Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

19.03.1987

Geschäftszahl

G269/86,G2/87,G12/87,G13/87,G14/87,G15/87,G71/87,G72/87

Sammlungsnummer

11316

Leitsatz

In §37 Abs1 Ausschluß des Hälftesteuersatzes für Einkünfte, die unter die Bestimmung des §67 fallen; im wesentlichen gleiche wirtschaftliche Sachverhalte werden unterschiedlich behandelt, - die zwangsläufige Zusammenballung von Einkünften führt je nachdem, ob sie durch nichtselbständige Arbeit oder anders erzielt werden, dazu, daß sie einer steuerlichen Entlastung teilhaft werden oder nicht; der eigens formulierte Ausschluß von Fällen, die den geregelten sämtlich gleichwertig sind, kann mit dem bloßen Hinweis darauf gerechtfertigt werden, daß es sich um seltene Fälle handelt; Gleichheitswidrigkeit der Regelung

Spruch

Der letzte Satz ("Auf Einkünfte, die unter die Bestimmung des §67 fallen, ist der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden.") im §37 Abs1 des Einkommensteuergesetzes 1972, Bundesgesetzblatt Nr. 440, in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981, Bundesgesetzblatt Nr. 620, wird als verfassungwidrig aufgehoben.

Die Aufhebung tritt mit Ablauf des 31. Dezember 1987 in Kraft.

Frühere gesetzliche Bestimmungen treten nicht wieder in Wirksamkeit.

Der Bundeskanzler ist zur unverzüglichen Kundmachung dieser Aussprüche im Bundesgesetzblatt verpflichtet.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1. In den zu B715/85, B810/85, B529,530/86, B531,532/86, B999/86 und B24/87 anhängigen Verfahren nach Art144 B-VG richtet sich die Beschwerde gegen je einen im Instanzenzug erlassenen Bescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland, mit dem im Hinblick auf vom ehemaligen Dienstgeber dem jeweiligen Bf. aus dem Titel einer Pensionsabfindung (in den Jahren 1983 oder 1984) geleistete Beträge die Anwendung des sogenannten Hälftesteuersatzes nach §37 Abs1 EStG 1972 unter Berufung auf den dieser Bestimmung durch das Abgabenänderungsgesetz 1981 angefügten letzten Satz verweigert wurde. Der VfGH leitete anläßlich dieser Beschwerdesachen gemäß Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des letzten Satzes im §37 Abs1 EStG 1972 in der erwähnten novellierten Fassung ein und legte (bezogen auf den Anlaßfall B715/85, in welchem die belangte Finanzlandesdirektion die Anwendbarkeit des Abs6 im §67 EStG 1972 annahm) zu den Prozeßvoraussetzungen und den verfassungsrechtlichen Bedenken folgendes dar:

"1. Der Gerichtshof geht vorläufig davon aus, daß der meritorischen Erledigung der Beschwerde Prozeßhindernisse nicht entgegenstehen sowie daß er bei seiner Entscheidung die erwähnte Gesetzesstelle anzuwenden hätte.

2. Im Erk. Z83/14/0140 vom 6. März 1984 befaßte sich der VwGH mit der einkommensteuerlichen Behandlung einer sogenannten 'Wahlgratifikation', die einem Arbeitnehmer einer Kammer für die Vorbereitung der Kammerwahl neben seiner Haupttätigkeit im Jahr 1980 zugeflossen war, und legte dazu folgendes dar:

'In Streit gezogen ist vor dem VwGH allein die Frage, ob bei der Veranlagung des Jahres 1980 Einkünfte im Sinne des §37 Abs2 Ziffer eins, EStG 1972 auch dann gemäß Abs1 der Gesetzesstelle als außerordentliche Einkünfte begünstigt werden konnten, wenn sie sonstige Bezüge im Sinne des §67 EStG 1972 darstellten.

Zu den nach §37 Abs1 EStG 1972 begünstigten außerordentlichen Einkünften gehören nach Abs2 Ziffer eins, der Gesetzesstelle 'Einkünfte, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt'. Das Wort 'Ent ohnung' zeigt, daß der Gesetzgeber mit §37 Abs2 Ziffer eins, EStG 1972 jedenfalls auch dem Tatbestand entsprechende Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit im Auge hatte (Hofstätter-Reichel, Kommentar zum EStG 1972, §37 Tz 9, sowie das vom Bf. zitierte hg. Erkenntnis vom 9. November 1977, Zl. 1521/77). Wollte man nun nichtselbständig erzielte Einkünfte im Sinne des §37 Abs2 Ziffer eins, EStG 1972 deshalb von der Tarifbegünstigung für außerordentliche Einkünfte ausschließen, weil sie sonstige Bezüge im Sinne des §67 EStG 1972 darstellen, so wäre der erstgenannten Bestimmung ein Anwendungsbereich genommen, für den sie nach ihrem Wortlaut jedenfalls gedacht ist; denn in nichtselbständiger Arbeit erzielte Einkünfte, welche die Entlohnung für eine Tätigkeit darstellen, die sich über mehrere Jahre erstreckt, sind zugleich wesensmäßig sonstige Bezüge im Sinne des §67 EStG 1972. Im Wege der Auslegung läßt sich ein solches Ergebnis nicht rechtfertigen. Auf die Änderung des Gesetzes aber wird der Gerichtshof in weiterer Folge eingehen.

Der VwGH vermag auch die Auffassung der bel. Beh. nicht zu teilen, die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge sei im §67 EStG 1972 abschließend geregelt. §67 findet sich im römisch fünf. Abschnitt des Einkommensteuergesetzes 1972, betreffend den Steuerabzug vom Arbeitslohn (Lohnsteuer). §67 leg. cit. hat dementsprechend die lohnsteuerliche Behandlung sonstiger Bezüge zum Inhalt. Abschließend regelt er aber die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge nur insoweit, als diese nicht in eine Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen sind (siehe §41 Abs4 und §67 Abs9 EStG 1972). Sind aber sonstige Bezüge in eine Einkommensteuerveranlagung einzubeziehen, dann regeln insoweit erst die für die Veranlagung geltenden Vorschriften abschließend die steuerliche Behandlung sonstiger Bezüge. Läßt eine wie §37 EStG 1972 bei der Veranlagung anzuwendende Bestimmung im Rahmen der Veranlagung eine Begünstigung sonstiger Bezüge zu, so ist sie, wenn alle Voraussetzungen hiefür erfüllt sind, zu gewähren.

Sind im Einkommen außerordentliche Einkünfte enthalten, so ist gemäß §37 Abs1 leg. cit. auf Antrag die darauf entfallende Einkommensteuer nach einem ermäßigten Steuersatz zu bemessen. Der ermäßigte Steuersatz beträgt die Hälfte des Prozentsatzes, der sich bei Anwendung des Einkommensteuertarifes (§33) auf das gesamte zu versteuernde Einkommen ergibt. Auf das übrige Einkommen ist der Einkommensteuertarif (§33) anzuwenden.

Dieser Gesetzesstelle fügte Abschn. römisch eins ArtI Ziffer 29, AbgÄG 1981, Bundesgesetzblatt Nr. 620, folgenden Satz an:

'Auf Einkünfte, die unter die Bestimmung des §67 fallen, ist der ermäßigte Steuersatz nicht anzuwenden.'

Auf Grund vorstehender Erwägungen vermag der Gerichtshof in dieser Ergänzung des Gesetzes nicht bloß eine 'Klarstellung' über eine Rechtslage zu erblicken, wie sie schon vor der Ergänzung bestanden haben soll. Es wäre auch, wenn es sich wirklich nur um eine solche Klarstellung gehandelt hätte, die Anordnung unverständlich, daß Abschn. römisch eins ArtI Ziffer 29, AbgÄG 1981 erst ab der Veranlagung für 1982 gelten soll (Abschn. römisch eins ArtIII Ziffer eins, leg. cit.).

Daß eine Begünstigung für veranlagte Einkünfte nur zum Zug kommt, wenn eine Veranlagung durchzuführen ist, macht die Begünstigung noch nicht verfassungsrechtlich bedenklich. Die frühere Rechtslage, wonach bestimmte Bezüge nach §37 und nach §67 EStG 1972 begünstigt sein konnten, mag allerdings rechtspolitisch nicht befriedigt haben. Dies war offenkundig der Grund für die Gesetzesänderung durch das Abgabenänderungsgesez 1981, die aber entgegen der Auffassung der bel. Beh. erst ab der Veranlagung für 1982 anzuwenden ist.'

Der VfGH schließt sich - im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung der Verfassungsrechtslage - der vom VwGH dargelegten Ansicht über die inhaltliche Beziehung zwischen §67 und §37 EStG 1972 in der Fassung vor dem Abgabenänderungsgesetz 1981) unter dem Aspekt von Einkünften im Sinne des §37 Abs2 Z1 an. Er meint, daß grundsätzlich die gleichen Überlegungen auch im Fall von Einkünften anzustellen sind, die einerseits einem der Tatbestände des §37 Abs2 - etwa dessen Z4 - zu unterstellen, andererseits aber als nicht unter eine Begünstigungsbestimmung des Abs1 bis 8 im §67 fallende sonstige Bezüge nach §67 Abs10 zu werten wären. Von dieser Annahme her erweist sich die durch das Abgabenänderungsgesetz 1981 vorgenommene Ergänzung des §37 Abs1 EStG als zwiespältig: Diese Änderung bewirkte zwar die gleiche steuerliche Behandlung aller (ausschließlich) dem Absatz 10 im §67 zuzuordnender Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, nämlich ihre Besteuerung ohne eine allfällige Begünstigung nach §37 bei Vorliegen eines Veranlagungsgrundes; sie führte aber anscheinend auch dazu, daß im wesentlichen gleiche wirtschaftliche Sachverhalte unterschiedlich behandelt werden, nämlich daß die zwangsläufige Zusammenballung von Einkünften je nachdem, ob sie durch nichtselbständige Arbeit oder anders erzielt werden, einer steuerlichen Entlastung in Form einer Progressionsmilderung teilhaft werden oder nicht. Vom Grundsatz ausgehend, daß Einkommensteuermaßstab das Jahreseinkommen eines Steuerpflichtigen ist, hat der VfGH in ständiger Rechtsprechung (zB VfSlg. 10155/1984 S. 191f) es als dem Gesetzgeber nicht verwehrt erachtet, Einkünfte aus selbständiger Arbeit anders zu behandeln als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit, jedoch nur insoweit, als eine verschiedenartige Besteuerung aus den tatsächlichen Unterschieden zwischen den verschiedenen erwerbswirtschaftlichen Tätigkeiten abgeleitet werden kann. Derartige Unterschiede sind hier jedoch anscheinend nicht zu finden, weshalb der letzte Satz im §37 Abs1 in der Fassung des Abgabenänderungsgesetzes 1981 unter dem Aspekt des Gleichheitsgebotes bedenklich ist. Daß diese Bedenken nicht aus der Blickrichtung des vorliegenden Beschwerdefalles resultieren (weil eine Begünstigung nach §67 in Betracht kommt), erscheint dem Gerichtshof deshalb nicht relevant, weil es auf die Verfassungsmäßigkeit der anzuwendenden Norm schlechthin ankommt."

2. Die Bundesregierung erstattete Äußerungen, in denen sie begehrte, die in Prüfung gezogene Gesetzesbestimmung nicht als verfassungswidrig aufzuheben. Sie führte im wesentlichen aus:

"Dazu ist nach Ansicht der Bundesregierung zunächst grundsätzlich auf die vom VfGH im Erkenntnis VfSlg. 6874/1972 vertretene Auffassung hinzuweisen:

2. In diesem Erkenntnis hatte der VfGH unter anderem die Frage zu beantworten, ob die in §67 EStG 1967 normierten Begünstigungen für sonstige Bezüge nichtselbständig Erwerbstätiger, insbesondere die sogenannte Sechstelbegünstigung, gegenüber den Einkünften selbständig Erwerbstätiger sachlich gerechtfertigt seien. Zu der auch im ggst.

Gesetzesprüfungsverfahren relevanten Frage der steuerlichen Behandlung sonstiger Bezüge gemäß §67 EStG 1972 im Verhältnis zu den Einkünften selbständig Erwerbstätiger hat der Verfassungsgerichtshof - bezogen auf die Vorläuferbestimmung des §67 EStG 1967 - ausgesprochen, daß das Vorliegen sonstiger Bezüge neben laufenden Bezügen etwas für den nichtselbständig Erwerbstätigen Typisches und daher die Sonderbehandlung in §67 EStG 1967 zulässig sei:

'Diese Begünstigung ist wesentlich mit dem Unterschied von laufenden Bezügen und sonstigen, insbesondere einmaligen Bezügen (zB den in §67 Abs1 angeführten Tantiemen und Belohnungen, aber auch Abfertigungen sowie dem sogenannten 13. und 14. Monatsgehalt), die ein Arbeitnehmer vom Arbeitgeber erhält, verknüpft, wobei die Bezüge auf vertraglicher oder öffentlichrechtlicher Grundlage beruhen können. Ein derartiger Unterschied ist nur im Rahmen der Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit gegeben und findet keine Entsprechung im Rahmen der Einkünfte aus selbständiger Arbeit. Es ist nicht unsachlich, wenn der Gesetzgeber an diese für die Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit typische Besonderheit die in §67 Abs1 bis 3 EStG 1967 normierten steuerlichen Folgen knüpft. ...

Den Besonderheiten anderer Einkunftsarten hat der Gesetzgeber mit den Bestimmungen des §34 EStG 1967 Rechnung getragen, die überwiegend selbständig Erwerbstätigen zugute kommen.' (§34 EStG 1967 hat seine Entsprechung heute in §37 EStG 1972.)

Im oben zitierten Unterbrechungsbeschluß wird vom VfGH nunmehr die im Vergleich zu VfSlg. 6874/1972 umgekehrte Frage aufgeworfen. Hatte in dem diesem Erkenntnis zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren ein selbständig Erwerbstätiger die durch §67 EStG 1967 gewährten Begünstigungen für nichtselbständig Erwerbstätige als sachlich nicht gerechtfertigt erachtet, so hält der VfGH im oben zitierten Unterbrechungsbeschluß den gemäß §67 Abs10 EStG 1972 nichtbegünstigten Bereich der sonstigen Bezüge der nichtselbständig Erwerbstätigen für gleichheitsrechtlich bedenklich, da dieser Bereich durch die in Prüfung gezogene Bestimmung von den Begünstigungen des §37 EStG 1972 ausgeschlossen ist.

Im Hinblick auf VfSlg. 6874/1972 erscheint es aber nach Ansicht der Bundesregierung gerade aus der Sicht des Gleichheitssatzes durch nichts gerechtfertigt, die für einen großen Bereich der Bezüge der nichtselbständig Erwerbstätigen, nämlich den der sonstigen Bezüge, in großem Umfang gewährten Begünstigungen gegenüber der steuerlichen Behandlung der Einkünfte von selbständig Erwerbstätigen einerseits mit der Begründung für verfassungsrechtlich unbedenklich zu erklären, daß die sonstigen Bezüge der nichtselbständig Erwerbstätigen etwas von den Einkünften selbständig Erwerbstätiger wesentlich Verschiedenes, daher auch nicht Vergleichbares seien, und andererseits in einem kleinen Restbereich der sonstigen Bezüge, die gemäß §67 Abs10 EStG 1972 nicht begünstigt behandelt werden, den Vergleich mit der steuerlichen Behandlung der Einkünfte selbständig Erwerbstätiger zuzulassen.

3. Ausgangspunkt der folgenden Überlegungen der Bundesregierung ist, daß der Gesetzgeber für eine bestimmte Gruppe typischer Bezüge von nichtselbständig Erwerbstätigen Sonderregelungen geschaffen hat (§67 EStG 1972). Diese ursprünglich aus anderen Motiven erfolgten Sonderregelungen sind nunmehr - wie Hofstätter-Reichel, Kommentar zum Einkommensteuergesetz, zu §67 Abs1, RdNr 1, ausführen - zu einer echten Begünstigungsvorschrift geworden, die vor allem eine wesentliche Milderung der Tarifprogression herbeiführt. Zu den sonstigen Bezügen zählen u.a. der 13. und 14. Monatsbezug, Belohnungen, gesetzliche (§67 Abs3 EStG 1972) und freiwillige Abfertigungen (Abs6) sowie Pensionsabfindungen bei Auflösung des Dienstverhältnisses (früher Abs6 in bezug auf drei Monatsbezüge, seit dem Abgabenänderungsgesetz 1985, BGBl. Nr. 557, zusätzlich Abs8), weiters Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen für abgelaufene Kalenderjahre. Die Begünstigung besteht darin, daß neben einer Steuerbefreiung bis zu S 8.500,-- entweder ein fixer Steuersatz von 6 Prozent bis 0 Prozent und/oder der sogenannte Belastungsprozentsatz zur Anwendung gelangen. Belastungsprozentsatz ist jener Steuersatz der tarifmäßig dem letzten laufenden Arbeitslohn entspricht. Alle diese Steuersätze gelten als feste Steuersätze (§67 Abs9 EStG 1972). Sonstige Bezüge, die mit den festen Steuersätzen versteuert werden, bleiben bei der Veranlagung der Einkommensteuer und beim beantragten Jahresausgleich außer Betracht (§41 Abs4, §67 Abs9, §73 Abs1 EStG 1972). Beim Jahresausgleich von Amts wegen ist zu beachten, daß steuerpflichtige sonstige Bezüge zwar bei Ermittlung des den amtswegigen Jahresausgleich auslösenden Betrages (mehr als S 120.000,--) heranzuziehen sind (§72 Abs3 EStG 1972), sie aber bei der Durchführung des Jahresausgleiches außer Betracht bleiben (§73 Abs1 EStG 1972).

Die Anordnung, daß auf Einkünfte, die unter §67 EStG 1972 fallen, der ermäßigte Steuersatz des §37 Abs1 nicht anzuwenden ist, hat nun vor allem den Zweck, daß der Gesetzgeber eine doppelte Begünstigung derselben Bezüge verhindern will und darüber hinaus auch verhindern will, daß das System weitreichender Begünstigungen für nichtselbständig Erwerbstätige gemäß §67 EStG 1972 auch noch durch die Begünstigung des §37 ergänzt wird. Letzteres würde nämlich - bei Betrachtung der Begünstigungen des §67 EStG 1972 in ihrer Gesamtheit, aber auch im Sinne des Erkenntnisses VfSlg. 6874/1972 - eine im Vergleich zu den anderen Einkünften nicht mehr zu rechtfertigende Begünstigung der sonstigen Bezüge nichtselbständig Erwerbstätiger darstellen. Nach Auffassung der Bundesregierung hält sich der Gesetzgeber mit dieser Regelung im Rahmen seiner rechtspolitischen Gestaltungsfreiheit, ohne dadurch das verfassungsrechtliche Gleichheitsgebot zu verletzen.

4. Die in Prüfung gezogene Bestimmung des §37 Abs1 EStG 1972 hat aber auch den Zweck, die sich aufgrund der Rechtsprechung des VwGH ergebende ungleiche steuerliche Behandlung nichtselbständig Erwerbstätiger im Hinblick auf die Anwendung des §37 neben §67 EStG 1972, je nachdem, ob bei diesen ein Veranlagungsgrund vorliegt oder nicht, zu beseitigen. Im Gegensatz zu der im Unterbrechungsbeschluß zitierten Auffassung des VwGH, der sich der VfGH offenbar vorläufig angeschlossen hat (arg.: 'Der VfGH schließt sich - im Rahmen einer vorläufigen Beurteilung der Verfassungsrechtslage - der vom VwGH dargelegten Ansicht über die inhaltliche Beziehung zwischen §67 und §37 EStG 1972 ... unter dem Aspekt von Einkünften im Sinne des §37 Abs2 Z1 an.'), vertritt die Bundesregierung die Auffassung, daß diese - bis dahin in einem zugegebenermaßen nur sehr kleinen Bereich sonstiger Bezüge zwischen zu veranlagenden und nicht zu veranlagenden nichtselbständig Erwerbstätigen bestehende ungleiche steuerliche Behandlung sachlich nicht gerechtfertigt war. Es erscheint der Bundesregierung vielmehr unter Berücksichtigung des Gleichheitssatzes geboten, die sonstigen Bezüge von nichtselbständig Erwerbstätigen, für die der Gesetzgeber eine umfassende Sonderregelung in §67 EStG 1972 getroffen hat, generell von der zusätzlichen oder ergänzenden Anwendung des §37 EStG 1972 auszunehmen.

5. Im übrigen ist darauf hinzuweisen, daß die Begünstigungen des §67 EStG 1972 die typischen Fälle der Entlohnung für mehrjährige Tätigkeit iS des §37 Abs2 Z1 EStG 1972 für den nichtselbständig Erwerbstätigen erfassen (gesetzliche bzw. freiwillige Abfertigung, Pensionsabfindung, Zahlung für den Verzicht auf Arbeitsleistungen, Nachzahlungen und nachträgliche Zahlungen von laufenden und sonstigen Bezügen, derartige Bezüge betreffende Vergleichssummen, auch wenn sie nicht neben laufendem Arbeitslohn gewährt werden). Der Fall, daß es zu einer Entlohnung eines nichtselbständig Erwerbstätigen für eine mehrjährige Tätigkeit kommt, die nicht unter eine Begünstigung des §67 Abs1 bis 8 EStG 1972 fällt, ist hingegen tatsächlich die Ausnahme. Dieser Fall würde eintreten, wenn es zu Nachzahlungen kommt, die nicht neben dem laufenden Arbeitslohn und nicht in einem Konkursverfahren erfolgen, aber auch in diesen Fällen nur dann, wenn ihnen nicht gerichtliche oder außergerichtliche Vergleiche zugrundeliegen (§67 Abs8 EStG 1972). Nach Auffassung der Bundesregierung sind also die Fälle sonstiger Bezüge, die zur Gänze unter §67 Abs10 fallen und gleichzeitig außerordentliche Einkünfte im Sinne des §37 EStG 1972 sind, Ausnahmefälle und somit vom Gesetzgeber in Kauf genommene, vereinzelte Härtefälle. Für diese atypischen, nichtbegünstigten Fälle wird aber über den Jahresausgleich oder eine Veranlagung die nach dem Monatstarif berechnete Lohnsteuer auf eine Jahressteuer umgerechnet und damit insoweit die Progression gemildert. Die trotzdem eintretende progressive Wirkung derartiger nur ausnahmsweise anfallender Bezüge erscheint aber im Hinblick auf die vom Gesetzgeber angestellte und aufgrund des Gleichheitssatzes gebotene Durchschnittsbetrachtung unter Berücksichtigung der Begünstigungen des §67 EStG 1972 in ihrer Gesamtheit gleichheitsrechtlich unbedenklich vergleiche etwa VfSlg. 7996/1977, 7012/1973, 6193/1970, 4537/1963).

6. Die Überlegungen des VfGH gehen offensichtlich auch grundsätzlich davon aus, daß die in §37 Abs2 EStG 1972 genannten außerordentlichen Einkünfte als sonstige Bezüge nichtselbständig Erwerbstätiger in Frage kommen. Im Gegensatz dazu ist die Bundesregierung der Auffassung, daß es zu einer Überschneidung der Tatbestände der §§67 und 37 EStG 1972 überhaupt nur im Rahmen der Z1 und Z4 des §37 Abs2 kommen kann, wobei aber - wie bereits erwähnt - sowohl der typische Fall der Entlohnung für eine mehrjährige Tätigkeit als auch der der Entschädigung für die Aufgabe einer Tätigkeit in §67 EStG 1972 im Sinne einer Begünstigung geregelt sind, nämlich für die Abfertigung, die Pensionsabfindung oder für sonstige Zahlungen für den Verzicht auf Arbeitsleistungen. Ein weiterer für den Arbeitnehmer in Betracht kommender Bereich der Entschädigungen iS des §32 Z1 lita EStG 1972, die begünstigt versteuert werden, sind die Entgelte von dritter Seite, die - wie gezeigt werden soll - sehr wohl unter §37 EStG 1972 fallen. Hiefür sei ein repräsentatives Beispiel angeführt: Führt ein Verkehrsunfall, den ein Steuerpflichtiger schuldlos erleidet, zu einem Verdienstausfall, weil der Steuerpflichtige seine Arbeitskraft unfallbedingt nicht oder nicht ausreichend zur Erzielung von Einkünften verwerten kann, so stellen die als Ersatz für den Verlust steuerpflichtiger Einnahmen geleisteten Entschädigungen von dritter Seite - in der Regel von einer Versicherung Einkünfte im Sinne des §32 Z1 lita EStG 1972 dar vergleiche VwSlg. 3455 F/1966; ferner bei Nichteinhaltung der Zusage auf Beschäftigung in einem Dienstverhältnis: Erkenntnis des VwGH vom 15. Jänner 1986, Z85/13/0109). Da es sich diesfalls bei einem Arbeitnehmer nicht um einen sonstigen Bezug neben laufendem Arbeitslohn von demselben Arbeitgeber handelt, sind die von dritter Seite für den Verlust von Einnahmen geleisteten Entschädigungen im Veranlagungsweg zur Einkommensteuer heranzuziehen. §37 Abs1 letzter Satz EStG 1972 findet hier aber keine Anwendung, weil derartige Zahlungen nicht unter die Bestimmung des §67 EStG 1972 fallen. Daher wird die Tarifbegünstigung des §37 Abs2 Z4 EStG 1972 dann zur Anwendung kommen, wenn sich der Verdienstentgang über einen mehrjährigen Zeitraum erstreckt und die Entschädigungen zur Gänze in einem Kalenderjahr zufließen.

7. Der Gesetzgeber hat also mit §67 EStG 1972 für die für die nichtselbständig Erwerbstätigen typischen sonstigen Bezüge eine umfassende Sonderregelung getroffen, die mit Ausnahme eines kleinen Bereiches, nämlich §67 Abs10 EStG 1972, gegenüber den Einkünften der selbständig Erwerbstätigen auf eine erhebliche steuerlich begünstigende Behandlung der Bezüge der nichtselbständig Erwerbstätigen hinausläuft. Diese Begünstigung der sonstigen Bezüge der nichtselbständig Erwerbstätigen ist nach Ansicht der Bundesregierung iS der Judikatur des VfGH vergleiche VfSlg. 6874/1972) gegenüber den selbständig Erwerbstätigen sachlich gerechtfertigt. Der vom VfGH als relevant erachtete konkrete tatsächliche Unterschied muß aber auch für die im vorliegenden Gesetzesprüfungsverfahren aufgeworfene Problematik gelten. Neben den Begünstigungen gemäß §67 auch noch die Begünstigung gemäß §37 EStG 1972 zu gewähren, erschiene der Bundesregierung - auch im Sinne des genannten Erkenntnisses - als eine nicht mehr zu rechtfertigende Begünstigung der Bezüge nichtselbständig Erwerbstätiger gegenüber den Einkünften selbständig Erwerbstätiger. Auch von einer Durchschnittsbetrachtung her gesehen, erscheint es zulässig, daß der Gesetzgeber für die durch §67 Abs10 zur Gänze erfaßten sonstigen Bezüge, die ohne Zweifel Ausnahmefälle darstellen, keine Begünstigung vorsieht, ohne sie andererseits aber auch dem §37 EStG 1972 zu unterstellen. Vielmehr ist dies nur die konsequente Ausführung der in VfSlg. 6874/1972 ausdrücklich ausgesprochenen Verschiedenheit und damit Unvergleichbarkeit von sonstigen Bezügen nichtselbständig Erwerbstätiger und Einkünften selbständig Erwerbstätiger. Nach Auffassung der Bundesregierung ist es somit keinesfalls verfassungsrechtlich geboten, in den Ausnahmefällen sonstiger Bezüge, die zur Gänze unter §67 Abs10 fallen, die Begünstigung gemäß §37 EStG 1972 gesetzlich einzuräumen."

römisch II. Der VfGH hat - nach Verbindung der Prüfungsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung - erwogen:

1. In sämtlichen Anlaßbeschwerdesachen hätte der Gerichtshof meritorisch zu entscheiden und hiebei die in Prüfung genommene Gesetzesstelle anzuwenden. Außer der Präjudizialität liegen auch die übrigen Prozeßvoraussetzungen der eingeleiteten Prüfungsverfahren vor.

2. Die Bedenken des Gerichtshofs erweisen sich ebenfalls als gerechtfertigt.

Der VfGH findet keinen Anlaß, von der im Einleitungsbeschluß dargelegten Rechtsansicht abzurücken, sondern hält an ihr fest. Die von der Bundesregierung gegen diese Rechtsansicht erhobenen Einwände sind - wie die folgenden Ausführungen nachweisen - nicht stichhältig.

Der Hinweis auf das Erk. VfSlg. 6874/1972 versagt schon deshalb, weil die von der Bundesregierung bezogenen Aussagen dieser Entscheidung unter dem Blickwinkel solcher Begünstigungen (wie etwa der sogenannten Sechstelbegünstigung) zu verstehen sind, die bei anderen Einkünften als solchen aus nichtselbständiger Arbeit von den tatsächlichen Voraussetzungen her nicht in Betracht kommen. Gerade dies trifft aber unter den diesbezüglichen Prämissen des Prüfungsbeschlusses nicht zu.

Wenn die Bundesregierung den Zweck der durch das AbgabenänderungsG 1981 geschaffenen Bestimmung hervorhebt, eine "doppelte Begünstigung" (nämlich eine solche sowohl nach §67 als auch nach §37) auszuschließen, ist damit für ihren Standpunkt nichts zu gewinnen; der Ausschluß einer derartigen Begünstigung kann nämlich auch durch eine Regelung herbeigeführt werden, die nach ihrer Technik nicht mit dem im Prüfungsbeschluß kritisierten negativen Effekt verknüpft ist (zB zusätzlich ein Antragsrecht auf Veranlagung im Fall ausschließlich dem Abs10 im §67 unterliegender Einkünfte vorsieht). Grundsätzlich das gleiche gilt für die von der Bundesregierung betonte Absicht, die Begünstigung des §37 nicht mehr vom zufälligen Umstand abhängig zu machen, ob ein Arbeitnehmer infolge anderer Einkünfte veranlagt wird. Auch das Argument der Bundesregierung versagt, daß es sich bei nicht nach §67 Abs1 bis 8 begünstigten Entlohnungen nichtselbständig Erwerbstätiger bloß um atypische, vom Gesetzgeber in Kauf genommene Härtefälle handle. Die Bundesregierung räumt selbst das Bestehen einer Fallgruppe ein, nämlich nicht auf Vergleich beruhende Nachzahlungen, die weder neben dem laufenden Arbeitslohn noch in einem Konkursverfahren erfolgen. Wie der Gerichtshof aber schon ausgesprochen hat, kann der eigens formulierte Ausschluß von Fällen, die den geregelten sämtlich gleichwertig sind, niemals mit dem bloßen Hinweis darauf gerechtfertigt werden, daß es sich um seltene Fälle handle (VfSlg. 10384/1985).

Im Hinblick auf das eben Gesagte ist es auch nicht relevant, in welchem Bereich - wie die Bundesregierung es ausdrückt - es zu einer Überschneidung der Tatbestände des §67 und §37 kommen kann.

Auch daß eine Deutung des Prüfungsbeschlusses dahin, bloß eine "doppelte Begünstigung" entspreche dem Gleichheitsgebot, nicht zutrifft, ergibt sich aus dem bereits Gesagten. Auf die in diesem Zusammenhang allenfalls auftretende Frage einer kraß unterschiedlichen Gewichtung von Begünstigungen war hier jedoch nicht einzugehen.

2. Die in Prüfung gezogene Gesetzesstelle war sohin als verfassungswidrig aufzuheben.

In Handhabung des Art140 Abs5 dritter und vierter Satz B-VG sah sich der VfGH veranlaßt, für das Außerkrafttreten der aufgehobenen Gesetzesstelle eine Frist zu bestimmen. Der Gerichtshof berücksichtigte hiebei, daß sich allenfalls eine (nicht notwendig zur Begünstigung des §37 führende) Ersatzregelung als erforderlich erweist, und bemerkt in diesem Zusammenhang außerdem, daß die getroffene Entscheidung keine Aussage darüber enthält, ob die durch ein ersatzloses Entfallen des letzten Satzes im §37 Abs1 entstehende Gesetzeslage verfassungsmäßig wäre.

Der Ausspruch, daß frühere gesetzliche Bestimmungen nicht wieder in Wirksamkeit treten, beruht auf Art140 Abs6 erster Satz B-VG.

Die Verpflichtung des Bundeskanzlers zur unverzüglichen Kundmachung der Aufhebung erfließt aus Art140 Abs5 erster Satz B-VG und §64 Abs2 VerfGG.