Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

28.11.1997

Geschäftszahl

B2364/96,B3767/96,B2291/97

Sammlungsnummer

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Leitsatz

Anlaßfallwirkung der Aufhebung der die Familienbesteuerung betreffenden Bestimmungen des EStG 1988 mit E v 17.10.97, G168/96 ua.

Die belangte Behörde hat dadurch, daß sie den für die Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen die steuerliche Anerkennung versagt hat (zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Ehegatten vergleiche VfSlg. 13067/1992, S 567, und VfSlg. 13297/1992), Gesetzesbestimmungen angewendet, die vom Verfassungsgerichtshof mit dem eben zitierten Erkenntnis aufgehoben wurden. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers als nachteilig erweist.

Kostenzuspruch.

In den zugesprochenen Kosten sind Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-- und Reisekosten in Höhe von S 3.360,20, die dem Beschwerdeführer für seine Teilnahme an den öffentlichen mündlichen Verhandlungen im Gesetzesprüfungsverfahren erwachsen sind, enthalten.

Spruch

Der Beschwerdeführer ist durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Die Bescheide werden aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seines Rechtsvertreters die mit S 56.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen vierzehn Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

römisch eins.1. Der Beschwerdeführer machte in seinen Erklärungen zur Durchführung der Arbeitnehmerveranlagung für die Kalenderjahre 1994, 1995 und 1996 unter anderem die für seine Ehefrau sowie für seine drei Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen in jeweils näher bezeichneter Höhe als außergewöhnliche Belastungen geltend.

Das Finanzamt versagte den geltend gemachten Unterhaltsleistungen die Anerkennung als außergewöhnliche Belastung. Den dagegen erhobenen Berufungen blieb der Erfolg versagt.

2. Die Beschwerden gegen die Berufungsbescheide der Finanzlandesdirektion für Kärnten rügen die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Eheschließung und Familiengründung gemäß Art12 EMRK, auf Achtung des Privat- und Familienlebens gemäß Art8 EMRK und auf Unverletzlichkeit des Eigentums sowie die Verletzung von Rechten wegen Anwendung eines für verfassungswidrig erachteten Gesetzes; weiters wird ein Verstoß gegen das Übereinkommen über die Rechte des Kindes, Bundesgesetzblatt 7 aus 1993,, geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des jeweils angefochtenen Bescheides, in eventu die Abtretung der jeweiligen Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof beantragt.

3. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und in ihren Gegenschriften zu B2364/96 und B3767/96 die Abweisung der Beschwerden beantragt. Im Verfahren B2291/97 hat sie auf die Erstattung einer Gegenschrift verzichtet.

römisch II.Die Beschwerden sind im Ergebnis begründet.

1. Der Verfassungsgerichtshof hat aus Anlaß anderer Beschwerdeverfahren mit Erkenntnis vom 17. Oktober 1997, G168/96 ua., die Worte "und für den Unterhalt seiner Familienangehörigen" in §20 Abs1 Z1 EStG 1988, BGBl. 400, §33 Abs4 Z3, §34 Abs7 Z1 und §57 Abs2 Z3 lita EStG 1988 in der Fassung Bundesgesetzblatt 312 aus 1992, sowie §33 Abs4 Z3 lita und §34 Abs7 Z1 und 2 EStG 1988 in der Fassung Bundesgesetzblatt 818 aus 1993, als verfassungswidrig aufgehoben.

2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG ist ein vom Verfassungsgerichtshof aufgehobenes Gesetz im Anlaßfall nicht mehr anzuwenden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes sind einem Anlaßfall (im engeren Sinn) jene Fälle gleichzuhalten, die im Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung über eine in der Beschwerdesache präjudizielle Gesetzesstelle anhängig sind vergleiche VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).

3. Die hg. zu B2364/96 protokollierte Beschwerde ist am 23. Juli 1996, die zu hg. B3767/96 protokollierte am 6. November 1996 und die zu B2291/97 anhängige Beschwerde am 4. September 1997 beim Verfassungsgerichtshof eingelangt. Der Zeitpunkt des Beginns der mündlichen Verhandlung im Normenprüfungsverfahren G168/96 ua. war der 6. Oktober 1997. Die Gesetzesaufhebung vergleiche Pkt. römisch II.1.) wirkt daher auch für sie.

Die angefochtenen Bescheide sind (soweit sie den für die Kinder geleisteten Unterhaltszahlungen die steuerliche Anerkennung versagten) in Anwendung von als verfassungswidrig aufgehobenen Bestimmungen ergangen (zur steuerlichen Berücksichtigung von Unterhaltsleistungen an Ehegatten vergleiche VfSlg. 13067/1992, S 567, und VfSlg. 13297/1992). Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß sich ihre Anwendung für den Beschwerdeführer als nachteilig erweist. Der Beschwerdeführer ist demnach durch die angefochtenen Bescheide wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.

Die Bescheide waren daher aufzuheben.

4. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

5. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VerfGG. Im zugesprochenen Kostenbetrag ist der Ersatz der für die Antragstellung in der zu B2291/97 protokollierten Beschwerde entrichteten Gebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von S 2.500,-- sowie Umsatzsteuer in Höhe von S 9.000,-- enthalten.