Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

28.06.2017

Geschäftszahl

V99/2015

Sammlungsnummer

20181

Leitsatz

Keine Gesetzwidrigkeit des in den RL-BA 1977 enthaltenen Provisionsverbotes für die Tätigkeit von Rechtsanwälten; kein unverhältnismäßiger Eingriff in die Erwerbs(ausübungs)freiheit

Rechtssatz

Abweisung des - zulässigen - Antrags des OGH auf Aufhebung des §51 der Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes und für die Überwachung der Pflichten des Rechtsanwaltes und des Rechtsanwaltsanwärters ("RL-BA 1977").

Da die Vorgaben der RL-BA 1977 gemäß §59 Abs3 RL-BA 2015 für bis einschließlich 31.12.2015 verwirklichte Sachverhalte weiterhin anwendbar sind, erscheint es offenkundig, dass das antragstellende Gericht §51 RL-BA 1977 im Hinblick auf die Frage, ob das bekämpfte Disziplinarerkenntnis in rechtmäßiger Weise ergangen ist, anzuwenden hat.

Die Richtlinien für die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes werden zum einen durch die Verordnungsermächtigung des §37 RAO gesetzlich determiniert, darüber hinaus aber insbesondere auch durch die Bestimmungen des römisch II. Abschnittes der Rechtsanwaltsordnung ("Rechte und Pflichten der Rechtsanwälte") sowie durch §1 Abs1 DSt 1990.

Dass in den Standesrichtlinien auch das außerberufliche Verhalten eines Rechtsanwaltes geregelt werden darf, ergibt sich aus der - verfassungsrechtlich unbedenklichen - Bestimmung des §1 Abs1 DSt 1990, wonach ein Rechtsanwalt nicht nur dann ein Disziplinarvergehen begeht, wenn er schuldhaft die Pflichten seines Berufes verletzt, sondern auch dann, wenn er inner- oder außerhalb seines Berufes durch sein Verhalten die Ehre oder das Ansehen des Standes beeinträchtigt (VfSlg 16265/2001).

Vor diesem Hintergrund geht der VfGH davon aus, dass sich das in §51 RL-BA 1977 enthaltene Verbot, für die Tätigkeit des Rechtsanwaltes einen Maklerlohn (Provision) zu vereinbaren oder entgegenzunehmen, auf die Ermächtigung des §37 RAO stützen kann. Daran vermag auch die Bestimmung des §16 Abs1 RAO nichts zu ändern, der zufolge der Rechtsanwalt sein Honorar mit der Partei grundsätzlich frei vereinbaren kann, solange er nicht eine ihm anvertraute Streitsache ganz oder teilweise an sich löst.

Dem Gesetz- bzw Verordnungsgeber kommt bei derartigen Regelungen ein großer rechtspolitischer Gestaltungsspielraum zu. Es kann dem Verordnungsgeber nicht entgegengetreten werden, wenn er mit der in §51 RL-BA 1977 enthaltenen Regelung unter anderem das Ziel verfolgt, Interessenkollisionen zwischen der eigentlichen Tätigkeit des Rechtsanwaltes und einer sonstigen Tätigkeit, wie zB der Tätigkeit als Makler, zu unterbinden.

In diesem Sinn stellt das von §51 RL-BA 1977 statuierte - bloß die Ausübung und nicht den Antritt des Erwerbes betreffende - Provisionsverbot keinen unverhältnismäßigen Eingriff in die Erwerbs(ausübungs)freiheit dar.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2017:V99.2015