Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

25.11.1996

Geschäftszahl

B3217/95

Sammlungsnummer

14650

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Versagung der Verlängerung einer Aufenthaltsbewilligung; grobe Verkennung der Rechtslage durch Unterlassung der gesetzlich vorgesehenen Anfrage an das Arbeitsmarktservice aufgrund der verfehlten Annahme einer Verpflichtung des Beschwerdeführers zur Erwirkung einer Unbedenklichkeitsbescheinigung

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid in dem durch das Bundesverfassungsgesetz Bundesgesetzblatt 390 aus 1973, verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 18.000,-- bestimmten Kosten des Verfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins. 1. Der Beschwerdeführer ist indischer Staatsangehöriger. Dem unwidersprochen gebliebenen Beschwerdevorbringen zufolge lebt er seit 1985 in Österreich, war er bis zum Ablauf der letztgültigen Aufenthaltsbewilligung am 29. Oktober 1994 stets im Besitz der erforderlichen fremden- bzw. aufenthaltsrechtlichen Bewilligungen und verfügte er außerdem über eine Arbeitsbewilligung mit einer Gültigkeit von 24. September 1993 bis 23. September 1994.

Am 29. September 1994 stellte der Beschwerdeführer einen Antrag auf Verlängerung seiner Aufenthaltsbewilligung. Mit Bescheid vom 15. Oktober 1994, Zl. MA 62-9/53750/2-V, wies der Landeshauptmann von Wien diesen Antrag mangels eines alle Risken abdeckenden Krankenversicherungsschutzes gemäß §5 Abs1 AufG in Verbindung mit §10 Abs1 Z2 FrG ab. Der Beschwerdeführer sorgte in der Folge für eine Selbstversicherung in der Wiener Gebietskrankenkasse und erhob Berufung gegen den abweislichen Bescheid. Die Berufung wurde seitens des Bundesministers für Inneres mit dem angefochtenen Bescheid gemäß §6 Abs1 AufG abgewiesen. Begründend wurde unter Hinweis auf §6 Abs1 dritter Satz AufG (diese Gesetzesstelle lautet: "Der Antragsteller kann den bei der Antragstellung angegebenen Zweck im Laufe des Verfahrens nicht ändern.") ausgeführt, daß eine arbeitsrechtliche Genehmigung des Beschwerdeführers für den im Antrag angeführten Zweck einer unselbständigen Erwerbstätigkeit laut den Erhebungen der erkennenden Behörde nicht bestehe und auch die vom Beschwerdeführer zur Erlangung der arbeitsrechtlichen Genehmigung erhobene Berufung kein positives Ergebnis erbracht habe. In diesem Zusammenhang führt die belangte Behörde folgendes aus:

"... Für die erkennende Behörde ist es hiedurch offensichtlich, daß ein Antrag auf Mitteilung der Unbedenklichkeit bei der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice keinerlei materielle Veränderung erwirken könne, wie es auch bisher von Ihnen unterlassen wurde, einen derartigen Antrag einzubringen.

Dieser Argumentation folgend kann die erkennende Behörde nicht für den von Ihnen angestrebten Aufenthaltszweck der Ausübung einer unselbständigen Erwerbstätigkeit entsprechen und das Berufungsverfahren in Ihrem Sinne finalisieren ..."

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in welcher die Verletzung näher bezeichneter verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte sowie die Verfassungswidrigkeit der Bestimmung des §6 Abs1 AufG in der Fassung Bundesgesetzblatt 351 aus 1995,) geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

3. Der Bundesminister für Inneres als belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragte - ohne auf das Vorbringen des Beschwerdeführers einzugehen - die Abweisung der Beschwerde.

römisch II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene, die Verlängerung der Bewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz versagende Bescheid greift in das dem Beschwerdeführer durch das Bundesverfassungsgesetz Bundesgesetzblatt 390 aus 1973, verfassungsgesetzlich gewährleistete Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander ein.

2. Die belangte Behörde hat die Versagung der Aufenthaltsbewilligung im wesentlichen darauf gestützt, daß der Beschwerdeführer als Aufenthaltszweck die Beschäftigung als unselbständig Erwerbstätiger angegeben hat, jedoch zum Zeitpunkt der Antragstellung über keine dementsprechende arbeitsrechtliche Bewilligung verfüge. Sie hat jedoch jegliche weitere Ermittlungstätigkeit, insbesondere die im Falle der Heranziehung des §5 Abs2 AufG gesetzlich vorgesehene Anfrage an die Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice, unterlassen und ist - wie aus den Ausführungen in der Bescheidbegründung hervorgeht - überdies von der verfehlten Rechtsansicht ausgegangen, daß es Sache des Beschwerdeführers gewesen wäre, einen Antrag auf Mitteilung der Unbedenklichkeit bei der zuständigen Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice einzubringen. Diese Annahme der belangten Behörde bedeutet ein grobes Verkennen der Rechtslage, das in die Verfassungssphäre reicht.

3. In ständiger Rechtsprechung hat der Verfassungsgerichtshof bei der Prüfung bekämpfter Bescheide unter dem Aspekt des nur österreichischen Staatsbürgern gewährleisteten Gleichheitsrechtes den Standpunkt vertreten, daß eine Verletzung dieses verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes (ua.) dann vorliegt, wenn der angefochtene Bescheid wegen gehäuften Verkennens der Rechtslage in einem besonderen Maße mit den Rechtsvorschriften in Widerspruch steht (zB VfSlg. 10337/1985, 11436/1987). Ein solcher - im Hinblick auf das Gleichheitsgebot in die Verfassungssphäre reichender - Fehler ist auch in Ansehung eines Bescheides wahrzunehmen, der einen Fremden zum Adressaten hat. Wie der Verfassungsgerichtshof in seiner neueren Judikatur (VfGH 2.7.1994 B1911/93, 29.6.1995 B2318/94, 30.11.1995 B1691/95, 13.12.1995 B434/94) ausgesprochen hat, umfaßt ArtI Abs1 des BVG zur Durchführung des Internationalen Übereinkommens über die Beseitigung aller Formen rassischer Diskriminierung, Bundesgesetzblatt 390 aus 1973,, (auch) das allgemeine, sowohl an die Gesetzgebung als auch an die Vollziehung gerichtete Verbot, sachlich nicht begründbare Unterscheidungen zwischen Fremden vorzunehmen. Diese Verfassungsnorm enthält ein - auch das Sachlichkeitsgebot einschließendes - Gebot der Gleichbehandlung von Fremden; deren Ungleichbehandlung ist also nur dann und insoweit zulässig, als hiefür ein vernünftiger Grund erkennbar und die Ungleichbehandlung nicht unverhältnismäßig ist. Diesem Gleichbehandlungsgebot, welches dem Fremden durch die bezogene Verfassungsvorschrift des BVG Bundesgesetzblatt 390 aus 1973, als subjektives Recht gewährleistet ist, widerstreitet ein in grober Verkennung der Rechtslage ergangener Bescheid aber nicht anders als gemäß der dargestellten Judikatur dem nur österreichischen Staatsbürgern gewährleisteten Gleichheitsrecht.

Der angefochtene Bescheid war daher schon aus diesem Grund aufzuheben; bei diesem Ergebnis erübrigte es sich, auf das Beschwerdevorbringen im einzelnen einzugehen.

4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer von S 3.000,-- enthalten.

5. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung getroffen werden.