Gericht

Verfassungsgerichtshof

Entscheidungsdatum

12.12.2016

Geschäftszahl

G105/2016 ua

Leitsatz

Zurückweisung eines Parteiantrags auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit einer - den Begriff der gewerbsmäßigen Begehung beschreibenden - Vorschrift des StGB sowie auf Aufhebung von Bestimmungen der StPO über die Beschränkung der Berufungsgründe gegen ein schöffengerichtliches Urteil wegen zu eng gewählten Anfechtungsumfanges

Rechtssatz

Unzulässigkeit des Antrags auf Feststellung der Verfassungswidrigkeit des §70 StGB.

§70 StGB, Bundesgesetzblatt 60 aus 1974,, (Neufassung durch Bundesgesetzblatt Teil eins, 112 aus 2015,) beinhaltet lediglich eine Beschreibung des Begriffs der gewerbsmäßigen Begehung, ohne eigenständige normative Bedeutung zu entfalten; normativen Gehalt erfährt der Terminus Gewerbsmäßigkeit erst in Verbindung mit jenen Vorschriften, die diesen enthalten, wie einzelne (qualifizierte) Tatbestände des Besonderen Teils des StGB, in concreto des Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Tatbestandes der schweren Erpressung nach §145 Abs2 Z1 StGB. Der Antragsteller ficht die in Rede stehende Definition allerdings isoliert - und nicht gemeinsam mit der zuletzt genannten Vorschrift - an.

Unzulässigkeit auch des Antrags auf Aufhebung des §283 Abs1 StPO (Einschränkung der Berufungsgründe gegen ein schöffengerichtliches Urteil auf den Ausspruch über die Strafe und die privatrechtlichen Ansprüche) sowie einer Wortfolge in §295 Abs1 StPO (Festlegung der Kognitionsbefugnis des OLG bei seiner Berufungsentscheidung dahin, dass dieses an den erstgerichtlichen Ausspruch über die Schuld und das anzuwendende Strafgesetz gebunden ist).

Vor dem Hintergrund der unterschiedlichen Ausgestaltung der Rechtsmittel in Bezug auf einzelrichterliche Urteile einerseits ("volle Berufung" in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht) und kollegialgerichtliche Urteile andererseits (abgesehen von der Berufung gem §283 Abs1 StPO nur Nichtigkeitsbeschwerde gemäß §281 StPO) ist auch die auf einzelne Teile des §283 und §295 StPO beschränkte Anfechtung jedenfalls zu eng gewählt, weil - im Fall des Vorliegens der behaupteten Verfassungswidrigkeit der Einschränkung der Schuldberufung auf einzelrichterliche Verfahren - zumindest eine Aufhebung all jener Regelungen hinsichtlich der Rechtsmittelgründe, die Beweiswürdigungsfragen betreffen (wie etwa §281 Abs1 Z5a StPO), zur Beseitigung der ins Treffen geführten Gleichheitswidrigkeit erforderlich wäre.

European Case Law Identifier

ECLI:AT:VFGH:2016:G105.2016