Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

14.03.2017

Geschäftszahl

G14/2016

Leitsatz

Zurückweisung eines weiteren Individualantrags auf Aufhebung von Bestimmungen des Fern- und Auswärtsgeschäfte-Gesetzes betreffend das Rücktrittsrecht des Verbrauchers bei außerhalb der Geschäftsräumlichkeiten abgeschlossenen Verträgen als zu eng gefasst; Unzulässigkeit auch des Eventualantrags auf Aufhebung des gesamten Gesetzes als zu weit gefasst

Rechtssatz

Zurückweisung des Antrags auf Aufhebung (von Teilen) des §4, §10, §14, §15, §16, §17, §18 und §19 Fern- und Auswärtsgeschäfte-G - FAGG.

Unmittelbare und aktuelle Betroffenheit der antragstellenden Gesellschaft (Betreiberin eines Maler- und Anstreichergewerbes) gegeben; bewusster Verstoß gegen eine strafbewehrte Bestimmung und Provokation eines verwaltungsbehördlichen Strafverfahrens nicht zumutbar; auch Provozierung eines Zivilverfahrens durch Verstoß gegen eine konsumentenschutzrechtliche Pflicht bzw Provokation eines Wettbewerbsprozesses nicht zumutbar vergleiche B v 09.10.2015, G164/2014).

Vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken erweist sich der Hauptantrag als zu eng gefasst.

Soweit sich die antragstellende Gesellschaft gegen die in §4 Abs1 FAGG enthaltene Pflicht wendet, den Verbraucher in der gesetzlich vorgesehenen Weise zu informieren, bevor dieser durch seine Vertragserklärung gebunden ist, erweist sich der auf Aufhebung der Wortfolge "oder seine Vertragserklärung" in §4 Abs1 FAGG gerichtete Hauptantrag als unzulässig. Im Lichte der zwingenden Vorgaben des Art6 der Verbraucherrechte-Richtlinie, welche der österreichische Gesetzgeber in §4 Abs1 erster Halbsatz FAGG umgesetzt hat, würde die Aufhebung von einzelnen Wortfolgen bei gleichzeitiger Fortgeltung des verbleibenden Regelungstorsos im vorliegenden Fall einen dem VfGH verwehrten Akt der positiven Gesetzgebung darstellen.

Die in Zusammenhang mit der Anfechtung der Wortfolge in §4 Abs1 FAGG vorgetragenen Bedenken der antragstellenden Gesellschaft richten sich nicht alleine gegen den Zeitpunkt des Entstehens der Informationspflichten, sondern in einem auch gegen die an die Verletzung der Informationspflichten knüpfenden Rechtsfolgen. Vor diesem Hintergrund lässt sich das Antragsbegehren insoweit nicht trennen. Vielmehr besteht im Lichte der geltend gemachten Bedenken zwischen §4 Abs1 FAGG und den übrigen im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen des FAGG ein untrennbarer Zusammenhang.

Unzulässigkeit auch des pauschal gegen das FAGG gerichteten Eventualantrags.

Bedenken werden lediglich in Bezug auf die im Hauptantrag angefochtenen Bestimmungen dargelegt; kein untrennbarer Zusammenhang zu den übrigen Bestimmungen des Gesetzes.

Das Rücktrittsrecht des Verbrauchers könnte selbst im Fall einer Aufhebung jener Bestimmungen, welche die Informationspflichten des Unternehmers sowie bestimmte daran anknüpfende Rechtsfolgen in Gefolge der Ausübung des Rücktrittsrechts - teilweise abweichend von allgemeinen zivilrechtlichen Vorgaben - regeln, jedenfalls weiter im Rechtsbestand verbleiben. Unabhängig von der gesetzlichen Systematik lässt sich ein untrennbarer Zusammenhang auch im Lichte der geltend gemachten Bedenken schon deshalb nicht feststellen, da sich der Antrag keineswegs gegen das in §11 FAGG enthaltene Rücktrittsrecht an sich wendet.

Da es sich auch bei §11 FAGG um eine für das FAGG zentrale Rechtsvorschrift handelt, verbliebe selbst im Falle der allfälligen Aufhebung der vor dem Hintergrund der geltend gemachten Bedenken anzufechtenden Bestimmungen mit dem FAGG insgesamt kein unanwendbarer Regelungstorso. Der Umstand, dass durch die etwaige (teilweise) Aufhebung der mit den Informationspflichten in Zusammenhang stehenden Bestimmungen ein zentrales Element des FAGG entfiele, vermag an dieser Beurteilung nichts zu ändern.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2017:G14.2016