Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

30.11.2017

Geschäftszahl

E2528/2017 ua

Sammlungsnummer

20215

Leitsatz

Verletzung im Recht auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander durch Abweisung der Anträge auf internationalen Schutz mangels Auseinandersetzung mit dem Parteivorbringen hinsichtlich der fehlenden Bildungsmöglichkeiten für die minderjährigen Mädchen in ihrer Heimatprovinz in Afghanistan

Rechtssatz

Die drei minderjährigen Mädchen sind im schulpflichtigen Alter. Sie stammen aus einer Region, von der das BFA selbst in seiner Entscheidungsbegründung betreffend die Zuerkennung des Status der subsidiär Schutzberechtigten annimmt, dass aufgrund intensiver Operationen der Taliban die Sicherheitslage weiterhin volatil ist. Insbesondere aber lässt das Bundesverwaltungsgericht sowohl einschlägige Länderberichte außer Acht, denen zu entnehmen ist, dass je nach Herkunftsregion und Einflussgebiet terroristischer Gruppen Mädchen der Zugang zu Bildung weiterhin verwehrt sein kann, als auch die zu dieser asylrelevanten Frage ergangene Rechtsprechung des VfGH.

Sollte das Bundesverwaltungsgericht vermeinen, das Vorbringen des Erstbeschwerdeführers und der Zweitbeschwerdeführerin (Eltern) sei nicht zu berücksichtigen, soweit diese es selbst nicht als asylrelevant erachteten, so ist auf die in §18 Abs1 AsylG 2005 normierte amtswegige Ermittlungspflicht hinzuweisen, die auch das Bundesverwaltungsgericht trifft. Demnach hat es insbesondere darauf hinzuwirken, dass allenfalls lückenhafte Angaben über die zur Begründung des Antrages geltend gemachten Umstände vervollständigt werden. Das gilt in besonderem Maße bei der Beurteilung des Vorbringens von Minderjährigen, unabhängig davon, ob sie selbst oder ihre gesetzlichen Vertreter einvernommen wurden.

Indem das Bundesverwaltungsgericht eine nähere Auseinandersetzung mit dem vor dem Hintergrund einschlägiger Länderberichte hinreichend substantiierten Parteivorbringen vermissen lässt, hat es in einem entscheidenden Punkt jegliche Ermittlungstätigkeit unterlassen und die Erkenntnisse betreffend die Dritt-, Viert- und Fünftbeschwerdeführerinnen daher mit Willkür belastet. Dieser Mangel schlägt gemäß §34 Abs4 AsylG 2005 auf die Entscheidungen betreffend den Erstbeschwerdeführer und die Zweitbeschwerdeführerin durch; daher sind auch diese aufzuheben.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2017:E2528.2017