidrig, weil durch die Festlegung eines "Schutzstreifens als Immissionsschutz" lediglich jene Grundstückseigentümer in den Vorteil dieses Schutzstreifens gelangen, deren Grundstücke unmittelbar an diesen angrenzen.

Der VfGH kann eine Gleichheitswidrigkeit dieser Bestimmung nicht erkennen; daß sich unterschiedliche Auswirkungen bei der Festlegung von Flächenwidmungs- und Nutzungsarten - somit auch bei der Ausweisung eines "Schutzstreifens als Immissionsschutz" - sowohl für die Eigentümer der durch die Widmung betroffenen Grundstücke als auch für die Eigentümer der angrenzenden Grundstücke ergeben, ist geradezu unvermeidlich. Dadurch wird der Flächenwidmungsplan nicht gesetzwidrig (zur vergleichbaren Rechtslage nach dem Tiroler ROG VfSlg. 8056/1977).

c) Die Bf. bringen weiters vor, daß §14 Z10 ROG 1977 gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Eigentumsrecht verstoße, weil durch diese Bestimmung im Zusammenhalt mit §19 Abs1 ROG 1977 für das Gebiet, das als "Schutzstreifen als Immissionsschutz" gewidmet sei, ein Bauverbot und damit im Effekt eine entschädigungslose Enteignung bewirkt werde.

Dieses Vorbringen ist schon deshalb verfehlt, weil die angeführte Bestimmung zur Widmung von Grundstücken ermächtigt, bei der es sich um keine Enteignung, sondern um eine - obzwar in ihrer Wirkung unter Umständen sehr intensive - im öffentlichen Interesse gelegene Eigentumsbeschränkung handelt vergleiche zB VfSlg. 2685/1954, 4486/1963 ua.). Der VfGH verweist diesbezüglich auf seine ständige Rechtsprechung, derzufolge eine Enteignung im eigentlichen (engeren) Sinn nur dann vorliegt, wenn eine Sache durch Verwaltungsakt oder unmittelbar kraft Gesetzes dem Eigentümer zwangsweise entzogen und auf eine andere Person übertragen wird oder wenn daran auf gleiche Weise fremde Rechte begründet werden vergleiche VfSlg. 9911/1983).

d) Andere Bedenken gegen diese Gesetzesbestimmung wurden nicht vorgebracht und sind aus der Sicht des Beschwerdefalles nicht entstanden.

3.a) In dem aus dem Jahre 1974 stammenden Flächenwidmungsplan der Marktgemeinde Kuchl war das im Norden des Marktes Kuchl - zwischen der Bahntrasse und der Bundesstraße 159 - gelegene Gebiet, in dem die Grundstücke der Bf. liegen, als "gemischtes Baugebiet" gemäß des §14 Abs1 litd des - zu diesem Zeitpunkt in Geltung gestandenen - Raumordnungsgesetzes 1968 ausgewiesen.

Mit dem Inkrafttreten des von der Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl am 27. Dezember 1983 und am 5. Juni 1984 beschlossenen, mit Bescheid der Salzburger Landesregierung vom 24. Juli 1984 genehmigten und in der Zeit vom 21. August 1984 bis 5. September 1984 kundgemachten Flächenwidmungsplanes (im folgenden: Flächenwidmungsplan 1984) trat der Flächenwidmungsplan des Jahres 1974 außer Kraft. In Entsprechung des §24 Abs12 ROG 1977 wurde eine Auflösung der früher festgelegten Widmung "gemischtes Baugebiet" in eine dem nunmehrigen ROG 1977 entsprechende Widmung vorgenommen.

Die Grundstücke der Bf. sind - teilweise - als "Grünland" mit der Nutzungsart "Schutzstreifen als Immissionsschutz" gemäß §14 Z10 ROG 1977 gewidmet. Das Gebiet nördlich dieses Schutzstreifens wurde als "Gewerbegebiet", das Gebiet südlich davon als "erweitertes Wohngebiet" ausgewiesen.

b) Die Bf. rügen Verfahrensfehler im Zuge der Verordnungserlassung. In diesem Zusammenhang behaupten sie ein Schreiben der Marktgemeinde Kuchl vom 26. Juli 1982 erhalten zu haben, in dem ihnen mitgeteilt worden sei, es sei die Widmung ihrer Grundstücke als "Gewerbegebiet" vorgesehen. Auf Grund dieses Schreibens hätten sie keine Veranlassung gehabt, eine Stellungnahme zum aufgelegten Entwurf des beabsichtigten Flächenwidmungsplanes 1984 abzugeben.

Aus den vorgelegten Aktenunterlagen ergibt sich kein Anhaltspunkt für die Annahme, daß die im ROG 1977 festgelegten Verfahrensvorschriften bei der Erlassung des Flächenwidmungsplanes 1984 nicht eingehalten wurden. Insbesondere könnte sich aus dem von den Beschwerdeführern angeführten Schreiben der Marktgemeinde Kuchl über die Mitteilung der beabsichtigten Widmung ihrer Grundstücke keine Fehlerhaftigkeit für das Zustandekommen des Flächenwidmungsplanes 1984 ergeben.

c) Gegen die Ausweisung der Grundstücke als "Grünland" mit der Nutzungsart "Schutzstreifen als Immissionsschutz" bringen die Bf. im wesentlichen vor, daß die Festlegung von der Gemeinde willkürlich vorgenommen worden sei; sie widerspreche den Bestimmungen des ROG 1977, weil auf bestehende Verhältnisse nicht ausreichend Bedacht genommen worden sei. In diesem Zusammenhang weisen die Bf. auf den Umstand hin, daß der Schutzstreifen über eine Grundfläche führe, auf der eine Lagerhalle situiert sei und die im Rahmen des Gewerbebetriebes genutzt werde.

In dem dem Flächenwidmungsplan 1984 zugrundeliegenden räumlichen Entwicklungskonzept wurden Strukturuntersuchungen dargelegt und die "Entwicklungsziele und Maßnahmen" festgelegt. Als wesentliche Maßnahme zur Erreichung der gesetzten Entwicklungsziele wurde unter anderem vorgesehen, Gebiete unterschiedlicher Widmung durch Schutzstreifen zu trennen. Auch in den Erläuterungen zum Flächenwidmungsplan 1984 wurde zum Ausdruck gebracht, daß Konfliktsituationen zwischen Gewerbegebieten und Wohngebieten entschärft werden sollten. Auf Grund dieser Überlegungen kann der VfGH nicht finden, daß die Gemeindevertretung der Marktgemeinde Kuchl bei der Ausweisung dieser Grundflächen als "Schutzstreifen als Immissionsschutz" nicht sachgerecht vorgegangen wäre und das ihr durch das ROG 1977 eingeräumte Ermessen überschritten hätte.

Auch der Einwand der Bf., der Flächenwidmungsplan 1984 sei gesetzwidrig, weil die gesetzte Widmung keine Rücksicht auf die tatsächliche Nutzung der Grundflächen nehme, geht ins Leere. Flächenwidmungspläne geben nicht nur die derzeitige Nutzung der von ihnen erfaßten Liegenschaften wieder, sondern legen deren künftige Nutzung fest vergleiche VfSlg. 9318/1982). Für diese Zukunftsperspektive spricht auch §24 Abs1 zweiter Satz ROG 1977, wonach bestehende, der festgelegten Nutzungsart nicht entsprechende Bauten und Betriebe durch die Festlegung nicht berührt werden, soweit für sie die allenfalls erforderlichen behördlichen Bewilligungen rechtskräftig erteilt sind.

4. Da somit gegen die Verfassungsmäßigkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides Bedenken nicht bestehen, ist es ausgeschlossen, daß die Bf. durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt wurden.

5. Bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides könnten die Bf. im Gleichheitsrecht nur verletzt worden sein, wenn die bel. Beh. den angewendeten Rechtsvorschriften fälschlich einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie Willkür geübt hätte vergleiche zB VfSlg. 9690/1983).

Derartige Vollzugsfehler wurden nicht behauptet und konnten vom VfGH nicht festgestellt werden.

6. Der angefochtene Bescheid greift mit der Versagung der Bauplatzerklärung und der damit verbundenen Versagung der Ausübung des aus dem Eigentum erfließenden Rechtes zur Bebauung eines Grundstückes in das Eigentum der Bf. ein. Dieser Eingriff wäre bei der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der Rechtsgrundlagen des angefochtenen Bescheides im Sinne der ständigen Rechtsprechung des VfGH nur dann verfassungswidrig, wenn die Behörde die dem Bescheid zugrundeliegenden Rechtsvorschriften denkunmöglich angewendet hätte vergleiche zB VfSlg. 9720/1983).

Diesbezügliche Behauptungen werden in der Beschwerde nicht vorgebracht. Im Hinblick auf die im verfassungsrechtlich unbedenklichen Flächenwidmungsplan festgelegte Widmung der Grundstücke als "Grünland" mit der Nutzungsart "Schutzstreifen als Immissionsschutz" ist die Annahme der bel. Beh., wonach sich bereits aus dem Ansuchen um Erteilung der Bauplatzerklärung ergibt, daß das Vorhaben der Bf. dem Flächenwidmungsplan widerspricht, nicht denkunmöglich.

7. Die Verletzung eines sonstigen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes ist von den Beschwerdeführern nicht behauptet worden und im Verfahren vor dem VfGH nicht hervorgekommen.

Die Beschwerde war daher abzuweisen.

und antragsgemäß dem VwGH zur Entscheidung darüber abzutreten, ob die Bf. durch den angefochtenen Bescheid in einem sonstigen Recht verletzt worden sind.

8. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z1 und 2 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.